Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (3. Kammer) - 3 A 71/06

Tatbestand

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Der Kläger ist Beamter des Landes Niedersachsen und begehrt die Gewährung von Beihilfeleistungen für Aufwendungen für Hilfsmittel.

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Mit Rezepten vom 28.9. und 7.10.2005 hat der die Tochter des Klägers (geb. 30.5.1994) behandelnde Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin die Beschaffung von "Einhand-Computertastatur" sowie "Einhänderlineal" und "Einhänder-Geodreieck" verordnet. Die Rezepte weisen als Diagnose "Spastische Hemiparese" aus (Schaenzler/Hoffbauer, Wörterbuch der Medizin: infolge dauerhaft erhöhter krampfartiger Muskelspannung bestehende unvollständige Lähmung einer Körperhälfte).

3

Gemäß Bescheinigung der seitens der schulpflichtigen Tochter in der Klasse 5b besuchten Realschule vom 29.9.2005 benötigt diese aufgrund ihrer Behinderung für den Unterricht "ein Lineal, ein Geodreieck und eine Einhandtastatur".

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Mit Antrag vom 15.10.2005 begehrte der Kläger von der Beklagten unter Bezugnahme auf diese Verordnungen und Bescheinigungen sowie Vorlage eines Auszugs einer Preisliste eines Anbieters die Entscheidung über die Kostenübernahme im Rahmen der Beihilfe bezüglich der Anschaffung der verordneten Hilfsmittel. In der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Preisliste sind die Artikel "Einhandlineal" (29.- €), "Schreibplatte mit Magnetlineal" (90,48 €) sowie drei Artikel betreffend "G&T" Einhandtastaturen (1566.- €, 232.- €, 1653.- €) farblich markiert. Bezüglich des Einhandgeodreiecks wies der Kläger darauf hin, dass dies von einem anderen Anbieter beschafft werden müsse. Zur Begründung nahm der Kläger auf en beigefügtes Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.7.2004 - B 3 KR 13/03 R - sowie § 33 SGB V Bezug.

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Mit Bescheid vom 17.11.2005 lehnte der Beklagte die Beihilfegewährung mit der Begründung ab, es handele sich nicht um "ein anerkanntes notwendiges Hilfsmittel". Mit Widerspruch seiner Prozessbevollmächtigten vom 7.2.2006 verfolgte der Kläger sein Anliegen weiter unter Hinweis auf die seines Erachtens inhaltlich dem § 33 SBG V entsprechende Bestimmung des § 6 Abs. 1 Ziffer 4 BhV sowie Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

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Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 7.3.2006 mit der Begründung zurück, da die beantragten Gegenstände ausschließlich für den Mathematikunterricht benötigt würden, handele es sich um nicht beihilfefähige "berufsbedingte Mehraufwendungen". Bei Lineal und Geodreieck handele es sich zudem um Gegenstände, deren Kosten der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen seien. Bezüglich des Geodreiecks liege zudem gar kein Antrag des Klägers vor, so dass dies nicht Gegenstand des Verfahrens sei.

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Am 31.3.2006 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er unter Bezugnahme sein bisheriges Vorbringen die Gewährung von Beihilfe zur Beschaffung einer Einhandtastatur mit integriertem Ziffernblock, eines Einhandlineals, eines Einhandgeodreiecks sowie einer Schreibplatte mit Magnetlineal begehrt. Letztere sei ausweislich ärztlicher Verordnung vom 27.2.2007 notwendig; seine Tochter sei auf eine Arretierung des Papiers für den Zeichenvorgang angewiesen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid vom 17.11.2005 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 7.3.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Beihilfeleistungen zu gewähren zu den Aufwendungen für die Anschaffung
eines Einhandlineals,
eines Einhandgeodreiecks,
einer Schreibplatte mit Magnetlineal
sowie einer Einhandtastatur nebst separatem Ziffernblock für PC oder einer Einhandtastatur mit integriertem Ziffernblock für PC.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte nimmt auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug. Auch in Ansehung der im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Verordnung vom 27.2.2007 bleibe es bei der ablehnenden Bescheidung.

