Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 9 K 1392/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten um die Zuweisung eines erhöhten betriebsindividuellen Betrages (BIB) als Referenzwert zur Festsetzung von Zahlungsansprüchen, die zur Beantragung der Betriebsprämie dienen.
3Mit Sammelantrag vom 12. Mai 2005 beantragte der Kläger die Zuweisung und Festsetzung von Zahlungsansprüchen. Zugleich stellte er den Antrag auf Berücksichtigung eines Härtefalles nach Artikel 40 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (sog. Anlage 40). Zur Begründung gab er an: Soweit für die Zuweisung eines sog. betriebsindividuellen Betrages (BiB) die in dem Bezugszeitraum 2000 bis 2002 gewährten Sonderprämien für männliche Rinder maßgeblich seien, habe er mit Sonderprämienbescheid vom 01. Juli 2003 für das Jahr 2002 ausgehend von 34 beantragten Tieren eine Prämienzahlung nach sog. Plafondkürzung für 29,4 Tiere erhalten. Tatsächlich seien jedoch weitere 55 prämienfähige Tiere für das Kalenderjahr 2002 zu berücksichtigen. Diese 55 Tiere habe er am 09. Januar 2003 mit dem entsprechenden Antragsformular für das Kalenderjahr 2002 bei der Geschäftsstelle der Landwirtschaftskammer in Borken beantragen wollen, zumal der Besatzdichtefaktor, ausgedrückt in Großvieheinheiten (GVE), für dieses Jahr bei 53,4 GVE gelegen und damit hinreichend Hauptfutterfläche in seinem Betrieb zur Verfügung gestanden habe. Die Mitarbeiter der Kammer, Frau V. und Herr L. , hätten ihm erklärt, dass der Antrag für 2002 verspätet sei und lediglich für 2003 ein Antrag gestellt werden könne. Daher habe er am 09. Januar 2003 mit den bereits ausgefüllten Antragsformularen für diese Tiere lediglich die Schlachtprämie für 2002 beantragt, was ohne Verspätungshindernis möglich gewesen sei. Dazu seien die entsprechend gesetzten Kreuzchen für die Beantragung der Sonderprämie, die in einem gemeinsamen Formular gleichzeitig mit der Schlachtprämie habe beantragt werden können, durchgestrichen worden. Unter Verwendung der vorhandenen Antragsunterlagen habe er sodann am 12. Februar 2003 den Antrag auf Sonderprämie für die 55 Tiere sowie für ein weiteres Tier mit dem neuem Deckblatt "Antragstellung 2003, Schlachtung/Ausfuhr 2002, einzureichen bis 28.02.2003" gestellt. In den Antragsunterlagen habe er dazu die Beantragung einer Schlachtprämie durchgestrichen und erneut die Kreuze für die Beantragung der Sonderprämie gesetzt. Die beantragte Sonderprämie sei bewilligt und ausgezahlt worden.
4Aus den Unterlagen ergebe sich mithin, dass er - wenn auch verspätet, nämlich erst 2003 - einen Antrag auf Sonderprämie für 2002 habe stellen wollen. Letztlich habe er sich einzig und allein durch die Beratung der beiden Kammerbeschäftigten bewegen lassen, den ursprünglich gestellten Antrag zu ändern, obwohl er selbst die Anregung vorgebracht habe, den bereits am 09. Januar 2003 ausgefüllten und vorgelegten Antrag so laufen zu lassen. Wenn dieser Antrag auch als verspätet abgelehnt worden wäre, so hätten seiner Auffassung nach die prämienfähigen 55 Tiere jedoch bei der Ermittlung des betriebsindividuellen Betrages Berücksichtigung gefunden. Diese Umstände seien als Härtefall zu berücksichtigen.
