Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (3. Kammer) - 3 A 365/05

Tatbestand

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Der Kläger (Hauptsekretär im JVD) wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.

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Aufgrund anhaltender, Dienstunfähigkeit begründender Erkrankung ordnete die Beklagte mit Schreiben vom 9. bzw. 23.6.2005 unter Hinweis auf § 65 NPersVG die amtsärztliche Untersuchung des Klägers an.

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Auf der Grundlage der amtsärztlichen Stellungnahme vom 28.7.2005 hörte sie den Kläger unter Beifügung eines Empfangsbekenntnisses mit Schreiben vom 26.8.2005 zur Absicht der Versetzung in den Ruhestand zum 30.9.2005 unter Hinweis auf die Einwendungsmöglichkeit binnen Monatsfrist gemäß § 56 Abs. 2, 3 NBG an. Das Empfangsbekenntnis erhielt sie nicht zurück.

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Gegen einen Bescheid der Beklagten vom 9.9.2005 erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21.9.2005 Widerspruch, welcher mit Bescheid vom 4.10.2005 beschieden wurde.

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Mit Schreiben vom 29.9.2005 nebst Urkunde über die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30.9.2005, zugestellt am 30.9.2005, versetzte die Beklagte den Kläger in den Ruhestand. Hiergegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigten unter dem 7.10.2005 Widerspruch, welcher mit Bescheid vom 7.10.2005 unter Hinweis auf § 56 Abs. 2 und 3 NBG "nach Fristablauf" als unzulässig zurückgewiesen wurde.

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Am 11.11.2005 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, er habe rechtzeitig Einwendungen gegen die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erhoben. Dies ergebe sich daraus, dass er sich mit Schriftsatz vom 21.9.2005 gegen einen im Betreff u.a. mit "Versetzung in den Ruhestand" bezeichneten Bescheid vom 9.9.2005 gewandt habe. Im übrigen fehle es an der Feststellung der Dienstunfähigkeit i.S.d. § 56 Abs. 2 NBG. Das Schreiben vom 29.9.2005 nebst Urkunde sei dem Kläger am 30.9.2005 ohne Rechtsmittelbelehrung zugegangen, so dass der Widerspruch vom 7.10.2005 diesbezüglich rechtzeitig erfolgt sei. Ausweislich des mit Telefax vom 30.11.2006 übermittelten Empfangsbekenntnisses bezüglich der "Verfügung des Leiters der JVA Lingen vom 26.08.2005 - IV F 36" sei ersichtlich, dass dem Kläger der Schriftsatz der Beklagten vom 26.8.2005 erst am 5.9.2005 zugegangen sei, so dass die bereits mit Ablauf des 30.9.2005 erfolgte Versetzung in den Ruhestand die Einwendungsfrist des Klägers beschnitten habe, da er bereits vor Ablauf der Monatfrist vor vollendete Tatsachen gestellt worden sei. - Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Klagebegründung "vorsorglich" geltend gemacht hatten, Dienstunfähigkeit sei nicht gegeben, haben sie angesichts der während des gerichtlichen Verfahrens eingeholten amtsärztlichen Stellungnahme vom 6.12.2006 mit Schreiben vom 21.12.2006 klargestellt, zutreffend sei, dass auch der Kläger den Standpunkt vertrete, dienstunfähig zu sein; dies wurde auf telefonische Nachfrage bestätigt (Aktenvermerk vom 17.4.2007). - Der Bescheid vom 9.9.2005 sei rechtswidrig, denn mangels wirksamer Zurruhesetzung habe eine Urlaubsabgeltung - zumal bei attestierter Dienstunfähigkeit - nicht erfolgen können.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 26.8. und 9.9.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2005 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte trägt vor, die Amtsärztin habe ihre Stellungnahme vom 28.7.2005 ihr gegenüber zeitnah telefonisch u.a. dahingehend erläutert, dass sie den Inhalt ihrer Stellungnahme eingehend mit dem Kläger besprochen habe, dieser selbst von einer Dienstunfähigkeit ausgehe und verlauten lassen habe, sich außerstande zu sehen, jemals wieder eine Justizvollzugsanstalt zu betreten; der Kläger selbst habe auf eine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand gedrängt. Anlass zu weiteren Ermittlungen hätten aus Sicht der Beklagten nicht bestanden, da insbesondere von finanziellen Erwägungen getragene taktische Verzögerungen hierzu keine Veranlassung gäben. Es sei zu keiner Zeit erkennbar geworden, dass sich der Kläger doch gegen die Annahme der Dienstunfähigkeit wenden wolle. Unter Vorlage der amtsärztlichen Stellungnahme vom 6.12.2006 sieht die Beklagte ihren bisherigen Vortrag bestätigt.

