Beschluss vom Verwaltungsgericht Münster - 9 Nc 224/08
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig zum Studium der Kommunikationswissenschaft (1-Fach- Bachelor) als Studienanfänger zum Wintersemester 2008/2009 zuzulassen, wenn dieser binnen zwei Wochen, nachdem ihm dieser Beschluss schriftlich zugestellt worden ist, bei der Antragsgegnerin die Immatrikulation in diesem Studiengang beantragt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.
Der Beschluss soll den Beteiligten vorab per Telefax übermittelt werden.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Antragsteller, deutscher Staatsangehöriger, besitzt die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung. Er studiert seit dem Wintersemester (WS) 2006/2007 an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) zu Münster im Studiengang Betriebswirtschaftslehre.
4Seinen zum WS 2008/2009 gestellten Antrag auf Zulassung zum Studium im Studiengang Kommunikationswissenschaft (1-Fach-Bachelor) als Studienanfänger innerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität lehnte die Antragsgegnerin wegen vorrangig zu berücksichtigender Bewerber ab.
5Der Antragsteller beantragte daraufhin bei der Antragsgegnerin die Zulassung in dem betreffenden Studiengang als Studienanfänger außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl und rügte die Nichtausschöpfung der tatsächlich vorhandenen Aufnahmekapazität. Der Antrag wurde bislang nicht beschieden.
6Mit dem vorliegenden Eilantrag verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf eine entsprechende vorläufige Zulassung weiter.
7Das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MIWFT) hat durch Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das WS 2008/2009 (ZulassungszahlenVO) vom 30. Juni 2008 (GV.NRW. 2008, 492, 498) folgende Zulassungszahlen für Studienanfänger in den grundständigen Studiengängen der Kommunikationswissenschaft an der WWU Münster festgesetzt:
8Kommunikationswissenschaft Ba(U) (1-Fach-Bachelor) - 65
9Kommunikationswissenschaft Ba(U) - KF (Kernfach) - 40.
10Diese Zulassungszahlen entsprechen dem Vorschlag, den die Antragsgegnerin dem Ministerium in seinem auf den 1. März 2008 bezogenen Kapazitätsbericht unter dem 13. März 2008 unterbreitet hatte. Der Vorschlag wies - unter Erhöhung der zunächst nach den Regeln der Kapazitätsverordnung (KapVO) ermittelten Zulassungszahl (insgesamt 124, davon 48 für 1-Fach-Ba und 35 für Ba-KF) - dabei eine jährliche, wegen des Jahresbetriebes vollständig im Wintersemester auszubringende Kapazität der Lehreinheit für Studienanfänger von insgesamt 146 Studienanfängerplätzen aus. Bei der Verteilung dieser 146 Plätze auf die drei der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge (1-Fach-Ba, Ba-KF und Masterstudiengang) wurde für den allerdings erst künftig und ohne Zulassungsbeschränkung einzurichtenden Masterstudiengang (bei einer Anteilquote von 0,333) eine Zahl von insgesamt 41 Studienanfängerplätzen angesetzt.
11Mit ihrem Bericht zum letzten Überprüfungstermin 15. August 2008 schlug die Antragsgegnerin dem Ministerium eine Änderung der festzusetzenden Studienanfängerzahl für den 1-Fach-Bachelor-Studiengang um 20 auf 85 vor. Den vorgeschlagenen Ansatz für Ba-KF-Studiengang und den Masterstudiengang ließ sie mit 40 bzw. 41 unverändert. Rechnerisch wurden dies in der Weise bewirkt, dass das unbereinigte Lehrangebot der Lehreinheit in der Spalte zusätzliches Lehrangebot..." um 44 DS erhöht wurde. Erläuternd wurde ausgeführt, in dem überarbeiteten Kapazitätsbericht seien für zusätzliche im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 bereitgestellte Studienplätze rechnerisch eben diese 44 DS eingemerkt worden. Die Anteilquoten seien dabei so gesetzt worden, dass die Erhöhung nur in dem vorgesehenen grundständigen Studiengang zum Tragen komme. Die Anteilquoten seien mit fiktiven Bewerberzahlen berechnet worden.