5Mit Bescheid vom 31. März 2006 wies der Beklagte dem Kläger 38,51 Zahlungsansprüche (ZA) für Ackerland mit einem Wert von jeweils 642,36 Euro sowie 3,14 ZA Stilllegungsfläche mit einem Wert von 267,70 Euro zu. Auf der Grundlage der im Bezugszeitraum 2000 bis 2002 dem Kläger gewährten Sonderprämie für männliche Rinder ist darin ein BiB in Höhe von 14.574,00 Euro (vor Abzug von 1 % für die nationale Reserve) enthalten. Insoweit hatte der Beklagte die im Bezugszeitraum durchschnittlich gezahlte Sonderprämie, die seinerzeit 210,00 Euro pro Tier betrug, berücksichtigt. Dazu hatte er für das Jahr 2000 90, für das Jahr 2001 88,80 und für das Jahr 2002 29,40 Tiere eingestellt. Die letztgenannte Zahl entspricht der Berücksichtigung von 34 Tieren, die auf Grund einer generellen Plafondkürzung in Höhe von 13,4 % mit dem daraus folgenden Faktor von 0,866 multipliziert eine Sonderprämienzahlung für - gerundet - 29,40 Tiere ergibt. Die Anerkennung eines Härtefalles lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, der Zuwendungs- und Ablehnungsbescheid für die Sonderprämie für männliche Rinder für das Jahr 2002 sei bereits rechtskräftig und könne auch nicht im Rahmen einer Härtefallregelung neu aufgegriffen werden.
6Mit seinem Widerspruch verwies der Kläger auf seine Ausführungen zum Härtefallantrag und legte ergänzend dar: Die Verminderung von unstreitig 34 berücksichtigungsfähigen prämienfähigen Tieren im Kalenderjahr 2002 durch die Plafondkürzung auf 29,40 bei Ermittlung des BiB sei nicht nachvollziehbar. In der Publikation des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Ausgabe 2005, "Meilensteine der Agrarpolitik: Umsetzung der Europäischen Agrarreform in Deutschland" werde auf Seite 19 die Aussage getroffen, dass die durchschnittliche Zahl der Tiere, für die in den Jahren 2000 bis 2002 eine bestimmte Direktzahlung gewährt worden sei (einschließlich der Tiere, die prämienfähig waren, für die aber wegen einer Sanktion auf Grund einer anderen Vorschrift keine Zahlung gewährt worden sei) mit dem jeweiligen Prämienbetrag des Jahres 2002 zu multiplizieren sein. Daraus folge, dass jedenfalls 34 Sonderprämien des Jahres 2002 bei Ermittlung des BiB zu Grunde zu legen seien.
7Mit Bescheid vom 25. Juli 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Berücksichtigung von lediglich 29,40 Sonderprämien für das Kalenderjahr 2002 im Bezugszeitraum sei korrekt erfolgt. Für dieses Kalenderjahr sei auf Grund einer generellen Plafondkürzung, die auf die von der Europäischen Kommission durch Verordnung festgelegte nationale Höchstgrenze zurückgehe, die Sonderprämie lediglich für 86,6 % der prämienfähigen Tiere ausgezahlt worden sei. Diese Verminderung stelle aber keine Sanktion in dem vom Kläger genannten Sinne dar, sondern habe alle Landwirte betroffen.
8Die vom Kläger erläuterte verspätete Antragstellung Anfang des Jahres 2003 für 55 männliche Rinder zur Sonderprämie für das Jahr 2002 könne nicht als Härtefall im Sinne des Artikel 40 der VO (EG) Nr. 1782/2003 beurteilt werden. Ein Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Sinne dieser Vorschrift liege nicht vor. Bei der verspäteten Antragstellung handele es sich um eine Tatsache, die aus der Risikosphäre des Klägers stamme. Es sei für ihn vorhersehbar gewesen, dass dann möglicherweise einige Tiere nicht hätten berücksichtigt werden können. Bei Anwendung entsprechender Sorgfalt habe er solche nachteiligen Folgen selbst vermeiden können.
9Mit seiner am 22. August 2007 erhobenen Klage vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren: Die Beantragung der 55 Rinder für das Kalenderjahr 2003 statt - wie ursprünglich vorgesehen - für das Kalenderjahr 2002 habe er ausschließlich auf Grund der Beratung der Kammermitarbeiter des Beklagten vorgenommen. Es sei zwar zutreffend, dass er andernfalls für diese Tiere überhaupt keine Sonderprämie erhalten hätte, weil ein entsprechender Sonderprämienantrag für das Jahr 2002 aus Verspätungsgründen hätte abgelehnt werden müssen. Allerdings wären die 55 Tiere seinem Rechtsverständnis nach und so, wie er die Beratung durch die beiden Kammermitarbeiter verstanden habe, dann im Bezugszeitraum als beantragte Tiere berücksichtigt worden. Insofern verstoße es nunmehr gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich der Beklagte darauf berufe, nur die tatsächlich bezogenen Sonderprämienzahlungen seien bei Ermittlung des betriebsindividuellen Betrages zu Grunde zu legen.
