Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (3. Kammer) - 3 A 214/01

Tatbestand

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Der Kläger ist Eigentümer von Waldgrundstücken, die in D. an die E. und den F. Weg angrenzen. In den frühen Morgenstunden (03.47 Uhr bis 04.45 Uhr) des 27.12.1998 entfernte die Besatzung eines Rüstwagens der Berufsfeuerwehr der Beklagte auf Veranlassung der Vollzugspolizei einen etwa 5 m langen Ast von der Fahrbahn des F. Wegs. Dafür stellte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 27.01.2000 Kosten in Höhe von 230,00 DM in Rechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bescheid Bezug genommen.

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Gegen den Bescheid vom 27.01.2000 hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren (Widerspruchsbescheid vom 29.08.2001) fristgerecht die Klage 3 A 214/01 erhoben.

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Am 31.01.2000 in der Zeit vom 05.12 Uhr bis 06.12 Uhr entfernten die Besatzungen eines Rüstwagens und eines Tanklöschfahrzeugs einen auf die E. gestürzten Baum von ungefähr 50 cm Durchmesser und säuberten die Straße. Dafür stellte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 19.07.2000 Kosten in Höhe von 603,00 DM in Rechnung.

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Gegen den Bescheid vom 19.07.2000 hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren (Widerspruchsbescheid vom 19.08.2001) fristgerecht die Klage 3 A 215/01 erhoben.

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Der Kläger hält seine Inanspruchnahme auf Erstattung der Räumungskosten aus folgenden Gründen für rechtswidrig: Der Einsatz der Feuerwehr sei jeweils unentgeltlich gewesen. Dies folge aus § 26 Abs. 1 des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes - NBrandSchG -. Jeweils auf Grund einer Unwetterlage sei der Ast auf den F. Weg und der Baum auf die E. gestürzt. Die Einsätze seien mithin bei Notständen durch Naturereignisse und zur Rettung von Menschen aus Lebensgefahr erforderlich gewesen, um eine nicht einzugrenzende Zahl von Verkehrsteilnehmern vor lebensgefährlichen Verkehrshindernissen zu schützen. Jedenfalls sei seine Inanspruchnahme auf Kostenerstattung nach Maßgabe des 26 Abs. 2 NBrandSchG ausgeschlossen, weil sie im Sinne dieser Vorschrift eine unbillige Härte für ihn bedeute. Er sei Eigentümer umfangreicher Waldungen. Zur Erfüllung seiner Verkehrssicherungspflicht lasse er mindestens zweimal jährlich die an den öffentlichen Straßen liegenden Waldsäume in Augenschein nehmen. Schon daraus entstehe ihm ein erheblicher Aufwand. Die Beklagte müsse berücksichtigen, das infolge historischer Entwicklung seine Wälder oft durch Straßenbau zerschnitten worden seien, und dass seinen Wäldern, insbesondere des Winters, die Bedeutung von Schutzwäldern im Sinne des § 30 des Niedersächsischen Straßengesetzes - NStrG - zukomme. Es widerspreche allgemeinen Billigkeitsgrundsätzen und sei nicht Ausdruck der Sozialgebundenheit des Eigentums, wenn er gleichwohl zu Aufräumkosten herangezogen werde. Es könne nicht im öffentlichen Interesse liegen, wenn er zur Vermeidung zukünftiger Räumungskosten seine Waldbestände an öffentlichen Straßen bis zu einer Tiefe von 30 m einschlagen lasse. Jedenfalls habe die Beklagte ihr Ermessen, wen sie zur Kostenerstattung heranziehe, unzutreffend ausgeübt. Die Entfernung des Bruchholzes aus dem Straßenraum habe vorwiegend im Interesse des Straßenbaulastträgers gelegen, den die Verkehrssicherungspflicht für die Straßen treffe. Der Straßenbaulastträger sei verpflichtet, Hindernisse von den Fahrbahnen zu räumen; Unterlasse er dies, so sei er „Handlungsstörer“; er müsse auch aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten ein besonderes Interesse an der Beseitigung des Astes und des Baumes gehabt haben. Ein solches haftungsrechtliches Interesse habe er - der Kläger - nicht, weil er mit den regelmäßigen Kontrollen der Baumbestände an den Straßenrändern seine Verkehrssicherungspflicht erfülle. Als Straßenbaulastträgerin habe die Beklagte die Hindernisse also im eigenen Interesse beseitigt und dürfe deshalb nicht ihn zur Kostenerstattung heranziehen.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 27.01. und 19.07.2000 und die Widerspruchsbescheide vom 29.08.2001 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klagen abzuweisen.

