Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (1. Kammer) - 1 A 80/04
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes erneut zu entscheiden.
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Der am 18.07.1953 geborene Kläger ist als Zollbetriebsinspektor in der zentralen Vollstreckungsstelle in Nordhorn beim Hauptzollamt Osnabrück als Vollstreckungsbeamter eingesetzt. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und wohnt mit seiner Frau, die als Lehrerin im Umfang von 25 Wochenstunden tätig ist, in Papenburg. Seine Dienststelle ist 98 km von seinem Wohnort entfernt. Der Kläger lebt zusammen mit vier Kindern, die im Zeitpunkt der Antragstellung im August 2002 18, 15, 13 und 11 Jahre alt waren. Ein Kind ist ein gemeinsames Kind der Eheleute, bei dreien handelt es sich im Verhältnis zum Kläger um Stiefkinder.
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Unter dem 24.06.2002 schrieb die OFD Hannover innerbezirklich Telearbeitsplätze aus. Auf diese bewarb sich der Kläger unter dem 01.08.2002 unter Beifügung eines Fragebogens. Mit Bescheid vom 26.09.2002 lehnte die Beklagte die Einrichtung des vom Kläger ausgeübten Dienstpostens als Telearbeitsplatz ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger als Mitarbeiter im Arbeitsbereich Vollstreckung tätig sei und die von ihm bearbeiteten Daten dem Steuer- und Sozialgeheimnis unterlägen und als besonders sensibel einzustufen seien. Damit fehle es an einer wesentlichen Voraussetzung, nämlich der Stellenbeschaffenheit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Dienstvereinbarung zur alternierenden Telearbeit zwischen der Oberfinanzdirektion Hannover und dem Personalrat (Bund) bei der OFD Hannover. Diese Dienstvereinbarung vom 07.03./05.04.2002 sieht in Anlehnung an die einheitlichen Grundsätze des BMF vom 07.06.2001 in § 2 Abs. 2 Nr. 2 als Teilnahmevoraussetzung für Telearbeit vor:
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„Seltene Verarbeitung von Informationen, die ihrer Natur nach oder aufgrund ihrer Einstufung besonders vertraulich zu behandeln sind, ...“
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Den hiergegen unter dem 21.10.2002 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter dem 14.11.2002 im Wesentlichen mit seiner familiären Situation. Ausweislich zweier vorgelegter Bescheinigungen ist seine Ehefrau chronisch erkrankt und auf seine Hilfe angewiesen. Sie leidet an rezidivierenden Bronchitiden und Nasennebenhöhlenentzündungen. Im Übrigen macht der Kläger geltend, auch Vollziehungsbeamte hätten mit sensiblen Daten zu tun und ihm sei es möglich, eine hinreichend sichere Behandlung der Daten in seinem häuslichen Arbeitsbereich sicherzustellen. Deshalb sei es nicht sachgerecht, ihn als Vollstreckungsbeamten anders als Vollziehungsbeamte, für die die Möglichkeit der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes bestünde, zu behandeln.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.01., zugestellt am 04.02.2003, zurück und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf die von ihr mit dem Bezirkspersonalrat getroffene Dienstvereinbarung, nach deren § 2 der Dienstposten des Klägers die Teilnahmevoraussetzungen für die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes nicht erfüllte. Die in der Vollstreckung zu erarbeitenden Daten seien als besonders vertraulich einzustufen. Ob die Möglichkeit bestehe, die in dem Arbeitsgebiet bestehenden Geheimnisse im häuslichen Bereich wahren zu können, sei nicht erheblich.