12In dem abschließenden Kapazitätserlass des Ministeriums vom 30. Oktober 2008 zum Berechnungsstichtag 15. August 2008 wurde die Zulassungszahl entsprechend dem Vorschlag der Hochschule erhöht (nunmehr 85 für 1-Fach-Ba; verblieben: 40 für Ba-KF und 41 für den Magisterstudiengang). Eine - in dem Erlass angekündigte - Änderung der ZulassungszahlenVO für die grundständigen Bachelorstudiengänge der Kommunikationswissenschaft ist bislang nicht erfolgt. Eine Zulassungszahl für den Masterstudiengang der Kommunikationswissenschaft an der WWU Münster ist nicht festgesetzt.
13Die Antragsgegnerin, die den Antrag für unbegründet hält, hat im gerichtlichen Leitverfahren 9 Nc 224/08 mit Schriftsatz vom 27. November 2008 mitgeteilt, dass zum Stand 14. November 2008 in dem 1-Fach-Bachelor-Studiengang bei einer Sollzahl von 65 insgesamt 84 Einschreibungen von Studienanfängern erfolgt sind. Im Studiengang Bachelor-Kernfach seien bei einer Sollzahl von 40 insgesamt 43 Studienanfänger eingeschrieben.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Kapazitätsunterlagen und der sonst zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen nebst Erläuterungen der Antragsgegnerin verwiesen.
15II.
16Der gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilende Antrag hat Erfolg.
17Der Antragsteller hat einen durch einstweilige Anordnung vorläufig zu sichernden Anspruch auf seine Zulassung als Studienanfänger im Studiengang Kommunikationswissenschaft (1-Fach-Bachelor) nach den Verhältnissen des WS 2008/2009 (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der Sicherung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht, §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 920 Abs. 2. 294 ZPO.
181. Der Anordnungsgrund ergibt sich für den Antragsteller aus dem unwiederbringlichen Zeitverlust, der bei der Aufnahme des begehrten Studiums zu einem späteren Zeitpunkt, ggf. erst nach rechtskräftigem Abschluss eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens, eintreten würde. Soweit die Antragsgegnerin darauf hingewiesen hat, dass der Antragsteller derzeit bereits in einem zulassungsbeschränkten Studiengang an der WWU Münster studiert und deshalb im Ergebnis einen Studiengangwechsel erstrebt, wird hierdurch die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes nicht in Frage gestellt. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat dies bereits mehrfach im Zusammenhang mit der Frage nach dem Inhalt einer im gerichtlichen Verfahren vorzulegenden eidesstattlichen Versicherung entschieden. So ist etwa im Beschluss vom 22. Dezember 1994 - 13 C 175/94 - (vgl. auch Beschluss vom 1. Februar 1994 - 13 C 351/93 -) ausgeführt worden, dass
19auch ein Studienbewerber, der bereits in einem anderen zulassungsbeschränkten Studiengang als dem streitbefangenen studiert oder studiert hat, aufgrund des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG ein grundsätzliches Recht auf einen Studiengangswechsel hat, dieses Recht unter Inanspruchnahme eines verschwiegenen Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen realisieren und zur Sicherung eines solchen Studienplatzes einstweiligen Rechtsschutz beanspruchen kann. Auch diesem Studienbewerber droht ein nicht unerheblicher Zeitverlust mit entgehenden Lebenschancen hinsichtlich des neuen Studiengangs und die Besetzung eines eventuell im streitbefangenen Semester freien verdeckten Studienplatzes durch einen Konkurrenzbewerber noch vor Abschluß des Hauptsacheverfahrens. Insoweit kann auch er sich grundsätzlich auf einen Anordnungsgrund berufen. Allerdings ist sein möglicher Anspruch auf einen verschwiegenen Studienplatz infolge der Notsituation, die gekennzeichnet ist durch eine die studentische Nachfrage nicht deckende Zahl an Hochschulausbildungsplätzen in zulassungsbeschränkten Studiengängen, weniger "stark" als der eines Konkurrenzbewerbers, der noch nicht in einem zulassungsbeschränkten Studiengang studiert hat, und er ist daher nicht in gleichem Maße wie letzterer schutzbedürftig. Dem trägt der Senat mit der Überlegung Rechnung, daß für den ersteren Studienbewerber infolge weniger schwerer Rechtsnachteile ein weniger gewichtiger Anordnungsgrund besteht und er daher bei der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Anordnung eines Verfahrens zur Vergabe verdeckter Studienplätze hinter einen Konkurrenzbewerber zurückzutreten hat, der noch keinen Studienplatz in einem zulassungsbeschränkten Studiengang inne hat oder hatte."