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Wegen des Vortrags der Beteiligten im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und im ausgesprochenen Umfang begründet.

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Gemäß § 87c Absatz 1 NBG in der seit dem 1.1.2005 geltenden Fassung (Haushaltsbegleitgesetz 2005 vom 17.12.2004, Art. 4 Nr. 3, GVBl. 2004, 664) erhalten Beamte und Versorgungsempfänger des Landes Niedersachsen grundsätzlich "nach den für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes geltenden Beihilfevorschriften in der Fassung vom 1. November 2001 (GMBl. S. 918), zuletzt geändert durch Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379), Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen".

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Diese Regelung des Beihilferechts ist einerseits wegen Verletzung des Gesetzesvorbehalts verfassungswidrig, andererseits ist für eine - bislang nicht näher bestimmte - Übergangszeit von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen, so dass gewährleistet ist, dass die Leistungen nach einem einheitlichen Handlungsprogramm erbracht werden (BVerwG, U. v. 25.11.2004, 2 C 30/03, NVwZ 2005, 712 = juris; U. v. 15.12.2005, 2 C 35/04, E 125, 21 = juris; U. v. 17.6.2004, 2 C 50/02, E 121, 103 = juris; U. v. 30.10.2003, 2 C 26/02, E 119, 168 = juris). Die Kammer geht davon aus, dass die Beihilfebestimmungen gemäß dieser Rechtsprechung einstweilen weiterhin anzuwenden sind. Entsprechend der "besonderen rechtlichen Form und ungewöhnlichen Funktion der Beihilfevorschriften" sind diese aus sich heraus in gleicher Weise wie Normen auszulegen (BVerwG, U. v. 15.12.2005, 2 C 35/04, E 125, 21 = juris m. w. Nachw.). Dabei ist für die rechtliche Beurteilung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfen verlangt werden (BVerwG, U. v. 15.12.2005, 2 C 35/04, E 125, 21 = juris m. w. Nachw.); im vorliegenden Fall einer auf Voranerkennung gerichteten Klage ist der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung maßgebend.

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Gemäß § 1 Absatz 1 Beihilfevorschriften (BhV) regeln die Beihilfevorschriften insbesondere die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Satz 1); die Beihilfen ergänzen in diesen Fällen die Eigenvorsorge, die aus den laufenden Dienstbezügen zu bestreiten ist (Satz 2). Beihilfen werden zu den beihilfefähigen Aufwendungen beihilfeberechtigter Personen und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen gewährt (§ 1 Absatz 4 BhV). Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen setzt gemäß § 5 Absatz 1 BhV voraus, dass die Aufwendungen (1.) dem Grunde nach notwendig, (2.) der Höhe nach angemessen sind und (3.) ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Bezüglich der aus Anlass einer Krankheit entstandenen Aufwendungen sind neben den ärztlichen Leistungen sowie den vom Arzt verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten Arznei- und Verbandsmitteln (§ 6 Absatz 1 Nr. 1 und 2 BhV) auch Aufwendungen für die Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel (§ 6 Absatz 1 Nr. 4 Satz 1 BhV) grundsätzlich beihilfefähig sind. Voraussetzung und Umfang der Beihilfefähigkeit solcher Hilfsmittel bestimmen sich nach der Anlage 3 (§ 6 Absatz 1 Nr. 4 Satz 2 BhV).

