Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (2. Kammer) - 2 A 19/01

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur Errichtung einer Windenergieanlage auf einem im Außenbereich der Gemeinde G. gelegenen Grundstück, der ihm unter Hinweis auf entgegenstehende Darstellungen im Flächennutzungsplan der Gemeinde versagt worden ist.

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Am ...  fasste der Rat der Gemeinde G. den Aufstellungsbeschluss zur ... Änderung des Flächennutzungsplans, mit der Sonderbauflächen zur Errichtung eines Windparks ausgewiesen werden sollten. Im Rahmen der daran anschließenden, von einem beauftragten Planungsbüro durchgeführten Untersuchungen über mögliche Standorte für die Errichtung von Windenergieanlagen (Standort-Potentialstudie) wurde in einem ersten Teilschritt zunächst das gesamte, rd. 33 km² große Gemeindegebiet auf Flächen untersucht, die für eine Windkraftnutzung grundsätzlich in Betracht kommen. Dabei wurden zum einen sog. "Positivkriterien" wie z.B. die Größe und Verfügbarkeit der Flächen sowie die für diesen Bereich ermittelten Windgeschwindigkeiten, zum anderen sog. "städtebauliche und raumordnerische Restriktivkriterien" - insbesondere die gegenüber Siedlungsgebieten bzw. einzelnen bebauten Grundstücken, Waldflächen, Deichen, Gewässern sowie Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen einzuhaltenden Mindestabstände - zugrunde gelegt; darüber hinaus sollte mit der Planung eine Konzentration der grundsätzlich geeigneten Standorte auf eine bzw. einige wenige größere Fläche(n) erreicht werden, um dort einen entsprechenden Windpark errichten zu können. Im Rahmen dieses ersten "Grobrasters" schied ein großer Teil des Gemeindegebietes - insbesondere das bebaute Ortszentrum und die daran (mehr oder weniger unmittelbar) anschließenden Bereiche, darüber hinaus aber auch größere Bereiche im östlich des Stichkanals ... gelegenen Ortsteil O. - nach Einschätzung des Planungsbüros als geeigneter Standort für die Errichtung von Windenergieanlagen aus.

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Der danach verbleibende, in 11 - zum Teil noch weiter untergliederte - Flächen unterschiedlicher Größe unterteilte Bereich wurde sodann in einem zweiten Teilschritt daraufhin untersucht, ob die Errichtung von Windenergieanlagen möglicherweise andere raumbedeutsame Belange, insbesondere solche des Natur- und Landschaftsschutzes, der Siedlungs- und Infrastruktur oder der Orts- und Denkmalpflege beeinträchtige. Dies wurde im Ergebnis - mit der Folge, dass auch diese aus dem Kreis der geeigneten Standorte ausgeschieden wurden - für einen großen Teil dieser Flächen bejaht. Hinsichtlich der .... "Fläche 1" wurde dies damit begründet, dass dieser Bereich zum einen Bestandteil eines größeren Landschaftsschutzgebietes und zum anderen in der vom Nds. Landesamt für Ökologie vorgenommenen Kartierung der avifaunistisch wertvollen Bereiche in Niedersachsen als zumindest regional bedeutsamer Lebensraum für Brutvögel dargestellt sei. Letzteres gelte auch für die ... "Fläche 2", die im Übrigen angesichts ihrer Größe lediglich die Aufstellung von zwei bis drei Windenergieanlagen, nicht aber die konzentrierte Errichtung mehrerer Anlagen in einem Windpark ermögliche; auch die ... "Flächen 3 und 4" seien insoweit zu klein. Die ... "Fläche 5" sowie die ... "Teilflächen 8a und 8b" stünden für eine Windenergienutzung ebenfalls nicht zur Verfügung, da dort in Zukunft Teilaussiedlungen von landwirtschaftlichen Betrieben erfolgen sollten, zum Teil auch tatsächlich schon durchgeführt worden seien. Auch der südliche Teil der "Teilfläche 8c" komme als Standort nicht in Betracht, weil dieser im Bereich einer möglichen Siedlungsentwicklung des östlich gelegenen Ortsteils O., die in westliche Richtung angedacht sei, liege und im Übrigen aufgrund seiner Einsehbarkeit zu einer Beeinträchtigung des Ortsbildes O. führen würde. Die ... "Flächen 7 (nördlicher Teil) und 9 (mit Ausnahme zweier kleiner Teilflächen)" seien im derzeit geltenden Flächennutzungsplan - teilweise auch schon in einem daraus entwickelten Bebauungsplan - als Industriegebiet ausgewiesen und deshalb der gewerblichen Nutzung bzw. Entwicklung vorzubehalten. Die Errichtung von Windenergieanlagen sei in einem derartigen Gebiet zwar grundsätzlich möglich, aus Schallschutzgründen bzw. im Hinblick auf die insoweit einzuhaltenden Mindestabstände jedoch nicht ratsam, weil dadurch potenziell ansiedlungswillige Unternehmen möglicherweise abgeschreckt werden könnten. Soweit es die "Teilfläche 9c", bei der die vorgenannten Beeinträchtigungen nicht zu erwarten seien, betreffe, biete diese lediglich Platz für die Errichtung einer Windenergieanlage.