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Sie trägt vor: Der Kläger habe gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 ihrer Satzung über die Erhebung von Kostenersatz und Gebühren für Dienst- und Sachleistungen der Berufs- und der Freiwilligen Feuerwehr außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben (Gebührensatzung Feuerwehr) die Räumungskosten zu tragen. Die Einsätze der Feuerwehr seien nicht durch einen öffentlichen Notstand erforderlich geworden, sondern durch eine einem Verkehrsunfall vergleichbare Sachlage. Die Heranziehung des Klägers zur Kostenerstattung stelle keine unbillige Härte dar. Weder laufe sie den gesetzlichen Bestimmungen des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes zu wider, sondern entspreche diesen vielmehr, noch sei erkennbar, dass der Kläger durch die Abgabenlast in eine Notlage geriete. Ihr Auswahlermessen habe sie nicht fehlerhaft ausgeübt. Die Ursache der Gefahr für den Straßenverkehr, die zu beseitigen die Feuerwehr eingesetzt worden sei, habe in der Sphäre des Klägers gelegen.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klagen sind zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Rechtgrundlage für die Erhebung von Kostenersatz und Gebühren für Einsätze der Feuerwehr ist § 26 Abs. 2 NBrandSchG in Verbindung mit der zum jeweiligen Einsatzzeitpunkt geltenden „Gebührensatzung Feuerwehr“ der Beklagten. Durch § 26 Abs. 2 NBrandSchG hat der Gesetzgeber die Träger der nach dem Niedersächsischen Brandschutzgesetz zu erfüllenden Aufgaben ermächtigt, für andere als die in § 26 Abs. 1 NBrandSchG genannten Leistungen Kostenersatz nach Maßgabe einer Satzung zu verlangen. Unentgeltlich nach § 26 Abs. 1 NBrandSchG ist der Einsatz der Feuerwehr bei Bränden, bei Notständen durch Naturereignisse und bei Hilfeleistungen zu Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr. Um keine dieser Einsatzarten ist es bei der Räumung des am 27.12.1998 auf die Fahrbahn des F. Weges gefallenen Astes und des am 31.01.2000 auf die Fahrbahn der E. gestürzten Baumes gegangen. Dass die Räumungen der Fahrbahnen jeweils keinen Brandeinsatz darstellten und nicht der Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr dienten, bedarf keiner näheren Begründung. Zwar waren der Ast bzw. der Baum als Hindernisse auf der Fahrbahn geeignet, Teilnehmer am Straßenverkehr zu behindern und unter Umständen auch zu gefährden. Dass sich ein Verkehrsteilnehmer wegen dieser Hindernisse auf der Fahrbahn aber in akuter Lebensgefahr befunden hätte, ist nicht erkennbar. Die Einsätze der Feuerwehr haben auch nicht der Beseitigung von Notständen durch Naturereignisse gedient. Zwar handelt es sich bei Windwurf von Bäumen oder Ästen um ein Naturereignis. In den hier zu beurteilenden Fällen führten die Naturereignisse jedoch nicht zu Notständen. Sie betrafen nur einzelne Verkehrsteilnehmer in einer Art und Weise, wie es etwa für Verkehrsunfälle typisch ist. Verkehrsunfälle führen häufig zu einer Behinderung der Verkehrsteilnehmer auf der betroffenen Straße dadurch, dass zum Zwecke der Bergung von Unfallopfern und -fahrzeugen eine Straße oder eine Fahrbahn zeitweise für den Verkehr gesperrt werden muss. Dies betrifft dann nicht die Allgemeinheit, sondern nur die jeweils gerade am fraglichen Ort anwesenden Verkehrsteilnehmer (vgl. etwa: VGH Mannheim, U. v. 18.11.1991 - 1 S 269/91 -, DÖV 1992, 267; Scholz/Thomas, Niedersächsisches Brandschutzgesetz, 5. Aufl., Erl. § 26, Anm. 2 a). In beiden Fällen, die hier zu beurteilen sind, hat sich das jeweilige Hindernis allenfalls dahingehend ausgewirkt, dass die Verkehrsteilnehmer die entsprechenden Straßen nicht nutzen konnten und einen Umweg in Kauf nehmen mussten. Bei beiden betroffenen Straßen handelt es sich um Verbindungswege zwischen der Stadt D. und Gemeinden im Umland. Für die betroffenen Verkehrsteilnehmer standen jeweils andere Verbindungswege als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung. Sie konnten ihr Fahrziel jeweils erreichen und mussten dazu lediglich in erträglichem Maße Umweg und Zeitverlust in Kauf nehmen. Insofern unterscheidet sich die Sachlage von den Verhältnissen, die das Verwaltungsgericht Freiburg (U. v. 06.10.1987 - 6 K 44/87 -, NVwZ-RR 1988, 77) im Zusammenhang mit der Räumung eines die Straße vollkommen blockierenden Baumes als Notstand gewertet hat. Dort waren wegen des Hindernisses mehrere Wohngrundstücke nicht mehr erreichbar, auch nicht für Feuerwehr und Rettungsdienst.