20Der Anordnung einer solchen Rangfolge wegen unterschiedlicher Gewichtigkeit der zu besorgenden Rechtsnachteile bedarf es nicht. Zum einen sind bzw. waren sämtliche Antragsteller, die gerichtlich einen Studienplatz der Kommunikationswissenschaft zum WS 2008/2009 erstreiten wollen, in einem anderen zulassungsbeschränkten Studiengang immatrikuliert. Zum anderen reicht, wie noch auszuführen ist, die Zahl der durch gerichtliche Entscheidung vorläufig zu vergebenden Studienplätze aus, sämtliche Antragsteller zu berücksichtigen.
212. Der Antragsteller hat auch seinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
22Nach der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden Prüfung ist überwiegend wahrscheinlich, dass in dem hier betroffenen 1-Fach-Bachelor-Studiengang der Kommunikationswissenschaft an der WWU Münster zum WS 2008/2009 über die tatsächlich vergebenen 84 Studienanfängerplätze hinaus noch weitere Studienanfängerplätze vorhanden sind, an deren Vergabe der Antragsteller zu beteiligen ist.
23Das Gericht legt bei der nach den Regelungen der KapVO vorzunehmenden Überprüfung des der Lehreinheit Kommunikationswissenschaft an der WWU Münster zum Studienjahr 2008/2009 zur Verfügung stehenden (zunächst unbereinigten und sodann bereinigten) Jahreslehrangebots (2xSb) und bei der hieraus nach der Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO abzuleitenden jährlichen Aufnahmekapazität für das vorliegende Verfahren ohne weitere Prüfung der Richtigkeit der einzelnen Eingabeparameter die Ansätze zugrunde, die das Ministerium für den letzten Berechnungsstichtag 15. August 2008 durch seinen Erlass vom 30. Oktober 2008 als endgültige Kapazitätsberechnung der Hochschule mitgeteilt hat. Dieser Erlass, der die entsprechenden Angaben und Vorschläge der Hochschule in deren überarbeiteten Kapazitätsbericht vom 15./18. August 2008 vollumfänglich aufgreift, ist die abschließende Kapazitätsbestimmung der nach § 10 Abs. 2 des Hochschulzulassungsgesetzes NRW hierzu berufenen Landesbehörde. Ihm kommt im Verhältnis zwischen dem Ministerium und der Hochschule Geltungsanspruch schon vor dessen Umsetzung durch eine - hier zwar im Oktober 2008 in der Übersendungsmitteilung an die Antragsgegnerin angekündigte, aber bislang noch nicht erfolgte - formelle Änderung der Zulassungszahlenverordnung der Charakter einer abschließenden ministeriellen Kapazitätsbestimmung zu. Die Hochschulverwaltung muss sich hieran ohne eine bislang erfolgte normative Umsetzung durch eine Änderungsverordnung jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der behördlichen Selbstbindung auch im Verhältnis zu den Studienbewerbern festhalten lassen.
