Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (3. Kammer) - 3 A 52/03

Tatbestand

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Der Kläger ist Sonderschullehrer. Er war bis zu seiner Versetzung an eine Sonderschule in B. Anfang des Jahres 2003 an der C. (Schule für Lernbehinderte) in D. tätig. Dort soll er am 18.10.2002 bei Aufräumarbeiten im Physiksaal der Schülerin K. - nach deren Angaben - von hinten mit beiden Händen an die Brust gefasst und ihren Genitalbereich berührt haben. Die Beklagte untersagte dem Kläger daraufhin am 21.10.2002 mündlich und mit schriftlicher Verfügung vom 28.10.2002 die Führung der Amtsgeschäfte. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 18.02.2003 in der Sache zurückwies.

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Der Kläger hat am 14.03.2003 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt: Die Angaben der Schülerin K. träfen nicht zu. Die Schülerin zeige in Fragen der Sexualität wenig Zurückhaltung. Ihre Angaben müssten ihrer sexuellen Phantasie entsprungen sein. Wie seine Beurteilungen auswiesen, habe er sich in der Vergangenheit stets durch hohe Fachkompetenz ausgewiesen. Er habe stets das Vertrauen seiner Schülerinnen und Schüler genossen und habe ihnen auch in schwierigen persönlichen Situationen mit Gesprächen zur Seite gestanden. Das Lehrerkollegium halte weiter zu ihm. Die Beklagte habe ihrer Entscheidung nicht einfach die Angaben der Schülerin K. zugrunde legen dürfen, sondern hätte den Sachverhalt zügig aufklären müssen. Bis zum Abschluss der Ermittlungen hätten die dienstlichen Interessen ausreichend dadurch gewahrt werden können, dass er in einer anderen Klasse als bisher eingesetzt worden wäre.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2003 rechtswidrig gewesen sei.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Das gegen den Kläger ausgesprochene Amtsführungsverbot war bereits vor Klageerhebung gegenstandslos geworden, weil nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Kläger ein förmliches Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist (§ 67 Abs. 1 Satz 2 NBG). Der Kläger hat ein rechtlich geschütztes Interessen an der beantragten Feststellung. Ein Amtsführungsverbot beeinträchtigt das Ansehen des Beamten in der Öffentlichkeit. Die begehrte Feststellung kann das Ansehen des Klägers, vor allem bei Schülerinnen und Schülern, deren Eltern und seinen Kolleginnen und Kollegen wieder herstellen.

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Die Klage ist nicht begründet. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 NBG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung seiner Dienstgeschäfte verbieten. Von einem zwingenden dienstlichen Grund ist auszugehen, wenn die weitere Tätigkeit des Beamten in seiner bisherigen oder einer anderen amtsangemessenen Funktion die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe, an welcher der Beamte mitwirkt, nachhaltig beeinträchtigt. Dies ist der Fall bei einem gegen einen Lehrer gerichteten, nicht auf den ersten Blick erkennbar unbegründeten Verdacht, sich durch sexuelle oder sexualbezogene Handlungen an einer Schülerin strafbar gemacht zu haben. In einem solchen Verdacht hat der Kläger jedenfalls für die Dauer des Amtsführungsverbotes gestanden. Seiner Einlassung, der gegen ihn erhobene Vorwurf treffe in tatsächlicher Hinsicht nicht zu, haben die Angaben der Schülerin K. gegenüber gestanden. Diese Angaben sind, auch unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers, nicht von vornherein unglaubwürdig gewesen oder im Verlaufe der Dauer des Amtsführungsverbotes unglaubwürdig geworden. Denn die staatsanwaltlichen Ermittlungen haben wegen des Sachverhaltes, den die Beklagte zum Anlass des Verbots der Amtsführung genommen hat, zu einer Anklage und zur Eröffnung des noch nicht abgeschlossenen Hauptverfahrens geführt. Dass die Ermittlungen nicht in einer Anklage wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Sinne der §§ 174 ff. StGB gemündet sind, sondern zu dem hinreichenden Verdacht eines die sexuelle Selbstbestimmung der Schülerin K. missachtenden (beleidigenden) Verhaltens (§ 185 StGB; vgl. dazu Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch, 45. Aufl., § 185 RN 9a) geführt haben, lässt auch aus heutiger Sicht erkennen, dass im Zeitpunkt der Verfügung des Amtsführungsverbotes und für seine Dauer der das Verbot rechtfertigende Verdacht eines schwer vertrauensschädigenden Verhaltens nicht ausgeräumt war. Daran ändert die durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene fachliche Kompetenz des Klägers und sein Vortrag nichts, er habe bei Schülerinnen und Schülern und im Lehrerkollegium stets hohes Ansehen genossen.

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Was schließlich den von der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Einwand angeht, bis zur endgültigen Klärung des gegen den Kläger erhobenen Vorwurfs sei als minder schwerer Eingriff in seine Rechtssphäre ausreichend gewesen, ihn an seiner Schule im Unterricht anders einzusetzen, liegt die Ungeeignetheit einer solchen Maßnahme, die durch den Verdacht entstandene Störung des Vertrauensverhältnisses zu beseitigen, auf der Hand. Solange der Verdacht, ein Lehrer habe im Unterricht strafbewehrte Grenzen der sexuellen Zurückhaltung gegenüber einer Schülerin überschritten, nicht ausgeräumt ist, lässt sich eine weitere Verwendung eines Lehrers an der Schule, an welcher der Verdacht entstanden ist, dem möglichen Opfer, seinen Erziehungsberechtigten und weiteren Personen, die von dem Verdacht Kenntnis erlangt haben, kaum vermitteln. Der Einwand schließlich, die dienstlichen Interessen hätten ausreichend durch eine Abordnung des Klägers an eine andere Schule gewahrt werden können, lässt den damit verbundenen Eingriff in die Unterrichtskontinuität an der anderen Schule unberücksichtigt. Während das Amtsführungsverbot nur die Unterrichtsversorgung an der bisherigen Schule des Klägers berührt hat, hätte eine Abordnung des Klägers für eine dem Amtsführungsverbot entsprechende Dauer das Interesse der Schülerinnen und Schüler und der Lehrkräfte der anderen Schule an der ungestörten Kontinuität des Unterrichts berührt, ohne das Ansehen des Klägers weniger zu beeinträchtigen. Die Abordnung wäre auf den selben Sachverhalt zu stützen gewesen wie das Amtsführungsverbot und hätte deshalb die keineswegs fernliegende Möglichkeit in sich geborgen, dass eine Verwendung des Klägers an einer anderen Schule dort jedenfalls solange erhebliche Unruhe ausgelöst hätte, bis der Stand der Ermittlungen eine vorläufige rechtliche Bewertung des Verdachtes zuließ. Im Übrigen war nicht auszuschließen, dass die Ermittlungen einen die weitere Verwendung des Klägers maßgeblich bestimmenden Sachverhalt zu Tage fördern würden.

 


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