Urteil vom Verwaltungsgericht Osnabrück (3. Kammer) - 3 A 276/05

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Einziehung seines Jagdscheins.

2

Ausweislich der Verwaltungsvorgänge wurden mit Verfügungen vom 4.11.1987 eine dem Kläger am 16.11.1973 ausgestellte Waffenbesitzkarte sowie ein dem Kläger am 11.3.1987 ausgestellter Jagdschein auf der Grundlage einer amtsärztlichen Stellungnahme für ungültig erklärt und eingezogen, weil dem Kläger die körperliche Eignung insbesondere zur Führung von Schusswaffen bei der Jagdausübung fehlte. Die amtsärztliche Stellungnahme vom 4.9.1987 lautete in der Diagnose auf chronischen Alkoholabusus und alkoholtoxischer Leberparenchymschaden. Die Waffen wurden polizeilich sichergestellt. Der diesbezügliche Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 10.2.1988 zurück gewiesen. Die daraufhin erhobene Klage nahm der Kläger am 4.11.1988 zurück, nachdem die Behörde unter Ablehnung eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags in das gerichtliche Verfahren eingeführt hatte, dass der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück vom 4.9.1979 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie durch Urteil des Amtsgerichts Papenburg vom 18.11.1987 wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt, vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden war.

3

Einen unter Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Kraftfahreignung gestellter Antrag des Klägers auf Erteilung eines Jagdscheins vom 6.9.1989 wurde mit Bescheid vom 11.10.1989 abgelehnt, der Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 26.1.1990 zurück gewiesen. Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einigten sich die Beteiligten außergerichtlich mit der Folge, dass dem Kläger am 3.8.1990 ein Jahresjagdschein erteilt wurde.

4

Auf Antrag des Klägers auf Verlängerung des Jagdscheins im Februar 2005 entsprach der Beklagte nach Einholung der Auskunft aus dem Zentralregister vom 11.2.2005 mit Verlängerungseintrag im Jagdschein vom 17.3.2005 für die Zeit vom 1.4.2005 bis 31.3.2008.

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Unter dem 29.8.2005 teilte das Amtsgericht Bersenbrück dem Beklagten mit, dass der Kläger mit beigefügtem Beschluss vom gleichen Tag im laufenden Jahr auf Antrag des Beklagten bereits zum zweiten Mal wegen Alkoholismus zwangsweise zur Entgiftung eingewiesen worden sei; auf diesen Beschluss wird Bezug genommen. Nach Anhörung des Klägers sowie Beiziehung der Akten des Amtsgerichts einschließlich der darin befindlichen ärztlichen Stellungnahmen vom 27.5.2005 und 29.8.2005, auf deren in den Verwaltungsvorgängen befindliche Kopien ebenfalls Bezug genommen wird, erklärte der Beklagte mit Bescheid vom 29.9.2005 den Jagdschein des Klägers für ungültig und zog ihn mit sofortiger Wirkung ein; auf diesen Bescheid wird Bezug genommen.

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Am 18.10.2005 hat der Kläger Klage erhoben und die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes beantragt (3 B 28/05); auf den ablehnenden Beschluss der Kammer vom 10.11.2005 wird Bezug genommen.

7

Zur Begründung macht der Kläger unter wiederholter Vorlage Atteste und Laborbefunde geltend, dass zur Zeit Hinweise auf eine Suchtgefährdung nicht bestünden (so Schriftsatz vom 16.5.2006 mit Attest vom 2.5.2006). Er habe sich weder im Zustand der Trunkenheit noch nüchtern jemals gewalttätig sondern stets kooperativ verhalten. Ein behaupteter unerlaubter Waffenerwerb habe nicht stattgefunden; dies wird näher dargelegt. In Zusammenhang mit seinem Waffenbesitz sei er nie auffällig geworden. Trotz wiederholter zwischenzeitlicher Stresssituationen habe er keinerlei Alkohol konsumiert. Es bedürfe einer über die Qualifikation des befassten Amtsarztes hinausgehende psychologische Untersuchung des Klägers.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 29.9.2005 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte vertieft unter Eingehen auf waffenrechtliche Bestimmungen seinen Rechtsstandpunkt. Er macht sich die amtsärztliche Bewertung zu eigen und verweist auf dessen Qualifikation auch für psychiatrische Fragestellungen.

