Beschluss vom Verwaltungsgericht Osnabrück (5. Kammer) - 5 A 152/06

Gründe

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Gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur z.T. oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

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Vorliegend mangelt es bereits an hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer bis zum 12.07.2005 gültigen Aufenthaltserlaubnis. Sie hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung gegen den Beklagten, denn dessen ablehnender Bescheid vom 17.03.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO.

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Die Klägerin hat insbesondere keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer am 13.07.2004 von der Stadt Witten gem. §§ 17, 18 AuslG erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG. Dabei kann dahinstehen, ob in ihrem Falle die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG deshalb zwingend vorzunehmen ist, weil für sie eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AufenthG vorliegt. Zutreffend weist der Beklagte in seinem Bescheid vom 17.03.2006 darauf hin, dass unabhängig von dieser Fragestellung die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auch deshalb ausscheidet, weil die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG nicht gegeben sind.

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Nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Die Klägerin muss sich indes den Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vorhalten lassen, denn sie hat einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen. Sie ist ausweislich des Bundeszentralregisterauszugs vom 04.08.2005 bereits zwei Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Klägerin wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 01.09.1997 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10 DM und durch Strafbefehl des Amtsgerichts G. vom 27.03.2002 wiederum wegen Diebstahls (geringwertiger Sachen) zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10 € rechtskräftig verurteilt. Diese Strafen sind auch noch nicht tilgungsreif, sodass sie der Klägerin im Rechtsverkehr vorgehalten werden können, §§ 51 Abs. 1, 45 ff. BZRG.

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Es ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung seit langem geklärt, dass die Verwirklichung des Ausweisungstatbestandes ausreicht und es nicht erforderlich ist, dass der betroffene Ausländer tatsächlich ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.08.1996, 1 C 8/94, BVerwGE 102, 12; Beschluss vom 15.09.1995, 1 PKH 20/95, InfAuslR 1996, 14; Urteil vom 31.05.1994, 1 C 5/93, BVerwGE 96, 86). Weiter ist geklärt, dass ein vereinzelter, nicht geringfügiger Verstoß ebenso ausreicht wie ein geringfügiger, aber nicht vereinzelter Verstoß (BVerwG, Urteil vom 05.05.1998, 1 C 17/97, BVerwGE 106, 351; Urteil vom 28.01.1997, 1 C 23/94, InfAuslR 1997, 240; Urteil vom 24.09.1996, 1 C 9/94, BVerwGE 102, 63), sodass sich hier auch nicht die Frage stellt, ob die von der Klägerin begangenen Straftaten ausnahmsweise noch als geringfügig einzustufen sind; jedenfalls ist sie einschlägig rückfällig geworden. Ohnehin ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine vorsätzlich begangene Straftat keinen geringfügigen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift darstellt (BVerwG, Urteil vom 17.06.1998, 1 C 27/96, InfAuslR 1998, 424; Urteile vom 05.05.1998 und 24.09.1996, a.a.O.). Schließlich ist geklärt, dass die Ausländerbehörden - und dementsprechend auch die Verwaltungsgerichte - in aller Regel von der Richtigkeit einer Verurteilung durch Strafurteil oder Strafbefehl ausgehen dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, 1 C 23.03, BVerwGE 122, 193), jedenfalls wenn - wie hier - nichts dafür ersichtlich ist, dass die Ausländerbehörde den Vorfall besser hätte aufklären können als die Polizeibehörden, die Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht.

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Auf das Vorliegen dieses Ausweisungsgrunds kann sich der Beklagte auch berufen, denn dieser ist nicht etwa dadurch verbraucht, dass die Ausländerbehörde der Stadt Witten in Kenntnis der strafrechtlichen Verurteilungen der Klägerin am 13.07.2004 die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Ehegattennachzugs erstmals erteilt hat, obwohl sie gemäß § 17 Abs. 5 AuslG die Aufenthaltserlaubnis auch hätte versagen können. Zwar ist allgemein anerkannt, dass im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes die Versagung eines Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde nicht auf Ausweisungsgründe gestützt werden kann, in deren Kenntnis sie zuvor vorbehaltslos ein Aufenthaltstitel erteilt oder verlängert hat (vgl. Discher in: GK-AufenthG, Stand Juli 2005, Vor §§ 53 ff. Rn. 382 ff. m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die jeweilige Ausländerbehörde durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass sie auf den Ausweisungsgrund nicht mehr zurückgreifen wird. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verleiht daher gegenüber einer nach Erteilung des Aufenthaltstitels neu zuständig gewordenen Ausländerbehörde keinen Anspruch auf Verlängerung des Aufenthaltsrechts, denn diese hat gegenüber dem Ausländer keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. So hat schon das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15.07.1980 (I C 44.77, Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 19 bzw. § 10 AuslG Nr. 71) ausgeführt:

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„Auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt. Die Beklagte hat keinen Tatbestand geschaffen, auf Grund dessen die Klägerin die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis hätte erwarten dürfen. Daß zuvor andere Ausländerbehörden in Kenntnis des Aufenthaltszwecks der Klägerin wiederholt die Aufenthaltserlaubnis erteilt haben, verpflichtet die Beklagte aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht, der Klägerin einen weiteren Aufenthalt zu gestatten. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Ausländerakten hat die Klägerin jeweils nur kurzfristige Aufenthaltserlaubnisse erhalten, deren Geltungsbereich durchweg auf die Regierungsbezirke K bzw. D beschränkt war. Die Klägerin hatte folglich keinen Anlaß anzunehmen, sie werde auch von der Beklagten eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, um in deren Bezirk der Erwerbsunzucht nachgehen zu können.“

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Davon zu unterscheiden ist die Frage nach der Befugnis der später zuständig gewordenen Ausländerbehörde, das von der früheren Ausländerbehörde durch Erteilung eines Aufenthaltstitels - in Kenntnis des Ausweisungsgrundes - geschaffene (befristete) Aufenthaltsrecht (vorzeitig) durch eine Ausweisung zu beenden. Diese ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Ausweisung im Ermessen der Ausländerbehörde steht. Bei der Ermessensausübung ist nämlich auch die später zuständig gewordene Ausländerbehörde an den durch die Vorgängerbehörde geschaffenen Vertrauenstatbestand gebunden (BVerwG, Urteil vom 25.02.1969, I C 35.68, DVBl. 1969, 590; zutreffend differenzierend auch Vormeier in: GK-AuslR, Stand August 1994, § 45 Rn. 733).

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Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Klägerin weder bei der Beantragung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im November 2003 noch bei der Beantragung der Verlängerung im Juli 2005 gegenüber den Ausländerbehörden angegeben hat, dass sie bereits zwei Mal rechtskräftig wegen Diebstahls verurteilt worden ist. Vielmehr hat sie im Antragsformular vom 12.07.2005 die Frage nach begangenen Rechtsverstößen wahrheitswidrig verneint. Bei dieser Sachlage kann ohnehin kein schutzwürdiges Vertrauen in einen dauerhaften Bestand des Aufenthaltsrechts entstehen.

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Da keine Gründe dafür ersichtlich sind, die ausnahmsweise ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG rechtfertigen, kann der Klage kein Erfolg beschieden sein.

 


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