24Nach dieser abschließenden behördlichen Kapazitätsbestimmung zum letzten Überprüfungszeitpunkt (vgl. § 5 Abs. 3 KapVO) steht der Lehreinheit Kommunikationswissenschaft im Berechnungszeitraum insgesamt ein zunächst unbereinigtes Lehrdeputat von 137 Deputatstunden (DS) zur Verfügung, aus dem nach Berücksichtigung von individuellen Lehrleistungsverminderungen (6,75 DS) und von Lehrauftragsstunden, die im Referenzzeitraum SS 2007 und WS 2007/2008 gemittelt zur Verfügung gestanden haben (21,50 DS), ein bereinigtes Jahreslehrangebot (2 x Sb) von (2 x 151,75 DS =) 303,50 DS folgt.
25In diese Berechnung des Jahreslehrangebots der Lehreinheit zum Stichtag 15. August 2008 ist im Vergleich mit dem Vorschlag der Hochschule zum Stichtag 1. März 2008, auf der die ZulassungszahlenVO vom 30. Juni 2008 noch beruht, eine Erhöhung um 44 DS einbezogen worden. Die Antragsgegnerin hat dies in ihrem Bericht vom 15./18. August 2008 dahin erläutert, dass hiermit das Ziel erreicht werden soll, rechnerisch im Studiengang Kommunikationswissenschaft (1-Fach- Bachelor) eine gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag um 20 erhöhte Zahl von Studienanfängerplätzen auszuweisen. Es handele sich dabei um zusätzlich von der Hochschule im Rahmen des Hochschulpakts 2020" bereitgestellte Studienplätze. Das Ministerium hat diese Erhöhung um 20 auf 85 Studienanfängerplätze in diesem Studiengang - unter Beibehaltung der Studienanfängerzahlen des Bachelor- Kernfach-Studiengangs (40 Studienplätze) und der Zulassungszahl 41 für einen Masterstudiengang der Kommunikationswissenschaft - in seinen abschließenden Kapazitätserlass übernommen. Die Summe der Zulassungszahlen (als Sollzahlen für das Studienjahr 2008/2009, auszubringen wegen des Jahresbetriebes im WS 2008/2009) der zugeordneten drei Studiengänge beträgt demgemäss 166.
26Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sieht das Gericht die vorbeschriebene Erhöhung der Zulassungszahl für Studienanfänger im 1-Fach- Bachelor-Studiengang um die Zahl 20 im Hinblick auf den Hochschulpakt 2020", bewirkt durch eine entsprechende rechnerische Erhöhung des Gesamtlehrangebots der Lehreinheit und eine hierauf abgestimmte Bildung von Anteilquoten, nicht als ein überpflichtgemäßes, quasi freiwilliges und einer Überlast jedenfalls nahekommendes Studienmehrangebot der Hochschule an. Es handelt sich hierbei vielmehr schon nach der Behandlung dieser Kapazitätserweiterungsmaßnahme" durch die Hochschule und insbesondere durch das Ministerium um eine verbindlich in die Kapazitätsermittlung einbezogene Maßnahme mit einer entsprechend beachtlichen Erhöhung der Sollzahl. Diese Behandlung ist auch inhaltlich zutreffend. Der Hochschulpakt 2020" (vgl. zum Text im Internet unter http://www.bmbf.de/pub/ verwaltungsvereinbarung_hochschulpakt 2020.pdf) mag als solcher zunächst zwar nur einen programmatischen, keine subjektiven Rechte der Studienbewerber begründenden Charakter haben und auf eine Umsetzung und Ausfüllung angelegt sein. Diese Umsetzung und Ausfüllung ist jedoch hier erfolgt. Zwischen dem Ministerium und der WWU Münster ist nämlich eine sog. Ziel- und Leistungsvereinbarung III (ZLV 2007) geschlossen worden (vgl. Volltext im Internet unter