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Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, insbesondere - mangels Rechtsbehelfsbelehrung betreffs Klagemöglichkeit - fristgerecht erhoben. Sie ist zum einen als Anfechtungsklage auf Aufhebung der durch Zustellung der Urkunde am 30.9.2005 bekannt gegebenen Regelung über die Versetzung in den Ruhestand gerichtet; diese stellt den diesbezüglichen Verwaltungsakt dar (Nr. 3.1 der Verwaltungsvorschrift zu § 60 NBG i.d.F zum Zeitpunkt des 30.9.2005; Sommer u.a., Nds. Beamtengesetz, § 60 Rn. 5). Zum anderen zielt die Klage auf Aufhebung des Verwaltungsakts vom 9.9.2005; abzustellen ist insoweit auf die Fassung die der Bescheid durch den Widerspruchsbescheid vom 4.10.2005 erhalten hat. Diesbezüglich käme in Abhängigkeit von der Reichweite des auszulegenden Rechtsschutzbegehrens anstelle einer Anfechtungs- ggf. eine Verpflichtungsklage in Betracht. Letzteres kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Klage in der Sache keinen Erfolg hat.

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Die Klage ist unbegründet, denn die angegriffenen Bescheide sind nicht rechtswidrig i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und weitergehende Rechtsansprüche des Klägers i.S.d. § 113 Abs. 5 VwGO sind nicht gegeben.

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Rechtsgrundlage der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit sind §§ 54, 56, 60 NBG in der bis zum 1.1.2006 geltenden Fassung. Der Kläger stand zum Zeitpunkt der Zurruhesetzungsentscheidung in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und war dienstunfähig im Sinn vorstehender Regelungen. Letzteres ist zum einen zwischen den Beteiligten nicht (länger) streitig, ergibt sich zum anderen aus den vorliegenden plausibel und nachvollziehbar begründeten amtsärztlichen Stellungnahmen, die in Frage zu stellen kein substantiierter Anhaltspunkt ersichtlich ist; insbesondere hat der Kläger sein ursprüngliches prozessuales Bestreiten zu keiner Zeit substantiiert. Demzufolge sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG erfüllt, so dass der Kläger entsprechend der zwingenden Rechtsfolge dieser Bestimmung in den Ruhestand zu versetzen war.

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Die erfolgte Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum 30.9.2005 begegnet auch nicht anderen durchgreifenden Einwänden. Die seitens der Beklagten mit Anhörung vom 26.8.2005 umgesetzte Regelung des § 56 Abs. 2 NBG bezüglich einer Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen steht nicht entgegen. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass Sinn und Zweck dieser Bestimmung sich darauf beschränkt, dem Beamten die Möglichkeit zu sichern, Einwendungen gegen die Annahme der Dienstunfähigkeit zu erheben. Derartige Einwendungen hat der Kläger jedoch zu keiner Zeit erhoben. Vielmehr musste die Beklagte aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisse davon ausgehen, dass der Kläger seine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit in Übereinstimmung mit der amtsärztlichen Einschätzung anstrebte und keine Einwendungen erheben wollte, so dass Sinn und Zweck der Monatsfrist, dem Beamten eine Überlegungs- und Entscheidungsfrist einzuräumen, aufgrund der geklärten und erklärten Position des Klägers bereits erreicht war, mit der Folge, dass die Beklagte aufgrund dieser besonderen Umstände des Einzelfalls nicht gehalten war, einen absehbar fruchtlosen Fristablauf abzuwarten. Die Regelung des § 56 Abs. 2 NBG ist einer solchen restriktiven, am Gesetzeszweck orientierten Auslegung zugänglich. Aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens des Klägers durfte die Beklagte von einem entsprechenden Sachverhalt ausgehen. Der Kläger hat gegenüber der Amtsärztin bereits im Rahmen der Untersuchung in Vorbereitung deren amtsärztlicher Stellungnahme vom 28.7.2005 erklärt, sich selbst für dienstunfähig zu halten, und auf eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gedrängt. Dem diesbezüglichen substantiierten Vortrag der Beklagten ist der Kläger nicht entgegengetreten. Vielmehr hat er sich mit der Beklagten - vor diesem Hintergrund erwartungsgemäß - ausweislich der Verwaltungsvorgänge ausschließlich wegen der aus seiner Sicht zu klärenden "Modalitäten" einer Zurruhesetzung, wie Abgeltung von Erholungsurlaub und Mehrarbeitsstunden, auseinandergesetzt. Auch auf den ausdrücklichen Hinweis der Beklagten im Schreiben vom 9.9.2005, dass diese Gesichtspunkt keine zu beachtenden Einwendungen gegen eine Versetzung in den Ruhestand darstellten, hat der Kläger nicht reagiert. In diesem Zusammenhang ist auch die nicht erfolgte Empfangsbestätigung bezüglich des Schreibens vom 26.8.2005 vor dem Erklärungshintergrund des Klägers zu würdigen, selbst Dienstunfähigkeit zu bejahen und demzufolge ohnehin keine Einwendungen erheben zu wollen. Anderenfalls hätte es gerade bei Zugang dieses Schreibens erst am 5.9.2005 das Eigeninteresse unabweisbar geboten, der Beklagten das Empfangsbekenntnis in Anbetracht der avisierten Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung zum 30.9. zurückzusenden, um durch Mitteilung des Zugangstermins die Einhaltung der Monatsfrist unter Aufgabe dieses avisierten Termins zu sichern. Das gegen den Bescheid vom 9.9.2005 Widerspruch erhebende Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 21.9.2005 lässt mangels jeglicher Begründung nichts Gegenteiliges erkennen, betraf vielmehr ausschließlich die vorgenannten "Modalitäten" der Zurruhesetzung. Hieran änderte der bloße Betreff des Bescheids vom 9.9.2005 nichts.

