Beschluss vom Verwaltungsgericht Osnabrück (2. Kammer) - 2 B 94/06

Gründe

I.

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Die Antragsteller sind Eigentümer von Wohnungen in den - jeweils im Ortszentrum von CB. gelegenen - Gebäuden CC. straße 6/8, CC. straße 7 a, CD. 16, CD. 18 und CE. Straße 9, die nach ihren Angaben im Wesentlichen im Rahmen des „betreuten Wohnens“ genutzt werden. Die CC. straße verläuft von Nordwesten nach Südosten und mündet in Höhe des Grundstücks CC. straße 1 in die - von Nordosten her kommende und dann nach Südosten abknickende - CE. Straße ein. Entlang der CE. Straße befinden sich mehrere Geschäfte (u.a. ein Buchhandel, eine Parfümerie und ein Optikergeschäft), eine Apotheke sowie mehrere Gaststätten und Cafes; im Übrigen werden die dort gelegenen Grundstücke zu Wohnzwecken genutzt. Im Einmündungsbereich CE. Straße/CC. straße liegt - an der Nordseite der CC. straße - ein größerer Parkplatz. Daran schließen sich nach Nordwesten hin das - mit einem Wohnhaus mit 12 Eigentumswohnungen bebaute - Grundstück CC. straße 6/8 und sodann ein Hotel und eine Klinik an. Die Südseite der CC. straße ist - von Südosten aus gesehen - wie folgt bebaut: Auf dem Grundstück CC. straße 1 befindet sich ein größeres Hotel, auf dem nordwestlich daran angrenzenden Grundstück CC. straße 3 das Kurhaus von CB., das zum einen als Kureinrichtung genutzt wird und in dem zum anderen ein Restaurant und ein Tanzlokal betrieben werden. Daran schließen sich nach Nordwesten hin mehrere Wohngrundstücke an; dazu gehört u.a. das Grundstück CC. straße 7 a, das mit einem Wohnhaus mit 8 Eigentumswohnungen bebaut ist. Westlich/südwestlich des Kurhauses befindet sich auf dem Grundstück CD. 16 ein größerer, L-förmig angelegter Gebäudekomplex mit 46 Eigentumswohnungen; daran grenzt in nordwestliche Richtung das ebenfalls zu Wohnzwecken genutzte Grundstück CD. 18 an. Ein Bebauungsplan existiert für den vorstehend beschriebenen Bereich nicht; der Flächennutzungsplan der Gemeinde CB. sieht für diesen Bereich ein Sondergebiet „Kurgebiet“ vor.

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Am 18.05.2006 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen auf entsprechenden Antrag die Baugenehmigung zur Errichtung einer Mobilfunkstation auf dem Grundstück CC. straße 3. Die Funkstation soll im nordwestlichen Bereich des Dachgeschosses des dort befindlichen Gebäudes (Kurhaus) eingerichtet werden (und ist dort mittlerweile tatsächlich auch bereits eingerichtet worden); sie besteht u.a. aus einem Stahlrohrmast, der 9,90 m über dem - seinerseits 14,20 m hohen - Dachfirst geführt wird und an dem drei Sektorantennen montiert sind. Nach einer von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur beträgt der standortbezogene Sicherheitsabstand der Anlage in der Hauptstrahlrichtung 13,25 m. Die tatsächlichen Abstände zwischen der Anlage und den Gebäuden, in denen sich die Wohnungen der Antragsteller befinden, belaufen sich auf (mindestens) ca. 90 m zum Gebäude CE. Straße 9, ca. 80 m zum Gebäude CD. 18, ca. 60 m zum Gebäude CC. straße 7 a und jeweils ca. 35 m zu den Gebäuden CC. straße 6/8 und CD. 16.