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Notwendige und angemessene Aufwendungen für die Anschaffung der im Katalog der Nr. 1 dieser Anlage (Positivliste) aufgeführten Hilfsmittel sind beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet sind. Zu den - beihilfefähigen - Hilfsmitteln gehören gemäß der einleitenden Normierung der Nr. 9 der Anlage hingegen nicht Gegenstände, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3 BhV) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen, was "insbesondere" für die nachfolgend im Katalog der Nr. 9 dieser Anlage (Negativliste) aufgeführten Gegenstände - regelmäßig - der Fall ist. Bezüglich Hilfsmittel, die weder in der Anlage 3 aufgeführt noch den aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind, entscheidet im Beihilfefestsetzungsverfahren die "oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern" über die Beihilfefähigkeit (Nr. 10 der Anlage 3). Letztere Regelung wie auch die tatbestandlich normierten Ausschlussvoraussetzungen in Nr. 9 der Anlage verdeutlichen, dass weder der Positiv- noch der Negativliste eine abschließende Bedeutung zukommt, die aufgelisteten Gegenstände vielmehr im Sinn "norminterpretierender Verwaltungsvorschriften" im Rahmen der Anwendung der in Konkretisierung des beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatzes auszulegenden Beihilfebestimmungen - hier: §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV - heranzuziehen sind (vgl. Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, 107. Lieferung, Teil I/6, Anm. 9 Ziffer 2 zu § 6; Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, 5. Auflage, § 6 Erl. 6.1.1).

19

Sämtliche Gegenstände, für die der Kläger die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen beansprucht, finden sich weder in der Positiv- noch in der Negativliste. Eine hinreichende Vergleichbarkeit mit in der Anlage 3 aufgeführten Gegenständen, die im Sinne einer analogen Anwendung eine tragfähige Bewertung zuließe, ist nicht gegeben. Daraus folgt indessen nicht, dass die Anlage 3 vorliegend ohne Bedeutung bliebe.

20

Eine systematisch gebotene und dem Wortsinn gerecht werdende Auslegung der Regelungen der Anlage 3 führt nämlich zu dem Ergebnis, dass im Einleitungssatz zur „Negativ-Liste“ der Nr. 9 übergreifende Tatbestandsmerkmale aufgeführt sind, die den Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Anschaffung eines "Hilfsmittels" systemkonform regeln, nämlich soweit sie nicht notwendig und angemessen oder von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen. In diesem Einleitungssatz der Nr. 9 ist das maßgebende Programm niedergelegt, nach welchem sich die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Anschaffung eines "Hilfsmittels" im Einzelfall beurteilt. Hierfür spricht selbst die nachfolgende Negativ-Liste, nach der die dort aufgeführten Geräte im Grundsatz von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Die in der Liste aufgeführten Gegenstandsbezeichnungen sind mit dem die Liste einleitenden „Programmsatz“ durch das Wort „insbesondere“ verknüpft. Daraus folgt, dass die in der Liste aufgeführten Gegenstände wenigstens einem der die Beihilfefähigkeit ausschließenden Tatbestandsmerkmale "systemkonform" müssen zugeordnet werden können (VG Osnabrück, U. v. 28.2.2007, 3 A 113/06). Umgekehrt sind nicht in der Negativliste aufgeführte Gegenstände für die Beurteilung deren Beihilfefähigkeit an den Tatbestandsvoraussetzungen des Einleitungssatzes zu messen wie auch selbst in der Positivliste aufgeführte Gegenstände zwar regelmäßig als beihilfefähig anzuerkennen sind, ohne dass dadurch jedoch ausgeschlossen wäre, in einem besonders gelagerten Einzelfall in Anwendung des Prüfungsmaßstabs des Einleitungssatzes der Nr. 9 hiervon abweichend die Beihilfefähigkeit zu verneinen. Letzteres trägt auch der Notwendigkeit einer aktualisierenden Überprüfung der Voraussetzungen der Aufnahme des Gegenstandes in die Positivliste anhand der zwischenzeitlichen Entwicklung des als Hilfsmittel in Betracht kommenden verfügbaren Angebots einschließlich der Preisentwicklung Rechnung. Für diese Auslegung der Anlage 3 spricht auch der Umstand, dass die in Anlage 3 Nr. 9 normierten wie auch die - hiermit teilidentischen - Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 5 Nr. 3 BhV (ehemals § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BhV) in "inhaltsgleicher" Umsetzung der für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Gesundheits-Reformgesetz vom 20.12.1988 (BGBl. S. 2477) eingeführten, die vorliegende sozialgerichtliche Rechtsprechung aufgreifenden Bestimmungen der §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V Eingang in die Beihilfebestimmungen fanden (vgl. Schröder u.a., a.a.O., § 6 Anm. 35 Ziffer 3, § 6 Anm. 9 Ziffer 1; ohne nähere Begründung im Ergebnis anders OVG Münster, Urt. v. 21.7.2000, 12 A 2489/99, juris).

