Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (3. Kammer) - 3 A 192/01

Tatbestand

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Der Kläger ist ein gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nds. Fischereigesetz (NFischG) als Vereinigung von Sportfischern anerkannter eingetragener Verein. Er wendet sich gegen die vom Beklagten erteilte Genehmigung eines zwischen den Beigeladenen abgeschlossenen Fischereipachtvertrags.

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Die Beigeladene zu 1) ist eine niedersächsische Fischereigenossenschaft, die eine Teilstrecke ihres Fischereibezirks zuletzt für die Zeit bis zum 31.12.1999 an den Beigeladenen zu 2), einen ihrer Fischereigenossen, verpachtet hatte. Der Beigeladene zu 2) ist ein nordrhein-westfälischer Fischereiverband, der auch auf angrenzenden Flächen des Landes Nordrhein-Westfalen die Fischerei ausübt.

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Unter dem 8.3.1999 beantragte der Kläger gegenüber der Beigeladenen zu 1) den Abschluss eines Pachtvertrags über diese Teilstrecke deren Fischereibezirks. Dies nahm die Beigeladene zu 1) zum Anlass, sich mit Schreiben vom 23.7.1999 bei dem Beklagten über die Genehmigungsfähigkeit einer Verlängerung des mit dem Beigeladenen zu 2) bestehenden Pachtverhältnisses zu erkundigen. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 1.9.1999 erteilte der Beklagte nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Beigeladenen vom 23.8.1999 die Auskunft, dass ein entsprechender Vertrag nicht beanstandet werde; auf die bei den beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen Schriftstücke wird Bezug genommen.

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Die Beigeladenen haben ihre Vertragsbeziehung unter Anhebung der Pacht aufgrund des Beschlusses der Mitgliederversammlung der Klägerin vom 6.9.1999 mit Pachtvertrag vom gleichen Tag um 10 Jahre bis zum 31.12.2009 verlängert. Unter dem 12.11.1999 genehmigte der Beklagte diesen Pachtvertrag. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 22.9.2000 wies die Bezirksregierung Weser-Ems mit Bescheid vom 2.8.2001 zurück; auf diese Schreiben wird Bezug genommen.

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Am 16.8.2001 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er unter Berufung auf § 22 Abs. 1 Nr. 4 NFischG sowie näherer Darlegung im Einzelnen geltend macht, die Genehmigung des Pachtvertrags verstoße gegen das Pachtprivileg anerkannter Sportfischervereine, die der Gesetzgeber durch Einräumung einer bevorzugten Stellung habe fördern wollen. Das Genehmigungserfordernis diene dessen Sicherung. Eine Ausschreibung der Pacht sei nicht erfolgt und er sei nicht aufgefordert worden, ein substantiiertes Pachtangebot zu unterbreiten. Sein Antrag auf Abschluss eines Pachtvertrages sei nicht beschieden worden. Er sei in tatsächlicher Hinsicht auf die Pacht dieses Fischereibezirks angewiesen, weil die übrigen von ihm angepachteten Bereiche nicht ausreichend geeignet seien, seinen Mitgliedern die Ausübung der Fischerei zu ermöglichen. Der Beigeladene zu 2) sei keine in Niedersachsen ansässige Sportfischervereinigung.

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Der Kläger beantragt,

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den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 12.11.1999 betreffend den Pachtvertrag zwischen den Beigeladenen vom 6.9.1999 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte nimmt Bezug auf den Genehmigungs- und den Widerspruchsbescheid sowie seine Verwaltungsvorgänge.