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Nachdem die Beigeladene mit der Realisierung des genehmigten Vorhabens begonnen hatte, legten die Antragsteller gegen die - ihnen nicht förmlich bekannt gegebene - Baugenehmigung vom 18.05.2006 Widerspruch ein und beantragten beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der Genehmigung. Zur Begründung machten sie geltend, dass über die Möglichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Funkstationen bereits seit längerer Zeit ernsthaft diskutiert werde und derartige Beeinträchtigungen bislang nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden könnten; verwertbare Erkenntnisse seien vielmehr erst nach weitergehenden wissenschaftlichen Forschungen zu erwarten. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, dass sie ihre Wohnungen bewusst in einem Kurort in unmittelbarer Nähe zu den dort befindlichen Kureinrichtungen gekauft hätten, sei es ihnen unter Rücksichtnahmegesichtspunkten nicht zumutbar, bis zu einem ungewissen Abschluss der erforderlichen weitergehenden Forschungen den Betrieb einer Mobilfunkstation in unmittelbarer Nachbarschaft zu dulden und sich auf diese Weise praktisch zum Versuchsobjekt der Untersuchungen machen zu lassen. Darüber hinaus führe der Betrieb einer Funkstation in unmittelbarer Nähe anerkanntermaßen zu einer erheblichen Wertminderung ihrer Immobilien, die sie aufgrund des hier gegebenen Kurgebietscharakters zu deutlich höheren Preisen als üblich erworben hätten; dies müssten sie ebenfalls nicht hinnehmen. Schließlich füge sich das genehmigte Vorhaben auch nicht in die Eigenart der näheren Umgebung, die als allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren sei, ein; insoweit müsse zusätzlich auch dem bestehenden Kurgebietscharakter Rechnung getragen werden.

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Nachdem der Antragsgegner den bei ihm gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hatte, haben die Antragsteller um Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes nachgesucht. Sie beziehen sich auf ihre Widerspruchsbegründung und treten der im Vorfeld vom Antragsgegner vertretenen Auffassung entgegen, dass es sich bei dem hier interessierenden Bereich um ein faktisches Mischgebiet handele; vielmehr sei insoweit von einem reinen Wohngebiet auszugehen.

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Die Antragsteller beantragen,

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1) die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18.05.2006 anzuordnen,

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2) den Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beigeladenen durch Bauaufsichtsanordnung mit Sofortvollzugsanordnung aufzugeben, die Funkstation vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht in Betrieb zu nehmen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er ist der Auffassung, dass der hier interessierende Bereich als faktisches Mischgebiet einzustufen sei, innerhalb dessen die genehmigte Funkstation, bei der es sich um eine das Wohnen nicht wesentlich störende gewerbliche Nutzung handele, ohne weiteres zulässig sei. Selbst wenn man von einem allgemeinen Wohngebiet ausginge, wäre eine Funkstation dort ebenfalls (ausnahmsweise) zulässig, weil sie kein Störpotential aufweise, das die allgemeine Zweckbestimmung eines solchen Gebiets gefährde. Soweit im Flächennutzungsplan für den fraglichen Bereich ein Sondergebiet „Kurgebiet“ vorgesehen sei, komme dieser Darstellung keine rechtliche Außenwirkung zu; ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan existiere dagegen nicht. Die genehmigte Anlage entspreche auch den einschlägigen immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen, weil der erforderliche Sicherheitsabstand zu den Grundstücken bzw. Wohnungen der Antragsteller eingehalten werde; die von den Antragstellern befürchteten Gesundheitsbeeinträchtigungen seien bislang ebenfalls nicht nachgewiesen.

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Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

II.

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Der Antrag hat keinen Erfolg.

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Nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt, die - wie hier - kraft Gesetzes (§ 212 a Abs. 1 BauGB) entfällt, ganz oder teilweise anordnen. Bei dieser Entscheidung bedarf es in erster Linie einer Abwägung zwischen dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzbarkeit der erteilten Baugenehmigung und dem Interesse des davon betroffenen Antragstellers (Nachbarn) an einer vorläufigen Baustilllegung, bei der insbesondere auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Bei der hier gegebenen Anfechtung einer Baugenehmigung durch Dritte kommt entscheidend hinzu, dass diese nur dann Erfolg haben kann, wenn die Baugenehmigung - ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit in objektiver Hinsicht - unter Verletzung nachbarschützender Vorschriften erteilt worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192). Diese Interessenabwägung fällt zulasten der Antragsteller aus, weil bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar ist, dass sie durch die angefochtenen Baugenehmigung in ihren Nachbarrechten verletzt werden.

