Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (2. Kammer) - 2 A 40/02

Tatbestand

1

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Bahnhof J. 29 in K., die von Osten nach Westen verläuft. Östlich, von ihrem Grundstück durch die von Norden in die L. straße einmündende M. straße getrennt, liegt das Grundstück L. straße 27 (Flurstück 307/112, Flur 11, Gemarkung K.), auf dem seit 1964 eine Tankstelle betrieben worden ist. Beide Grundstücke liegen im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 428 „M. straße “ der Gemeinde K., der als Art der baulichen Nutzung „Mischgebiet“ festsetzt. In der L. straße finden sich in dem Bereich zwischen der im Osten von Süden in die L. straße einmündenden N. straße bis zum Bahnhof im Westen auf beiden Seiten der Straße Gebäude, die nur wohnlich genutzt werden, überwiegend aber solche, in denen im Obergeschoss Wohnnutzung stattfindet, während die Erdgeschosse gewerblich genutzt werden, und zwar wie folgt: Eine Praxis für Krankengymnastik und Frühförderung, ein Hotel, eine Fahrschule, eine Theaterwerkstatt, ein Fotostudio, ein Sachverständigenbüro (im Haus der Kläger), die erwähnte Tankstelle, ein Installationsbetrieb, eine Spielothek, eine Eisdiele, ein Telefonladen, ein Heizöl- und Kohlehandel, ein Blumengeschäft, ein Bistro sowie ein Getränkemarkt.

2

Die Beigeladene, die die Tankstelle auf dem Grundstück L. straße 27 zuletzt betrieben hatte, hätte aufgrund der Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffimmission bei der Betankung von Kraftfahrzeugen (21. BImSchV) die Tankstelle bis zum 31.12.1997 mit einem Gasrückführungssystem ausstatten und dementsprechend umrüsten müssen. Dies war ihr aus betriebsinternen Gründen nicht möglich, so dass sie den Betrieb zunächst zum 31.12.1997 einstellte.

3

Auf einen entsprechenden Antrag vom 09.02.1998 erhielt die Beigeladene sodann mit Verfügung vom 14.07.1998 eine Erlaubnis zur wesentlichen Änderung der Tankstellenanlage auf dem fraglichen Grundstück. Aufgrund des Widerspruchs der Kläger dagegen wurde im Widerspruchsverfahren festgestellt, dass keine Erlaubnis zur Änderung der Tankstellenanlage, sondern eine Erlaubnis zur Neuerrichtung erforderlich war.

4

Dementsprechend stellte die Beigeladene am 24.08.1999 den Antrag auf Umbau und Wiederinbetriebnahme einer Tankstelle nach der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten. Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens legte ein Ingenieurbüro unter dem 22.11.1999 einen schalltechnischen Bericht „über die Immissionsmessung in der Nachbarschaft der Tankstelle an der L. straße 27 in K.“ vor. Darin heißt es, dass die Tankstelle sonntags bis freitags von 8-21 Uhr und samstags von 8-22 Uhr geöffnet sei. Außerhalb der Öffnungszeiten sei eine Betankung mit EC- oder Tankkarte möglich. Es sei in der Nacht vom 12. auf den 13.11.1999 in der Zeit von 21 -2 Uhr eine Messung durchgeführt worden, um die Geräuschimmissionen am Haus der Kläger zu ermitteln. Allerdings seien die Kläger mit einem Betreten des Grundstücks nicht einverstanden gewesen, so dass ein Ersatzmessort 11 m vor der östlichen Fassade des Gebäudes gewählt worden sei. Die Gutachter sind davon ausgegangen, dass das Grundstück der Kläger in einem Mischgebiet liegt und die dort maßgeblichen Immissionsrichtwerte von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) durch einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen von nicht mehr als 30 dB(A) am Tage und nicht mehr als 20 dB(A) in der Nacht überschritten werden dürften. In der fraglichen Nacht sind fünf Fahrzeuge im Bereich der Tankstelle gezählt worden, wobei lediglich ein Fahrer getankt hat, während zwei geschaut haben, ob der Shop noch geöffnet ist, einer die Tankstelle als Wendemöglichkeit genutzt und einer sich lediglich die Bedienungsanleitung für Tankautomaten durchgelesen hat. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass durch den Betrieb der Tankstelle an der L. straße 27 während der Messungen keine Überschreitung des am Wohnhaus L. straße 29 zulässigen Immissionsrichtwertes vorgelegen habe. Es sei jedoch bei einem Fahrzeug durch den Motorstart unter Vollgas eine Überschreitung des im Nachtzeitraum zulässigen Spitzenpegels um 1 dB(A) festgestellt worden. Dies gelte unter der Annahme, dass sich an der Ostfassade des Wohnhauses L. straße 29 Fenster schutzbedürftiger Aufenthaltsräume befänden, was wegen der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft der Kläger nicht habe abschließend geklärt werden können. An der Nord- und Südfassade sei mit deutlich geringeren Geräuschimmissionen zu rechnen.