http:// wwwuv2.uni-muenster.de/ Dokumente/zielvereinbarung3.pdf). Diese Zielvereinbarung (eine Abrede i.S.d. § 6 des Hochschulgesetzes NRW) ist unter dem 12. Januar 2007 dahin geändert und ergänzt worden (vgl. Volltext im Internet unter http://www.innovation. nrw.de/objektpool/download_dateien/hochschulen_und_forschung/Unterschriebene_ Fassung_Uni_MS.pdf), dass die WWU Münster am Hochschulpakt 2020 zur Schaffung zusätzlicher Studienanfängerplätze teilnimmt und alle erforderlichen Vorkehrungen trifft, um in den Studienjahren 2007 bis 2010 insgesamt 1.231 zusätzliche Studienanfänger/innen aufzunehmen. Das Land stellt der Hochschule dafür näher bezeichnete Finanzmittel zur Verfügung. Auf den Inhalt der Änderungsvereinbarung im Übrigen, etwa wegen der vorzunehmenden Berufungen zusätzlichen Lehrpersonals, wird verwiesen. Wird auf dieser verbindlichen Grundlage - wie hier - unter Beteiligung der entsprechenden Gremien der Hochschule dem Ministerium ein zusätzliches Studienanfängerkontingent für einen bestimmten Studiengang gemeldet, so liegt hierin eine rechtsverbindliche Umsetzungsentscheidung, die unmittelbar kapazitätsbeachtlich (hier: kapazitätserhöhend) ist. Entsprechend ist sie entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch im gerichtlichen Verfahren bei der Bestimmung der Sollzahl eines Studiengangs maßgeblich.
27Die vom Ministerium auf der Grundlage der vorbezeichnet einzubeziehenden Parameter vorgenommene, auf dem Vorschlag der Hochschule beruhende Festsetzung der jährlichen Aufnahmekapazität ist jedoch in Bezug auf die der Lehreinheit zugeordneten Bachelor-Studiengänge fehlerhaft.
28Das Ministerium hat, der Hochschule folgend, die Studienanfängerkapazität der Lehreinheit (166) wie bereits im vorausgegangenen Berechnungszeitraum 2007/2008 unter Bildung von Anteilquoten (vgl. § 12 Abs. 1 KapVO) auf die beiden Bachelor-Studiengänge (85 und 40) und einen Masterstudiengang (41) verteilt. Ein solcher Masterstudiengang besteht jedoch im hier maßgeblichen Berechnungszeitraum (vgl. § 5 Abs. 1 KapVO) nicht. Er soll nach den Verlautbarungen der Hochschule (vgl. etwa http://zsb.uni- muenster.de/material/m562b_1. htm) erst ab dem WS 2009/2010 angeboten werden. Für einen (noch) nicht existierenden Masterstudiengang kann jedoch keine Anteilquote an dem vorhandenen Lehrangebot der Lehreinheit gebildet werden, die zu Lasten der betriebenen grundständigen Bachelorstudiengänge geht und dort die Studienplatzkapazität mindert.
29Das Gericht hat dies bereits in seinen Beschlüssen vom 20. Dezember 2007 - 9 Nc 164/07 und 9 Nc 174/07 - (WWU Münster, Kommunikationswissenschaft Bac., WS 2007/2008) entschieden und dabei ausgeführt:
30Da der Lehreinheit Kommunikationswissenschaft einerseits der Studiengang Kommunikationswissenschaft (Bachelor) und andererseits der Studiengang Kommunikationswissenschaft (Bachelor-Kernfach) zugeordnet sind, ist gemäß § 12 Abs. 1 KapVO eine Anteilquote zu bilden. Diese ist nach der vorgenannten Regelung das Verhältnis der jährlichen Aufnahmekapazität eines der Lehreinheit zugeordneten Studiengangs zur Summe der jährlichen Aufnahmekapazität aller der Lehreinheiten zugeordneten Studiengänge. Sie berechnet sich nach Anlage 1, II Ziffern 4 und 5 der KapVO.