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Die hiernach verbleibenden, vom Grundsatz her als geeignete Standorte für Windenergieanlagen angesehenen "Flächen 6, 7 (südlicher Teil), 8c (nördlicher Teil) und 9 (südwestlicher und östlicher Teil)" sowie die ganz im Osten des Gemeindegebietes gelegenen "Flächen 10 und 11" wurden sodann einer "zusammenfassenden Bewertung" unterzogen. Dabei wurde zum einen darauf abgestellt, dass diese Flächen für sich genommen jeweils zu klein seien und deshalb nur in Verbindung mit einer anderen Fläche als Standort für die Errichtung eines Windparks in Betracht kämen; zum anderen müsse bei einzelnen Flächen ihre Lage innerhalb des Gemeindegebietes berücksichtigt werden, die für den Fall, dass dort ein Sondergebiet für Windenergieanlagen ausgewiesen werde, für die Zukunft - wegen der dann zu geringen Abstände zwischen den einzelnen Flächen - die Planung weiterer Windparks im Gemeindegebiet ausschließe. Soweit es die "Fläche 11" betreffe, sei diese aufgrund eines dort laufenden Flurbereinigungsverfahrens derzeit nicht uneingeschränkt verfügbar und könne daher letztlich erst nach Abschluss dieses Verfahrens als geeignet angesehen werden. Angesichts dessen sei im Ergebnis die "Fläche 6" in Verbindung mit dem südlichen Teil der "Fläche 7" als der aktuell am besten geeignete Standort für eine sinnvolle und konzentrierte Windkraftnutzung anzusehen.

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Auf der Grundlage dieser Standortuntersuchungen beschloss der Verwaltungsausschuss der Gemeinde G. sodann am ... den Entwurf der ... Änderung des Flächennutzungsplans; anschließend wurden die Träger öffentlicher Belange beteiligt und der Planentwurf öffentlich ausgelegt. Dabei waren in dem ausgelegten Entwurf der Planzeichnung drei unterschiedlich große Bereiche mit der Bezeichnung "Sonderbaufläche für Windkraftanlagen" - und zwar eine (größere) östlich des Stichkanals ... sowie zwei (kleinere) westlich dieses Kanals, die durch eine Straße getrennt sind - eingezeichnet, die sich sowohl von der Größe als auch vom Zuschnitt und der Lage her (deutlich) von den im Vorfeld als geeignete Standorte angesehenen "Flächen 6 und 7 (südlicher Teil)" unterschieden. Außerdem waren auch die konkreten Standorte für die (vier) geplanten Windenergieanlagen bereits eingetragen und hinsichtlich dieser Anlagen eine Schattenwurf- und Schallimmissionsprognose sowie ein landschaftspflegerischer Begleitplan erstellt worden. In dem beigefügten (ebenfalls ausgelegten) Entwurf des Erläuterungsberichts heißt es u.a., dass mit der beabsichtigten Planänderung die Errichtung von Windenergieanlagen im Gebiet der Gemeinde G. gesteuert und auf bestimmte Flächen konzentriert werden solle, um einem möglichen "Wildwuchs" derartiger Anlagen im Außenbereich entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck sei geplant, auf den zeichnerisch dargestellten Flächen insgesamt vier Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von jeweils 500 bis 600 kW, einer Nabenhöhe von höchstens 70 m und einer Gesamthöhe von höchstens 100 m zuzulassen. Mit der dadurch ermöglichten Gesamtleistung von bis zu 2,4 MW werde ein den Zielen der Raumordnung und Landesplanung entsprechender Beitrag der Gemeinde G. zur Nutzung der Windkraft geleistet; weitere Einzelanlagen oder Windparks sollten künftig im Gemeindegebiet nicht realisiert werden. Soweit es die Suche nach bzw. die Auswahl von geeigneten Standorten für derartige Anlagen betrifft, wurden im Wesentlichen (zum größten Teil wörtlich) die Aussagen der im Vorfeld erstellten Standort-Potentialstudie übernommen. Nachdem sodann die während des Auslegungsverfahrens vorgebrachten Anregungen und Bedenken erörtert worden waren, beschloss der Rat der Gemeinde G. in seiner Sitzung am     die    Änderung des Flächennutzungsplans auf der Grundlage des ausgelegten Entwurfs der Planzeichnung und mit einem von der Begründung des Entwurfs teilweise abweichenden Erläuterungsbericht, die anschließend mit Verfügung der Bezirksregierung ... vom ... genehmigt wurde.