10Der Kläger beantragt,
11den Beklagten unter teilweiser Änderung des Festsetzungs- und Zuweisungsbescheides vom 31. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2007 zu verpflichten, ihm - dem Kläger - Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages auf der Basis von weiteren 55 männlichen Rindern für das Referenzjahr 2002 zuzuweisen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Nach den seinerzeit einschlägigen Regelungen habe bei einem im Jahre 2003 gestellten Antrag auf Sonderprämie eine Beihilfe auch nur unter Anrechnung auf dieses Kalenderjahr gezahlt werden dürfen. Angesichts dessen könne von einer fehlerhaften Beratung durch die Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer keine Rede sein, weil diese dem Kläger mit ihren Hinweisen die Möglichkeit eröffnet hätten, den Antrag für 55 Tiere in der einzig zulässigen Weise, nämlich für das Jahr 2003, zu stellen. Ein Anspruch auf Berücksichtigung eines Härtefalles nach Artikel 40 der VO (EG) Nr. 1782/2003 komme weder von der Tatbestands- noch von der Rechtsfolgenseite her in Betracht. Die Plafondkürzung für die tatsächlich im Jahr 2002 berücksichtigten 34 Tiere habe der gesetzlichen Regelung entsprochen, von der alle Landwirte betroffen gewesen seien.
15Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Heft) Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage hat keinen Erfolg.
18Die gemäß § 42 Abs. 1, 2. Variante Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Die Ablehnung der Zuweisung eines weiteren erhöhten betriebsindividuellen Betrages im Rahmen der Festsetzung der Zahlungsansprüche des Klägers in dem Bescheid des Beklagten vom 31. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des betriebsindividuellen Betrages auf der Basis von für das Referenzjahr 2002 zusätzlich zu berücksichtigender sonderprämienfähiger männlichen Rinder.
19Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Zahlungsansprüchen sind die Bestimmungen über die einheitliche Betriebsprämie in Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270/1) sowie die VO (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/1) und die VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/18) jeweils mit nachfolgenden Änderungen. Die Umsetzung dieser Vorschriften auf nationaler Ebene ist u.a. durch das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG -) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) sowie durch die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (BetrPrämDurchfV) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204) - jeweils mit späteren Änderungen - erfolgt.
20Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung werden gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne des Art. 44 Abs. 2 gezahlt. Jeder Zahlungsanspruch ergibt zusammen mit je einem Hektar beihilfefähiger Fläche Anspruch auf die Zahlung des mit dem Zahlungsanspruch festgesetzten Betrags [Art. 44 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1782/2003]. Der Wert eines Zahlungsanspruches berechnet sich, indem ein regionaler flächenbezogener Betrag durch einen sog. "Top Up" erhöht wird, der sich im Wesentlichen aus einem betriebsindividuellen Betrag, geteilt durch die nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 angemeldete Hektarzahl ergibt [§ 59 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V. mit § 5 BetrPrämDurchfG]. Er bildet den Referenzbetrag der einheitlichen Betriebsprämie. Der betriebsindividuelle Betrag wird für das Jahr 2005 u.a. aus dem Dreijahresdurchschnitt (Bezugszeitraum) der Gesamtbeträge der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG genannten Direktzahlungen berechnet, die der Betriebsinhaber in jedem der Jahre 2000 - 2002 bezogen hat [Art. 37 Abs. 1, Art. 38 VO (EG) Nr. 1782/2003 i. V. mit Anhang VI und VII der VO (EG) Nr. 1782/2003 sowie § 5 Abs. 2 Nr. 1. BetrPrämDurchfG]. Hierzu gehört auch die Sonderprämie für männliche Rinder [§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a), aa) BetrPrämDurchfG]. Die Berechnung des BIB auf der Grundlage der Sonderprämie für männliche Rinder richtet sich nach dem Berechnungsmodus des Anhang VII C. der VO (EG) Nr. 1782/2003 i. V. m. § 5 Abs. 2 BetrPrämDurchfG. Danach ist der Betrag je (Durchschnitts-) Tier zugrunde zu legen, der für das Kalenderjahr 2002 in den im Anhang VI aufgeführten einschlägigen Artikeln - hier Spalte "Rindfleisch" - festgelegt ist. Nach Artikel 4 Abs. 7 a) der dort genannten Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 sind dies 210 Euro/Tier.