31Der Lehreinheit Kommunikationswissenschaft zugeordnete Studiengänge sind entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin allein die beiden genannten Studiengänge, nicht jedoch auch ein Studiengang Kommunikationswissenschaft mit dem Abschluss Master. Einen solchen Studiengang hat die Antragsgegnerin allerdings im Rahmen ihrer Kapazitätsberechnung mit einer Studienbewerberzahl von 1.451 und einem CAp von 1,20 ebenfalls und damit zu Lasten der Studienanfängerzahl der beiden zuerst genannten Studiengänge zugrunde gelegt. Eine Anteilquote unter Berücksichtung auch dieses (Master-)Studienganges kann jedoch nicht gebildet werden, da er - wie die Antragsgegnerin mit ihrem Schriftsatz vom 14. Dezember 2007 einräumt und ferner aus dem Internet- Studienführer der Universität Münster ersichtlich ist - im Studienjahr 2007/2008 an der WWU weder eingerichtet ist noch dort angeboten wird. Die Annahme eines (eingerichteten) Studienganges und seiner kapazitätsrechtlichen Zuordnung zu einer Lehreinheit setzt aber die tatsächliche Aufnahme des Studienbetriebs im Berechnungszeitraum voraus. Nur dann kann die Erbringung von Lehrleistungen durch die Lehreinheit an diesen Studiengang erfolgen und damit den Ansatz einer entsprechenden Anteilquote auf der Lehrnachfrageseite nach § 12 Abs. 1 KapVO rechtfertigen.
32Vgl. zur ähnlich gelagerten Frage eines Dienstleistungsexports an einen nicht eingerichteten Studiengang: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18. Mai 2006 - 4 Nc 35/05 -, in juris.
33Zwar hat die Antragsgegnerin in ihrem Kapazitätsbericht vom 26. März 2007 an das Ministerium (Seite 3) Folgendes dargelegt:
34Über die Anteilquoten wurden Kapazitäten für die Masterstudiengänge, die im nächsten Studienjahr eingerichtet werden, in Ansatz gebracht. Aufgrund der Tatsache, dass für zwei völlig unterschiedliche Studiensysteme mit zudem unterschiedlichen Regelstudienzeiten und Prüfungsabwicklungen und einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Studierenden in den alten Studiengängen Lehrangebote vorgehalten werden müssen, wird dies vom Rektorat der Universität Münster als zwingend erforderlich angesehen."
35Diese Begründung einer Lehrnachfrage für einen Master-Studiengang Kommunikationswissenschaft geht jedoch von der rechtsirrtümlichen Annahme aus, dass die für den in Zukunft einzurichtenden Masterstudiengang benötigte Lehrleistung bereits im laufenden Berechnungszeitraum gleichsam erwirtschaftet und vorgehalten werden könne. Diese Auffassung stimmt mit der Systematik der KapVO allerdings nicht überein, die - wie bereits mehrfach erwähnt - existente Studiengänge mit entsprechender Lehrnachfrage im aktuellen Berechnungszeitraum durch die Studierenden voraussetzt und (§ 1 Abs. 1 KapVO) eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungskapazität verlangt. Damit unterscheidet sich die Situation an der WWU auch von derjenigen, wie sie sich etwa im Beschluss des OVG NRW vom 11. Mai 2004
3613 C 1626/04 (Medizin, WS 2003/2004, Universität Bonn)
37darstellte. Dort war ein neuer Studiengang bereits eingerichtet; es hielten jedoch nicht alle Fachsemester dieses Studiengangs im Berechnungsjahr Nachfrage. Hier stellte sich allenfalls die Frage, in welcher Höhe sich demgemäß ein Dienstleistungsexport verwirklichte, während vorliegend, im aktuellen Berechnungszeitraum, tatsächlich Lehrleistungen an einen Master-Studiengang in der Lehreinheit Kommunikationswissenschaft gar nicht erbracht werden können.