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Mit der unter dem 27. am 28.02.2003 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und hebt hervor, dass technische Hindernisse nicht bestünden und die Beklagte die räumlichen und technischen Gegebenheiten in seinem Hause nicht erhoben hätte und sie deshalb in ihre Ermessensbetätigung nicht habe einstellen können.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion vom 26.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Oberfinanzdirektion Hannover vom 28.01.2003 zu verpflichten, über die Bewerbung des Klägers vom 01.08.2002 auf die Stellenausschreibung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 24.06.2002 um die Einrichtung eines Arbeitsplatzes als Telearbeitsplatz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie betrachtet zwar technische Hindernisse zwischenzeitlich als behoben, hält jedoch an ihrer Auffassung fest, die im Rahmen der Tätigkeit des Klägers als Vollstreckungsbeamter zu bearbeitenden Daten seien als besonders sensibel einzustufen und deshalb nicht telearbeitsfähig. Dass der Kläger im häuslichen Bereich bestehende Geheimnisse sicherstellen und die technischen Bedingungen für die alternierende Telearbeit als solches erfüllen könnte, sei deshalb nicht entscheidungserheblich.
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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten verletzt den Kläger nicht in seinem allein bestehenden Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.
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Ein Anspruch auf Ausgestaltung eines Arbeitsplatzes als Telearbeitsplatz ist dienstrechtlich nicht gegeben und wird durch die Dienstvereinbarung zwischen der OFD und dem Bezirkspersonalrat ausdrücklich nicht begründet, § 1 Abs. 1 Satz 3 DV. Die Beklagte durfte bei ihrer Ermessensentscheidung auch zugrundelegen, dass (1) die Verarbeitung besonders schutzbedürftiger Daten die Teilnahme am Auswahlverfahren zur Verrichtung von Telearbeit als ein denkbares Kriterium ausschließt und (2), dass Tätigkeiten als Vollstreckungsbeamter grundsätzlich generell unter diesem Gesichtspunkt die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes ausschließen.
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(1) § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Dienstvereinbarung, die sich insoweit an die einheitlichen Grundsätze des BMF vom 07.06.2001 anlehnt, verlangt, dass an dem Telearbeitsplatz selten Informationen zu verarbeiten sind, die ihrer Natur nach oder aufgrund ihrer Einstufung besonders vertraulich zu behandeln sind. Dieses Kriterium hält die Kammer dem Grunde nach für sachgerecht, weil es in der Hand des Dienstherrn liegen muss, den äußeren Rahmen zu bestimmen, in dem sowohl der Bedienstete wie auch unbefugte Dritte auf die Daten Zugriff nehmen können. Bei der konkreten Form der Konfiguration mag der Außenkontakt des Arbeitsplatzrechners auch vom häuslichen Arbeitsplatz aus über die Dienststelle erfolgen und damit in gleicher Weise an deren Sicherungsmitteln teilnehmen, als stünde er im Dienstgebäude. Nach der Beschreibung der technischen Einrichtung wird der Heimarbeitsplatz als eigene LAN ausgestaltet, die über einen Router die Verbindung zur LAN der Dienststelle herstellt. Bei dieser Ausgestaltung unterscheidet sich der häusliche Aufstellungsbereich nur noch durch den Übertragungsweg von dem am Arbeitsplatz in der Dienststelle. Der für die Teilnahmevoraussetzungen wesentliche Unterschied liegt im Einfluss der Dienststelle auf den Personenkreis, der - auch und gerade missbräuchlich - auf den Arbeitsplatzrechner rein tatsächlich zugreifen kann. Hier hat der Dienstherr bei Aufstellung im Dienstgebäude die Möglichkeit, den Publikumsverkehr zu beschränken und/oder die Aufsicht und den Eingriff schutzbereiter anderer Mitarbeiter sicherzustellen. Im häuslichen Bereich ist er darauf angewiesen, dass die vom Beamten selbst vorgenommenen Sicherungen greifen. Zudem entfällt dort die Sicherung durch andere Bedienstete, die im Anlassfalle zur Sicherung des Arbeitsplatz-PCs eingreifen könnten. Letztlich wäre es auch wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass der Beamte in der Dienststelle in gleicher Weise wie im häuslichen Bereich von Ereignissen abgelenkt werden kann, die sein sofortiges persönliches Einschreiten erfordern und zu Lasten der Datensicherheit gehen könnten: Wenn im Haus plötzlich ein Kind aufschreit, darf der Dienstherr nicht unbedingt erwarten, dass zunächst an die Datensicherheit gedacht wird, bevor der Beamte sich um die Aufklärung des Vorfalles kümmert. Mit der Verlagerung in den häuslichen Bereich hat das Einfallstor, das die Ausspähung von Daten zumindest theoretisch eröffnet, eine andere Qualität als bei einem im Dienstgebäude aufgestellten Rechner. Deshalb darf der Dienstherr bei der vorgezogenen Beschreibung der Kriterien, nach denen er Telearbeitsplätze einrichten will, das Kriterium als Ausschlussmerkmal zugrundelegen; es erweist sich nämlich nicht als schlechterdings unsachgemäß. Die Entscheidung, solche Dienstposten nicht für telearbeitstauglich zu halten, an denen mit besonders sensiblen Daten gearbeitet wird, ist deshalb sach- und ermessensgerecht.