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Der Einsatz der Feuerwehr war in beiden Fällen gerechtfertigt. Der Baum und der Ast lagen jeweils auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße und behinderten den Verkehr. Darin lag eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit mit der Folge, dass die Ordnungsbehörde die zur Beseitigung der Gefahr geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ergreifen durfte. Dabei war sie nicht gehalten, den Kläger zur Beseitigung der Hindernisse aufzufordern und erst im Falle einer Untätigkeit oder eines säumigen Verhalten des Klägers Zwangsmittel einzusetzen. Dieser für den Kläger möglicherweise wirtschaftlichere Weg hätte dazu geführt, dass die Gefahr unangemessen lange angedauert hätte. Die Beklagte konnte daher im Wege der unmittelbaren Ausführung (§ 64 Abs. 2 Nr. 1 NGefAG) die Hindernisse beseitigen.

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Die Kostenerhebung entspricht in beiden Fällen den Bestimmungen der „Gebührensatzung Feuerwehr“. Zwar ist die Begründung der Gebührenerhebung vom 27.01.1998 - auch in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2001 - insofern unrichtig, als die als Rechtgrundlage herangezogene Satzung vom 27.11.1998 (Amtsblatt f. d. Reg.-Bez. Weser-Ems S. 1098) erst am 01.01.1999 in Kraft getreten ist und deshalb auf den Einsatz vom 27.12.1998 keine Anwendung finden kann. Dies ist aber unerheblich, weil die bis zum 31.12.1998 geltende Satzung vom 19.03.1996 (Amtsblatt f. d. Reg.-Bez. Weser-Ems S. 620) hinsichtlich der die Kostenerhebung für den Einsatz am 27.11.1998 rechtfertigenden Bestimmungen mit den Bestimmungen der Satzung vom 27.11.1998 übereinstimmt. Anhaltspunkte dafür, dass die Satzungen selbst an einem beachtlichen Rechtsfehler litten, sind nicht erkennbar. Als Eigentümer der Gegenstände, deren Zustand die Einsätze der Feuerwehr erforderlich machten, ist der Kläger Kostenschuldner (§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 2. Spiegelstrich, der Satzungen von 1996 und 1998). Die Kosten sind entsprechend den satzungsgemäßen Tarifen erhoben worden.

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Die Einwände des Kläger gegen seine Heranziehung zu den Kosten der Einsätze greifen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass (auch) den Straßenbaulastträger als für die Verkehrssicherheit der Straßen Verantwortlichen eine Pflicht zur Beseitigung der Gefahr trifft. Rechtlich zulässig hat sich die Beklagte jedoch auf den Standpunkt gestellt, dass die von der Feuerwehr beseitigte Gefahr jeweils aus der Sphäre des Klägers herrührte. Entstehen auf öffentlichen Straßen Gefahren für den Verkehr durch das Verhalten von Verkehrsteilnehmern oder den Zustand von Sachen, so entspricht es - ohne dass es ausdrücklicher Erwägungen dazu bedürfte - sachgerechter Ermessensbetätigung, denjenigen zur Beseitigung der Störung oder zur Erstattung der Kosten heranzuziehen, der die Gefahr durch sein Verhalten herbeigeführt hat, oder der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt in Bezug auf die Sache ist, von der die Gefahr ausgeht (vgl. VGH Mannheim, U. v. 09.08.2001 - 1 S 523/01 -, VBlBW 2002, 73). Für den Kläger liegt in seiner Heranziehung keine unbillige Härte. Er ist nicht härter betroffen, als jeder Grundbesitzer, der für Gefahren in die Pflicht genommen wird, die von seinem Grundstück für angrenzende öffentliche Straßen ausgehen. Seiner ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit als Grundbesitzer steht der wirtschaftliche und ideelle Wert des Grundbesitzes gegenüber. Das er - wie er vorträgt - seinen Verkehrssicherungspflichten durch regelmäßige Beschau der Waldsäume an öffentlichen Straßen nachkommt, kann ihn nur aus einer Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht entlassen. Seine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für Gefahren, die von seinem Grundbesitz ausgehen, bleibt davon unberührt.

 


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