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Soweit die Antragsteller geltend machen, das genehmigte Vorhaben verletze ihren - planungsrechtlich grundsätzlich bestehenden und nicht nur auf Bebauungsplangebiete, sondern auch auf nicht überplante, faktisch aber einem bestimmten Baugebietstyp zuzuordnende Gebiete bezogenen - Anspruch auf Bewahrung der vorhandenen Gebietsart (vgl. BVerwG, U. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151), werden sie mit diesem Einwand aller Voraussicht nach selbst dann nicht durchdringen, wenn der hier interessierende Bereich gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem der in der Baunutzungsverordnung genannten Baugebiete eindeutig zuzuordnen, die Zulässigkeit des Vorhabens mithin nicht allein auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu beurteilen wäre. Dabei ist zunächst - allgemein - darauf hinzuweisen, dass der (wiederholte) Hinweis der Antragsteller auf den „Kurgebietscharakter“ des hier zu beurteilenden Bereichs in diesem Zusammenhang letztlich nicht weiter hilft, weil ein Kurgebiet in den §§ 2 - 9 BauNVO nicht als eigenständiges Baugebiet genannt und definiert ist. Vielmehr wird den Gemeinden durch § 11 Abs. 2 BauNVO lediglich die Möglichkeit eröffnet, in einem entsprechenden Bebauungsplan ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Kurgebiet“ auszuweisen und in diesem Rahmen diejenigen baulichen Nutzungen festzusetzen, die in diesem Gebiet im Einzelnen zulässig sein sollen; ein derartiger Bebauungsplan existiert im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht. Dass der Flächennutzungsplan der Gemeinde CB. für das Umfeld der Wohnungen der Antragsteller ein Kurgebiet vorsieht, ist insoweit unerheblich; denn die Frage, ob ein bestimmter (nicht überplanter) Bereich i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB einem bestimmten Baugebietstyp zugeordnet werden kann, ist - ebenso wie die Frage, ob sich ein konkretes Vorhaben ggf. i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt - regelmäßig nicht anhand rechtlicher Kriterien (etwa welche Art von baulicher Nutzung der Flächennutzungsplan für bestimmte Grundstücke vorsieht), sondern allein anhand der tatsächlich vorhandenen Bebauung bzw. der sonstigen äußerlich erkennbaren Gegebenheiten zu beantworten (vgl. Hofherr in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 34 Rn. 16, 68 m.w.N.).

