Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 1 K 1447/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über die Festlegung der Reihenfolge der Wahlvorschläge auf den Stimmzetteln zur Wahl des Bürgermeisters der Stadt X. am 30. August 2009. Der Kläger ist parteilos und seit 2004 gewählter Bürgermeister der Stadt X. . Für die Wahl des Bürgermeisters am 30. August 2009 gingen zwei Wahlvorschläge ein. Unter dem 7. November 2008 schlug die CDU ihr Parteimitglied N. B. C. vor. Mit Wahlvorschlag vom 1. Juli 2009 bewarb sich der Kläger als Einzelbewerber. Der Wahlausschuss für die Kommunalwahl 2009 der Stadt X. machte nach seiner Sitzung am 20. Juli 2009 - der Verwaltungsvorlage folgend - die Wahlvorschläge im Amtsblatt des Beklagten vom 24. Juli 2009 wie folgt bekannt:
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| lfd. Nr. | Name | Vorname | Beruf | Geb.-jahr | Geburtsort | X. Straße | Partei Wählergruppe |
| 1 | C. | N. B. | L. | 1972 | Bielefeld | L1.---------straße 5 | CDU |
| 2 | X1. | K. | C1. | 1946 | Bremen | Q. 2 | Einzelbewerber |
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Am 21. Juli 2009 erging der entsprechende Druckauftrag für die Stimmzettel, der inzwischen ausgeführt worden ist.
5Der Kläger hat am 29. Juli 2009 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, die Festsetzung dieser Reihenfolge auf den Stimmzetteln entspreche zwar den gesetzlichen Vorgaben, sei aber verfassungswidrig. Durch Positionierung an erster Stelle des Stimmzettels erführen Wahlbewerber gegenüber weiteren Wahlbewerbern einen erheblichen psychologischen Vorteil. Am Ende eines Stimmzettels geführte Wahlbewerber hätten schlechtere Chancen auf ein gutes Abschneiden. § 75c Satz 5 KWahlO und § 23 Abs. 1 Satz 3 KWahlG stellten sachwidrig auf das Abschneiden der Parteien und Wählergruppen bei der letzten Wahl zum Stadtrat ab. Die Vorschriften führten dazu, dass der nicht von einer Partei oder Wählervereinigung vorgeschlagene Einzelbewerber an letzter Position des Stimmzettels genannt werde. Dies gelte selbst dann, wenn dieser - wie hier - bei der letzten Bürgermeisterwahl mit großer Mehrheit zum C1. gewählt worden sei. Das Abschneiden der Parteien und Wählergruppen zur Wahl des Stadtrats könne jedoch schon wegen der strukturellen Unterschiede bei der Wahl zum Stadtrat einerseits sowie zum C1. andererseits nicht als geeignetes Kriterium für die Beurteilung der politischen Stärke der Bewerber um das Bürgermeisteramt gemacht werden. Die gesetzlichen Bestimmungen stünden im logischen Widerspruch zur Abkoppelung der Wahl des Bürgermeisters von der der Vertretung sowie der mit der letzten Novellierung der Gemeindeordnung NRW verfolgten Stärkung der Position des Bürgermeisters gegenüber der Vertretung. Darin liege ein Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen. Es sei ihm auch bereits im Vorfeld der Wahl Rechtsschutz zu gewähren, weil es sich - anders als in den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen - um eine evident rechtswidrige Entscheidung aufgrund einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage handele.
6Der Kläger beantragt,
7den Beklagten zu verurteilen, über die Festsetzung der Nummernfolge der Wahlvorschläge für die Wahl des Bürgermeisters am 30. August 2009 unter Außerachtlassung der §§ 75c Satz 5 KWahlO, 23 Abs. 1 Satz 3 KWahlG nach rein objektiven und in das Ermessen des Gerichts gestellten Kriterien zu entscheiden.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung führt er aus, die Festsetzung der Nummernfolge der Wahlvorschläge für die Wahl des Bürgermeisters sei nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen vorgenommen worden. Diese Vorschriften möchten nicht sachgerecht erscheinen, seien aber dennoch geltendes Recht, an das sich der Beklagte gebunden sehe.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Mit Einverständnis der Beteiligten wird über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 101 Abs. 1 VwGO).
14Die Klage hat keinen Erfolg.
15Sie ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil aufgrund der Besonderheiten des Wahlrechts gegen die mit der Klage angegriffene Festlegung der Reihenfolge der Wahlvorschläge auf den Stimmzetteln ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Vorfeld der Wahl ausgeschlossen ist.
16Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Eine Wahl erfordert eine Fülle von Einzelentscheidungen zahlreicher Wahlorgane. Die Wahl lässt sich nur gleichzeitig und termingerecht durchführen, wenn die Rechtskontrolle dieser Entscheidungen und Maßnahmen während des Wahlverfahrens begrenzt wird und im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt.
