Beschluss vom Verwaltungsgericht Münster - 9 L 584/10
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 2200/10 des Antragstellers gegen die Bestellung des Beigeladenen zum Bezirksschornsteinfegermeister / bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger des Kehrbezirks Kreis D. X. durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. September 2010 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 9 K 2200/10 gegen den an den Beigeladenen gerichteten Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 27. September 2010, mit dem dieser zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister des Kehrbezirks Kreis D. X. bestellt wird, anzuordnen,
4hat Erfolg.
5Richtiger Antragsgegner ist, nachdem durch Artikel 2 Nr. 28 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 (GV NRW 30,48) das Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AG VwGO) außer Kraft getreten ist, das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung Münster. Denn mit dem Wegfall von § 5 Abs. 2 AG VwGO sind nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Anfechtungsklagen - dementsprechend auch wie hier Anträge gemäß §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO - gegen die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Damit ist kraft Gesetzes in den zum 01. Januar 2011 anhängigen Rechtssachen ein Beklagten- bzw. Antragsgegnerwechsel eingetreten.
6Der Antragsteller wendet sich zu Recht gegen den an den Beigeladenen gerichteten und zu dessen Gunsten ergangenen Verwaltungsakt vom 27. September 2010, mit dem der Beigeladene von der Bezirksregierung Münster zum Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk Kreis D. X. bestellt worden ist. Insoweit ist anerkannt, dass angesichts der § 10 Abs. 4 des Gesetzes über das Berufsrecht und die Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk vom 26. November 2008 (BGB l. I 2242 -Schornsteinfeger-Handwerksgesetz) - SchfHwG - in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen in der Fassung vom 03. April 2009 (BGB l. I 700 - Schornsteinfegergesetz) - SchfG - zugrunde liegenden Konzeption gegen die Bestellung des Konkurrenten zum Bezirksschornsteinfegermeister der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1, 80a Abs. 3 VwGO die zulässige Eilrechtsschutzform darstellt.
7Vgl. VG Köln, Beschluss vom 09. September 2010 - 3 L 529/10 -, u. a. JURIS und NRWE; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 28.06.2010 - 4 L 623/10.NW -, GewArch 2010,410, VG Saarland, Beschluss vom 27. September 2010 - 1 L 629/10 - JURIS.
8Eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses für die Zulässigkeit des Antrags bedarf es hier nicht, weil ein solches im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO - anders als mit dem Anordnungsgrund nach § 123 VwGO - nicht verlangt wird. Der - darauf offenbar abzielende - Hinweis der Bezirksregierung auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 02. August 2010
9- 22 Cs 10.1572 -, GewArch 2010,412
10ist unzutreffend. Dieses Gericht hat lediglich darauf verwiesen, dass bei der dort gegebenen Konstellation eine Vollziehungsaussetzung des Bestellungsbescheides allein wegen eines etwaigen Bewährungsvorsprungs des ausgewählten Bewerbers zum Bezirksschornsteinfeger aufgrund Zeitablaufs bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Klage zur Rechtewahrung des unterlegenen Mitbewerbers nicht in Betracht komme.
11Die aufschiebende Wirkung der gegen den kraft Gesetzes (§ 10 Abs. 4 SchfHwG i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 2 SchfG) sofort vollziehbaren Bestellungsbescheid vom 27. September 2010 gerichteten Klage 9 K 2200/10 ist anzuordnen. Denn der mit dieser Klage gestellte Anfechtungsantrag hat offensichtliche Erfolgsaussicht, so dass dem Interesse des durch den Verwaltungsakt nachteilig betroffenen Antragstellers entscheidendes Gewicht zukommt. Die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen als Bezirksschornsteinfegermeister (§ 5 Abs. 1 SchfG) bzw. als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger (§ 9 SchfHwG) für den streitigen Bezirk ist auf Grund eines rechtswidrigen Auswahlverfahrens getroffen worden und damit offensichtlich rechtswidrig.