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Der Beigeladene zu 2) macht geltend, er bewirtschafte bereits seit 1953 zusammenhängende Kanalstrecken einschließlich des Pachtbezirks der Beigeladenen zu 1). Diese untereinander verbundenen Schiffahrtsstraßen bildeten auch fischereilich eine Bewirtschaftungseinheit. Über mehrere Jahrzehnte habe er durch Besatz und andere Hegemaßnahmen einen hervorragenden Fischbestand aufgebaut und erhalten, obwohl Laichmöglichkeiten für Fische sehr begrenzt seien und wegen intensiven Schiffsverkehrs Fischbrut kaum überleben könne. Die Landesgrenze sei als Fischereigrenze ungeeignet, da der Fischwechsel von ihr nicht betroffen sei. – Mitgliedern des Klägers wie anderer Vereine seien Erlaubnisscheine zu gleichen Konditionen wie eigenen Mitgliedern erteilt worden. – Er erfülle in gleicher Weise wie der Kläger im Sinn des Pachtprivilegs die Garantenfunktion für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung. – Pachtausschreibungen hätten im Allgemeinen höhere Pachtzinsen zur Folge. Ziel des Beigeladenen zu 1) sei es gewesen, durch Verpachtung an die bekannten und bewährten Pächter den ortsansässigen Anglern die Fischerei zu günstigen Konditionen zu ermöglichen, wovon Mitglieder des Klägers in gleicher Weise profitierten. – Er sei Eigentümer selbständiger Fischereirechte und Mitglied der Beigeladenden zu 1) und habe deshalb erwarten dürfen, als Pachtinteressent berücksichtigt zu werden.

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Diesbezüglich entgegnete der Kläger, gemeinsam mit anderen Vereinen werde die Ems auf niedersächsischem Gebiet in einer Befischungs- und Besatzgemeinschaft bewirtschaftet. Die Ems und die vom Beigeladenen zu 2) bewirtschaftete Bundeswasserstraße bildeten ein gemeinsames Gewässer, so dass ein Großteil von der Besatzgemeinschaft eingesetzter Fische in der Bundeswasserstraße ziehe und dort zur Bestandsauffrischung führe. Der Beigeladene zu 2) gebe nur an die ihm angeschlossenen Vereine, nicht aber an Einzelmitglieder einen Gesamterlaubnisschein heraus, der sich auf im Einzelnen aufgeführte Gewässer erstrecke. Aufgrund der unterschiedlichen Beitragsstruktur habe der Kläger mehr auswärtige, insbesondere in Nordrhein-Westfalen wohnhafte Mitglieder als einheimische. Ein Aufnahmestopp sei rechtlich nicht zulässig, obwohl man vielmehr den einheimischen Mitgliedern Gewässer anbieten möchte. Die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen unterscheide sich maßgeblich von der niedersächsischen. Auch seien mit den aus der Ausgabe von Erlaubnisscheinen an Mitglieder des Klägers erzielten Einnahmen (21690 DM) die Pacht- (2940 DM) und Besatzmaßnahmen des Beigeladenen zu 2) mehr als bezahlt.

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Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Gegenüber dem Kläger als nicht berücksichtigten Pachtbewerber stellt sich die Genehmigung als Verwaltungsakt mit Drittwirkung dar; die Klagebefugnis ergibt sich aus dem sog. „Pachtprivileg“ des § 22 Abs. 1 Nr. 4 NFischG, denn der Kläger ist ein anerkannter Landesfischereiverband i.S.d. Vorschrift (vgl. Tesmer/Messal, Das niedersächsische Fischereigesetz, § 21 Anm. 4).

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Die Klage ist aber unbegründet. Die Genehmigung des zwischen den Beigeladenen geschlossenen Pachtvertrags seitens des Beklagten stellt sich in Beziehung zum Kläger als rechtmäßig dar und verletzt diesen nicht in seinen Rechten.