5

Mit Verfügung vom 30.10.2000 erteilte der Beklagte der Beigeladenen in Anwendung der Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande (Verordnung über brennbare Flüssigkeiten - VbF) und der Verordnung zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe (Anlagenverordnung - VAwS) einschließlich der dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften die Erlaubnis zur Errichtung und zum Betrieb der fraglichen Tankstellenanlage. Gleichzeitig wurde die mit Datum vom 14.07.1998 erteilte Erlaubnis zur wesentlichen Änderung der Tankstellenanlage aufgehoben und durch diese Erlaubnis ersetzt. Unter III. „Auflagen“ heißt es wörtlich wie folgt:

6

„III.1

7

Durch bauliche, maschinentechnische und/oder betriebliche Maßnahmen ist sicherzustellen, dass nach Inbetriebnahme der Tankstelle folgende Immissionsrichtwerte ... an den Immissionsaufpunkten (IP) L. straße ... 29 ... nicht überschritten werden:

8
Tagsüber 60 dB(A)
Nachts (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) 45 dB(A)
9

Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.

III.2

...

III.3

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Bei Vorliegen berechtigter Beschwerden über Lärmemissionen ist dem Landkreis Osnabrück durch eine nach § 26 BImSchG bekanntgegebene Meßstelle nachzuweisen, daß die zu III.1 genannten Lärmimmissionsrichtwerte eingehalten werden. Die Kosten hat der Betreiber zu tragen.

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Eine Beschwerde ist dann berechtigt, wenn nach orientierenden Schallpegelmessungen des Landkreises Osnabrück eine Überschreitung zulässiger Lärmimmissionswerte nicht auszuschließen ist.“

12

Die Kläger haben gegen die Erlaubnis rechtzeitig Widerspruch eingelegt, mit dem sie geltend machten, dass der schalltechnische Bericht des Ingenieurbüros den an ein solches Gutachten zu stellenden Anforderungen nicht genüge, insbesondere sich aus anderen Untersuchungen über Geräuschemissionen von Tankstellen ergäbe, dass die für Mischgebiete festgesetzten Grenzwerte beim Betrieb der Tankstelle der Beigeladenen nicht eingehalten werden könnten. Angesichts dessen sei es erforderlich, den Betrieb der Tankstelle in den Nachtstunden generell zu untersagen.

13

Die Bezirksregierung O. wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19.03.2002 als unbegründet zurück. Sie ist der Auffassung, dass das Vorhaben der Beigeladenen auch unter Berücksichtigung der Belange der Kläger genehmigungsfähig sei. Um diesen hinreichend Rechnung zu tragen, seien der Beigeladenen zahlreiche Auflagen gemacht worden, die ein Überschreiten der zulässigen Geräuschpegel hinreichend sicher ausschlössen.

