Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (3. Kammer) - 3 A 413/05

Tatbestand

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Der Kläger, der Inhaber eines Jagdscheines für das Jahr 2004 war, nahm am 03.11.2004 an einer Treibjagd teil. Bei dieser wurde der Zeuge Martin B. durch einen Schuss aus der Waffe des Klägers schwer verletzt. Wie es im Einzelnen dazu kam, ist streitig. Ein wegen des Vorfalls gegen den Kläger eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 153 a StPO (Einstellung nach Erfüllung von Auflagen) nach Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 1.200 € eingestellt.

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Den Antrag des Klägers vom 13.09.2005, ihm den Jagdschein für das Jagdjahr 2005/2006 zu erteilen, lehnte der Beklagte nach Anhörung ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Ereignisse vom 03.11.2004 legten die Vermutung nahe, dass der Kläger die erforderlich Zuverlässigkeit nicht besitze. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid vom 01.12.2005 verwiesen.

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Mit der fristgerecht am 27.12.2005 erhobenen Klage machte der Kläger im wesentlichen geltend, es könne ihm im Zusammenhang mit der Verletzung des Zeugen Martin B. allenfalls ein einmaliges, fahrlässiges Fehlverhalten vorgeworfen werden, das nicht den Schluss zuließe, ihm fehle künftig die erforderliche Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen und Munition. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze sowie den Vortrag in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

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Im Laufe des Verfahrens ist das Jagdjahr 2005/2006 abgelaufen und ein Antrag des Klägers auf Erteilung des 3-Jahresjagdscheines für die Jahre 2006/2007, 2007/2008, 2008/2009 durch den Beklagten unter dem 29.03.2006 abschlägig beschieden worden. Aus diesem Grund hat der Kläger seinen zunächst angekündigten Verpflichtungsantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und die Klage erweitert.

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Er beantragt,

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1. festzustellen, dass die Versagung der Erteilung des Jahresjagdscheines für das Jagdjahr 2005/2006 durch den Beklagten rechtswidrig war

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2. die Verwaltungsverfügung und den Kostenbescheid des Beklagten vom 29.03.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger einen Dreijahresjagdschein für die Jagdjahre 2006/2007, 2007/2008 und 2008/2009 zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der Begründung wird auf die Schriftsätze sowie den Vortrag in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

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In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Kläger zum Geschehensverlauf gehört und die Zeugen Martin B., Alois C., Bernhard D. und Gregor E. zum Vorfall am 04.11.2004 vernommen.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Bedenken gegen die Umstellung des ursprünglich angekündigten Verpflichtungsantrags auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag und der Erweiterung der Klage um das Verpflichtungsbegehren hinsichtlich des Dreijahresjagdscheines bestehen angesichts der Zustimmung der Vertreterin der Beklagten hierzu und der zudem gegebenen Sachdienlichkeit nicht. Die Klage ist jedoch hinsichtlich beider Anträge unbegründet. Der Kläger hatte weder einen Anspruch auf Erteilung des Jagscheines für das Jagdjahr 2005/2006 noch hat er einen auf Erteilung des Dreijahresjagdscheines. Die versagenden Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG ist der Jagdschein u.a. Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen.

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Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG u.a. Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden.

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„Leichtfertig“ verwendet werden Waffen und Munition bei grobfahrlässigem Gebrauch in einer von der Rechtsordnung missbilligten Weise. Grobfahrlässig ist dieser Gebrauch, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wurde. Die Befürchtung einer leichtfertigen Verwendung muss auf bestimmte Tatsachen gestützt sein, d.h. auf Verstöße in der Vergangenheit, die einen Schluss auf ein in Zukunft zu befürchtendes Fehlverhalten zulassen. Dabei bedarf es einer Gesamtwürdigung des bisherigen Verhaltens des Betroffenen. Die auf Tatsachen gestützte Besorgnis einer künftigen Leichtfertigkeit in bezug auf den Gebrauch von Waffen oder Munition kann auch aus einem einzigen Vorfall gezogen werden, wenn darin ein übergroßes Maß an Unvorsichtigkeit bei der Verwendung von Waffen zu Tage tritt. Dies ist hier der Fall.

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Zur Überzeugung des Gerichts steht auf Grund des gesamten Ergebnisses des Verfahrens nach Beweiserhebung und Durchführung der mündlichen Verhandlung fest, dass der Kläger bei der Jagd am 04.11.2005 so ein übergroßes Maß an Unvorsichtigkeit im Umgang mit seiner Waffe gezeigt hat, dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er künftig Waffen oder Munition leichtfertig im Sinne von § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG verwenden wird.