15

Unter dieser Prämisse ergibt sich hier Folgendes: Nimmt man bei der Zuordnung des maßgeblichen Bereichs zu einem bestimmten Baugebiet - wofür nach Auffassung der Kammer Überwiegendes sprechen dürfte - nicht nur den unmittelbaren „Nahbereich“ der Immobilien der Antragsteller entlang der CC. straße, sondern auch die Bebauung entlang der CE. Straße in den Blick und geht darüber hinaus - mit dem Antragsgegner - davon aus, dass sich dieser Bereich von der Art der dort ausgeübten Nutzungen her als faktisches Mischgebiet darstellt, wäre die streitige Funkstation dort allgemein zulässig, weil es sich dabei ersichtlich um eine das Wohnen nicht wesentlich störende gewerbliche Nutzung i.S.d. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO handelt. Etwas anderes würde aber auch dann nicht gelten, wenn man diesen Bereich faktisch als allgemeines Wohngebiet qualifizieren würde. Denn auch in einem solchen Gebiet wäre eine Mobilfunkstation als eine das Wohnen nicht störende und der allgemeinen Zweckbestimmung des Gebiets deshalb nicht zuwiderlaufende gewerbliche Nutzung (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 4 Rn. 9.47; VGH Kassel, B. v. 29.07.1999 - 4 TG 2118/99 -, BRS 62 Nr. 83; VG Gießen, B. v. 08.07.2002 - 1 G 2239/02 -, NVwZ-RR 2003, 196) zumindest ausnahmsweise zulässig (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO), so dass jedenfalls der grundsätzliche Anspruch der Antragsteller auf Bewahrung der vorhandenen Gebietsart nicht verletzt wäre. Demgegenüber kommt eine von den Antragstellern nunmehr (anders als noch in ihrer Widerspruchsbegründung) für richtig gehaltene Einstufung als reines Wohngebiet nicht in Betracht. Dies liegt - sofern man in diesem Zusammenhang auch die an der CE. Straße vorhandene Bebauung berücksichtigt - auf der Hand, weil dort jedenfalls mehrere gastronomische Nutzungen (Gaststätten, Cafes) existieren, die in einem reinen Wohngebiet nicht - und zwar auch nicht ausnahmsweise - zulässig wären (vgl. im Einzelnen den Katalog der insoweit zulässigen Nutzungen in § 3 Abs. 2 und 3 BauNVO); ob die dort darüber hinaus vorhandenen Läden und Einzelhandelsgeschäfte - jeweils - „zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen“ und damit in einem reinen Wohngebiet zumindest ausnahmsweise zulässig sind (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO), erscheint ebenfalls fraglich. Etwas anderes würde sich im Übrigen auch dann nicht ergeben, wenn man den zu beurteilenden Bereich räumlich verengen und lediglich auf die Bebauung unmittelbar an der CC. straße abstellen würde. Denn auch dort finden sich jedenfalls auf den Grundstücken CC. straße 1 (größeres Hotel - vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) und CC. straße 3 (Gaststätte und Tanzlokal) Nutzungen, die in einem reinen Wohngebiet regelmäßig unzulässig sind; dasselbe gilt möglicherweise auch für das auf dem Grundstück CC. straße 10 vorhandene (weitere) Hotel und - soweit diese einen „überörtlichen Einzugsbereich“ haben sollte - für die nordwestlich daran angrenzende Klinik (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass die Errichtung einer Mobilfunkstation - jedenfalls dann, wenn es sich dabei nicht um die Haupt(sende)anlage, sondern (wie hier) um eine einzelne Basisstation innerhalb des Funknetzes des jeweiligen Betreibers handelt - nicht einmal in einem reinen Wohngebiet von vornherein ausgeschlossen wäre. Vielmehr werden derartige Anlagen in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zunehmend als fernmeldetechnische Nebenanlagen i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO angesehen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 06.12.2004 - 1 ME 256/04 -, BauR 2005, 975; OVG Münster, B. v. 06.05.2005 - 7 B 2752/04 -, BauR 2005, 1425 und B. v. 06.05.2005 - 10 B 2622/04 -, NVwZ-RR 2005, 608; VGH München, B. v. 08.07.1997 - 14 B 93.3102 -, BRS 59 Nr. 181), die zumindest im Wege einer Ausnahme auch in einem reinen Wohngebiet zugelassen werden können und dann nach dem Willen des Verordnungsgebers auch von den Bewohnern eines solchen Gebietes grundsätzlich hingenommen werden müssen.

