Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 5 K 3183/13.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am 00.00.0000 in P. /Nigeria geboren und nigerianischer Staatsangehöriger vom Volksstamm der Yoruba. Nach seiner Darstellung reiste er am 00.00.0000 mit dem Flugzeug über den Flughafen Frankfurt am Main in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 25. Mai 2011 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 21. Juni 2011 gab der Kläger im Wesentlichen an, nach Abschluss der Sekundarschule im Jahre 1986 sei er 1987 Soldat geworden und dies bis zu seiner Ausreise aus Nigeria geblieben. Er habe den Dienstrang eines einfachen Soldaten gehabt und sei bei der Infanterie, 3. Panzerbrigade, gewesen. Seit Ende 2006 sei er in der Kaserne S. B. C. , K. , Q. State stationiert gewesen. Im Juni 2008 habe es einen Militäreinsatz in Berom im Verwaltungsbereich Berom LGA (Local Government Area) – ca. 45 bis 60 Autominuten von K. entfernt – gegeben, an dem mit ihm rund 30 Soldaten teilgenommen hätten. Der Kommandant habe ihnen zunächst gesagt, sie sollten sich für einen Einsatz im nahegelegenen Dorf B. bereithalten. Kurz darauf hätten sie, die Soldaten, dann von in Berom wohnenden Personen jeweils eine große Summe Bargeld erhalten. Er, der Kläger, habe sich aber geweigert, das Geld anzunehmen. Am nächsten Tag seien sie in das Dorf B. gegangen und hätten dort gesehen, dass als Soldaten verkleidete Menschen die Einwohner des Dorfes getötet haben. In der Folge seien er und sechs weitere Soldaten wegen Befehlsverweigerung verhaftet worden. Ein Mitglied des ermittelnden militärischen Geheimdienstes (military intelligence) habe ihm mitgeteilt, dass höhere Offiziere und politische Anführer in die Angelegenheit verwickelt seien, und ihm zur Flucht geraten. Er sei daraufhin geflohen und von dem Vater eines Freundes zu einem Pastor gebracht worden. Dieser habe ihm einen Pass und im Zeitraum ungefähr zwischen August und Oktober 2008 zwei Mal ein Visum bei der Deutschen Botschaft organisiert. Das Visum habe er jedoch jeweils nicht zur Ausreise nutzen können, da sein Name an allen Flughäfen bekannt gewesen sei. Den Pass könne er nicht mehr vorlegen, da dieser dem Pastor bei einem Raubüberfall entwendet worden sei. In der Folge sei er vor dem „court marshall“ – einem Militärgericht der Armee – in K. wegen Befehlsverweigerung angeklagt worden, er sei aber dort nicht erschienen. Am 18. Mai 2011 sei er dann vom Flughafen in Lagos zusammen mit dem Pastor und vielen weiteren Personen in Richtung Frankfurt am Main abgeflogen. Der Pastor habe für ihn sowie die weiteren Personen die notwendigen Papiere aufbewahrt. Ob es eine Zwischenlandung auf dem Flug von Lagos nach Frankfurt gegeben habe, wisse er nicht, da er geschlafen habe.
4Das Bundesamt lehnte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen und drohte dem Kläger unter Setzung einer Ausreisefrist von 30 Tagen die Abschiebung nach Nigeria an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Klägers zu seiner politischen Verfolgung sei in wesentlichen Punkten unsubstantiiert und unplausibel. Es sei bereits unplausibel, dass versucht worden wäre, einfache Soldaten ohne Entscheidungskompetenz und Befehlsgewalt zu bestechen. Auch die Schilderung der mit dem Bestechungsversuch verbundenen Ereignisse sowie die Angaben zu dem Pass und den Visa, die der Kläger seinen Angaben zufolge mit Hilfe des Pastors erhalten habe, seien verworren und unsubstantiiert. Ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.
5Der Kläger hat am 4. November 2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er insbesondere vor, er habe Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es bestehe eine begründete Furcht vor Verfolgung auf Grund seiner politischen Überzeugung. Er habe die Vorgänge in Berom dahingehend interpretiert, dass ihm und den anderen Soldaten das Geld angeboten worden sei, um sie zum Töten anderer Leute zu bewegen. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria befürchte er, einem Verfahren ausgesetzt zu sein, dessen Ausgang politisch motiviert wäre und das auf Grund politischer Gegebenheiten zu einer überharten Bestrafung führen könne; es drohe ihm die Verhängung der Todesstrafe oder lebenslange Haft.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2013
81. zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen,
92. zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
103. hilfsweise zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG zuzuerkennen,
114. weiter hilfsweise zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Nigeria vorliegt.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
15In dem Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Beklagte niemand erschienen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Das Gericht konnte in der Sache mündlich verhandeln und entscheiden, obwohl für die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Denn sie wurde mit Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß zum Termin geladen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
19Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes oder die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, die erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
20Maßgeblich für diese Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. AsylVfG). Anzuwenden ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 maßgebliche Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes.