38Ebenso wenig kommt danach - wie allerdings die Antragsgegnerin argumentiert - in Betracht, mit dem Ansatz einer Anteilquote für den noch nicht existierenden (konsekutiven) Master-Studiengang die Studienanfängerzahl für die Bachelor- Studiengänge in der Lehreinheit Kommunikationswissenschaft gleichsam künstlich abzusenken, um damit etwaige Kapazitätsprobleme bei der Zulassung zum Master- Studiengang in späteren Berechnungszeiträumen zu vermeiden. Diese Überlegung verstieße darüber hinaus gegen das in § 1 Abs. 1 KapVO festgehaltene Kapazitätserschöpfungsgebot.
39Auch der Umstand, dass die Lehreinheit Kommunikationswissenschaft noch Lehrleistungen für den ihr zugeordneten, aber auslaufenden Magisterstudiengang Kommunikationswissenschaft zu erbringen hat, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Nach der Systematik der KapVO wird die jährliche Aufnahmekapazität (zunächst) lediglich für das erste Fachsemester berechnet. Nach § 22 Abs. 2 KapVO gilt die KapVO - dann - entsprechend für die Festsetzung von Zulassungszahlen für höhere Fachsemester. Da die Universität Münster Studienanfänger für den Magisterstudiengang Kommunikationswissenschaft nicht mehr aufnimmt, können - systematisch gesehen - Lehrkapazitäten für das erste Fachsemester dieses Studienganges und damit zum Nachteil der Studienanfänger des hier in Rede stehenden Studienganges im WS 2007/2008 nicht aufgezehrt werden.
40Schließlich kommt auch nicht aus anderen Gesichtspunkten eine Einbeziehung des projektierten Masterstudienganges bereits für den aktuellen Berechnungszeitraum bei der Kapazitätsermittlung in Frage. Zwar können nach § 1 Abs. 2 KapVO Zulassungszahlen bei der Erprobung neuer Studiengänge und Methoden, bei der Neuordnung von Studiengängen und Fachbereichen und beim Aus- oder Aufbau der Hochschulen abweichend von dem Gebot des Abs. 1 des § 1 KapVO, der eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungskapazität verlangt, festgesetzt werden. Ersichtlich liegt hier jedoch keine dieser Fallgestaltungen vor, da diese voraussetzten, dass der Master-Studiengang im Fach Kommunikationswissenschaften an der WWU Münster überhaupt eingerichtet worden wäre."
41Allerdings hat das OVG NRW im Beschwerdeverfahren 13 C 2/08 u.a. (Beschluss vom 26. Februar 2008, NRWE) die vorzitierten Beschlüsse des Gerichts geändert. Gleichwohl verbleibt das Gericht nach nochmaliger Prüfung, auch unter Einschluss der vom OVG NRW angeführten gegenläufigen Gesichtspunkte, bei seiner damaligen Beurteilung, dass die Bildung einer Anteilquote für einen nicht existierenden Studiengang, mag dieser auch konsekutiv auf grundständigen Bachelor-Studiengängen aufbauen, weder in der Kapazitätsverordnung noch im Staatsvertrag eine Stütze findet. Damit ist eine Maßnahme, die für den Berechnungszeitraum zu Lasten der Studienbewerber für den grundständigen Studiengang zu einer unwiederbringlichen Kapazitätsvernichtung führt, nicht gerechtfertigt. Dass der vom OVG NRW angeführte Senatsbeschluss vom 11. Mai 2004 - 13 C 1626/04 - für die Frage nach einem kapazitätsvernichtenden Ansatz einer Anteilquote für einen nicht existierenden Studiengang mangels Vergleichbarkeit nichts hergibt - und dafür auch keine Richtung aufzeigt -, hat das Gericht bereits ausgeführt. Den allein auf der rechnerischen Ebene durchgeführten Ansatz einer solchen Anteilquote in eine ministerielle Abweichungsentscheidung nach § 1 Abs. 2 KapVO umzudeuten, kommt nach Auffassung des Gerichts entgegen der in diese Richtung gehenden Erwägungen des OVG NRW sowohl aus formellen als auch materiellen Gründen nicht in Betracht. Das Ministerium hat eine solche Abweichungsentscheidung schon nicht verlautbart. Im übrigen bedürfte es bei einer solchen im Ermessen des Ministeriums stehenden Entscheidung, einer späteren Überlast im (einzurichtenden) Masterstudiengang entgegenzuwirken, einer auf die widerstreitenden Interessen und Ziele bezogenen Abwägung. Die von der Hochschule angeführten Gründe mögen Gewicht haben. Dass sie sich vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich ausgebildeten Gebots der vollständigen Kapazitätsausnutzung gerade in der Weise durchsetzen müssten, wie es hier vermittels der angesetzten Anteilquote errechnet worden ist, ist jedoch nicht ersichtlich, weil der erstrebte Ausgleich im jeweiligen Studienjahr durch die dann zu bildenden Anteilquoten, die gerade auch zu diesem Zweck als Berechnungsmodell zur Verfügung stehen, geschaffen werden kann.