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Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 15.12.2005 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

14

Die aufgrund Untersuchung des Klägers am 23.6.2006 erstellte amtsärztliche Stellungnahme vom 10.7.2006 wird in Bezug genommen.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 29.9.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten.

17

Rechtsgrundlage des Bescheids sind §§ 18 Satz 1, 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG. Dem Kläger fehlt es an der erforderlichen persönlichen Eignung, weil er "abhängig von Alkohol" bzw. "trunksüchtig" im Sinn vorstehender gesetzlicher Bestimmungen ist. Vorliegend rechtfertigen die erhobenen Tatsachen diese Annahme, so dass es eines Eingehens auf § 6 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 AWaffV bezüglich der unterhalb dieser Erkenntnisschwelle bestehender "Bedenken" hinsichtlich der in diesen Fällen durch Aufgabe der Einholung eines Gutachtens gebotenen behördlichen Maßnahme zur Sachaufklärung nicht bedarf.

18

Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ist der Kläger unzweifelhaft an Alkoholabhängigkeit erkrankt. Die langjährige Krankheitsgeschichte ist insbesondere in den seitens des Beklagten beigezogenen Akten des Amtsgerichts dokumentiert. Die darin befindlichen ärztlichen Stellungnahmen sind eindeutig und werden durch die amtsärztliche Stellungnahme vom 10.7.2006 erneut in gleicher Klarheit bestätigt. Demgemäß besteht beim Kläger eine Alkoholabhängigkeit im Sinn des Waffenrechts. Der tradierte jagdrechtliche und früher auch waffenrechtliche Begriff der Trunksucht bedeutet inhaltlich nichts anderes (vgl. Steindorf, Waffenrecht, 8. Auflage, § 6 Rn. 5).

19

Dem stehen die seitens des Klägers vorgelegten Atteste nicht entgegen. Die Laborwerte stellen jeweils nur Momentaufnahmen bezüglich eines Alkoholgenusses in dem der Blutentnahme unmittelbar vorhergehenden Zeitraum dar. Eine von diesen Laborwerten nahe gelegte, anhaltende Alkoholabstinenz entsprechend ärztlichem Attest vom 26.10.2006 begründete angesichts lebenslang fortbestehender Grunderkrankung "Alkoholabhängigkeit" nicht die Annahme der persönlichen Eignung. Das Attest vom 2.5.2006 geht ausweislich der Anamnese von einer Alkoholabhängigkeit bei nachfolgend jahrelanger Abstinenz mit Rückfällen "im Sinne eines Alkoholabusus" und damit zutreffend von einer diesem Krankheitsbild entsprechenden andauernden Alkoholerkrankung aus. Soweit der attestierende Diplompsychologe im Übrigen von stationären Behandlungen zur "Vermeidung einer Entwicklung eines Abhängigkeitssyndroms" spricht und "keine Hinweise auf bestehende Suchtgefährdung" attestiert, verkennt dieser das humanmedizinische Krankheitsbild der Alkoholabhängigkeit. Zudem wird dieses Attest durch die nachfolgende amtsärztliche Stellungnahme aussagekräftig widerlegt.