21

Für die Auslegung des Rechtsbegriffs "Hilfsmittel" i.S.d. - insoweit wie das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung auf Gewährung von Leistungen in Krankheitsfällen beschränkten (§§ 1 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Hs 1 BhV) - Beihilfevorschriften lässt sich daneben die Auslegung des mit einer vergleichbaren Abgrenzungsproblematik verbundenen, wortidentischen Rechtsbegriffs "Hilfsmittel" in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergänzend heranziehen. Hierfür spricht auch die vorstehend bereits erörterte "inhaltsgleiche" Umsetzung der §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Hilfsmittel sind deshalb Gegenstände, die zum Zweck der Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse auf den unmittelbaren Ausgleich von Körperschäden gerichtet sind, indem sie die Ausübung natürlicher Körperfunktionen ermöglichen, ersetzen, aufrechterhalten oder erleichtern. Ausgeschlossen sind damit vorwiegend solche Maßnahmen, die nicht bei der Behinderung selbst, sondern bei deren Folgen auf beruflichem, gesellschaftlichem oder auch nur privatem Gebiet ansetzen, mithin nicht unmittelbar den direkten Ausgleich körperlicher Behinderungen bezwecken (BSG, Urt. v. 16.9.1999, B 3 KR 9/98 R, juris = FEVS 51, 355 -Therapie-Tandem-; Urt. v. 24.1.1990, 3/8 RK 16/87 -CARBA-Linguaduc-Schreibanlage-; Urt. v. 15.2.1978, 3 RK 36/76, FEVS 27, 29 ff -Blindenschrift-Schreibmaschine-; Urt. v. 10.11.1977, 3 RK 7/77, FEVS 26, 121 ff -Blindenführhund-; Schröder u.a., a.a.O., Anm. 9 (1) zu § 6; Topka/Möhle, a.a.O. Erl. 6.1), insbesondere den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens respektive der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnende Gegenstände (Schröder u.a., a.a.O., Anm. 9 (1) zu § 6; Topka/Möhle, a.a.O. Erl. 6.1). Aufwendungen der allgemeinen Lebenshaltung in letztgenanntem Sinn zuzurechnenden Gegenständen ist gemeinsam, dass sie in der Gesellschaft verbreitet sind und die allgemein auch von Gesunden zur Vorbeugung vor einer Erkrankung, zur Erhaltung des Wohlbefindens oder sogar ohne zwingenden Bezug zu einer Erkrankung genutzt und daher nach der Verkehrsauffassung schon als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens der allgemeinen Lebenshaltung zugerechnet werden (Topka/Möhle, a.a.O. Erl. 6.1.1). Demgegenüber sind Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend von diesem Personenkreis benutzt werden, nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Die Frage, ob ein Hilfsmittel als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen ist, stellt sich für einen Gegenstand, der von der Konzeption her vorwiegend für Kranke oder Behinderte gedacht ist, erst dann, wenn er in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen benutzt wird (BSG, Urt. v. 16.9.2009, B 3 KR 9/98 R, juris = FEVS 51, 355 -Therapie-Tandem).

