Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 5 K 622/08
Tenor
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Rahmen eines Verfahrens auf Bewilligung von Wohngeld ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.
3Die Klägerin lebt mit ihrer Tochter in einer Mietwohnung.
4Sie beantragte am 15.1.2008 bei dem Beklagten die Weiterbewilligung des ihr bis zum 31.10.2007 bewilligten Wohngeldes. Sie gab an, dass sie derzeit über keinerlei Einkünfte verfüge, weil das ihr bisher gezahlte Krankengeld aufgrund der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente mit Datum vom 4.1.2008 eingestellt worden sei und die Rente erstmalig Ende März 2008 ausgezahlt werde. Hierzu legte die Klägerin einen Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 11. Januar 2008 vor. In diesem Bescheid heißt es, dass die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalte, diese Rente am 1.3.2007 beginne und am 31.12.2009 ende. Für die Zeit ab 1.3.2008 werde jeweils am Monatsschluss ein Betrag von 589,47 Euro ausgezahlt. Für die Zeit vom 1.3.2007 bis zum 29.2.2008 betrage die Nachzahlung 6.670,39 Euro. Dieser Betrag werde vorläufig nicht ausgezahlt, weil er mit dem der Klägerin bewilligten Krankengeld verrechnet werden solle.
5Mit Schreiben vom 22.1.2008 forderte der Beklagte die Klägerin auf, Angaben darüber zu machen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite. In diesem Zusammenhang wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass er berechtigt sei, die Wohngeldleistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise zu versagen.
6Nach einem Telefonat zwischen der Klägerin und einem Mitarbeiter der Wohngeldstelle des Beklagten forderte der Beklagte mit weiterem Schreiben vom 24.1.2008 die Klägerin erneut auf, sich im Einzelnen dazu zu äußern, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite. Nach ihren Angaben erhalte sie seit dem 4.1.2008 kein Krankengeld mehr. Die Rente werde erst Ende März ausgezahlt. Die Nachzahlung erhalte die Klägerin nicht. Kindergeld für ihre Tochter erhalte sie ebenfalls nicht. Der Beklagte bat deshalb die Klägerin darum, den beigefügten Vordruck über die Ausgaben des täglichen Lebens mit Angaben zu ihren sonstigen Geldquellen spätestens bis zum 7.2.2008 bei dem Wohnungs- und Rentenservice der Stadt einzureichen. Zugleich wies der Beklagte die Klägerin erneut darauf hin, dass er in Erwägung ziehe, den Antrag wegen fehlender Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes abzulehnen, falls bis zu dem vorgenannten Zeitpunkt keine Nachricht von ihr vorliege.
7Die Klägerin beantwortete dieses Schreiben nicht.
8Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Wohngeld durch Bescheid vom 3.3.2008 für die Zeit vom 1.1.2008 bis zum 29.2.2008 mit der Begründung ab, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nach den Vorschriften des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches nicht nachgekommen sei und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert habe.
9Die Klägerin hat am 6.3.2008 Klage erhoben. Sie trägt vor: Sie habe alle für die Bewilligung von Wohngeld erheblichen Angaben über ihre Einkünfte gemacht und auch die erforderlichen Nachweise zu den Akten gereicht. Weitere Angaben darüber, wie sie ihren Lebensunterhalt im Einzelnen sicherstelle, könne der Beklagte von ihr nicht verlangen, weil das Wohngeld allein der wirtschaftlichen Sicherung der Wohnung und nicht der allgemeinen Sicherstellung des Lebensunterhaltes diene. Deshalb seien im Zusammenhang mit der Bewilligung von Wohngeld ins einzelne gehende Angaben darüber, welche Ausgaben sie für die Dinge des täglichen Lebens tätige, nicht notwendig. Die in dem ihr zugesandten Fragebogen verlangten Angaben beträfen sämtlich den engsten Persönlichkeitsbereich. Dieser werde in den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes ausdrücklich geschützt. Es könne ihr im Zusammenhang mit der Bewilligung von Wohngeld nicht zugemutet werden, hierüber nähere Angaben zu machen.
10Die Klägerin beantragt,
11den Bescheid des Beklagten vom 3.3.2008 aufzuheben.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte vertritt die Ansicht und legt im Einzelnen dar, dass der Antrag auf Bewilligung von Wohngeld habe abgelehnt werden müssen, weil die Klägerin nicht daran mitgewirkt habe, den für die Entscheidung über den Antrag erheblichen Sachverhalt aufzuklären. Hierzu gehöre unter anderem, dass die Klägerin nähere Angaben darüber mache, wie sie auf der Grundlage der von ihr angegebenen Einkünfte ihren Lebensunterhalt sicherstelle.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist unbegründet. Die Bewilligung von Wohngeld durfte wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin abgelehnt werden.
18Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 3.3.2008. Dieser Bescheid regelt aus der für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sicht des Empfängerhorizontes eines verständigen Bürgers, dass der Beklagte es ablehnt, der Klägerin für die Monate Januar und Februar 2008 Wohngeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, weil sie nicht ausreichend an der Aufklärung des Sachverhaltes mitgewirkt hat. Der Bescheid ist mit diesem Inhalt rechtmäßig.
19Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert, kann der Leistungsträger gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Auf diese Vorschrift hat der Beklagte zu Recht seine Entscheidung gestützt, den Antrag der Klägerin auf die Bewilligung von Wohngeld abzulehnen.
20Die Klägerin ist ihren Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I in den Monaten Januar und Februar 2008 nicht nachgekommen.
21Wer Sozialleistungen beantragt, hat nach dieser Vorschrift alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Für die Bewilligung von Wohngeld sind Angaben zum Einkommen erheblich, weil das Wohngeld von der Höhe des Einkommens abhängt (§§ 9 ff. WoGG). Der jeweilige Antragsteller muss die Tatsachen zu seinem Einkommen angeben, die es der zuständigen Behörde ermöglichen, über den Antrag auf Bewilligung von Wohngeld zu entscheiden. Dies hat die Klägerin für die Monaten Januar und Februar 2008 nicht getan. Sie hat angegeben, dass die Zahlung des Krankengeldes ab dem 4.1.2008 eingestellt worden ist, dass sie für ihre Tochter kein Kindergeld mehr erhält , dass die Erwerbsminderungsrente erst ab März 2008 gezahlt wir und dass die Klägerin keine Rentennachzahlung erhält. Dieses Vorbringen der Klägerin läuft faktisch darauf hinaus, dass ihr in den Monaten Januar und Februar 2008 tatsächlich kein Einkommen zur Verfügung stand. Auf dieser Grundlage konnte der Beklagte keine Sachentscheidung treffen, weil diesem Vorbringen nachvollziehbare Angaben über die der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zur Verfügung stehenden Geldquellen nicht zu entnehmen waren. Vielmehr benötigte der Beklagte weitere Angaben der Klägerin über sonstige Geldquellen und über die Höhe ihrer Ausgaben. Hierzu hat sich die Klägerin trotz zweimaliger Aufforderung des Beklagten mit entsprechenden Hinweisen auf die Rechtsfolgen nicht geäußert.
22Durch das Schweigen der Klägerin ist dem Beklagten die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert worden, denn er konnte auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ihr Einkommen zur Verfügung gestanden hat. Erst recht waren die Voraussetzungen der Leistung von Wohngeld von der Klägerin nicht nachgewiesen worden.
23Zwar bestehen gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I nicht, soweit ihre Erfüllung den Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Bei der Klägerin liegt jedoch entgegen ihrer Ansicht kein wichtiger Grund dafür vor, über die bisherigen Angaben hinaus weitere Mitteilungen über ihr Einkommen abzulehnen. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Wohngeld dem Zweck dieser Leistung gemäß § 1 Abs. 1 WoGG entsprechend bewilligt wird. Dies heißt unter anderem, dass nur derjenige Wohngeld erhalten soll, dessen Einkommen eine bestimmte Höhe nicht überschreitet. Dem steht das von der Klägerin geltend gemachte Privatinteresse gegenüber, keine Angaben über die Ausgaben des täglichen Lebens zu machen und die Finanzquellen hierfür nicht offen zu legen. Dieses private Interesse ist geringer zu gewichten, als das vorgenannte öffentliche Interesse, wenn - wie hier - der Betroffene nur angibt, im streitgegenständlichen Zeitraum über kein Einkommen zu verfügen, weil die Behörde ohne Angaben über die dem jeweiligen Antragsteller zur Verfügung stehenden Geldquellen keine zweckentsprechende Bewilligung von Wohngeld gewährleisten kann . Es liegt mithin kein wichtiger Grund vor, der geforderten Mitwirkung nicht nachzukommen. Deshalb durfte der Beklagte es ablehnen, der Klägerin allein wegen fehlender Mitwirkung Wohngeld zu bewilligen.
24Die Klägerin kann in diesem Verfahren nicht die Bewilligung von Wohngeld erstreiten. Ist die Rechtmäßigkeit der Versagung einer Sozialleistung unter anderem davon abhängig, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der beantragten Sozialleistung nicht nachgewiesen sind, dann kann im Wege der Klage gegen einen auf § 66 SGB I gestützten Versagungsbescheid grundsätzlich auch nicht die Verpflichtung der Behörde zur Gewährung der beantragten Sozialleistung erstritten werden. Anderes gilt nur, wenn die Leistungsvoraussetzungen bereits anderweitig nachgewiesen sind, der Versagungsbescheid mithin schon deswegen rechtswidrig ist. Dies trifft hier nicht zu. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung eines auf § 66 SGB I gestützten Verwaltungsaktes ist beschränkt auf die in dieser Vorschrift bestimmten Voraussetzungen für die Versagung der Leistung. Bei Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides genügt dessen Aufhebung. Die Behörde hat dann über den geltend gemachten Sozialleistungsanspruch zu entscheiden (BVerwG Urteil vom 17.1.1985 - 5 C 133.81 -, BVerwGE 71, 8, 11 und Urteil vom 17.5.1995 - 5 C 16.92 -, BVerwGE 98, 195, 202).
25Hieran anknüpfend steht der Klägerin schon wegen fehlender Mitwirkung für die Monate Januar und Februar 2008 kein Wohngeld zu.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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