21Entsprechend diesen Bestimmungen hat der Beklagte den betriebsindividuellen Betrag des Klägers auf der Grundlage der Sonderprämie im Bezugszeitraum und entgegen der vom Kläger hinsichtlich des Referenzjahres 2002 erhobenen Einwendungen beanstandungsfrei ermittelt.
22Das gilt zunächst für den vom Kläger im Widerspruchsverfahren bemängelten Plafondabzug. Für das Jahr 2002 hat der Beklagte zu Recht die Zahl der berücksichtigungsfähigen und seinerzeit beantragten 34 Tiere um 13,4 % und damit mit einem Koeffizienten von 0.866 auf (34 x 0.866 =) 29,40 Tiere gekürzt. Anhang VI der VO (EG) Nr. 1782/2003 - hier Spalte "Rindfleisch" - verweist auf Artikel 4 der VO (EG) Nr. 1254/1999. Entsprechend dessen Absatz 4 war im Jahre 2002 eine regionale Höchstgrenze, sogenannter Plafond, zu berücksichtigen. Nach Unterabsatz 1 wurde die Zahl der prämienfähigen Tiere für jeden Erzeuger im Jahre 2002 proportional gekürzt, wenn in einer bestimmten Region – hier: Deutschland – die Gesamtzahl der Bullen und Ochsen der ersten Altersklasse, für die ein Prämienantrag gestellt worden war und die die Bedingungen für die Gewährung der Sonderprämie erfüllten, die in Unterabsatz 3 festgelegte regionale Höchstgrenze von 1.536.113 überschritt. Da für das Jahr 2002 in Deutschland insgesamt 1.774.663 Sonderprämien der ersten Altersklasse zur Auszahlung anstanden, ergab sich ein Kürzungskoeffizient für die Sonderprämie 2002 von (1.536.113 : 1.774.663)= 0,866. Die Anwendung und die Höhe dieses Plafonds hat das Gericht gebilligt.
23Vgl. dazu und zu Vorstehendem: Urteil des Gerichts vom 23. August 2006 - 9 K 4462/03 - (rechtskräftig), in NRWE.
24Da die Kürzung alle Landwirte betroffen hat, kann von einer Sanktion, die entsprechend der vom Kläger zitierten Broschüre des Ministeriums eine Berücksichtigung der vollen Zahl prämienfähiger Tiere ermöglichte, nicht die Rede sein. Die vom Kläger begehrte Anrechnung weiterer 55 im Jahre 2002 geschlachteter, aber erst im Jahre 2003 zur Sonderprämie beantragter männlicher Rinder auf die Sonderprämienzahlungen des Referenzjahres 2002 mit dem Ziel, dadurch einen erhöhten BiB zugewiesen zu erhalten, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Beklagte hat den darauf bezogenen Härtefallantrag des Klägers nach Artikel 40 der VO (EG) Nr. 1782/2003 zu Recht abgelehnt.
25Zwar kann abweichend von der Berechnung des Referenzbetrages nach Artikel 37 der VO (EG) Nr. 1782/2003 nach Artikel 40 Abs. 1 der vorgenannten Verordnung ein Betriebsinhaber, dessen Produktion im Bezugszeitraum durch vor diesem Zeitraum oder während dieses Zeitraums eingetretene Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände beeinträchtigt ist, beantragen, dass der Referenzbetrag auf der Basis des/der durch die höhere Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände nicht betroffenen Kalenderjahre(s) des Bezugszeitraumes berechnet wird. Wird der gesamte Bezugszeitraum dadurch betroffen, wird nach Absatz 2 dieses Artikels der Referenzbetrag auf der Basis des Zeitraumes 1997 bis 1999 berechnet. In Absatz 4 werden als höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände unter anderem der Tod des Betriebsinhabers, länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers, eine schwere Naturkatastrophe, unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden oder Seuchenbefall des Tierbestandes genannt.