14

Die Kläger haben rechtzeitig Klage erhoben und tragen vor: Zwar weise der maßgebliche Bebauungsplan ihr Grundstück als Mischgebiet aus. In dem fraglichen Abschnitt der L. straße überwiege aber eindeutig die Wohnnutzung. Störende Gewerbebetriebe befänden sich - mit Ausnahme der Tankstelle der Beigeladenen - dort nicht. Daran habe sich auch der Schutzanspruch dieses Gebietes zu orientieren. Der höchstzulässige Nachtwert im Mischgebiet von 45 dB(A) sei im vorliegenden Fall aufgrund der klaren Nutzungsdominanz „Wohnen“ angemessen zu reduzieren in Richtung auf ein allgemeines Wohngebiet. Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort sei ein höchstzulässiger Nachtwert von konkret 42 dB(A) angemessen. Die zu ihrem Schutze in die Erlaubnis aufgenommenen Auflagen seien nicht ausreichend und auch nicht geeignet, den entsprechenden Schutz sicherzustellen. Denn bereits die sachverständige Grundlage - der schalltechnische Bericht - erweise sich als nicht tragfähig. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass er als Überwachungsmessung konzipiert gewesen sei, während es hier um ein Genehmigungsverfahren gehe. Der Bericht enthalte keine Hochrechnung der möglichen nächtlichen Lärmimmissionen. Die gemessenen Werte würden fehlerhaft interpretiert. Es sei unbeachtet geblieben, dass es selbst bei der geringen Frequentierung am Messtag bereits zu eindeutigen Überschreitungen gekommen sei. Sie, die Kläger, hätten die schalltechnische Stellungnahme einer Begutachtung durch den TÜV P. unterzogen. Dieser sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der schalltechnische Bericht nicht geeignet sei, alleinige Basis für die akustische Bewertung zu sein. Der TÜV stelle ferner fest, dass eine deutliche Überschreitung der Mischgebietswerte bei einem typischen Tankstellenbetrieb der Regelfall sei, nämlich schon dann, wenn innerhalb irgendeiner Nachtstunde fünf Pkw die Tankstelle anführen. Selbst wenn die Tankstelle nachts nur selten genutzt werde, bleibe das Problem der Spitzenpegel. Typischer Begleitlärm, wie Türenschlagen, das Anlassen des Motors etc. werde in dem schalltechnischen Bericht nicht berücksichtigt. Erhöhte Anforderungen an das Rücksichtnahmegebot seien dort erforderlich, wo gewerbliche Nutzung direkt auf Wohnnutzung stoße. Diese Konfliktsituation liege hier vor. Durch den erlaubten Nachtbetrieb der Tankstelle werde in qualifizierter und individualisierter Weise in den genehmigten Baubestand der Wohnbebauung eingegriffen. Im Übrigen stelle sich hier die Frage, ob das materielle Interesse des Tankstellenbetreibers an einigen wenigen Verkäufen in der Nachtzeit - wie sie durch den schalltechnischen Bericht belegt seien - dem berechtigten Interesse der anliegenden Wohnbebauung gegenüber überwiege. Das sei nicht der Fall.

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Beklagten vom 30.10.2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung O. vom 19.03.2002 aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Das entgegen der Auffassung der Kläger brauchbare Gutachten des Ingenieurbüros habe ergeben, dass durch den Tankstellenbetrieb eine Überschreitung der für Mischgebiete geltenden Lärmwerte nicht zu erwarten sei. Zu Unrecht verträten die Kläger die Meinung, dass eine Reduzierung des Immissionsrichtwertes auf 42 dB(A) vorzunehmen sei, denn die tatsächlichen Verhältnisse ließen den Schluss der Kläger, in dem Bereich dominiere das Wohnen, nicht zu. Vielmehr entsprächen die Verhältnisse tatsächlich denen eines typischen Mischgebietes. Die Gutachter hätten entgegen der Auffassung der Kläger sowohl den Nachweis über den ordnungsgemäßen maßgeblichen Immissionsort geführt, wie den für eine Tankstelle typischen Begleitlärm berücksichtigt. Es handele sich bei der genehmigten Tankstellenanlage um eine solche, die nur eine geringe Kundenfrequenz aufweise. Angesichts dessen seien die von den Klägern zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Ergebnisse der Tankstellenstudie des TÜV P. auf diesen Betrieb nicht unbesehen übertragbar.

20

Die Beigeladene hält die Genehmigung für rechtmäßig. Sie stellt keinen Antrag.

21

Das Gericht entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

23

Ficht ein Nachbar die einem Dritten erteilte Genehmigung zur Durchführung eines Vorhabens an, kann eine entsprechende Klage nur dann Erfolg haben, wenn die Genehmigung - ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit in objektiver Hinsicht - unter Verletzung drittschützender Rechtsnormen erteilt worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192). Daran fehlt es hier.

24

Dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Denn es soll in einem kraft Bebauungsplans ausgewiesenen Mischgebiet verwirklicht werden, in dem gemäß § 6 Abs. 2 Ziff. 7 BauNVO Tankstellen (generell) zulässig sind. Angesichts dessen steht eine Verletzung von subjektiven Rechten der Kläger unter dem Aspekt, dass das Vorhaben seiner Art nach in dem fraglichen Baugebiet nicht zulässig sei, nicht in Rede.