42Bestätigt sieht sich das Gericht in seiner rechtlichen Beurteilung, dass für noch nicht existierende Studiengänge keine - das Lehrangebot der anderen zugeordneten Studiengänge vermindernde - Anteilquote gebildet werden kann, durch die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des VG Berlin, etwa Beschlüsse vom 17. Januar 2008 - 3 A 630.07 und 3 A 661.07 -, jeweils juris. Bei vergleichbarer Sach- und Rechtslage zieht dieses Gericht schon aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 KapVO den Schluss, dass Anteilquoten nur für diejenigen Studiengänge gebildet werden können, die im Berechnungszeitraum für die Aufnahme von Studienanfängern bereit stehen, dass also der Regelungsbereich dieser Vorschrift nur eine Aufteilung der ermittelten jährlichen Aufnahmekapazität erfasst, nicht aber eine (ersatzlose) Kapazitätsreduzierung.
43Nach alledem sind die Anteilquoten der der Lehreinheit zuzuordnenden Studiengänge ohne einen Anteil für einen Masterstudiengang zu ermitteln. Legt man hierzu - ohne weitergehende Prüfung - die von der Hochschulverwaltung zuletzt für richtig gehaltenen (allerdings erklärtermaßen fiktiven) Bewerberzahlen, nämlich 5.120 Studienbewerber für den 1-Fach-Bachelor-Studiengang und 2.410 für den Studiengang Ba-KF, zugrunde, so ergibt dies Anteile dieser zwei Studiengänge von gerundet 0,68 und 0,32. Hieraus folgt unter Berücksichtigung der jeweils angesetzten Eigenanteile dieser Studiengänge (2,14 und 1,82) ein gewichteter Curricularanteil von (2,14 x 0,68) + (1,82 x 0,32) = 1,4552 + 0,5824 = 2,037, gerundet 2,04.
44Ausgehend von dem selbst von der Hochschulverwaltung angesetzten bereinigten Jahreslehrangebot in Höhe von 303,50 DS und dividiert mit dem gewichteten Curricularanteil ergibt sich damit ein Studienplatzangebot in Höhe von (303,50 : 2,04 =) 148,77, gerundet 149 Studienplätzen für das Studienjahr 2008/2009.
45Dieses Studienplatzangebot ist auf die beiden Bachelorstudiengänge mit den vorgenannten Anteilquoten zu verteilen, woraus (ohne einen Schwundansatz, den der abschließende Kapazitätserlass ebenfalls nicht vorgenommen hat) folgt:
46für den 1-Fach-Bachelor-Studiengang (149 x 0,68 =) 101,32, gerundet 101 Studienanfängerplätze und
47für den Studiengang Ba-Kernfach (149 x 0,32 =) 47,68, gerundet 48 Studienanfängerplätze.
48Damit stehen angesichts niedrigerer tatsächlicher Besetzungszahlen für die bei Gericht um Rechtsschutz nachsuchenden Bewerber, den Antragsteller eingeschlossen, Studienplätze zur Verfügung. Ihr Anspruch ist durch einstweilige Anordnung zu sichern.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
50Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG und entspricht der ständigen gerichtlichen Handhabung in Verfahren der vorliegenden Art.
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