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Am ... beantragte der Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Errichtung einer Windenergieanlage des Typs Enercon-40 mit einer Nennleistung von 600 kW auf dem Flurstück ... , das unmittelbar nördlich an die "mittlere" der in der ... Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde G. dargestellten Sonderbaufläche für Windenergieanlagen angrenzt; die Entfernung zu der westlichen Sonderbaufläche beträgt ca. 60 bis 65 m.

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Mit Bescheid vom ... beschied der Beklagte diese Bauvoranfrage abschlägig und begründete dies damit, dass der vorgesehene Anlagenstandort außerhalb derjenigen Flächen liege, die in der Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde G. als Sonderbauflächen für Windenergieanlagen ausgewiesen seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung ... mit Bescheid vom ... aus denselben Gründen zurück.

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Der Kläger hat daraufhin am ...  mit der Begründung Klage erhoben, dass die Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde G. an erheblichen Abwägungsmängeln leide und deshalb unbeachtlich sei (wird ausgeführt). Andere öffentliche Belange stünden seinem Vorhaben ebenfalls nicht entgegen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom ... und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ... vom aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm den beantragten Bauvorbescheid zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Flurstück ... zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt aus den Gründen der angefochtenen Bescheide,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides, weil sein Bauvorhaben nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist (§ 74 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 Abs. 1 NBauO).

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Bei der vom Kläger beabsichtigten Errichtung einer Windenergieanlage handelt es sich um ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich privilegiertes Vorhaben, das planungsrechtlich nur dann unzulässig ist, wenn eine ausreichende Erschließung nicht gesichert - wofür hier nichts ersichtlich ist - oder wenn ihm öffentliche Belange entgegenstehen. Letzteres ist zwar nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in der Regel dann der Fall, wenn für derartige Vorhaben (u.a.) durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist, wie dies hier (an sich) durch die Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde G. geschehen ist. Diese Planung/ Planänderung leidet jedoch an erheblichen Abwägungsmängeln und ist deshalb nicht geeignet, die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeizuführen.

16

Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei jeder Bauleitplanung die maßgeblichen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Abwägungsgebot ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, wenn in die Abwägung nicht das an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie hätte eingehen müssen oder wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit anderer Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot allerdings dann genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurücksetzung des anderen Belangs entscheidet (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 12.12.1969 - IV C 105.68 -, BVerwGE 34, 301; U. v. 05.07.1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309). Speziell für den hier gegebenen Fall der Ausweisung von Vorrangstandorten bzw. Sondergebieten für Windenergieanlagen erfordert das Gebot einer gerechten Abwägung, dass die planende Gemeinde ein schlüssiges Planungskonzept vorlegt, in dem durch entsprechende Darstellungen geeignete Standorte für Windenergieanlagen positiv festgelegt - und damit gleichzeitig ungeeignete Standorte im übrigen Plangebiet ausgeschlossen - werden, wobei die grundsätzliche Privilegierung von Windenergieanlagen angemessen zu berücksichtigten ist (vgl. Nds. OVG, B. v. 17.01.2002 - 1 L 2504/00 -, RdL 2002, 93; B. v. 20.12.2001 - 1 MA 3579/01 -, RdL 2002, 107 jew. m.w.N., u.a. auch auf die Gesetzesbegründung). Diesen Anforderungen wird die ... Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde G. nicht gerecht.