17Ständige Rechtsprechung seit BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 1962 - 2 BvR 189/62 -, BVerfGE 14, 154; vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 31. Juli 2009 - 2 BvQ 45/09 -, juris.
18Diese - mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbare - Einschränkung des Rechtsschutzes gilt auch für Wahlrechtsangelegenheiten, die sich im Zusammenhang mit Kommunalwahlen ergeben.
19Vgl. etwa HessVGH, Urteil vom 3. November 1965 - OS II 45/65) -, DVBl. 1967, 629; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 1999 - 1 L 2634/99 -, NWVBl. 2000, 110; VG Köln, Beschluss vom 28. Februar 2009 - 4 L 250/08 - , juris.
20Auch hier erfordert der reibungslose Ablauf der Wahlen, die gerichtliche Überprüfung von Einzelentscheidungen und -maßnahmen der Wahlorgane auf die Zeit nach Abschluss der Wahl zu verschieben. So wird zugleich die Gefahr ausgeschlossen, dass die Wahlorgane auf der Grundlage gerichtlicher Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, die bei vertiefter Prüfung in einem Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben, gesetzliche Verfahrensvorschriften nicht einhalten und es dadurch zu einer Ungültigkeit der Wahl kommt.
21Vgl. zu einer solchen Konstellation HessVGH, Urteil vom 3. November 1965 - OS II 45/65) -, DVBl. 1967, 629 (630)
22Der Grundsatz der Exklusivität des Wahlprüfungsverfahrens gilt auch für die Festsetzung der Reihenfolge der Wahlvorschläge auf dem Stimmzettel, die der Wahlleiter nach § 75c Satz 5 der auf der Grundlage des § 51 Abs. 1 KWahlG ergangenen Kommunalwahlordnung (vom 31. August 1993, GV. NRW. S. 592, 967, zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. November 2008, GV. NRW. S. 680 - KWahlO) in Ausführung der Vorgaben der §§ 46b, 23 Abs. 1 Satz 3 KWahlG als Maßnahme im Wahlverfahren vorzunehmen hat. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KWahlG, der gem. § 46b KWahlG für die Wahl des Bürgermeisters entsprechend anzuwenden ist, richtet sich die Reihenfolge auf dem Stimmzettel nach der Stimmenzahl, die die Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber bei der letzten Wahl zur Vertretung des Wahlgebiets erreicht haben; sonstige Wahlvorschläge schließen sich in der Reihenfolge des Eingangs der Reservelisten, sofern eine Reserveliste nicht eingereicht oder nicht zugelassen worden ist, in der Reihenfolge des Eingangs der Wahlvorschläge für den Wahlbezirk, bei gleichzeitigem Eingang in alphabetischer Reihenfolge der Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber, an. § 75c Satz 5 KWahlO bestimmt für die Wahl der C1. : Die Nummernfolge mehrerer Wahlvorschläge, die vom Wahlleiter festgesetzt wird, richtet sich nach der Nummernfolge der Wahlvorschläge der letzten Vertretungswahl (§ 23 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes).
23Wahlrechtliche Rechtsbehelfe im Vorfeld der Wahlhandlung sind gegen die Festsetzung der Reihenfolge der Wahlvorschläge auf den Stimmzetteln nicht gegeben. Es verbleibt die Möglichkeit des Wahlprüfungsverfahrens. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz des § 39 Abs. 2 Satz 1 KWahlG, wonach gegen die von den Wahlbehörden bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung getroffenen Entscheidungen Einspruch gem. Abs. 1 eingelegt werden kann, um eine Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl gem. § 40 Abs. 1 herbeizuführen. Gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG kann gegen den Beschluss der - neuen - Vertretung über die Einsprüche sowie über die Gültigkeit der Wahl nach § 40 Abs. 1 Klage erhoben werden.
24Die fehlende Möglichkeit, die Reihenfolge der Wahlvorschläge auf den Stimmzetteln vor der Wahl gerichtlicher Überprüfung zu unterziehen, ist nach den obigen Grundsätzen nicht zu beanstanden. Besonderheiten, die hier verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz im unmittelbaren Vorfeld der Wahl rechtfertigten, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Würde man die vom Kläger geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der einer Vorfeldentscheidung zugrundeliegenden Norm ausreichen lassen, bestünde nicht nur die ständige Gefahr der Verschiebung von Wahlen, denen in einem demokratischen Gemeinwesen eine herausragende Bedeutung zukommt, sondern auch das stete Risiko der Ungültigkeit der Wahl, wenn nach einer stattgebenden erstinstanzlichen (Eil)Entscheidung letztendlich doch die Verfassungsmäßigkeit der Norm festgestellt würde.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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