Beschluss vom Verwaltungsgericht Münster - 1 L 328/14
Tenor
Die Anträge werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt O. aus Osnabrück ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt.
3Der Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1 K 881/14 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 15. 4. 2014 wiederzustellen,
5ist in Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.
6Die formellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung liegen vor, insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Sie hat durch ihre einzelfallbezogene Begründung erkennen lassen, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
7Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Sein privates Aussetzungsinteresse überwiegt nicht das öffentliche Vollzugsinteresse und es besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweisen sich die in der Ordnungsverfügung vom 15. 4. 2014 enthaltenen Verwaltungsakte als offensichtlich rechtmäßig.
8Die Entziehung des Reisepasses (Nr. 1 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 8 PassG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Es liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass der Antragsteller sich in Syrien paramilitärisch ausbilden lassen will. Er gibt selbst zu, streng gläubiger Moslem zu sein, und hat sein äußeres Erscheinungsbild in diesem Sinne verändert. Er war zumindest früher Mitglied der Gruppe „T. “, die nach Angaben der Geschädigten im Strafverfahren 540 Js 262/14 zumindest salafistische Tendenzen aufweist. Der Antragsteller ist ferner wegen Körperverletzungsdelikten auffällig geworden, die ihren Hintergrund darin hatten, dass die Geschädigten wegen Verstößen gegen die Regeln der Gruppe gemaßregelt werden sollten bzw. den Geschädigten gedroht wurde, sie dürften sich aufgrund ihrer verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen nicht mehr treffen. Im Rahmen der Strafverfahren erfuhr die Polizei durch Aussage eines Geschädigten, der Antragsteller wolle nicht mehr lange in Deutschland bleiben. Entscheidend kommt hinzu, dass die aufgrund dieser Tatsachen vom Antragsgegner geäußerte Annahme, der Antragsteller wolle nach Syrien ausreisen, sich durch sein weiteres Verhalten weiter bestätigt hat. Der Antragsteller wurde am 3. 6. 2014 gegen 23.25 Uhr auf der BAB 8 München – Salzburg und anschließend auf der Inntalautobahn BAB 93 Richtung Kufstein in Begleitung des Herrn L. U. angetroffen, von dem mehrere Geschädigte im Strafverfahren 540 Js 262/14 angaben, er sei Anfang 2014 gerade aus Syrien zurückgekehrt. Das Vorbringen des Antragstellers und des Herrn U. , sie wollten zu einem Baggersee, ist schon angesichts der Reisezeit und der mitgeführten Winteroutdoor-Bekleidung unglaubhaft; hinzu kommt, dass sie dazu keine näheren Angaben machen konnten, das am selben Tag gekaufte Navigationsgerät, das sich im Auto befand, aber das Ziel „Ancona/Italien“ angab, die beiden bereits eine Autobahnvignette für Österreich gekauft hatten und sich auf einer Autobahn befanden, die allein weiter nach Österreich führt. Ferner führten sie einen Notizzettel mit einer türkischen Adresse bei sich, die sich auf die Stadt Kirsehir bezieht. Diese liegt auf dem Weg von der von Ancona aus mit der Fähre zu erreichenden Stadt Cesme nach Syrien. Diese Umstände widerlegen deutlich den Vortrag des Antragstellers, er habe nicht vor, nach Syrien auszureisen. Vielmehr begründen sie die bereits hinreichend konkrete Annahme, dass er beabsichtigt, sich dort irgendeiner Weise im Bürgerkrieg zu engagieren und sich auch paramilitärisch ausbilden zu lassen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 12.
10Ein solcher Sachverhalt gefährdet die deutschen Interessen im Ausland, da dadurch Leib und Leben Dritter und damit hochrangige Rechtsgüter gefährdet werden können. Die Gefahrenprognose unterliegt dabei einem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Es genügt, wenn der Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 5 ff.
12Nimmt ein deutscher Staatsangehöriger an Kampfhandlungen einer islamistischen Organisation teil und beabsichtigt er, im Ausland schwere Straftaten zu begehen, ist dies geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft zu gefährden. Daneben stellt es eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar, da davon ausgegangen werden muss, dass der Antragsteller nach seiner Rückkehr nach Deutschland auch hier im Konflikt mit nicht nach seinen Regeln lebenden Personen verstärkt Gewalt anwenden wird.
13Von der Passentziehung ist nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen gemäß § 8 i. V. m. § 7 Abs. 2 PassG abzusehen. Die Entziehung stellt sich als verhältnismäßig dar, insbesondere bietet die Beschränkung des Geltungsbereichs oder der Gültigkeitsdauer kein milderes und gleich geeignetes Mittel, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Denn sie könnte eine – wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat – kurzfristig bevorstehende Ausreise des Antragstellers, gegebenenfalls über ein anderes Land der Europäischen Union, nicht wirksam verhindern.
14Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die beeinträchtigten Rechte des Antragstellers erkannt und die widerstreitenden Interessen ohne Rechtsfehler miteinander abgewogen.
15Die Sicherstellung des Reisepasses des Antragstellers beruht auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 PassG. Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die zur Entziehung angegebenen Gründe ihr Ermessen auch insofern ordnungsgemäß ausgeübt.
16Die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises (Nr. 2 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG i. V. m. § 7 PassG. Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG, die – wie erörtert – vorliegen, konnte die Antragsgegnerin anordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Auch hier liegen Ermessensfehler nicht vor.
17Soweit die Speicherung der pass- und personalausweisrechtlichen Maßnahmen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand überhaupt einen eigenständigen Regelungscharakter aufweist, findet sie ihre rechtliche Grundlage jedenfalls in § 9 PassG und § 6 Abs. 8 PAuswG.
18Es liegt ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor. Wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat, ist zu befürchten, dass der Antragsteller innerhalb kurzer Zeit ausreisen wird. Könnte die Verfügung erst nach Rechtskraft des Klageverfahrens vollstreckt werden, könnte den befürchteten Gefahren nicht wirksam begegnet werden, da der Antragsteller innerhalb dieser Zeit ausreisen könnte.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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