26Die Voraussetzungen der vorstehend zitierten Vorschriften liegen jedoch nicht vor. Bereits von einer Produktionsbeeinträchtigung im Bezugszeitraum - hier das Referenzjahr 2002 - kann angesichts der gegebenen Sachlage nicht die Rede sein. Vielmehr hat der Kläger die 55 Tiere im Jahre 2002 tatsächlich erzeugt, sie allerdings lediglich erst im Jahre 2003 zur Sonderprämie angemeldet. Dies stellt auch weder einen Fall höherer Gewalt noch außergewöhnlicher Umstände dar. Vielmehr entsprach die Beantragung bereits im Vorjahr geschlachteter Tiere im Folgejahr zur Sonderprämie den seinerzeit geltenden Regelungen. Sie räumte dem Betriebsinhaber einerseits ein, Antragsbegrenzungen der Zahl sonderprämienfähiger Rinder - die etwa durch den Besatzdichtefaktor bedingt waren - zulässigerweise durch Verschieben des Antrags in das Folgejahr zu umgehen. Andererseits hatte dies zur Folge, dass bei einem im Folgejahr - hier im Jahre 2003 - gestellten Antrag auf Sonderprämie eine Beihilfe auch nur unter Anrechnung auf dieses Kalenderjahr gezahlt werden durfte: Nach Art. 42 UA 1 der VO (EG) Nr. 2342/1999 war dafür der Tag der Antragstellung maßgeblich, während demgegenüber für die Schlachtprämie nach Art. 42 der genannten Verordnung - hier letzter Unterabsatz - als Anrechnungsjahr das Schlacht- oder Ausfuhrjahr galt. Angesichts dessen konnte der Kläger den Schlachtprämienantrag zwar ohne Einschränkung noch Anfang des Jahres 2003 für das Jahr 2002 beim Beklagten anbringen, hingegen nicht mehr mit Erfolg den Sonderprämienantrag. Ein solcher Antrag hätte vom Beklagten abgelehnt werden müssen und auch nicht ein weiteres Mal mit Erfolg für das Jahr 2003 gestellt werden können.
27Ob der Kläger sich mit der Antragstellung Anfang 2003 über diese Voraussetzungen - die ihm eigentlich bekannt sein mussten - geirrt oder eine rechtzeitige Antragstellung (für die Sonderprämie) noch im Jahre 2002 vergessen haben mag, ist danach unerheblich, weil die genannte Regelung Ausnahmen insoweit nicht vorsieht. Angesichts ihrer Eindeutigkeit kann von einer fehlerhaften Beratung durch die Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer nicht die Rede sein, weil diese dem Kläger mit ihren Hinweisen die Möglichkeit eröffnet hatten, den Sonderprämienantrag für die 55 Tiere in der einzig zulässigen Weise, nämlich für das Jahr 2003 zu stellen. Unter diesen Umständen bedurfte es insoweit keiner Vernehmung der Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer, Frau V. und Herrn L. , da deren Beratung, den Antrag für das Kalenderjahr 2003 zu stellen, nach allem zutreffend war.
28Daneben sieht Art. 40 der VO (EG) Nr. 1782/2003 nicht die vom Kläger begehrte Rechtsfolge vor, so dass dessen Anwendung auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen wird nach Absatz 1 der Vorschrift der BiB nur auf der Basis der nicht betroffenen Kalenderjahre des Bezugszeitraums berechnet, nach Absatz 2 auf der Basis des Zeitraums 1997 bis 1999. Beides verlangt der Kläger aber gerade nicht, sondern vielmehr die Berücksichtigung weiterer 55 sonderprämienfähiger Rinder im Bezugszeitraum, nämlich im Referenzjahr 2002.
29Kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Härtefallregelung des Art. 40 der VO (EG) Nr. 1782/2003 berufen, ist unabhängig davon aber auch seine Rechtsauffassung unzutreffend, die 55 Tiere wären für das Referenzjahr 2002 angerechnet worden, wenn er den Sonderprämienantrag ausdrücklich für 2002 statt für 2003 gestellt hätte und dieser deswegen als verspätet abgelehnt worden wäre. Mit Blick darauf brauchte das Gericht nicht durch Vernehmung der beiden Kammermitarbeiter als Zeugen der Darstellung des Klägers nachzugehen, er habe die Beratung bei der Landwirtschaftskammer dahin verstehen müssen, die 55 Tiere könnten gleichwohl als im Bezugszeitraum beantragte Tiere berücksichtigt werden. Ebenso kann der Kläger - unabhängig davon, ob diese Rechtsfigur eine Entsprechung im Gemeinschaftsrecht findet - nicht geltend machen, bei dieser Sachlage verstoße die Ablehnung einer Berücksichtigung der 55 Tiere im Referenzjahr 2002 gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
30Zur Begründung seiner Rechtsmeinung beruft sich der Kläger auf die Broschüre des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft "Meilensteine der Agrarpolitik", Ausgabe 2005, und dort auf Seite 19, wo es heißt:
31"Berechnung des betriebsindividuellen Betrages bei einzelnen Direktzahlungen
32Im folgenden wird dargestellt, auf welcher Grundlage sich der betriebsindividuelle Betrag der oben genannten Direktzahlungen errechnet.