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Dies folgt zunächst schon daraus, dass bei den vorbereitenden Untersuchungen hinsichtlich geeigneter Standorte für Windenergieanlagen bzw. entsprechende Windparks der Abwägungsvorgang von vornherein fehlerhaft verengt worden ist, weil in diese Standortanalyse nicht sämtliche Flächen eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge einzustellen gewesen wären. So ist bereits im Rahmen des "ersten Teilschritts" (Untersuchung des gesamten Gemeindegebietes auf grundsätzlich geeignete Standorte) das Untersuchungsgebiet unzulässigerweise verkleinert worden, weil dort zum Teil zu große Schutzabstände zu anderen Flächen bzw. Einrichtungen zugrunde gelegt worden sind. Denn die insoweit erstellte Standort-Potentialstudie geht (vgl. S. 11 oben sowie die dazugehörige Karte I: "Darstellung städtebaulicher und raumordnerischer Restriktionsflächen") davon aus, dass zu stehenden Gewässern von über 0,5 ha Größe sowie von Hauptdeichen ein Abstand von 200 m und gegenüber sonstigen Deichen ein Abstand von 100 m einzuhalten sei, was im vorliegenden Fall u.a. im Bereich .... , aber auch entlang des Stichkanals    zur Eintragung entsprechender Abstandszonen geführt hat. Diese - offensichtlich auf die "Empfehlungen zur Standortsicherung und raumordnerischen Beurteilung von Windenergieanlagen" (Bekanntmachung des MI v. 03.07.1991 - 64.3-32346/8 -, Nds. MBl. 1991, S. 924) gestützte - Einschätzung widerspricht jedoch dem nachfolgenden Runderlass des MI vom 11.07. 1996 "Festlegung von Vorrangstandorten für Windenergienutzung" (39.1-32346/8.4), der jedenfalls gegenüber den nachgeordneten Planungsträgern Verbindlichkeit beansprucht (vgl. Nds. OVG, U. v. 21.07.1999 - 1 L 5203/96 -, NVwZ 1999, 358) und auch im Übrigen zumindest grundsätzlich geeignete bzw. sachgerechte Beurteilungskriterien enthält (vgl. Nds. OVG, B. v. 20.12.2001, aaO; U. v. 14.09.2000 - 1 K 5414/98 -, NVwZ 2001, 452); danach aber ist nur gegenüber alten Deichlinien und Gewässern I. Ordnung ein bestimmter Mindestabstand - und zwar lediglich von 100 m - einzuhalten. Abgesehen davon sind die der Standort-Potentialstudie zugrunde liegenden Abstandsforderungen zum Teil, nämlich soweit es den Stichkanal .. betrifft, der Sache nach auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil es sich bei diesem Kanal weder um ein Gewässer I. Ordnung (vgl. § 66 Abs. 1 NWG i.V.m. den einschlägigen Verzeichnissen, abgedr. bei Haupt/Reffken/Rhode, Nds. Wassergesetz, Stand: Juni 2002, § 66 Rn. 2 u. Anhang 2) noch um eine alte Deichlinie im Sinne des genannten Runderlasses handelt; auf die vom Kläger weiter aufgeworfene (und verneinte) Frage, ob dieser Kanal tatsächlich überhaupt über einen "Deich" verfügt, kommt es daher nicht entscheidend an. Ebenfalls unbeachtlich ist der in diesem Zusammenhang vom Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand, der geforderte Mindestabstand von 200 m sei jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil in Zukunft damit zu rechnen sei, dass der fragliche Kanal entsprechend den Zielen der Landesplanung ausgebaut bzw. erweitert werde. Denn wenn dies - und nicht lediglich die "schlichte" (und fehlerhafte) Übernahme der ministeriellen Abstandsempfehlungen aus dem Jahre 1991 - tatsächlich der maßgebende Gesichtspunkt für den insoweit geforderten Mindestabstand gewesen sein sollte, hätte dies schon angesichts der (wasser-)wirtschaftlichen und verkehrlichen Bedeutung einer solchen Maßnahme im Erläuterungsbericht - in dem sich dazu keinerlei Aussage findet - hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen müssen.