12Seit dem 01. Januar 2010 gelten für die Auswahl und die Bestellung der Bezirksschornsteinfegermeister gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 SchfG die §§ 9 und 10 SchfHwG entsprechend. Nach § 9 Abs. 1 SchfHwG wird die Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger für einen Bezirk von der zuständigen Behörde öffentlich ausgeschrieben. Zu bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegern können Bewerber und Bewerberinnen bestellt werden, die die handwerksrechtlichen Voraussetzungen zur selbständigen Ausübung des Schornsteinfegerhandwerks besitzen (§ 9 Abs. 2 SchfHwG). § 9 Abs. 3 SchfHwG regelt, welche Unterlagen von den Bewerbern gefordert werden können. Die Auswahl zwischen den Bewerbern und Bewerberinnen ist gemäß § 9 Abs. 4 SchfHwG nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vorzunehmen. Wie dies bereits in der Gesetzesbegründung
13BT - Drucksache 16/9237, Seite 32 hervorgehoben worden ist, hat die zuständige Behörde hierzu ein objektives Auswahlverfahren einzurichten. Überdies sind die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Ausschreibungsverfahren und die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber zu erlassen (§ 9 Abs. 5 SchfHwG). Eine dementsprechende Rechtsverordnung hat Nordrhein-Westfalen bisher nicht erlassen. Die Bezirksregierung Münster wendet vielmehr durch das zuständige Wirtschaftsministerium veranlasste Richtlinien an. Es mag Bedenken begegnen, dass das Verfahren zur Auswahl als Bezirksschornsteinfegermeister nicht ermächtigungsentsprechend durch die normative Grundlage geregelt ist. Das gilt insbesondere deswegen, weil die Auswahl als Bezirksschornsteinfegermeister als Berufszugangsregelung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes eingreift
14vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 4. Februar 2010 - 1 BvR 2918/09 -, JURIS. und damit die "wesentlichen" Voraussetzungen der Auswahl gesetzesausfüllend möglicherweise nicht lediglich durch bloße Richtlinien bestimmt sein dürfen.
15Unabhängig davon begegnet das im Rahmen der Richtlinien (offenbar) landesweit bei einer Auswahl der vorliegenden Art genutzte Bewertungssystem entsprechend dem "Bewertungsbogen für Bewerbungen zur Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister" Bedenken. Der Bewertungsbogen sieht eine Punktvergabe unter Bildung eines Gesamtpunktwertes vor, mit der die im Rahmen des Auswahlverfahrens vorzulegenden Nachweise und Unterlagen gewichtet werden. Dabei können in der Kategorie "Erfahrung" für jedes Jahr Berufserfahrung Bewertungspunkte erzielt werden. Anders als in der zweiten Kategorie "Qualifikation" ist eine Beschränkung der Zahl der zu vergebenden Punkte für dieses Merkmal nicht vorgesehen. Das Verwaltungsgericht Köln
16Beschluss vom 09. September 2010 - 3 L 529/10 - a.a.O.
17hat aus diesem Umstand folgenden den Schluss gezogen: Da die Auswahlgrundsätze der Befähigung, Eignung und fachliche Leistung eines Bewerbers denjenigen im Beamtenrecht und in Art. 33 Abs. 2 GG entsprächen, dürfe jedenfalls - anders als in dem Bewertungsbogen vorgesehen - die Berufserfahrung allein, die hier unbeschränkt nach dem Maß ihrer Quantität berücksichtigt werde, nicht zum Hauptkriterium bei einer solchen Entscheidung gemacht werden. Dieses verstoße ohne Weiteres gegen die in der beamtenrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die das Lebens- bzw. das Dienstalter zudem regelmäßig nur als (nachrangiges) Hilfskriterium (auf der zweiten Ebene) bei gleicher Befähigung und Eignung ansähen. Dieser Auffassung hat sich das VG Augsburg
18Urteil vom 06. Oktober 2010 - Au 4 K 10.607 -, GewArch 2010,493
19angeschlossen. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
20vgl. Beschluss vom 02. August 2010 - 22 Cs 10.1572 -, a.a.O.