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Der Kläger hat ausgeführt, unmittelbar nach dem Erlegen eines Fasans durch einen Schuss habe er seine Waffe nachgeladen und durch Zusammenknicken wieder schussbereit gemacht. Dass er sie jedoch tatsächlich, wie er nunmehr vorträgt und wie es bei der betreffenden Waffe erforderlich ist, manuell gesichert hat, erscheint aus Sicht des Gerichtes eher zweifelhaft. Auf Vorhalt des Gerichtes, sein Prozessbevollmächtigter habe kurz nach dem Vorfall vorgetragen: „Mein Mandant meint, dass er die Waffe gesichert hat.“, hat der Kläger nämlich eingeräumt, er sei sich am Tag nach dem Unfall nicht sicher gewesen. Anders als der Kläger, der diese Aussage mit einer mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden allgemeine Unsicherheit begründet, erklärt sich das Gericht diese Ungewissheit damit, dass es sich bei dem Sichern der Waffe durch Nachvorneschieben eines kleinen Knopfes an der Oberseite des Schaftes, um eine Bewegung handelt, die typischerweise automatisch, d.h. ohne weiteres Nachdenken geschieht. Gerade bei solchen Automatismen, wie etwa dem Verschließen der Haus- oder einer Autotür, kann man später aber in der Regel nicht mehr sicher sagen, ob man sie ausgeführt hat oder nicht. Aus diesem Grund scheint die Aussage des Klägers, er sei sich zunächst unsicher gewesen, wisse jetzt - zwei Jahre nach dem Unfall - aber sicher, dass er die Waffe manuell gesichert habe, nicht glaubhaft.

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Letztlich kann dies aber dahinstehen, denn selbst wenn die Waffe gesichert war, ist der Kläger mit ihr derart unvorsichtig umgegangen, dass die Prognose der Unzuverlässigkeit gerechtfertigt ist. Nach eigenen Angaben hat er nämlich, nachdem er den von ihm erlegten Fasan gefunden hatte, diesen nicht, wie es naheliegend gewesen wäre, in seinen Rucksack gepackt oder an diesem befestigt, sondern diesen auch während der anschließenden Nachsuche nach dem anderen, geflügelten Fasan in der rechten Hand gehalten, so dass er für die Waffe nur noch die linke Hand frei hatte. Schon dieses war grob fahrlässig. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass bei der Nachsuche die Reihe aufgelöst ist und die Jäger sich u.U. auch aufeinanderzubewegen, so dass ein noch deutlich erhöhtes Maß an Umsichtigkeit und Sorgfalt im Umgang mit der Waffe erforderlich ist. Gerade in einer solchen Situation, bei der zudem noch die Hunde in dem Senffeld frei umherliefen, darf die Waffe nicht - wie vom Kläger zugestanden - in einer Hand gehalten werden, da die Kontrolle dadurch erheblich reduziert wird. Zudem ist erfahrungsgemäß die Gefahr des Stolperns - und damit hier auch eines sich lösenden Schusses - erheblich höher, wenn man in beiden Händen unterschiedliche Gegenstände hält, da man kleine Standunsicherheiten nicht ohne weiteres durch die Arme ausbalancieren kann. Insbesondere war aber die Art, wie der Kläger nach eigenen Angaben die nach eigenen Angaben zwar gesicherte, aber nachgeladene und durch zusammenknicken im übrigen schussbereite Waffe trug angesichts des in einer geladenen Jagdwaffe liegenden Gefährdungspotenzials mehr als unvorsichtig. Denn, die von ihm in der mündlichen Verhandlung demonstrierte einhändige Tragweise führt dazu, dass der Daumen oben auf dem Schaft in unmittelbarer Nähe des Sicherungsschalters lag und drei Finger den Bügel, der den Abzug sichert, umschlossen. Bei einer solchen Haltung, zumal wenn man als Rechtshänder dabei die Waffe in der linken Hand hält, ist aber die Gefahr, dass ein Stolperer o.ä. zur unbeabsichtigten Abgabe eines Schusses führt, überproportional groß.

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Daneben steht zur Überzeugung des Gerichts auf Grund der Angaben der Zeugen, Martin B., Bernhard D. und Gregor E. aber auch fest, dass der Kläger die Waffe, während der Nachsuche längere Zeit waagerecht hielt, auch wenn er selbst dies bestreitet. Der Zeuge Martin B. hat ausgeführt, dass er den Lauf der Waffe vor dem Schuss in Höhe der Frucht des Senffeldes habe blitzen sehen. Deshalb sei er sich sicher, dass der Kläger schon während des Drehens die Waffe waagerecht gehalten habe. Dies wird durch den Zeugen Bernhard D. bestätigt, der ausgesagt hat, da er auch einige Zeit vor dem Unfall weder den unteren noch den oberen Teil des Gewehres des Klägers habe sehen können, müsse der Kläger das Gewehr waagerecht gehalten haben, so dass es insgesamt wegen der Höhe der Pflanzen auf dem Senffeld (ca. 1,20 m) verdeckt gewesen sei. Außerdem habe sich der Kläger mit waagerecht ausgerichteter Waffe gedreht, so dass auch er selbst - Bernhard D. -, obwohl er als Flügelmann ganz rechts außen gestanden habe, kurzzeitig im Schussfeld gewesen sei. Auch der Zeuge Gregor E., der nach eigenem Bekunden, den Unfall nicht gesehen hat, hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Kläger habe schon, als sich 4-5 Personen bei der Nachsuche im Pulk bewegten, die Waffe waagerecht gehalten. Dies deckt sich zudem mit seiner Aussage vor der Polizei, bei der er ausgeführt hat, der Kläger habe sein Gewehr in einer Art und Weise gehalten, als wenn man „im Western aus der Hüfte schießen will“ und wenn er ihn, den Kläger, als Jagdgast eingeladen hätte, hätte er das nicht geduldet.