21Die während des Klageverfahrens in Kraft getretenen Rechtsänderungen haben nicht zur Folge, dass sich der Streitgegenstand geändert oder erweitert hätte. Das Prüfprogramm ist sowohl hinsichtlich des Flüchtlingsstatus, dessen Voraussetzungen nunmehr in den §§ 3 bis 3e AsylVfG geregelt sind, als auch – ungeachtet der geänderten Terminologie – hinsichtlich des jetzt in § 4 AsylVfG geregelten subsidiären Schutzes in der Sache im Wesentlichen unverändert geblieben.
22Vgl. näher und m. w. N. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2564/10.A -, juris, Rn. 22 ff.
23§ 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fasst die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote, mit denen Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12) umgesetzt worden war, unter normativer Verknüpfung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG zusammen. Die Regelungen sind – von der im Zuge der Neuregelung vorgenommenen terminologischen Umbenennung des Schutzstatus abgesehen – gleichlautend und materiell-rechtlich inhaltsgleich.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris, Rn. 31.
251. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG. Der Anspruch ist nach Art. 16a Abs. 2 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ausgeschlossen. Hiernach kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen, der aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist.
26Da nach der derzeit geltenden Rechtslage (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG und Anlage I zu § 26a AsylVfG) alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisender Ausländer von der Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im Einzelnen bekannt ist.
27Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 = juris, Rn. 177.
28Auch wenn der Asylbewerber den ihn hinsichtlich seiner Einreise treffenden allgemeinen und im Asylverfahrensgesetz geregelten besonderen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten – wie insbesondere Angabe seines Reisewegs und Vorlage entsprechender Dokumente – nicht oder nur teilweise nachkommt, bleibt es Sache des Gerichts, den Sachverhalt – soweit erforderlich – von Amts wegen weiter aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet allerdings dort ihre Grenze, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet. Ein Anlass zu weiterer Aufklärung ist beispielsweise dann zu verneinen, wenn der Asylbewerber keine nachprüfbaren Angaben zu seiner Einreise gemacht hat und es damit an einem Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen fehlt.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1999 - 9 C 36.98 -, BVerwGE 109, 174 = juris, Rn. 8 f.
30Bleibt der Einreiseweg letztlich unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaats nach Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist zu sein.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1999 - 9 C 36.98 -, BVerwGE 109, 174 = juris, Rn. 12 ff.
32So liegt es hier. Die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Behauptung des Klägers, er sei mit einem Direktflug ohne Zwischenlandung von Nigeria nach Frankfurt am Main gereist, ist unglaubhaft. Denn zum einen hat er in der Anhörung vor dem Bundesamt noch angegeben, er wisse nicht, ob es auf dem Flug eine Zwischenlandung gegeben habe. Zum anderen hat er sowohl in der Anhörung vor dem Bundesamt als auch – auf entsprechende Nachfrage des Gerichts – in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe während des gesamten Fluges geschlafen. Unterlagen über seinen Reiseweg von Nigeria nach Deutschland vermochte der Kläger ebenso wenig vorzulegen.
332. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 bis 3e AsylVfG), weil er nicht verfolgt bzw. nicht bedroht ist wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmtem sozialen Gruppe.
34Unter dem – hier allein in Betracht zu ziehenden – Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung ist nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylVfG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
35Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2564/10.A -, juris, Rn. 37; siehe auch BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377 = juris, Rn. 22.
37Aus den in Art. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten der Antragsteller folgt, dass es Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigen werden.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2014 - 1 A 1139/13.A -, juris, Rn. 35; BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405/89 -, NVwZ-RR 1990, 379 = juris, Rn. 8; jeweils zu Art. 16a Abs. 1 GG.
39Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er Nigeria auf Grund erfolgter oder drohender politischer Verfolgung verlassen hat. Sein Vortrag ist vielmehr in wesentlichen Kernbereichen unsubstantiiert und unplausibel.