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Eine weitere Aufklärung insbesondere unter Einholung eines Sachverständigengutachtens ist in Anbetracht der uneingeschränkten Entscheidung des Gesetzgebers in § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, die körperliche Eignung im Fall einer Alkoholabhängigkeit von Gesetzes wegen auszuschließen, kein Raum. Dies belegt auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts, durch das die vorgenannten Bestimmungen ihre hier maßgebliche Fassung erhalten haben. Einen der späteren Gesetzesfassung entsprechenden Gesetzesentwurf wollte der Bundesrat dahingehend geändert wissen, dass in § 6 Abs. 1 Satz 1 nach dem Wort "Personen" die Wörter "in der Regel" einzufügen seien. Dies begründete der Bundesrat dahingehend, dass es einen "absoluten Ausschluss der persönlichen Eignung" nicht geben solle (BT-Druchs. 14/7758, S. 106 zu Nr. 16). Dem ist die Bundesregierung ausdrücklich entgegengetreten und hat es lediglich hinsichtlich der beschränkten Geschäftsfähigkeit als vertretbar angesehen, "nicht einen absoluten Ausschluss der körperlichen Eignung anzunehmen" (BT-Drucks. 14/7758. S. 129 zu Nr. 16). Begründet somit die Alkoholabhängigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG einen "absoluten Ausschluss der körperlichen Eignung" bedarf es neben der Feststellung einer Alkoholabhängigkeit keiner differenzierenden Ermittlungen hinsichtlich Art und Ausprägung des Krankheitsbildes im Einzelfall. Anders als im Straßenverkehrsrecht sind insbesondere medizinisch-psychologische Gutachten nicht von Relevanz.

21

Dies gilt für jagdrechtliche Entscheidungen aufgrund der uneingeschränkten Verweisung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG auf die §§ 5, 6 WaffG in gleicher Weise wie bezüglich waffenrechtlicher Erlaubnisse. Mit der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG verfolgte der Gesetzgeber ausdrücklich das Ziel, jagdgesetzliche Privilegierungen abzuschaffen und Erlaubnisnehmer nach beiden Gesetzesmaterien den einheitlichen waffenrechtlich normierten Anforderungen der §§ 5 und 6 WaffG zu unterwerfen (BT-Drucks. 14/7758, S. 102 zu Artikel 14, S. 140 zu Nummer 114; vgl. NdsOVG, B. v. 1.6.2004, 8 ME 116/04, juris = NVwZ-RR 2005, 110 ff unter Bezugnahme auf vorstehend zitierte Bundestagsdrucksache).

22

Dieser gesetzgeberischen Entscheidung lässt sich auch nicht durchgreifend § 17 Abs. 4 Nr. 4 BJagdG entgegenhalten, der die "Trunksucht" - in dem Änderungsvorschlag des Bundesrats entsprechender Weise - in Form eines Regelbeispiels ("in der Regel") aufgreift. Zum einen betrifft diese Bestimmung den entsprechend der gesetzlichen Systematik des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG wie auch der §§ 4 - 6 WaffG von der Frage der persönlichen Eignung zu unterscheidenden Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit. Zum anderen führte eine systematische Auslegung der Regelungen des § 17 BJagdG zur Auflösung des Widerspruchs im Sinne der Geltung der zuletzt vorgenommenen Gesetzesänderung durch Verschärfung der Anforderungen unter Einfügung des § 17 Abs. 1 Satz 2.

23

Mit Blick auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bestehen gegen diese Regelung - auch in Ansehung im Straßenverkehrsrecht bestehender "Regel"-Bestimmungen - gemessen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Entscheidung des Gesetzgebers, alle von Rauschmitteln abhängigen Menschen die für die Erteilung jagd- und waffenrechtlicher Erlaubnisse erforderliche persönliche Eignung abzusprechen, stellt eine zur Gefahrenabwehr geeignete Maßnahme dar. Andere Maßnahmen, die in gleicher Weise effektiv, aber für den Betroffenen regelmäßig von geringfügigerer Belastung wären, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich dies - auch in Ansehung des mit Belastungen für den Betroffenen verbundenen und einen entsprechenden bürokratischen Aufwand verursachenden Abstellens auf eine "Gutachtenlage" - angesichts mit prognostischen Entscheidungen notwendig verbundenen Unsicherheiten nicht für die Normierung einer "Regel"-Annahme ohne weiteres feststellen. Angesichts der betroffenen Schutzgüter wie insbesondere Leben und Gesundheit Dritter lässt sich der gesetzgeberischen Entscheidung auch nicht entgegenhalten, der "lebenslange" Ausschluß rauschmittelabhängiger Personen stehe hierzu außer Verhältnis und sei deshalb im verfassungsrechtlichen Sinn unangemessen.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

 


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