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Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 NFischG bedarf der die Fischerei in einem Fischbezirk betreffende Pachtvertrag zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung, vorliegend seitens des Beklagten, dessen Zuständigkeit nicht in Zweifel steht (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und 3 NFischG). Diese Genehmigung „darf nur versagt werden“, sofern einer der Tatbestände des § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 NFischG gegeben ist. Demzufolge stellt diese gesetzliche Bestimmung eine sog. Koppelungsvorschrift dar, die einerseits die Entscheidung über die Rechtsfolge in das Ermessen der zuständigen Behörde stellt („darf“), andererseits dieses Ermessen aber an die Voraussetzung knüpft, dass bestimmte Tatbestände erfüllt sind. Ist letzteres nicht der Fall, ist für eine Ermessensentscheidung der Behörde kein Raum; vielmehr ist die Rechtsfolge dem Gesetz selbst zu entnehmen. Da § 22 Abs. 1 NFischG die Möglichkeit Versagung der Genehmigung an das Vorliegen eines der normierten Tatbestände koppelt, ist die Genehmigung somit zwingend zu erteilen, wenn keiner dieser Tatbestände verwirklicht ist.

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Vorliegend steht ausschließlich der Tatbestand der Nr. 4 des § 22 Abs. 1 NFischG in Frage, dessen Voraussetzungen jedoch nicht gegeben sind. Zwar ist der Kläger eine anerkannte Vereinigung von Sportfischern im Sinn dieser Vorschrift, doch hat dieser sich nicht „verpflichtet“, die Fischerei zu den in dem Vertrag vereinbarten Bedingungen zu pachten; auch kann es dem Beigeladenen zu 1) nicht „zugemutet“ werden, die Fischerei an einen anderen Pächter zu verpachten.

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Als Versagungsvoraussetzung muss die Selbstverpflichtung der pachtwilligen Vereinigung vorliegen. Eine solche Selbstverpflichtung ist nur gegeben, wenn die Vereinigung – vor Erlass der letzten behördlichen Sachentscheidung über die Genehmigung des Pachtvertrags – die ausdrückliche rechtsverbindliche Erklärung abgibt, zu den vereinbarten Bedingungen anstelle des bisherigen Pächters in den Pachtvertrag einzutreten. Die Ausübung dieses „Vorpachtrechts“ setzt somit eine mit Rechtsbindungswillen abgegebene, als vorbehaltlose Übernahme der vertraglich ausgestalteten Pächterstellung zu verstehende Willenserklärung voraus. Dabei ist nicht entscheidend, welchen Erklärungsgehalt die Vereinigung selbst ihrer Äußerung beimisst, sondern wie diese aus der Sicht des Erklärungsempfängers, regelmäßig also der verpachtenden Fischereigenossenschaft, verstanden werden musste. Dafür genügt es ausweislich der vom Gesetzgeber als eigenständige Tatbestandsvoraussetzung normierten Erklärungspflicht nicht, dass eine derartige Absicht der pachtwilligen Vereinigung aufgrund der weiteren äußeren Umstände, wie der Weiterverfolgung eines Pachtbegehrens durch Erhebung von Gegenvorstellungen bzw. Einlegung des Widerspruchs gegen die Genehmigung des Pachtvertrags, als naheliegend vermutet werden kann. Wegen der mit diesem Erfordernis geschützten Interessen der verpachteten Fischereigenossenschaft, ihre vertragliche Position und damit die Verpachtung zu den ausgehandelten Bedingungen verlässlich gewahrt zu wissen, bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen Erklärung dieses Inhalts seitens der pachtwilligen Vereinigung, für die typischerweise die Schriftform zu fordern sein dürfte (vgl. Tesmer/Messal, Das niedersächsische Fischereigesetz, § 22 Anm. 4b). Nur eine derartige Verpflichtungserklärung kann verlässliche Grundlage der seitens des Gesetzgebers von der zuständigen Behörde geforderten Prüfung im Genehmigungsverfahren sein.

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Eine Verpflichtungserklärung in diesem Sinne hat der Kläger weder gegenüber der Beigeladenen zu 1) noch gegenüber dem Beklagten abgegeben.

