Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (1. Kammer) - 1 A 73/04
Tatbestand
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Der im Jahre 1975 geborene Kläger steht seit dem 01.07.1996 in den Diensten der Beklagten. Er ist Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungsdauer von 12 Jahren. Seinen dienstlichen Standort hat er seit vielen Jahren beim Luft-/Bodenschießplatzkommando D. in E.. Er ist dort unter anderem als Kraftfahrer eingesetzt. Unter dem 21.02.2003 erteilte das L/B Schießplatzkommando D. den Fahrauftrag Nr. 20/02/03. Danach waren im Gültigkeitszeitraum vom 24.02. bis zum 11.03.2003 mit dem Kraftfahrzeug Lkw 0,5 t DB Wolf / Y-F. von E. nach D. bzw. G. und zurück Fahrten (Flaggentour D. Range, Versorgungsfahrt, Überführung zur Instandsetzung) durchzuführen und als Fahrer war unter anderem der Kläger benannt. In Erfüllung dieses Fahrauftrages befuhr der Kläger mit dem bezeichneten Fahrzeug am 27.02.2003 gegen 14.10 h auf dem Schießplatz „D. Range“ die festgefahrene Erdpiste „H. Süd“. Dabei kam der Kläger nach dem Passieren einer Bodenunebenheit und einem Gegensteuern mit dem Fahrzeug nach links vom Weg in den Seitenraum ab, in dem das Fahrzeug abhob und auf die rechte Seite kippte. Das Fahrzeug wurde beschädigt und es entstanden Reparaturkosten in Höhe von 2.401,98 Euro. Weitere Schäden entstanden nicht. Der Kläger wurde am 04.03.2003 durch seine Dienststelle zum Schadenshergang vernommen. Er schilderte diesen wie folgt:
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„Ich fuhr mit dem Mercedes Benz Geländewagen „Wolf“ (amtliches Kennzeichen Y-F.) auf D. Range in östlicher Richtung auf „H. Süd“. Meine Geschwindigkeit betrug ca. 45 km/h, als ich links an einem größeren Schlagloch vorbeifuhr. Nachdem ich das Schlagloch passiert hatte, lenkte ich nach rechts um das Auto wieder auf die Mitte des Weges zu bringen. Plötzlich bemerkte ich, dass das Auto hinten rechts ausbricht. Im meiner Panik habe ich anstatt zu bremsen auf das Gaspedal getreten. Das Auto geriet links vom Weg ab, kippte nach rechts und kam auf der Beifahrerseite zum Liegen.“
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Der Disziplinarvorgesetzte bzw. Dienststellenleiter, Oberstleutnant I., fasste den Unfallhergang aus seiner Sicht wie folgt zusammen:
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„Fw J. fuhr mit dem DB Wolf auf einem unbefestigten geraden Weg auf dem Schießplatz. Dabei fuhr er offensichtlich mit zu hoher Geschwindigkeit links an einer Bodenunebenheit vorbei und kam nach dem Gegensteuern aus dem rechten Bereich des Weges links in den Seitenraum, wo der Wolf quer zur Fahrtrichtung abhob und auf der rechten Seite liegen blieb.“
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Als unmittelbare Unfallursachen stellte Oberstleutnant I. „nicht angepasste Geschwindigkeit“ und „fahrtechnisch falsches Verhalten“ fest. Durch Schreiben vom 14.07.2003 machte die Wehrbereichsverwaltung Nord gegenüber dem Kläger geltend, dass dessen zum Unfall führendes Verhalten eine grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung darstelle, da er dadurch gegen bestehende Befehle und Erlasse zur Unfallverhütung mit Dienstfahrzeugen verstoßen habe. Sie beabsichtige, den Kläger hinsichtlich des ihr in Höhe von 2.401,98 € entstandenen Schadens mit einem Ersatzbetrag in Höhe von 1.000,- € in Anspruch zu nehmen. - Sie gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Der Kläger nahm dazu dahin Stellung, dass er den ihm zur Last gelegten Pflichtenverstoß weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Seine Panikreaktion „Gaspedal statt Bremse“ sei nicht einmal fahrlässig; eine Panikreaktion sei weder Pflichtenverstoß noch handele der Betreffende durch sie fahrlässig.