40Dies gilt zunächst für seine Schilderung des angeblichen Bestechungsversuchs in dem Dorf C. . In der Anhörung vor dem Bundesamt nannte der Kläger als „Local Government Area“ (LGA), in der sich der Bestechungsversuch zugetragen haben soll, „C. “, in der mündlichen Verhandlung hingegen „K. North“. Aber auch hiervon abgesehen ist die Schilderung der Vorkommnisse in „C. “ verworren und letztlich nicht plausibel. Namentlich die erstmals in der mündlichen Verhandlung angeführte Interpretation des Klägers, das Geld sei ihm und den anderen Soldaten angeboten worden, um sie dazu zu bewegen, andere Leute zu töten, ist unglaubhaft. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, warum dieser – für das behauptete Verfolgungsschicksal des Klägers entscheidende – Aspekt erstmals in der mündlichen Verhandlung – und dort erst auf Nachfrage seiner Prozessbevollmächtigten – angeführt wurde. Unabhängig davon stimmt diese Version ersichtlich nicht mit der Schilderung des Klägers in der Anhörung vor dem Bundesamt überein, dass er und weitere Soldaten am nächsten Tag in dem Dorf „B. “ „falsche Soldaten“, das heißt lediglich als solche verkleidete Personen als Urheber eines Massakers identifiziert hätten. Nach der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Behauptung hätten vielmehr „echte“ Soldaten die Tötungen vornehmen sollen; Anhaltspunkte dafür, dass die „falschen“ Soldaten lediglich ersatzweise die Tötungen vorgenommen hätten, bestehen ebenfalls nicht, da nach Angaben des Klägers lediglich er und fünf (so in der mündlichen Verhandlung) bzw. sechs (so in der Anhörung vor dem Bundesamt) weitere Soldaten das Geld nicht angenommen haben.
41Ebenso unplausibel und unglaubhaft ist die Behauptung des Klägers, er habe sich seit den Geschehnissen in „C. “ im Jahre 2008 bis zu seiner Ausreise 2011 bei einem Pastor nahezu ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt versteckt gehalten. Auf gerichtliche Nachfrage vermochte der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch nicht einmal den Namen des angeblichen Pastors anzugeben.
42Vor diesem Hintergrund war das Gericht auch nicht gehalten, den Beweisanträgen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nachzugehen. Denn es ist anerkannt, dass das Gericht auch einem substantiierten Beweisantrag zum Verfolgungsgeschehen nicht nachgehen muss, wenn die Schilderung, die der Asylkläger hierzu gibt, in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist.
43Vgl. näher OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2014 - 13 A 1019/14.A -, juris, Rn. 11 ff. m. w. N.
443. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit seinem Hilfsantrag verfolgte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 AsylVfG. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylVfG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach Satz 2 als solcher gilt 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
45Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG droht.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris, Rn. 34; siehe auch BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377 = juris, Rn. 22.
47Dem Kläger droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im vorgenannten Sinne, denn sein Vorbringen ist – wie bereits ausgeführt – in wesentlichen Punkten unsubstantiiert und unplausibel und damit unglaubhaft.
484. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenso wenig ersichtlich. Insbesondere ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit erheblicher konkreter Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erkennbar.
49Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ im Sinne dieser Vorschrift genügt nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der „Konkretheit“ der Gefahr für „diesen“ Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris, Rn. 250 f. m. w. N.
51Der Kläger hat weder in glaubhafter Weise das Vorliegen einer ihn betreffenden erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit vorgetragen noch ist eine solche Gefahr sonst ersichtlich. Im Hinblick auf vereinzelt in Nigeria aufgetretene Ebola-Fälle liegt bereits keine Gefahr vor. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation,
52WHO Response to the Ebola Virus Disease outbreak, Update 20. September 2014, abrufbar unter:
53http://www.afro.who.int/en/clusters-a-programmes/dpc/epi-demic-a-pandemic-alert-and-response/outbreak-news/4279-evd-outbreak-20-september-2014.html (Stand: 21. Oktober 2014),
54datiert der letzte Ansteckungsfall vom 8. September 2014. Auf dieser Basis hat die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch des Ebola-Virus in Nigeria zunächst als weitgehend eingedämmt eingestuft (s.o.) und mittlerweile Nigeria offiziell als „Ebola-Free“ bezeichnet.
55Vgl. WHO declares Nigeria Ebola-Free, abrufbar unter:
56http://www.afro.who.int/en/nigeria/press-materials/item/7103-who-declares-nigeria-ebola-free.html (Stand: 21. Oktober 2014).
57Ebenso wenig führt die allgemeine Gefahr, in Nigeria Opfer eines Übergriffs der Boko Haram zu werden, zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn hierbei handelt es sich – ebenso wie bei dem Ausbruch des Ebola-Virus – um eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die grundsätzlich nur im Rahmen von Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu berücksichtigen ist.
58Anhaltspunkte für die Annahme einer extremen Gefahrenlage für den Kläger bei einer Rückkehr nach Nigeria, die eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Einzelfall erforderte,
59vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris, Rn. 252 f. m. w. N.,
60sind nicht erkennbar, weil der Kläger nicht sehenden Auges in den sicheren Tod geschickt wird.
615. Die Abschiebungsandrohung rechtfertigt sich aus § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 AufenthG, die Ausreisefrist folgt aus § 38 Abs. 1 AsylVfG.
62Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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