25

Eine Verletzung subjektiver Nachbarrechte der Kläger käme deshalb nur dann in Betracht, wenn die angefochtene Erlaubnis, die auf § 9 der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten beruht, unter Verstoß gegen das (nachbarschützende) Gebot der - bei der Tankstelle handelt es sich um eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des Immissionsschutzrechts - §§ 22 Abs. 1 u. 3 Abs. 1 BImSchG erteilt worden wäre, wonach schädliche Umwelteinwirkungen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen, zu verhindern bzw., soweit sie nach dem Stand der Technik unvermeidbar sind, auf ein Mindestmaß zu beschränken sind. Dabei ist Maßstab für die Ermittlung und Bewertung der von der Anlage ausgehenden - hier allein interessierenden - Geräuschemissionen die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26.08.1998.

26

Nach deren Ziff. 6.1 c betragen die Immissionsrichtwerte für die Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Mischgebieten tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A), wobei einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten dürfen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Beigeladenen ohne Verstoß gegen Rechte der Kläger genehmigungsfähig ist.

27

Grundlage für die Entscheidung des Beklagten insoweit ist der im Laufe des Genehmigungsverfahrens eingeholte schalltechnische Bericht des Ingenieurbüros vom 22.11.1999. Die Gutachter sind dort aufgrund ihrer einmaligen nächtlichen Messung zu dem Ergebnis gekommen, dass lediglich in einem Fall eine Überschreitung des im Nachtzeitraum zulässigen Spitzenpegels von 65 dB(A) um 1 dB(A) stattgefunden hat, im Übrigen aber während der Messungen keine Überschreitung des Immissionsrichtwerts am Wohnhaus der Kläger festgestellt werden konnte. Diesen Erkenntnissen hat der Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass er der Beigeladenen aufgegeben hat, die nach der TA Lärm zulässigen Höchstwerte (unter Berücksichtigung der kurzzeitigen Geräuschspitzen) nicht zu überschreiten und zur Sicherung dieses Verlangens zahlreiche weitere Auflagen in die Erlaubnis aufgenommen hat. Dies führt dazu, dass auch unter Berücksichtigung der Einwände der Kläger gegen die schalltechnische Stellungnahme mit einer Verletzung ihrer Rechte nicht zu rechnen ist.

28

Zu Unrecht sind die Kläger zunächst der Auffassung, dass wegen der besonderen Lage ihres sowie des Baugrundstücks die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für Mischgebiete nicht ohne weiteres übernommen werden könnten, sondern insoweit ein Abschlag (den die Kläger mit 3 dB(A) veranschlagen) vorzunehmen sei. Ihre Begründung für dieses Verlangen, dass es sich nämlich nicht um ein typisches Mischgebiet handele, sondern vielmehr das Wohnen bei weitem überwiege, trägt nicht. Vielmehr stellt sich der fragliche Bereich - ohne dass es insoweit einer Ortsbesichtigung bedurft hätte - als geradezu typisches Beispiel für ein Mischgebiet dar. Dies ergibt sich zwanglos aus der Beschreibung des Gebietes im Tatbestand. Daraus folgt, dass neben dem Wohnen in der L. straße im hier interessierenden Bereich eine Vielzahl von Gewerben der unterschiedlichsten Art untergebracht ist. Dies lässt sich zahlenmäßig auch daran belegen, dass von den 18 in diesem Bereich entlang der L. straße gelegenen Grundstücken lediglich sechs rein wohnlich genutzt werden, während sich auf den restlichen Grundstücken in den Gebäuden jeweils Mischnutzung findet (Ausnahmen: das Grundstück der Beigeladenen, das rein gewerblich genutzt wird sowie ein Grundstück, das brach liegt). Dann aber ist für die Forderung der Kläger nach Reduzierung der Immissionsrichtwerte kein Raum.