16

Ist das streitige Vorhaben demgemäß in dem hier (unterstellt) gegebenen Misch- oder allgemeinen Wohngebiet vom Grundsatz her zulässig, könnte es im konkreten Einzelfall allenfalls dann (gleichwohl) unzulässig sein, wenn es gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot verstoßen würde. Dies ist hier jedoch aller Voraussicht nach nicht der Fall. Dass das Vorhaben nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO), ist - soweit es seine allgemeine Zweckbestimmung bzw. Nutzungsart betrifft - bereits oben verneint worden und im Übrigen nicht ersichtlich; insbesondere kann nicht angenommen werden, dass es durch das Maß der baulichen Nutzung (Höhe und sonstiger Umfang der Anlage) und/oder den konkreten Standort der Anlage zu erheblichen optischen Beeinträchtigungen für die Umgebung und als Folge dessen ggf. zu einem entsprechenden „Umkippen“ des Gebietscharakters in Richtung auf einen mehr gewerblich genutzten Bereich kommt. Von dem Vorhaben gehen auch keine Belästigungen oder Störungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO aus, die nach der Eigenart des Baugebiets (d.h. entweder eines Misch- oder eines allgemeines Wohngebiet) in diesem Gebiet unzumutbar wären. Nach mittlerweile gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2003 - 9 A 73/02 -, DVBl. 2004, 633; OVG Lüneburg, B. v. 06.12.2004, aaO; B. v. 19.01.2001 - 1 O 2761/00 -, NVwZ 2001, 456; OVG Münster, B. v. 06.05.2005 - 10 B 2622/04 -, aaO; VGH Mannheim, B. v. 19.04.2002 - 3 S 590/02 -, NVwZ-RR 2003, 27; OVG Koblenz, B. v. 20.08.2001 - 1 A 10382/01 -, NVwZ-RR 2002, 17; VGH Kassel, B. v. 29.07.1999, aaO; VGH München, B. v. 08.07.1997, aaO), die in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht (vgl. B. v. 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 -, NJW 2002, 1638), können insbesondere die von den Antragstellern befürchteten gesundheitlichen Gefährdungen durch athermische Wirkungen („Strahlenbelastung“) von Mobilfunkanlagen hinreichend sicher ausgeschlossen werden, wenn die in der 26. BImSchV (Verordnung über elektromagnetische Felder) festgesetzten Grenzwerte und die daraus resultierenden Sicherheitsabstände zur nächstgelegenen (Wohn-)Bebauung eingehalten werden. Letzteres ist hier der Fall, weil nach der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 07.12.2005 in der Hauptstrahlrichtung ein Sicherheitsabstand von (lediglich) 13,25 m erforderlich ist, die tatsächlichen Abstände zwischen der genehmigten Funkstation und den Immobilien der Antragsteller jedoch mindestens ca. 35 m bis hin zu ca. 90 m und damit etwa das Zweieinhalb- bis Siebenfache betragen. Dass es hinsichtlich etwaiger athermischer Wirkungen von Mobilfunkanlagen offenbar nach wie vor entsprechende Forschungsvorhaben gibt bzw. derartige (negative) Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit derzeit noch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden können, ändert an dieser Einschätzung nichts. Denn so lange es in dieser Hinsicht tatsächlich keine (halbwegs) gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, ist es nicht gerechtfertigt, allein im Hinblick auf eine hypothetische Gesundheitsgefährdung bzw. ein insoweit möglicherweise verbleibendes „Restrisiko“ die Errichtung von Vorhaben der vorliegenden Art in bebauten Siedlungsbereichen sozusagen „vorbeugend zu unterbinden“ oder ggf. von (noch) schärferen Genehmigungsvoraussetzungen abhängig zu machen; eine derartige Forderung lässt sich auch aus der dem Staat insoweit grundsätzlich obliegenden Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht herleiten (vgl. BVerfG, aaO).

17

Würde man die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens demgegenüber nach der allgemeinen Regelung des § 34 Abs. 1 BauGB beurteilen, ergäbe sich Folgendes: Da diese Vorschrift nicht generell nachbarschützenden Charakter hat (vgl. BVerwG, U. v. 13.06.1969 - IV C 234.65 -, BVerwGE 32, 173), würde die Frage eines entsprechenden Nachbarschutzes nicht davon abhängen, ob sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der zu überbauenden Grundstücksfläche objektiv in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragsteller käme vielmehr nur dann in Betracht, wenn sich das genehmigte Vorhaben - unabhängig davon, ob es den durch die nähere Umgebung vorgegebenen Rahmen in jeder Hinsicht einhält - deshalb nicht „einfügt“, weil es nicht in der gebotenen Weise Rücksicht auf die sonstige, insbesondere in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung nimmt (vgl. BVerwG, U. v.13.03. 1981 - 4 C 1.78 -, DÖV 1981, 672). Ein derartiger Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ist hier jedoch aus den oben im Einzelnen dargelegten Gründen zu verneinen.

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Die Antragsteller können sich (etwa unter Rücksichtnahmegesichtspunkten) schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es durch das genehmigte Vorhaben zu einer erheblichen Wertminderung ihrer Immobilien komme. Etwaige Wertminderungen eines Grundstücks oder einer sonstigen Immobilie vermitteln für sich genommen keinen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch; entscheidend ist insoweit vielmehr allein, ob die angegriffene Bebauung unter öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu (anderweitigen) unzumutbaren Beeinträchtigungen für das Grundstück/die Immobilie des Rechtsschutzsuchenden führt. Ist das nicht der Fall, so hat der Betroffene die durch die neu entstandene bodenrechtliche Situation verursachten Wertminderung seiner eigenen Immobilie hinzunehmen und kann nicht verlangen, dass eine insoweit erteilte Genehmigung allein aus diesem Grund aufgehoben wird (vgl. BVerwG, U. v. 14.04.1978 - 4 C 96 und 97.76 -, BauR 1978, S. 289).

 


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