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(2) Bei Daten, die im Vollstreckungsbereich anfallen, ist eine Ermessenserwägung im Rahmen des dem Gericht zur Verfügung stehenden Prüfungsumfangs nicht als fehlerhaft anzusehen. Der Unterschied zu den Tätigkeiten des Vollziehungsbeamten liegt darin, dass dort zwar auf der Grundlage der im Vollstreckungsbereich verfügbaren und verarbeiteten Daten gearbeitet wird; jedoch allein die im Vollstreckungsbereich verfügbare Datenmenge unterscheidet die Arbeitsbereiche: Der Umstand, dass sich Forderungen in der Vollstreckung befinden und gegen wen sie sich richten, ist im besonderen Maße als vertraulich und gefährdend anzusehen. Dies gilt auch für die schutzwürdigen Daten in der Vollstreckung. Während aber der Vollziehungsbeamte nur über die Informationen verfügt, die er zur Bewältigung der abzuarbeitenden Aufträge benötigt, liegen am Arbeitsplatz des Vollstreckungsbeamten alle Daten über die in seinem jeweiligen Bezirk vorzunehmenden Vollstreckungen vor. In diesem vollständigen Überblick, der auch den Umkehrschluss erlaubt, dass dann keine Vollstreckung ansteht, wenn beim Vollstreckungsbeamten keine Daten dazu vorhanden sind, liegt der wesentliche Unterschied der Arbeitsbereiche. Deshalb hält die die Kammer die Erwägung der Beklagten, Vollstreckungsarbeitsplätze grundsätzlich nicht für telearbeitstauglich nach den Anforderungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Dienstvereinbarung zu erklären, für ermessensgerecht.
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Die Frage der Sozialauswahl, bei der zugegebenermaßen viele Gesichtspunkte für den Kläger sprechen würden, spielen nach der an der Ausgestaltung der Dienstvereinbarung ausgerichteten Ermessensentscheidung der Beklagten erst dann eine Rolle, wenn die Teilnahmevoraussetzungen erfüllt sind. Dies sieht § 2 Abs. 4 DV ausdrücklich vor. Die dort getroffene Formulierung „soweit die Voraussetzungen nach Nummern 2.2 und 2.3 (i.e. die seltene Verarbeitung als besonders vertraulich eingestufter Informationen und die ergebnisorientierte Kontrollierbarkeit der Arbeitsresultate) erfüllt sind“ macht deutlich, dass die Auswahl nach besonderen familiären oder persönlichen Umständen auf einer zweiten Stufe nur zwischen denjenigen Dienstposten getroffen werden soll, die grundsätzlich unter Berücksichtigung der Anforderungen des Abs. 2 als geeignet erscheinen. Wenn der Kläger bereits auf der ersten Stufe aus dem Auswahlverfahren ausschiedet, spielen die familiären Rahmenbedingungen, die für die Berücksichtigung seines Dienstpostens sprechen, danach keine Rolle.
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