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Der mit Schreiben vom 30.10.2003 zu den Akten gereichte Pachtantrag vom 8.3.1999 beschränkt sich auf die Bekundung des Pachtinteresses, ohne inhaltliche Vorstellungen zu den Konditionen eines Pachtverhältnisses darzulegen oder den Eintritt in ein anderweitig ausgehandeltes Pachtverhältnis anzusprechen. Das folgende Schreiben vom 4.4.2000 beschränkt sich auf eine Sachstandsanfrage unter Bezugnahme auf diesen vorangehenden Pachtantrag. Weiteren Schriftverkehr hat es nach Erklärung des Klägers nicht gegeben.

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Auch das Widerspruchsschreiben sowie die nachfolgenden den Widerspruch begründenden Schreiben enthalten weder eine solche Verpflichtungserklärung noch ist ihnen der Vortrag zu entnehmen, dass der Kläger eine solche Verpflichtungserklärung bereits abgegeben habe. Vielmehr setzen sich diese Schreiben ausschließlich mit Fragen der Zumutbarkeit des Pächterwechsels auseinander und beanstanden, dass die Beigeladene zu 1) ihrerseits keine Angebote eingeholt habe. Letztere Ansicht des Klägers legt die Annahme nahe, dass dieser die ihn von Gesetzes wegen treffende Last zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung verkannt und statt dessen die Beigeladene zu 1) in der Pflicht gesehen hat.

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Unabhängig davon ist die Klage auch deshalb unbegründet, weil es dem Beigeladenen zu 1) im Rechtssinne nicht „zugemutet“ werden kann, die Fischerei an einen anderen Pächter zu verpachten; insoweit macht sich die Kammer die Ausführungen des Widerspruchsbescheids zu eigen. Sowohl die aus der langjährigen Verpachtung an den Beigeladenen zu 2) gewonnenen positiven Erfahrungen des Beigeladenen zu 1) als auch die fehlende Notlage der Freizeitfischerei der Region, für die auch bei Aufrechterhaltung des Pachtverhältnisses zwischen den Beigeladenen hinreichende Möglichkeiten bestehen, der Fischerei nachzugehen, tragen diese Entscheidung. Diese Gesichtspunkte fallen vorliegend besonders ins Gewicht, weil der Beigeladene zu 2) langjähriges Mitglied des Beigeladenen zu 1) ist, so dass dieser ein besonders ausgeprägtes Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Pachtbeziehung hat. Zudem sind andere Teilstrecken des Fischereibezirks des Beigeladenen zu 1) an den Kläger verpachtet, so dass auch im Pachtbezirk der Beigeladenen zu 1) der Sportfischerei Raum gegeben ist. Gegenläufige Gesichtspunkte von derartigem Gewicht, die diese Umstände aufwögen, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Insbesondere dient die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 4 NFischG nicht der Schaffung oder Erhaltung von Fischereimöglichkeiten für jede (anerkannte) Sportfischervereinigung bzw. deren Mitglieder, sondern der Erhaltung der Sportfischerei an sich. Zu recht hebt der Widerspruchsbescheid deshalb nicht auf die individuelle Situation des Klägers und seiner Mitglieder, sondern auf die Lage der Sportfischervereinigungen der Region und der Möglichkeiten deren Mitglieder, der Fischerei nachzugehen, insgesamt ab. Nicht vom Normzweck der Bestimmung erfasst sind auch die Umstände, die der Kläger mit dem starken Mitgliederzuwachs von im Ruhrgebiet wohnhaften Sportfischern verbindet. Zudem könnte eine Ausweitung der Pachtflächen des Klägers die von ihm beschriebene Sogwirkung verstärken, jedenfalls ist eine gegenteilige Wirkung nicht zu abzusehen. Den mit einem übermäßigen Mitgliederzuwachs verbundenen Problemen vermag der Kläger u.U. mit einer (befristeten) Aufnahmesperre verbundenen Warteliste zu begegnen (vgl. Tesmer/Messal, Das niedersächsische Fischereigesetz, § 54 Anm. 2b).

 


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