21geht im Hinblick auf die Anforderungen § 9 Abs. 4 SchfHwG offenbar davon aus, dass beamtenrechtliche Grundsätze bei der Auswahl eines Bewerbers für ein Statusamt bei der Bestellung eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers maßgeblich sein sollen.
22Ob einerseits der vorstehend dargestellte Maßstab bei der Auswahl eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers anzulegen ist und ob andererseits der - landeseinheitlich im Richtlinienwege eingeführte - Bewertungsbogen dann diesem Maßstab genügt, kann das Gericht, das die vorstehend dargestellte Auffassung tendenziell für zutreffend hält, letztlich offen lassen. Den dazu von den Beteiligten wechselseitig vorgetragenen Gesichtspunkten geht es daher hier nicht nach. Denn vorliegend hat die Bezirksregierung - ihren Angaben zufolge mit Rücksicht auf die beamtenrechtliche Rechtssprechung, wonach Bewerber bei nur geringen Unterschieden als "im wesentlichen gleich geeignet" gelten sollen - das Auswahlverfahren zweistufig durchgeführt und die sich aus den schriftlichen Unterlagen anhand des Beurteilungsbogens ergebenden drei besten Bewerber zu einem Auswahlgespräch eingeladen. Dabei hat sie zugrunde gelegt, dass zwischen dem erst- und drittplazierten Bewerber nicht mehr als fünf Punkte Differenz bestehen durfte.
23Gegen die Durchführung eines Auswahlgespräches aus solchermaßen gegebenem Anlass mag bei summarischer Prüfung nichts zu erinnern sein. § 9 Abs. 3 und 4 SchfHwG ist kein entsprechendes Verbot oder sonst Gegenteiliges zu entnehmen. Allerdings ist eine ausdrückliche Regelung zu einem Auswahlgespräch weder in den Richtlinien noch im Gesetz getroffen worden, so dass nur die von der Bezirksregierung angeführten Gesichtspunkte, die grundsätzlich sachgerecht sein mögen, für ein Auswahlgespräch sprächen. Die gewählte Form des Auswahlgesprächs ist aber durchgreifend rechtswidrig gewesen.
24Das Auswahlgesprächsverfahren ist - der unstreitigen Darstellung der Bezirksregierung entsprechend - folgendermaßen verlaufen: Für jeden Bewerber standen insgesamt 45 Minuten zur Verfügung, davon 30 Minuten für das eigentliche Auswahlgespräch und ca. 15 Minuten für die Beratung und Wertung durch eine eingesetzte Kommission. Die Kommission bestand, wie aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen (Beiakte 1, Bl. 43) hervorgeht, insgesamt aus 5 Personen. Drei Mitglieder der Auswahlkommission waren Beschäftigte der Bezirksregierung, in deren Dezernat das Schornsteinfegerwesen angesiedelt ist. Daneben hatte die Bezirksregierung zwei Beisitzer aus Handwerksorganisationen, nämlich den Obermeister der Schornsteinfegerinnung im Regierungsbezirk Münster, Herrn W. X. , sowie aus dem Zentralverband der Schornsteinfegerhandwerker (ZDS) Herrn H. , der zugleich Vorsitzender des Gesellenausschusses im Regierungsbezirk Münster ist, zu Mitgliedern der Kommission bestellt. Geleitet wurde die Kommission von Frau L. , Beschäftigte der Bezirksregierung. Allen drei Bewerbern wurden dieselben sechs Fragen, davon drei Fachfragen aus drei unterschiedlichen Sachgebieten gestellt. Wie sich aus den von der Bezirksregierung eingereichten Verwaltungsakten weiter ergibt, hatte jedes Kommissionsmitglied für die 6 gestellten Fragen einen Beurteilungsbogen zur Hand, in dem - in umgekehrter Schulnotenskala - 5 bis 1 Punkte zur Benotung zu verteilen waren. Ferner konnten in der Rubrik "Bewertung" handschriftliche Aufzeichnungen zu den Äußerungen der Kandidaten auf die gestellten Fragen eingetragen werden. Insoweit befinden sich auch die Bewertungsbögen der Kommissionsmitglieder van X. und H. mit entsprechenden Punktevergaben sowie Anmerkungen in den Verwaltungsakten. Nach weiterer Darstellung der Bezirksregierung haben - dies entspricht den Vermerken auf den Bewertungsbögen - die beiden Kommissionsmitglieder van X. und H. im Auswahlgespräch von