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Durch Bescheid vom 27.10.2003 nahm die Wehrbereichsverwaltung Nord den Kläger auf Schadensersatz in Höhe von 1.000,- € in Anspruch und erklärte wegen dieser Forderung zugleich die Aufrechnung gegen die dem Kläger zustehenden Geldbezüge. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger hätte als erfahrener Kraftfahrer auch ohne ein besondere Geschwindigkeitsbegrenzung wissen müssen, dass das von ihm geführte Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h auf unbefestigter Strecke in den Grenzbereich seiner Belastbarkeit gerate und bereits geringe Fahrfehler dann zu den tatsächlich eingetretenen Folgen führen könnten. Das Fahren mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h sei unter diesen Umständen als grob fahrlässig zu werten. Durch dieses Verhalten sei ihr - der Beklagten - ein Schaden in Höhe von 2.401,98 € entstanden. Aus Fürsorgegründen nehme sie den Kläger jedoch nur mit einem Ersatzbetrag in Höhe von 1.000,- € in Anspruch.
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Dagegen legte der Kläger Beschwerde ein, die er im Wesentlichen wie folgt begründete: Es sei keinesfalls erwiesen, dass er überhaupt mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h gefahren sei. Der Tachometer des Fahrzeuges unterliege keiner amtlichen Eichung, so dass dessen Messergebnis nicht verwertet werden könne. Auch habe er eine Geschwindigkeit von 45 km/h zum Zeitpunkt der Schadensverursachung nicht mehr gefahren, da er zuvor den Fuß vom Gaspedal genommen gehabt habe. Aber selbst wenn er 45 km/h gefahren wäre, läge darin kein Sorgfaltspflichtverstoß, da der Weg mit dem geländegängigen Fahrzeug ohne Weiteres mit einer solchen Geschwindigkeit befahren werden könne.
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Durch Bescheid vom 27.01.2004 wies die Wehrbereichsverwaltung Nord die Beschwerde mit folgender ergänzender Begründung zurück: Die Treuepflicht des Soldaten umfasse auch die Pflicht, die Bundesrepublik Deutschland vor Schaden zu bewahren. Dem Kläger sei objektiv und subjektiv vorzuwerfen, dass er - als ausgebildeter Militärkraftfahrer - die Besonderheiten des Geländefahrens nicht nur gekannt habe, sondern durch wiederholte Belehrungen auch auf dessen Gefährlichkeit hingewiesen worden sei. Dennoch habe er unbeachtet gelassen, was hier jedem pflichtbewussten und verständigen Unteroffizier ohne Weiteres einleuchte: Verhütung von Personen- und Kfz-Schäden durch angepasste Geschwindigkeit. Zur Zeit des Unfalls habe kein Nebel geherrscht, es habe nicht geregnet und das Gelände sei nicht vereist gewesen. Wer unter solchen Bedingungen die Kontrolle über sein Kraftfahrzeug verliere, fahre mit einer den Bodenverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit und handele grob fahrlässig.
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Der Kläger hat am 03.02.2004 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein Beschwerdevorbringen. Er beantragt,
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den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 27.10.2003 in der Gestalt des Beschwerdebescheides der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 27.01.2004 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 11.02.2005 dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
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Die Kammer konnte den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und auch keine grundsätzliche Bedeutung hat.
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Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
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Der Rechtmäßigkeit des Bescheides steht nicht etwa entgegen, dass der Schadensersatz durch Leistungsklage geltend gemacht werden müsste. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Dienstherr den Beamten auch durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) zum Schadensersatz heranziehen kann und er nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage zu verweisen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.09.1964 - 2 C 147/61 - BVerwGE 19, 243 und Urteil vom 10.02.2000 - 2 A 4/99 - Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 18).
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Der Bescheid ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
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Verletzt ein Soldat schuldhaft seine Dienstpflichten, so hat er dem Bund gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SG den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Hat er seine Dienstpflichten in Ausübung von Hoheitsbefugnissen, im Ausbildungsdienst oder im Einsatz verletzt, so hat er den Schaden nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SG nur insoweit zu ersetzen, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
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Zu Recht hat bereits die Beklagte die Haftungsprivilegierung des § 24 Abs. 1 Satz 2 SG zugunsten des Klägers zugrunde gelegt. Denn die Ausführung des Fahrauftrages gehört zu denjenigen Tätigkeiten, die aufgrund hoheitlicher Befugnisse erfolgen (vgl. dazu insbesondere Nds. OVG, Urteil vom 25.11.1969 - 2 OVG A 1/68 -, OVGE 26, 389).
