Beschluss vom Verwaltungsgericht Münster - 22 K 352/09.PVL
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
1
G r ü n d e
2I.
3Antragsteller und Beteiligter streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW bei der Anordnung geänderter Schichtdienstzeiten für die im Pfortendienst an den Kliniken für Chirurgie und Psychiatrie Beschäftigten am Universitätsklinikum Münster (UKM) soweit es Mitarbeiter betrifft, die vom Klinikum an eine Gebäudemanagement GmbH (GM GmbH) gestellt wurden.
4Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
5Der Beteiligte hatte ab dem 1. Januar 2009 die GM GmbH mit der Einsatzplanung und Betreuung sämtlicher Pfortendienste im Universitätsklinikum Münster betraut. Das UKM war zu diesem Zeitpunkt mit einem 51 %-Anteil Gesellschafterin der GM GmbH.
6Mit Wirkung vom 1. Januar 2009 stellte das UKM im Wege der Personalgestellung der GM GmbH die im Pfortendienst Beschäftigten zur Arbeitsleistung zur Verfügung. In der diesbezüglich zwischen dem UKM und der GM GmbH geschlossenen vertraglichen Vereinbarung ist unter anderem folgendes geregelt:
7Präambel
8Am UKM werden seit einigen Jahren die Aufgaben des Pfortendienstes sowie Reinigungstätigkeiten sowohl von Beschäftigten des UKM als auch der GM durchgeführt.
9Um die Arbeitsabläufe zu vereinheitlichen und zu vereinfachen hat sich das UKM entschlossen, die Wahrnehmung des gesamten Pfortendienstes sowie die Durchführung einfacher Reinigungs- und hauswirtschaftlicher Tätigkeiten auf die GM mit Wirkung vom 01.01.2009 zu übertragen.
10Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB liegen nicht vor, da weder ein Betrieb noch ein Betriebsteil auf die GM übertragen werden.
11§ 1
12Personalgestellung
13- Das UKM stellt der GM im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TV-L Beschäftigte des UKM zur Verfügung. Die Namen der gestellten Beschäftigten ergeben sich aus der Anlage 1 zu diesem Personalgestellungsvertrag.
- Die gestellten Beschäftigten werden bei der GM zur Durchführung der in der Präambel beschriebenen Tätigkeiten eingesetzt. Das UKM tritt insoweit der GM seine Ansprüche auf Arbeitsleistung gegen die gestellten Beschäftigten ab.
- Die rechtlichen Arbeitsbedingungen richten sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen und den Vorschriften des TV-L und den diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen.
(4) Innerhalb des durch die Absätze 2 und 3 festgelegten Rahmens steht der GM hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit das Weisungs- und Organisationsrecht gegenüber den gestellten Beschäftigten zu.
17In einem Informationsschreiben des UKM an die von der Personalgestellung betroffenen Mitarbeiter vom 16. Dezember 2008 heißt es:
18"... wie anlässlich des Informationstermins am 16.12.2008 vorgestellt werden die Aufgaben des Pforten- und Reinigungsdienstes zum 01.01.2009 vollständig vom UKM auf die Gebäudemanagement GmbH übertragen. Die bisherigen Beschäftigten des Pforten- und Reinigungsdienstes werden im Wege der Personalgestellung gemäß § 4 Abs. 3 TV-L der Gebäudemanagement GmbH überlassen.
19Dies bedeutet für Sie, dass Sie ab dem 01.01.2009 Ihre Arbeitsleistung bei der Gebäudemanagement GmbH erbringen.
20Durch die Gestellung erfolgt keine Veränderung Ihres Arbeitsvertrages. Arbeitgeber bleibt wie bisher das UKM; der TV-L sowie die anderen für die Beschäftigten des UKM geltenden Tarifverträgen finden uneingeschränkt weiter Anwendung. Eine Veränderung Ihrer Vergütung erfolgt nicht. Ebenso wird Ihre betriebliche Altersversorgung mit der VBL fortgeführt.