den 6 Fragen jeweils eine gestellt. Im Falle des Antragstellers traf dies auf die Fragen 3 (van X. ) und 4 (H. ) zu. Sie betrafen Fragestellungen zum Feuerstättenbescheid bzw. zu Regelungen bezüglich der Rohbau- und Schlussabnahme für Feuerungsanlagen. Wertungsberechtigt sollen - wie die Bezirksregierung angegeben hat - allerdings lediglich die drei bei ihr beschäftigten und zur Kommission gehörigen Bediensteten gewesen sein. Die Bewertungen durch die beiden Vertreter der Handswerksorganisationen seien lediglich nachrichtlich aufgeführt und nicht in die Bewertung der Bewerber eingeflossen, belegten aber, dass die Entscheidung auch aus der Sicht fachkundiger objektiver Dritter gestützt werde. In der Beratung hätten die Beisitzer auf Nachfrage Hinweise zu den Antworten gegeben, insbesondere zu den Fachfragen.
25Die in der dargestellten Art und Weise erfolgte Heranziehung von Vertretern der Handwerksorganisationen als Mitglieder der Auswahlkommission erscheint der Kammer als durchgreifend rechtswidrig. Zwar soll die zuständige Behörde, hier die Bezirksregierung, nach der Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 9 SchfHwG
26vgl. Bundestagsdrucksache 16/9237, Seite 32
27vor der Auswahlentscheidung insbesondere zur Klärung technischer Fragen Sachverständige, die über eine entsprechende Neutralität, Objektivität, Unabhängigkeit und Sachkunde verfügen, anhören können. Von einer solchen wahrscheinlich nicht zu beanstandenden Anhörung kann allerdings dann nicht die Rede sein, wenn - zwar durchaus sachverständige - Angehörige von Handwerksorganisationen als Mitglieder der Auswahlkommission auftreten, im Rahmen des Auswahlgespräches entscheidende Fragen stellen und insoweit dem Auswahlgespräch einen entsprechenden Verlauf - auch durch Nachfragen - geben können, ohne nach der rechtlichen Ordnung zur substantiellen Mitwirkung an der Auswahlentscheidung befugt zu sein. Auch wenn, wie die Bezirksregierung behauptet, die Teilnahme der beiden Vertreter der Handwerksorganisationen am Auswahlgespräch "rein beratender Art" gewesen sein soll, nehmen diese dann jedoch durch ihre Einbeziehung in die Auswahlkommission, wie sie hier erfolgt ist, gegenüber dem jeweiligen Kandidaten die Stellung eines entsprechend befugten Kommissionsmitgliedes ein. Über eine zulässige Beratung der allein zur Entscheidung berechtigten Kommissionsmitglieder hinaus kann danach ein unzulässiger - wenn auch möglicherweise vom Antragsgegner unbeabsichtigter - Einfluss der Beisitzer auf das Auswahlergebnis durch deren Verhalten während des Auswahlgesprächs und in der Beratung des Ergebnisses über ihre eigentlich vorgesehene Rolle als sachverständige Berater bei der Klärung technischer Fragen hinaus nicht nur nicht ausgeschlossen werden. Er dürfte vielmehr dem gewählten Verfahrensablauf entsprechend stets eintreten. So wie in Prüfungen mit Blick darauf, dass es sich um Berufszugangsregelungen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes handelt, lediglich die dazu berufenen Prüfungsausschussmitglieder die Prüfung abnehmen und bewerten dürfen,
28vgl. dazu etwa Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, 4. Auflage, Band 2: Prüfungsrecht, Rdnr. 299 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung
29kann aber auch vorliegend nicht darauf verzichtet werden, dass das Auswahlgespräch offensichtlich und ausschließlich allein von den zur Auswahlentscheidung ermächtigten Kommissionsmitgliedern, mithin Beamten bzw. Beschäftigten der Bezirksregierung als dafür zuständige Behörde, durchzuführen war. Insoweit sind wie im Prüfungsrecht an die erst nach Auswahl erfolgende Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger als objektive Berufszugangsregelung, die in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes eingreift, entsprechend hohe Anforderungen an das Auswahlverfahren zu stellen.