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Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche - d.h. die den allgemeinen Anforderungen entsprechende und deshalb von allen gewissenhaften Menschen anzuwendende - Sorgfalt bei seinem Tun und Lassen außer Acht lässt. Grob fahrlässig handelt demgemäß ein Soldat wenn er den Tatbestand, in dem eine Verletzung seiner Dienstpflicht liegt, infolge außergewöhnlichen Mangels an Aufmerksamkeit und Sorgfalt herbeiführt und dasjenige nicht beachtet, was in dem gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hier liegt der Pflichtenverstoß darin, dass der Kläger sein Fahrverhalten vor dem Unfall nicht so eingerichtet hat, dass der Unfall und damit die Beschädigung des Fahrzeugs vermieden worden wäre. Der Kläger ist durch die ZDV 43/2 und durch die - unstrittig - immer wieder erfolgten Belehrungen dazu verpflichtet gewesen, sein Verhalten und dabei insbesondere auch die Fahrgeschwindigkeit bei Geländefahrten der in Rede stehenden Art so einzurichten, dass Personen- und Sachschäden verhütet werden. Die dem Soldaten durch § 7 SG auferlegte Grundpflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, verpflichtet ihn auch, seinen Dienst nach besten Kräften zu erfüllen. Dieser Pflicht laufen auch alle Handlungen zuwider, die im weitesten Sinne das Vermögen des Dienstherrn schädigen oder gefährden. Daraus folgt für den hier auszuführenden Fahrauftrag, dass der Kläger die festgefahrene Erdpiste „H. Süd“ auf dem Schießplatz „D. Range“ mit dem Geländewagen Typ DB Wolf so zu befahren hatte, dass die Gefährdung von Personen- und Sachschäden vermieden wird. Der Kläger hat die Fahrt unstrittig bei guten Sicht- und Witterungsverhältnissen ausgeführt. Wenn er gleichwohl auf dem in diesem Teilbereich schnurgerade verlaufenden Fahrweg infolge seines beim Passieren einer Bodenunebenheit durchgeführten Lenkverhaltens die Kontrolle über das Fahrzeug jedenfalls insoweit verliert, dass er das Fahrzeug nicht mehr auf dem Geländeweg halten kann, lässt dies nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis) den Schluss zu, dass das Abkommen von dem Fahrweg nur Folge einer gröblichen Missachtung und eines groben Hinwegsetzens über die gebotenen Fahrregeln sein kann. Der Kläger hatte beim Zufahren auf die ohne Weiteres bereits aus hinreichender Entfernung sichtbare Bodenunebenheit seine Fahrgeschwindigkeit und sodann sein Lenkmanöver so einzurichten, dass eine Gefahrensituation vermieden wird. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass und weshalb dem Kläger dies nicht möglich gewesen sein sollte. Dazu hat auch der Kläger nichts Substantiiertes vorgetragen. Sein Vortrag zum Schadenshergang ist vielmehr diffus und widersprüchlich. Während er bei seiner Vernehmung am 04.03.2003 ausgesagt hat, in Panik Gas gegeben statt gebremst zu haben, hat er bei seiner späteren Einlassung geltend gemacht, seine Fahrgeschwindigkeit habe beim Unfall infolge eines Bremsvorganges weniger als 45 km/h betragen. Hätte der Kläger aber bereits vor dem Passieren der Bodenunebenheit seine Geschwindigkeit dem bevorstehenden Lenkmanöver angepasst, wäre es weder zu der die „Panik“ auslösenden Fahrsituation noch zur „Panik“ gekommen. Nach dem Beweis des ersten Anscheins spricht nichts für eine bloße Unachtsamkeit, sondern alles dafür, dass der Kläger die Geschwindigkeit und das Lenkmanöver so eingerichtet hatte, dass er damit das Fahrzeug - unter Berücksichtigung seiner eigenen fahrerischen Leistungsfähigkeit in dieser Situation - in den Grenzbereich hineingebracht hatte. Auch das ergibt hier der Beweis des ersten Anscheins.
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Soweit der Kläger die Geschwindigkeit in Zweifel zieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass die von der Beklagten zugrunde gelegte Geschwindigkeit von 45 km/h auf seinen eigenen Angaben beruht und damit die fehlende Eichung des Tachometers eine letztlich untergeordnete Rolle spielt. Wenn es Zweifel an der Richtigkeit dieser Geschwindigkeitsannahme gibt, dann ohnehin eher dahin, dass die Geschwindigkeit mit 45 km/h zu gering bzw. wesentlich zu gering angenommen worden ist. Denn die von der Beklagten gemessenen Abstände von 77 m ab der Pfütze und 39 m ab dem Ausbrechen des Fahrzeugs bis zum Haltepunkt lassen eher auf eine deutlich höhere Geschwindigkeit schließen.
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Da auch die Aufrechnung nicht zu beanstanden ist, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.
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