21Ändern wird sich durch die Gestellung auf die Gebäudemanagement GmbH, dass ab dem 01.01.2009 das "fachliche Weisungsrecht" auf die Gebäudemanagement GmbH übergeht. Das bedeutet, dass insbesondere die Bestimmung über Ort und Zeit der ab dem 01.01.2009 von Ihnen zu erbringenden Arbeitsleistungen, die Urlaubsverwaltung usw. durch die zuständigen Mitarbeiter der Gebäudemanagement GmbH erfolgt."
22Unter dem 14. Januar 2009 teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, dass ab dem 1. März 2009 eine Vereinheitlichung der Arbeitszeit der Beschäftigen der GM GmbH und der vom UKM an die GmbH gestellten Beschäftigten erfolgen solle. Für die an die GM GmbH gestellten Beschäftigten im Pfortendienst ergäben sich dadurch künftig neue Schichtdienstzeiten. Die Anpassung der Dienstzeiten bei den gestellten Beschäftigten stelle keinen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand zwischen Antragsteller und Beteiligtem dar. Die Mitteilung an den Antragsteller erfolge zur Information.
23Mit Schreiben vom 21. Januar 2009 teilte der Antragsteller dem Beteiligten mit, er sehe in der geplanten Änderung der Schichtdienstzeiten einen mitbestimmungspflichtigen Sachverhalt nach § 72 Abs. 4 Nr. 1 LPVG NRW. Zugleich forderte er den Beteiligten auf, ein entsprechendes Mitbestimmungsverfahren einzuleiten.
24Der Beteiligte antwortete dem Antragsteller daraufhin unter dem 21. Januar 2009 schriftlich, er halte die Dienstzeitregelung für die an die GM GmbH gestellten Beschäftigten nicht für einen dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegenden Vorgang.
25Der Antragsteller leitete daraufhin das Beschlussverfahren ein und trägt vor: Ein Mitbestimmungsrecht bestehe auch hinsichtlich der Änderung der Schichtdienstzeiten bei den an die GM GmbH gestellten Arbeitnehmern. Diese hätten mit der GM GmbH kein neues Arbeitsverhältnis begründet. Sie seien weiterhin Arbeitnehmer des UKM. Damit verblieben sie im Zuständigkeitsbereich des Antragstellers. Die an die GM GmbH gestellten Mitarbeiter blieben Beschäftigte im Sinne des § 5 LPVG NRW bei dem UKM. Dem Antragsteller sehe ein Mitbestimmungsrecht in allen Angelegenheiten der Beschäftigten der Dienststelle zu, unabhängig davon, ob diese gestellt seien oder nicht. Bei einer Verneinung der Zuständigkeit des Antragstellers, wären die gestellten Mitarbeiter ohne Interessenvertretung. Hierin läge ein Verstoß gegen Art. 26 der Landesverfassung.
26Der Antragsteller beantragt,
27festzustellen, dass die Änderung der Schichtdienstzeiten für den Pfortendienst an den Kliniken für Chirurgie und Psychiatrie ab dem 1. März 2009 seiner Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW unterliegt, soweit davon Beschäftigte der Dienststelle betroffen sind, die zum 1. Januar 2009 an die Gebäudemanagement GmbH gestellt wurden.
28Der Beteiligte beantragt,
29den Antrag abzulehnen.
30Er führt aus: Die an die GM GmbH gestellten Beschäftigten des Pfortendienstes seien dort eingegliedert worden, da ein Wechsel der Weisungsbefugnis stattgefunden habe. Mit der Gestellung dieser Beschäftigten sei daher das Ausscheiden aus der bisherigen Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne verbunden, soweit Maßnahmen der neuen Dienststelle betroffen seien. Die geänderten Schichtdienstzeiten seien von Vertretern der GM GmbH angeordnet worden. Ein Zustimmungsvorbehalt des Beteiligten habe es insoweit nicht gegeben. Der GM GmbH sei vielmehr das Weisungs- und Organisationsrecht gegenüber den gestellten Beschäftigten übertragen worden. Dies beinhalte insbesondere die Festlegung der Dienstzeiten. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 des Betriebsverfassungsgesetzes seien auch Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig seien, als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
32II.
33Der Antrag hat keinen Erfolg.