29

Der Einwand der Kläger, die Bearbeiter der schalltechnischen Stellungnahme hätten den Nachweis über den ordnungsgemäßen maßgeblichen Immissionsort nicht geführt, trifft nicht zu. Vielmehr haben die Gutachter unter Beachtung der Ziffer 2.3 i.V.m. A 1.3 des Anhangs zur TA Lärm zutreffend die östliche Fassade des Wohngebäudes der Kläger als grundsätzlich maßgeblichen Immissionsort gewählt. Dem Umstand, dass sie wegen der (nicht nachvollziehbaren - die Messung lag im Interesse der Kläger und hatte ihren Grund in ihren Einwänden gegen das Vorhaben) Weigerung der Kläger, sie ihr Grundstück betreten zu lassen, keinen Standort wählen konnten, der gemäß A.1.3 des Anhangs der TA Lärm 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes hätte liegen müssen, haben sie durch entsprechende Umrechnung der ermittelten Werte Rechnung getragen.

30

Soweit die Kläger in Anlehnung an die von ihnen eingeholte Beurteilung des TÜV P. darauf hinweisen, dass „maßgeblicher“ Immissionsort nicht ihr Gebäude sei, weil es noch andere Gebäude im Einzugsbereich der Tankstelle gäbe, die näher lägen und die deshalb als maßgeblicher Immissionsort angesehen werden müssten, ist dieser Einwand unbeachtlich. Denn ausschlaggebend für den Erfolg einer Klage ist - wie oben dargelegt - allein die Frage, ob die Kläger in eigenen Rechten verletzt sind, so dass es nicht darauf ankommt, ob möglicherweise bei anderen Grundstücken die fraglichen Werte nicht eingehalten werden können und sich deshalb aus diesem Grund die Erlaubnis als (objektiv) rechtswidrig erweisen könnte.

31

Ferner greift auch der Einwand der Kläger nicht, die Gutachter hätten in ihrer schalltechnischen Stellungnahme den für Tankstellen typischen Begleitlärm nicht hinreichend berücksichtigt. Das Gegenteil ist der Fall. Auf Seite 10 des schalltechnischen Berichtes wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Angabe des Taktmaximal-Mittelungspegels die Impulshaltigkeit von Geräuschen (z.B. Türenschlagen, Motor starten usw.) berücksichtigt sei.

32

Auch der Hinweis der Kläger, der schalltechnische Bericht des Ingenieurbüros sei deshalb nicht brauchbar, weil die Gutachter den in Abschn. 6.9 der TA Lärm für Überwachungsmessungen vorgesehenen um 3 dB(A) verminderten Beurteilungspegel herangezogen hätten, es hier aber um ein Genehmigungsverfahren gehe, führt im Ergebnis nicht weiter. Denn auch wenn man den in Tabelle 5 des Gutachtens ausgewiesenen Beurteilungspegel für die Nachtstunden nicht um 3 dB(A) vermindert, bleibt eine Differenz zum Immissionsrichtwert von 45 dB(A) von 4 dB(A) (in der Zeit von 22-23 Uhr), 6 dB(A) (23-24 Uhr), 12 dB(A) (0-1 Uhr) und 4 dB(A) (1-2 Uhr). Demzufolge kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es sich nach Auffassung der Kläger um eine Überwachungsmessung gehandelt hat.

33

Allerdings ist den Klägern einzuräumen, dass die schalltechnische Stellungnahme des Ingenieurbüros auf einer sehr schmalen Beurteilungsgrundlage, nämlich einer einmaligen nächtlichen Messung, beruht. Das könnte dann von Bedeutung sein, wenn davon ausgegangen werden müsste, dass diese Messung ein völlig unrealistisches Bild zeichnet und sich die in der Auflage niedergelegten zu beachtenden Immissionsrichtwerte als von vornherein nicht einhaltbar und damit als reine Makulatur darstellen würden. Denn die Bauaufsichtsbehörde darf sich bei problematischen immissionsschutzrechtlichen Verhältnissen nicht damit begnügen, dem Bauherrn schematisch die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte vorzuschreiben, weil damit eine Konfliktbewältigung auf dem Papier vorgetäuscht, in Wahrheit aber das Risiko der Nichteinhaltung der Nebenbestimmung in unzumutbarer Weise auf den Nachbarn abgewälzt würde (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Kommentar, 7. Aufl., § 75 Rn. 59). So liegt es im vorliegenden Fall aber nicht.