18

Eine Verkürzung des Abwägungsvorgangs ist aber auch bei den nachfolgenden Untersuchungsschritten festzustellen. Rechtlich unzureichend ist zunächst schon die Begründung, mit der der größte Teil der - insgesamt immerhin 83 bzw. 226 ha großen - "Flächen 7 und 9" aus dem Kreis der geeigneten Standorte ausgeschieden worden ist und die sich letztlich darin erschöpft, dass diese Flächen aufgrund entsprechender Ausweisungen im Flächennutzungsplan bzw. Bebauungsplan "der künftigen gewerblichen bzw. industriellen Entwicklung des Gemeindegebietes vorzubehalten seien" (Standort- Potentialstudie, S. 23 oben und Seite 25 unten/26 oben). Denn selbst wenn der letztgenannte Gesichtspunkt im Grundsatz durchaus ein anzuerkennendes planerisches Ziel darstellt, hätte es insoweit zumindest ergänzender Erläuterungen bedurft, warum es angesichts der Größe sowohl der betreffenden Flächen selbst als auch des Gemeindegebietes insgesamt sowie des Umstandes, dass in der Nähe von Gewerbe- und Industriegebieten aufgrund der geringeren "Störanfälligkeit" solcher Gebiete die Errichtung von Windenergieanlagen grundsätzlich in Betracht kommt, gleichwohl geboten ist, diese (zum größten Teil) als für die Errichtung derartiger Anlagen ungeeignete Standorte einzustufen. Letzteres gilt - in verstärktem Maße - auch für den Ausschluss des südlichen Teils der "Fläche 8c". Soweit in diesem Zusammenhang eine Beeinträchtigung des Ortsbildes des mehr als 500 m östlich gelegenen Ortsteils O. geltend gemacht wird, dürfte damit schon das Gewicht, das Windenergieanlagen durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Privilegierung eingeräumt worden ist und das zwangsläufig gewisse "optische Beeinträchtigungen" des Orts- und Landschaftsbildes mit sich bringt, verkannt worden sein; vor allem aber fehlt eine nachvollziehbare Begründung für den insoweit (Standort-Potentialstudie, S. 25 oben) pauschal geforderten Mindestabstand von 750 m zwischen diesem Ortsteil und der nächstgelegenen Windenergieanlage. Dasselbe gilt für den weiteren Hinweis, der Ausschluss dieser Teilfläche sei erforderlich, um eine Beeinträchtigung "einer möglichen zukünftigen Siedlungsentwicklung des Ortsteils O. in westliche Richtung" zu vermeiden (Standort-Potentialstudie, S. 24 unten); denn allein das allgemeine Interesse einer Gemeinde, bestimmte Flächen für eine "potenzielle Siedlungsentwicklung" von Windenergieanlagen freizuhalten, stellt in städtebaulicher Hinsicht jedenfalls dann kein sachgerechtes Kriterium für den Ausschluss dieser Flächen dar, wenn derartige Planungsabsichten - wie hier - bislang noch nicht einmal im Ansatz konkretisiert worden sind (vgl. Nds. OVG, U. v. 21.07. 1999, aaO). Eine rechtliche Verkürzung des Abwägungsvorgangs stellt es schließlich auch dar, dass die Suche nach entsprechenden Vorrangstandorten für Windenergieanlagen bereits im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen auf den "aktuell am besten geeigneten" Standort beschränkt (Standort-Potentialstudie, S. 31 unten) und - insbesondere - danach durch die weitere Prämisse eingegrenzt worden ist, derartige Flächen lediglich in einem Umfang auszuweisen, dass der (ohnehin nicht näher erläuterte und nach Angaben des Vertreters der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung mittlerweile auch schon wieder "überholte") "derzeit feststellbare Bedarf" an durch Windkraftnutzung gewonnener Energie (in Höhe von maximal 2,4 MW) gedeckt werden soll und zu diesem Zweck auch lediglich vier Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von jeweils 500 bis 600 kW zugelassen werden sollen (vgl. u.a. S. 7 Mitte, 9 oben, 11 unten des Erläuterungsberichts zum Flächennutzungsplan). Selbst wenn man den erstgenannten Gesichtspunkt (noch) als sachgerechtes Auswahlkriterium bzw. grundsätzlich zulässiges Planungsziel ansehen wollte (vgl. Nds. OVG, U. v. 25.06.2001 - 1 K 1115/00 -, V.n.b.; für den Bereich der Regionalplanung zum Teil anders allerdings Nds. OVG, B. v. 20.12.2001, aaO), ist es städtebaulich jedenfalls nicht begründbar, im Flächennutzungsplan bereits die Anzahl der zulässigen Anlagen und - wie hier geschehen - zusätzlich auch noch deren Höhe und Leistung verbindlich festzulegen. Dies entspricht weder der allgemeinen Funktion eines Flächennutzungsplans, lediglich die Grundzüge der künftigen gemeindlichen Planungen darzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB), noch der Zielsetzung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, wonach die Gemeinde lediglich "geeignete Flächen" für die Errichtung von Windenergieanlagen auszuweisen hat; Beschränkungen und Detailplanungen (Schallimmissions- und Schattenwurfprognose, landschaftspflegerischer Begleitplan), wie sie hier vorgenommen worden sind, sind dagegen regelmäßig der späteren Aufstellung eines (verbindlichen) Bebauungsplans - ggf. sogar erst einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren - vorzubehalten.