22

Für die Einordnung als Hilfsmittel kommt es dabei auf die objektive Eigenart und Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurer Ausführung beschafft worden wäre. Eine solche Unterscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weder in der Praxis durchführbar noch erforderlich, weil weder die Beihilfevorschriften noch die ihnen zugrundeliegende Fürsorgepflicht des Dienstherrn es gebieten, neben der amtsangemessenen Besoldung oder Versorgung dem Beamten umfassend für jede durch Krankheit bedingte Verteuerung der allgemeinen Lebenshaltung Beihilfe zu gewähren. An dieser gegenständlichen Begrenzung der Beihilfeansprüche vermag auch die besondere Schwere einer Behinderung nichts zu ändern (so BVerwG, Urt. v. 14.3.1991, juris = ZBR 1991, 350; Schröder u.a., a.a.O., Anm. 9 (1) zu § 6; Topka/Möhle, a.a.O. Erl. 6.1).

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Einhandlineale und Einhandgeodreiecke sind Hilfsmittel in vorstehendem Sinn. Es handelt sich um Zeichenwerkzeuge die aufgrund ihres besonders hohen Gewichts (450 g) sowie ihrer Gestaltung im Übrigen (großer Griff) einerseits eine einhändige Positionierung des Zeichenwerkzeugs erlauben, andererseits auch während des Zeichenvorgangs aufgrund ihrer Ausführung gegen unbeabsichtigtes Verschieben durch von dem Zeichenstift ausgeübten Seitendruck stabilisiert sind. Derartige für das einhändige Zeichnen bestimmte Werkzeuge sind deshalb geeignet, der infolge ihrer halbseitigen Lähmungserscheinungen an der manuellen Justierung des Werkzeugs (auch) während der Zeichnungserstellung gehinderten Tochter des Klägers es zu ermöglichen, durch in zeitlicher Hinsicht aufeinander abfolgende Arbeitsschritte nach Abschluss der Justierung des Zeichenwerkzeugs mit gleicher Hand eine nachfolgende Zeichnungsbewegung unter Nutzung des ohne manuelle Aufrechterhaltung der Justierung in seiner Position verharrenden Zeichenwerkzeugs auszuführen. Insoweit ist ein Einhand-Zeichenwerkzeug aufgrund seiner besonderen Gestaltung darauf gerichtet, den infolge der halbseitigen Lähmung gegebenen Körperschaden der fehlenden Einsetzbarkeit einer Hand durch Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse des Greifens und Haltens unmittelbar auszugleichen, indem sie die - einhändige - Ausübung natürlicher Körperfunktionen ermöglichen bzw. ersetzen.

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Die Einhandzeichengeräte sind für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden und werden aufgrund ihrer für Nichtbehinderte gegebenen Unhandlichkeit wie auch wegen ihres unverhältnismäßig hohen Preises im Vergleich zu allgemein gebräuchlichen Zeichengeräten ausschließlich oder ganz überwiegend von diesem speziellen Personenkreis benutzt. Sie sind daher nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen; für eine Benutzung derartiger Einhandzeichenwerkzeuge in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen ist keinerlei Anhaltspunkt gegeben. Die Einhandzeichenwerkzeuge werden dementsprechend regelmäßig nicht im allgemeinen Schreibwarenbedarf oder Büroartikelhandel, sondern von den auf den Vertrieb von Hilfsmitteln für Kranke und Behinderte spezialisierten Gewerbetreibenden angeboten.

25

Vergleichbares gilt für die verordnete Schreibplatte mit Magnetlineal. Das Magnetlineal stellt im Prinzip eine Variante eines Einhandlineals in besonderer technischer Ausführung dar. Die Schreibplatte dient einerseits der behinderungsbedingt erforderlichen besonderen Fixierung des Papiers, andererseits bildet sie die technisch notwendige Unterlage für das Magnetlineal. Beides zusammen stellt daher eine Funktionseinheit dar. Ausweislich der Verordnung sowie der unwidersprochen gebliebenen Erläuterungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat sich im schulischen Alltag seiner Tochter erwiesen, dass die Schreibplatte wegen der Arretierung des Papiers erforderlich ist, weil die Verwendung eines Einhandlineals allein die hinreichend sichere Ausführung des Zeichenvorgangs aufgrund der schwere der körperlichen Beeinträchtigung nicht ermöglicht.