33Tierprämien:
34Multiplikation der durchschnittlichen Zahl der Tiere, für die in den Jahren 2000 - 2002 eine bestimmte Direktzahlung gewährt wurde (einschließlich der Tiere, die prämienfähig waren, für die aber wegen einer Sanktion aufgrund einer anderen Vorschrift keine Zahlungen gewährt wurden), mit dem jeweiligen Prämienbetrag je Tier des Jahres 2002."
35Die vorstehende Darstellung des Ministeriums ist zutreffend, erfasst allerdings nicht den Fall des Klägers. Sie bezieht sich auf die Ausführungsbestimmungen zu den geltenden Betriebsprämienregelungen der VO (EG) Nr. 1782/2003, die in der VO (EG) Nr. 795/2004 enthalten sind. Nach deren Art. 3a "ist unbeschadet der Anwendung von Anhang VII der VO (EG) Nr. 1782/2003 die für die Festsetzung des Referenzbetrages nach Art. 37 Abs. 1 der genannten Verordnung zu Grunde zu legende Zahl von...Tieren, für die im Bezugszeitraum eine Direktzahlung gewährt wurde oder hätte gewährt werden müssen, die Zahl von...Tieren, die im Sinne von Art. 2 s) der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 für jede der in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 genannten Direktzahlungen ermittelt wurde".
36"Ermitteltes Tier" nach Art. 2 s) der VO (EG) Nr. 2419/2001 ist ein Tier, das alle in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen erfüllt. Dies trifft auch auf die Tiere zu, für die Beihilfe - u. a. die Sonderprämie - beantragt worden war, für die aber Zahlungen aufgrund von Kürzungen und/oder Ausschlüssen nach den Artikeln 38 und 39 der Verordnung nicht erfolgten. Diese Tiere, für die wegen der vorgenannten Sanktionsregelungen keine (Sonderprämien-)Zahlungen geleistet wurden, werden demnach in die Ermittlung des BiB einbezogen. (Nur) Darauf bezieht sich mit dem Querverweis auf Art. 2 s) der VO (EG) Nr. 2419/2001 ersichtlich die Formulierung in Art. 3a der VO (EG) Nr. 795/2004, nach der auch die Zahl von Tieren zu berücksichtigen ist, "für die im Bezugszeitraum eine Direktzahlung hätte . . . gewährt werden müssen".
37Anders liegt es hingegen im Fall des Klägers. Dafür, dass die 55 Rinder für das Referenzjahr 2002 "ermittelte Tiere" waren, fehlt es mit Blick auf Art. 42 der VO (EG) Nr. 2342/1999 an der Voraussetzung, dass der Antrag auf Sonderprämie auch in diesem Kalenderjahr vom Kläger gestellt worden war. Durch die Ablehnung eines im Kalenderjahr 2003 gestellten und auf das Kalenderjahr 2002 bezogenen Sonderprämienantrages werden die Rinder auch nicht nachträglich im Sinne des Art. 2 s) der VO (EG) Nr. 2419/2001 zu ermittelten Tieren dieses Jahres, weil dies Art. 42 der genannten Verordnung, der - wie bereits dargestellt - ausdrücklich die Anrechnung auf das Jahr der Antragstellung vorschreibt, verbietet. Angesichts dieser Rechtslage stellte die Ablehnung eines für 2002 gestellten Sonderprämienantrags als verspätet - anders, als der Kläger offenbar meint - eben keine Sanktion dar, die ihm die Anrechnung der 55 sonderprämienfähigen Rinder auf das Referenzjahr 2002 eingeräumt hätte, weil zu den in den Artikeln 38 und 39 der VO (EG) Nr. 2419/2001 geregelten Sanktionen eine verspätete Antragstellung nicht gehörte.
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