19

Die hier in Rede stehende Änderung des Flächennutzungsplans ist darüber hinaus - selbstständig tragend - auch deshalb abwägungsfehlerhaft, weil die in dem ausgelegten und anschließend endgültig beschlossenen Entwurf des Flächennutzungsplans als Vorrangstandorte für Windenergieanlagen dargestellten Flächen nicht mit den in der vorangegangenen Standort-Potentialstudie als geeignet angesehenen "Flächen 6 und 7 (südlicher Teil)" übereinstimmen - sondern sich sowohl von ihrer Größe als auch von ihrem Zuschnitt und ihrer Lage her deutlich von diesen unterscheiden - , ohne dass hierfür im Erläuterungsbericht irgendeine Begründung - außer der, dass "eine Gruppe von Grundstückseigentümern dort die Errichtung eines Windparks plane" (vgl. S. 24 Mitte des Erläuterungsberichts in der endgültigen, von dem ausgelegten Entwurf ohnehin abweichenden Fassung) - gegeben worden ist. Eine solche wäre aber schon im Hinblick auf die abweichenden Aussagen in der genannten Standort-Potentialstudie, im Übrigen auch deshalb erforderlich gewesen, weil die nunmehr vorgenommene Standortauswahl nicht ohne weiteres mit den ansonsten erklärten planerischen Absichten bzw. Prämissen vereinbar ist. Denn zum einen erweckt - worauf der Kläger zu Recht hinweist - die zeichnerische Darstellung der ausgewählten Standorte (einschließlich der Tatsache, dass dort jeweils auch schon die maximal zulässige Anzahl von Windenergieanlagen eingetragen worden ist) bei einem unbefangenen Betrachter in der Tat den Eindruck, dass hier - entgegen der im gesamten Verlauf des Verfahrens (auch noch im Erläuterungsbericht selbst) bekundeten planerischen Absicht, auf einer bestimmten Konzentrationsfläche einen Windpark errichten zu wollen - lediglich drei separate Standorte für Einzelanlagen ausgewiesen worden sind. Dies lässt sich im Übrigen auch kaum mit den im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen an die Standortsuche angelegten Maßstäben vereinbaren, weil in diesem Stadium bestimmte Bereiche - etwa die "Flächen 2, 3 und 9c" - gerade deshalb ausgeschieden worden sind, weil sie angesichts ihrer Größe lediglich Platz für ein bis drei Windenergieanlagen böten. Zum anderen grenzt die westlichste der nunmehr ausgewiesenen Sonderbauflächen im Norden unmittelbar an eine (jedenfalls im Zeitpunkt der Planänderung noch existierende) Waldfläche an - von der nach Ziff. 3 der Anlage zum Runderlass des MI vom 11.07.1996 und den Aussagen der vorangegangenen Standort-Potentialstudie an sich ein Abstand von 200 m einzuhalten (gewesen) wäre - und rückt in südliche Richtung näher an eine dort befindliche landwirtschaftliche Hofstelle heran, zu der zumindest nach den Aussagen der Standort-Potentialstudie ebenfalls ein größerer Abstand gehalten werden müsste. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der südliche Teil der genannten Waldfläche zwischenzeitlich beseitigt worden ist, weil dies - wie der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat - erst nach In-Kraft-Treten der hier streitigen Planänderung geschehen ist. Darüber hinaus liegt die östlichste der drei ausgewiesenen Sonderbauflächen (deutlich) näher als - wie für die westliche Seite des Kanals gefordert - 200 m am Stichkanal ... .Angesichts dieser Ungereimtheiten hätte es daher einer eingehenden städtebaulichen Begründung für die erheblichen Abweichungen von den in der Standortanalyse enthaltenen Vorschlägen bedurft; da eine solche jedoch nicht einmal ansatzweise vorhanden ist, ist die vorgenommene Standortauswahl letztlich nicht nachvollziehbar, wenn nicht sogar willkürlich (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Nds. OVG, B. v. 17.01.2002, aaO; U. v. 25.06.2001 - 1 K 1115/00).