26

Einen neben der Schreibplatte mit Magnetlineal bestehenden weitergehenden behinderungsbedingten Bedarf für die der Beschaffung auch eines Einhandlineals hat der Kläger hingegen in der mündlichen Verhandlung nicht darzulegen vermocht. Dieser ist auch nach dem Sach- und Streitstand, insbesondere der seitens des Gerichts beigezogenen Beschreibungen einschlägiger Hilfsmittel, nicht erkennbar, so dass davon auszugehen ist, dass sich die frühere Verordnung des Einhandlineals durch die - infolge geänderter Erkenntnislage gebotene - spätere Verordnung der Schreibplatte mit Magnetlineal überholt hat. Sind aus diesem Grund wegen fehlender Notwendigkeit die Voraussetzungen einer Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Beschaffung eines Einhandlineals neben der Beschaffung der Schreibplatte mit Magnetlineal nicht gegeben, gilt dies nicht in gleicher Weise für das Einhandgeodreieck. Ein Geodreieck ermöglicht im schulischen Unterricht weitergehende Konstruktions- und Zeichentechniken, die sich durch Lineale mit wie ohne Schreibplatte nicht ausführen lassen.

27

Unzutreffend ist die Annahme des Beklagten, es handele sich um "berufsbedingte" Mehraufwendungen, die bereits aus diesem Grund nicht beihilfefähig seien. Die allgemeine Schulausbildung im Rahmen der gesetzlichen Schulpflicht, der die Tochter des Klägers mit dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule nachkommt, stellt gerade nicht die Ausübung bzw. Vorbereitung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit dar, sondern dient dem Erwerb der Befähigung, im Anschluss an die allgemeine Schulbildung in eine Berufswahl einzutreten. Es geht vielmehr darum, der Tochter des Klägers durch die allgemeinbildende Schulausbildung den Erwerb der Voraussetzungen zu ermöglichen, dass sie im Anschluss hieran überhaupt (irgendeinen) Beruf ausüben bzw. erlernen kann. Die Ermöglichung des Schulbesuchs befriedigt jedenfalls bei schulpflichtigen Minderjährigen ein gesellschaftlich anerkanntes und rechtlich normiertes Grundbedürfnis des täglichen Lebens (vgl. BSG, Urt. v. 16.9.1999, B 3 KR 9/98 R, juris = FEVS 51, 355; Urt. v. 8.3.1990, 3 RK 13/89, juris).

28

Ein Ausschluss von der Beihilfefähigkeit unter dem Gesichtspunkten eines geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzens bzw. geringen Angabepreises (§ 6 Abs. 5 Nr. 3 BhV; Anlage 3 Ziffer 9 BhV) ist - jedenfalls bezüglich der vorliegend interessierenden Hilfsmittel noch hinsichtlich vergleichbarer Gegenstände - seitens des BMI nicht geregelt, wohl aber mit Blick auf § 6 Abs. 4 Nr. 3 BhV a.F. (jetzt § 6 Abs. 5 Nr. 3 BhV) gegenüber den Beihilfestellen angeordnet, dass eine solche vorhergehende Entscheidung abzuwarten sei (Artikel 2 Ziffer 3 Anlage d. RdErl. d. MF v. 11.10.1989, NdsMBl 1989, 1138; RdErl. d. MF v. 25.3.1996 Ziffer I 2, NdsMBl 1996, 765). Angesichts der ausweislich der Lehrpläne zum Fach Mathematik, insbesondere zur Geometrie, bestehenden Notwendigkeit des Einsatzes von Lineal und Geodreieck im Rahmen der pflichtgemäßen Erwerbs schulischer Allgemeinbildung für die Tochter des Klägers sind die eine Unterrichtsteilnahme und damit eine integrative Beschulung der Behinderten fördernden Einhandzeichenwerkzeuge weder von umstrittenem noch von nur geringem therapeutischen Nutzen i.S. vorgenannter Regelungen. Mangels gleichermaßen geeigneter, mit geringeren Aufwendungen verbundener Alternativen sind diese Hilfsmittel als notwendig und angemessen zu bewerten.