30Zum Bestellungsverfahren zum Bezirksschonsteinfeger siehe BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 4. Februar 2010 a.a.O..
31In der Gesetzesbegründung zu § 9 SchfHwG
32vgl. Bundestagsdrucksache 16/9237 a.a.O.
33wird zu Recht darauf verwiesen, dass die zuständige Behörde ein objektives Auswahlverfahren einzurichten hat. Ferner ist dort auch lediglich angeführt worden, die Behörde könne "vor" der Auswahlentscheidung insbesondere zur Klärung technischer Fragen Sachverständige anhören. Eine Beteiligung solcher Personen in dem Auswahlgespräch, das hier die entscheidende Stufe des Auswahlverfahrens darstellen soll, ist damit nicht angesprochen, zumal die landesweiten (Auswahl-)Richtlinien des Wirtschaftsministeriums unter "II. Mitwirkung von sachkundigen Personen" ebenfalls auf diesen Umstand verweisen.
34Ein Verfahren, das über eine Beratung der ordentlichen Kommissionsmitglieder hinaus anderen eine Einflussnahme auf die Auswahlentscheidung ermöglicht, hält somit nicht die Grenzen eines solchen objektiven Auswahlverfahrens ein. Durchgreifend belegt wird die Überschreitung dieser Grenzen letztlich, wenn die Bezirksregierung in dem an den Antragsteller gerichteten negativen Bescheid vom 8. September 2010 formuliert, dass sie sich "'im Einvernehmen' mit der Schornsteinfeger-Innung N. und dem ZDS für einen anderen Bewerber (den Beigeladenen) entschieden" habe.
35Ist danach das durchgeführte Auswahlgespräch mit den drei Bewerbern einschließlich des Antragstellers und des Beigeladenen zu beanstanden, kommt es nicht darauf an, dass nach der auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen und Nachweise von der Bezirksregierung vorgenommenen Bewertung der Antragsteller nicht zum Auswahlgespräch hätte eingeladen werden dürfen. Insoweit hat die Bezirksregierung zwar nachträglich festgestellt, dass sie bei der Bewertung der Unterlagen im Falle des Antragstellers entgegen den Vorgaben des Bewertungsbogens eine zu hohe Punktzahl vergeben hatte. Entscheidend ist aber, dass der Antragsteller, der in seiner Person die Voraussetzungen für die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister erfüllt, in den Kreis der im Wege des Auswahlgesprächs auszuwählenden Kandidaten einbezogen worden ist. Insoweit kann eine Verletzung auch gerade seiner subjektiven Rechte nicht ausgeschlossen werden, zumal von ihm auch die erste Stufe des Auswahlverfahrens beanstandet wird.
36Auf die weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Fragen kommt es nach alledem nicht an, so dass ihnen nicht weiter nachzugehen war.
37Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
38Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und entspricht mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des vorliegenden Verfahrens der Hälfte des in dem Vorschlag in Ziffer 5.4.3.1 des Streitwertkatalogs 2004 für das Hauptsacheverfahrens benannten Wertes von 15.000,- Euro.
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