20

Die dargelegten Mängel im Abwägungsvorgang sind auch im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erheblich, weil sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (vgl. zum Nachfolgenden Nds. OVG, U. v. 21.07.1999, aaO; U. v. 25.06. 2001 - 1 K 1015/00). Die bei der Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials und der Gewichtung der einzelnen Belange im Rahmen der Abwägung aufgetretenen Fehler ergeben sich ohne weiteres aus den zeichnerischen Unterlagen (Planzeichnung, "Restriktionsflächen-Karten") und der in der Standort-Potentialstudie sowie im Erläuterungsbericht gegebenen Begründung und sind deshalb "offensichtlich". Es besteht auch die konkrete Möglichkeit, dass diese Mängel auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind, weil eine vollständige Erfassung der (grundsätzlich) geeigneten Standorte im Rahmen der Standortanalyse und eine sachgerechte, städtebaulich vertretbare Abwägung bei der "positiven" und "negativen" Standortauswahl voraussichtlich zu einem anderen Ergebnis der Planung geführt hätte. Angesichts dessen ist die Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde G. nicht geeignet, die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeizuführen und kann dem Vorhaben des Klägers daher nicht entgegengehalten werden.

21

Dass diesem Vorhaben möglicherweise andere öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen, ist weder vom Beklagten bzw. von der Beigeladenen selbst geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere kann - woran hier noch am ehesten zu denken wäre - schon aufgrund der im Planverfahren erstellten Schallimmissions- und Schattenwurfprognose hinreichend sicher ausgeschlossen worden, dass es beim Betrieb der vom Kläger geplanten Anlage zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die nächstgelegene Wohnbebauung durch Lärm oder Schattenwurf kommt, ganz abgesehen davon, dass insoweit ggf. auch noch entsprechende Auflagen im Rahmen eines nachfolgenden Genehmigungsverfahrens möglich sind. Auch die (ggf.) erforderlichen Mindestabstände zu der oben erwähnten, nordwestlich gelegenen (Rest-) Waldfläche und zum Stichkanal ... - der, soweit dieser Kanal überhaupt über einen (Neben-)Deich verfügen sollte, lediglich 50 m beträgt (vgl. § 16 Abs. 1 NDG) - werden an dem vom Kläger konkret vorgesehenen, in dem seiner Bauvoranfrage beigefügten Flurkartenauszug eingetragenen Anlagenstandort eingehalten.

 


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