29

Die Beihilfevorschriften enthalten in § 12 Abs. 1 Nr. 1 BhV eine auf 10 % der Kosten, aber mindestens 5 und maximal 10 € begrenzte Eigenbehaltsregelung. Diese Bestimmung geht mit der Normierung des Mindesteigenanteils von 5 € neben der 10 % - Regel ersichtlich davon aus, dass Aufwendungen für Hilfsmittel auch unter 50 € beihilfefähig und nicht unter dem Gesichtspunkt eines geringen Abgabepreises ausgeschlossen sind. Gemäß Ziffer 5 Satz 1der Anlage 3 sind die innerhalb eines Kalenderjahres über 100 € hinausgehenden Aufwendungen für Betrieb und Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte beihilfefähig. In Anbetracht dieser Belastungsgrenze sowie der einheitlichen Geltung der Beihilfevorschriften auch für die unteren Besoldungsgruppen ist Anlage 3 Ziffer 9 BhV im Sinn einer Kleinbetragsregelung auszulegen, mithin "gering" im Sinn "geringfügig" zu verstehen. Sinn und Zweck der Regelung ist darin zu sehen, dass der Beamte im Rahmen der Eigenvorsorge Kleinbeträge selbst tragen soll, die den mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens typischerweise verbundenen Aufwand auch im Lichte des Fürsorgegrundsatzes sowie der Erforderlichkeit einer ergänzenden Beihilfegewährung in besonderen Lebenslagen nicht ernstlich zu rechtfertigen vermögen. Derartige, auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen anzutreffende Kleinbetragsregelungen betreffen typischerweise Beträge bis zu 10 €. Die Aufwendungen für die begehrten Hilfsmittel überschreiten jeweils für sich genommen diese Bagatellgrenze.

30

In Anwendung vorstehender Maßstäbe handelt es sich bei einer Einhandtastatur mit integriertem oder separatem Ziffernblock um ein für die Tochter des Klägers behinderungsgerechtes Hilfsmittel (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 27.9.2002, 3 B 97.3265, juris). Entsprechend den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist die Beschaffung einer Einhandtastatur im vorliegenden Fall aufgrund des verbreiteten, fachübergreifenden Einsatzes der in der Schule seiner Tochter vorhandenen Computer im Unterricht auch bei Abwägung der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit des Hilfsmittels zum teilweisen Ausgleich der bestehenden Behinderungen im Sinn des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV i.V.m. Ziffer 9 der Anlage 3 mit dem Ausmaß der erfahrbaren Hilfe wie auch den Kosten des Hilfsmittels als beihilfefähig anzuerkennen. Sie ermöglicht eine den nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern gleichartige Beteiligung am Pflichtunterricht der allgemeinbildenden Schule und damit einen diesbezüglichen behinderungsgerechten Ausgleich. Insoweit ist allgemein bekannt, dass insbesondere infolge der seitens der Landesregierung in den letzten Jahren gezielt zur Förderung des entsprechenden unterrichtlichen Einsatzes betriebenen flächendeckenden Versorgung der Schulen aller Schulformen mit Computern, diese allenthalben "Einzug in die Klassenzimmer" gehalten haben. Hiervon ist die Tochter des Klägers nicht auszuschließen. In Anbetracht der auch nach Auffassung des Klägers gleichermaßen gegebenen Eignung einer Einhandtastatur mit integriertem Ziffernblock ist (lediglich) die Anschaffung dieser preisgünstigeren Variante notwendig und angemessen. Für die Beschaffung einer teureren Tastatur mit separatem Ziffernblock fehlt es an einer aus der Behinderung der Tochter des Klägers ableitbaren Notwendigkeit der Trennung von Tastatur und Ziffernblock.

 


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