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Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen für das Gericht nicht. Sie habe ohne auszuweichen sich bemüht, die ihnen gestellten Fragen möglichst genau zu beantworten. Selbst wenn, wie die Klägerseite vorträgt, sich die beiden Zeugen Bernhard D. und Gregor E. erst bei der Polizei meldeten und ihre Aussagen machten, als Unstimmigkeiten im Schadensregulierungsverfahren zwischen der Versicherung des Klägers und dem verletzten Zeugen Martin B. entstanden waren, ergibt sich daraus nicht, dass die Aussagen nicht den Tatsachen entsprächen. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass die Zeugen, die auf ihre Wahrheitspflicht und die Strafbarkeit einer Falschaussage ausdrücklich hingewiesen wurden, auf Grund des Vorfalls solche Vorbehalte gegen den Kläger hegten, die es rechtfertigten, diesen durch falsche Angaben zu Unrecht zu belasten. Zudem hat sogar der verletzte Zeuge Martin B. in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers ausdrücklich erklärt, er habe an dem Verhalten des Klägers vorher nichts auszusetzen gehabt.

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Angesichts der übereinstimmenden Aussagen der drei Zeugen, wertet das Gericht die Angabe des Klägers, er sei gestolpert und nur dadurch sei die Waffe, die er nach unten gerichtet gehalten habe, hochgeschnellt und es zur Entsicherung und der Abgabe des Schusses gekommen, als Schutzbehauptung. Ein Hochschnellen der Waffe, ein Stolpern oder gar den sich nach eigenen Angaben anschließenden Sturz des Klägers auf die Knie konnte nämlich keiner der vier Zeugen bestätigen. Hätte es einen solchen aber gegeben, so hätten jedenfalls der Zeuge Bernhard D., der die Situation und auch den Kläger dauerhaft im Blick hatte, und der Zeuge Martin B., dies wahrnehmen müssen. Zudem haben, wie dargelegt, drei der vier Zeugen gesehen, dass sich die Waffe bereits längere Zeit vor dem Schuss in waagerechter Position befand, so dass von einem vom Kläger behaupteten „Hochschnellen“ nicht auszugehen ist.

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Dass das gegen den Kläger gerichtete Strafverfahren gemäß § 153 a StPO eingestellt worden ist, steht der Wertung nicht entgegen, dass der Kläger im Umgang mit der Waffe ein solch übergroßes Maß an Unvorsichtigkeit gezeigt hat, dass die Besorgnis einer künftigen Leichtfertigkeit in bezug auf den Gebrauch von Waffen oder Munition rechtfertigt. Anders als § 153 StPO setzt § 153 a StPO für die Einstellung nicht voraus, dass die Schuld des Täters als gering einzustufen ist. Vielmehr ist eine Einstellung nach § 153 a StPO schon zulässig, wenn die Schwere der Schuld einer Einstellung nach Erfüllung von Auflagen nicht entgegensteht. Dabei kommen alle Taten in Betracht, sofern die Schuld im mittleren Bereich anzusiedeln ist (Kleinknecht/Meyer-Großner, Kommentar zur StPO, § 153a Rn. 7). Der Begriff der Schuld ist dabei nicht deckungsgleich mit dem der Fahrlässigkeit, sondern, wie schon der Umstand belegt, dass eine Einstellung nach § 153 a StPO auch bei Vorsatzdelikten in Betracht kommt, von diesem zu trennen. Demzufolge, kann daraus, dass eine Einstellung nach § 153 a StPO erfolgte, nicht gefolgert werden, dass Staatsanwaltschaft und Strafrichter die Fahrlässigkeit des Klägers als allenfalls mittlere einschätzten.

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Da der betreffende Vorfall erst zwei Jahre zurückliegt, kann, anders als der Prozessbevollmächtigte des Klägers meint, auch der Zeitablauf zu keinem anderen Ergebnis führen.

 


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