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Im Übrigen ist dem Kläger einzuräumen, dass die Beklagte den Ablauf der Einwendungsfrist zum 30.9.2005 nicht nachweisen kann, doch verhülfe dies der Klage auch dann nicht zum Erfolg, wenn man der vorstehenden Auslegung nicht folgte. Die "Bekanntgabe" gemäß § 56 Abs. 1 und 2 NBG bedarf der Zustellung nach den Bestimmungen des Nds. Verwaltungszustellungsgesetzes (§ 191 NBG ), dass seinerseits auf die Regelungen des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes - VwZG - verweist (§ 1 Abs. 1 NVwZG). Maßgebend sind die bis zum 1.2.2006 geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes (vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12.8.2005, BGBl. I, 2354). § 41 Abs. 2 BVwVfG ist wegen der gebotenen Zustellung somit nicht einschlägig (Knack, VwVfG, § 41 Rn. 18). Ob die von der Beklagten vorgenommene Zustellung gegen Empfangsbekenntnis per Post zulässig war, kann dahingestellt bleiben. Dagegen spräche, dass § 5 Abs. 1 VwZG die Aushändigung durch einen Bediensteten der zustellenden Behörde vorsah, während die Übermittlung "auf andere Weise" auf den in Absatz 2 geregelten Personenkreis beschränkt war, dem der Kläger nicht angehört. Jedenfalls hat der Kläger das Empfangsbekenntnis der Beklagten nicht zurückgesandt, so dass ein rechtzeitiger Zugang im Sinn einer Einhaltung der Monatsfrist nicht nachgewiesen ist. Eine Heilung im Sinn des § 9 Abs. 1 VwZG kommt nicht in Betracht, da diese Regelung voraussetzt, dass ein Zeitpunkt festzustellen ist, zu dem der Empfänger das Schriftstück "nachweislich" erhalten hat. Hieran fehlt es, zumal dem seitens des Klägers im Lauf des gerichtlichen Verfahrens nunmehr per Telefax vorgelegten und auf den "5.9." datierten Empfangsbekenntnis keinerlei Beweiswert beizumessen, vielmehr als Klägervortrag zu bewerten ist, dem die Beklagte allerdings nicht substantiiert entgegentreten kann. Ist somit davon auszugehen, dass die Monatsfrist am 30.9.2005 noch nicht abgelaufen war, begründet dies jedoch nicht die Aufhebung der angegriffenen Zurruhesetzungsverfügung. Vielmehr ist ein solcher Mangel in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 BVwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NdsVwVfG als geheilt zu betrachten, nachdem der Kläger zu keiner Zeit - weder innerhalb noch nach Ablauf der Frist - substantiierte Einwendungen gegen die Annahme der Dienstunfähigkeit erhoben hat

 


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