34Dem Antragsteller steht das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nicht zu. Die Anordnung der geänderten Schichtdienstzeiten gegenüber den an die GM GmbH gestellten Beschäftigten unterliegt nicht seiner Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW.
35Bei der in Rede stehenden Bestimmung der geänderten Schichtdienstzeiten handelt es sich schon nicht um Maßnahme des Beteiligten gemäß § 66 Abs. 1 LPVG NRW. Als Maßnahme im Sinne der Vorschrift wird im Allgemeinen jede Handlung oder Entscheidung des Leiters der Dienststelle angesehen, mit der dieser in eigener Zuständigkeit eine Angelegenheit der Dienststelle regelt, sofern hierdurch der Rechtsstand der Beschäftigten oder eines einzelnen Beschäftigten berührt wird. An einer Regelung des Leiters der Dienststelle fehlt es unter anderem dann, wenn er rechtlich oder tatsächlich lediglich in Sachzusammenhänge einbezogen ist, ohne selbst handelnd in sie einzugreifen.
36Im Zusammenhang mit einer Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) werden die Arbeitgeberbefugnisse gleichsam aufgeteilt; dies führt im Ergebnis zu einer "doppelten Betriebszugehörigkeit" der gestellten Beschäftigten.
37Vgl. Trümner/Sparchholz, Drittbezogener Personaleinsatz von Arbeitnehmern und Personalvertretungsrecht, Der Personalrat 2008, Seite 317, 320 ff; siehe ebenso die Sichtweise der Landesregierung, in: Antwort auf die kleine Anfrage 3600 vom 28.10.2009, LT-Drs. 14/10042, Seite 3 (zu Frage 3.).
38Nach den rechtlichen Rahmenbedingungen der vorliegend in den Blick zu nehmenden Personalgestellung, insbesondere nach § 1 des Gestellungsvertrages zwischen dem UKM und der GM GmbH, steht das Weisungs- und Organisationsrecht hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit der gestellten Beschäftigten der GM GmbH zu. Durch die Personalgestellung sind die Arbeitgeberbefugnisse geteilt worden. Einen Teil dieser Befugnisse übt auf Grund des Personalgestellungsvertrages die GM GmbH aus. Nur hinsichtlich des "Grundarbeitsverhältnisses" obliegen dem Beteiligten Entscheidungen. Dementsprechend muss hinsichtlich etwaiger Mitbestimmungsrechte unterschieden werden, welcher "Arbeitgeber" gegenüber den gestellten Beschäftigten tätig wird und beteiligungspflichtige Entscheidungen trifft.
39Vgl. dazu VG Frankfurt, Beschluss vom 19. Juni 2006 - 23 L 850/06 -, Juris; Trümner/Sparchholz, Drittbezogener Personaleinsatz von Arbeitnehmern und Personalvertretungsrecht, a.a.O., Seite 322 f.
40Nach den unwidersprochenen Angaben des Beteiligten erfolgte die Anordnung der geänderten Schichtdienstzeiten für die an die GM GmbH gestellten Beschäftigten durch die zuständigen Vorgesetzten der GM GmbH. Dies wird bestätigt durch den Inhalt des vom Beteiligten unter dem 16. Dezember 2008 an die gestellten Beschäftigten gerichteten Schreibens. Darin hebt der Beteiligte ausdrücklich hervor, dass das "fachliche Weisungsrecht" ab dem 1. Januar 2009 auf die GM GmbH übergehe; die Bestimmung über Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistungen erfolge durch die zuständigen Mitarbeiter der GM GmbH. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beteiligte sich die Anordnung der geänderten Schichtdienstzeiten seitens der jeweiligen Vorgesetzten der GM GmbH gegenüber den gestellten Beschäftigten als eigene Maßnahme zurechnen lassen müsste.
41Die von der Anordnung betroffenen Beschäftigten werden durch das fehlende Mitbestimmungsrecht des Antragstellers auch nicht etwa in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht schutzlos gestellt. Sie sind vielmehr gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG (auch) Arbeitnehmer der GM GmbH. Nach der genannten Vorschrift gelten unter anderem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Ihre Interessenvertretung obliegt bezüglich der Maßnahmen der GM GmbH dem dort zuständigen Betriebsrat.
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