34

Für ihre Behauptung, dass die Nachtwerte für ein Mischgebiet bei einem „typischen“ Tankstellenbetrieb nicht eingehalten werden können, berufen sich die Kläger auf die erwähnte Stellungnahme des TÜV P.. Dieser geht davon aus, dass in der lautesten Nachtstunde am Wochenende Tankstellen typischerweise von 33 Pkw (Einzelwerte zwischen 20 und 63) angefahren werden. Um eine solche „typische“ Tankstelle handelt es sich bei der Tankstelle der Beigeladenen ersichtlich nicht. Dies belegt zunächst schon ein Blick auf die Übersichtskarten, der zeigt, dass es sich bei der L. straße um keine Durchgangsstraße mit dem dafür üblichen Verkehrsaufkommen handelt. Dass die Straße zum Bahnhof führt, spielt insoweit keine Rolle, weil nachts diesbezüglicher Publikumsverkehr, der die Fahrt zum/vom Bahnhof zum Tanken nutzen könnte, nicht herrscht. Gegen die Annahme einer „typischen“ Tankstelle spricht ferner, dass die Messung in der Nacht von einem Freitag auf einen Sonnabend erfolgt ist, mithin in einer Nacht des Wochenendes und gleichwohl lediglich ganz geringfügiger Kundenverkehr stattgefunden hat. Schließlich folgt dies aus den von den Klägern nicht widersprochenen, im Widerspruchsbescheid dargestellten Ermittlungen der Bezirksregierung O., wonach ausweislich einer Auswertung eines Übernahmeprotokolls der Beigeladenen im ganzen(!) Monat Dezember 2001 lediglich 12(!) Tankvorgänge in der Nachtzeit von 22-6 Uhr durchgeführt worden sind. Diese (niedrigen) Werte sind bestätigt worden durch die Recherchen des Gerichts, das sich vom Beigeladenen die Tankvorgänge an der fraglichen Tankstelle für den Monat September 2003 hat belegen lassen. Aus dem diesbezüglichen Exportprotokoll ergibt sich, dass in diesem Monat in der Nachtzeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr 14mal getankt worden ist, wobei sich die Tankvorgänge über den ganzen Monat verteilen und lediglich an einem Tag (23.09.) zweimal zur Nachtzeit getankt worden ist (5:57 Uhr und 23:02 Uhr). Diese beiden Monatsergebnisse belegen in überzeugender Weise, dass es sich bei der Tankstelle des Beigeladenen ersichtlich um eine solche handelt, die in keiner Weise der „typischen“ Tankstelle entspricht, die der TÜV P. seiner Studie, auf die sich die Kläger berufen, zugrunde gelegt hat. Insbesondere wird auch nicht annähernd die Frequenz erreicht, von der die Kläger behaupten, dass bei ihr regelmäßig mit einer Überschreitung der Mischgebietswerte zu rechnen sei. Diesbezüglich tragen die Kläger vor - wie im Tatbestand dargelegt -, dass von diesem Regelfall auszugehen sei, wenn innerhalb irgendeiner Nachtstunde fünf Pkw die Tankstelle anführen. Diesen Fall hat es in den beiden untersuchten Monaten nicht ein einziges Mal gegeben. Vielmehr hat (mit einer einzigen Ausnahme) jeweils pro Nacht lediglich ein Tankvorgang stattgefunden und das nicht einmal an der Hälfte der Tage der jeweiligen Monate.

35

Ist demzufolge davon auszugehen, dass die Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags bzw. 45 dB(A) nachts realistischerweise eingehalten werden können, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte diese Werte unter Festlegung der Immissionsorte (darunter auch das Haus der Kläger) als Auflage in die Erlaubnis aufgenommen hat. Damit ist dem Schutzinteresse der Kläger hinreichend Rechnung getragen. Würde es gleichwohl zu Überschreitungen kommen, wovon nach den vorstehenden Erwägungen nicht auszugehen ist, wäre es Aufgabe des Beklagten, dann gegen die Beigeladene vorzugehen. Dem trägt im Übrigen Ziff. III.3 der Auflagen Rechnung, wonach die Beigeladene verpflichtet ist, bei Vorliegen von Beschwerden nachzuweisen, dass die Lärmimmissionsrichtwerte eingehalten werden mit der Konsequenz, dass für den Fall, dass dieser Nachweis nicht gelingt, die Beigeladene mit der Schließung der Anlage rechnen muss.

 


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