Beschluss vom Verwaltungsgericht Osnabrück (1. Kammer) - 1 B 14/08

Gründe

I.

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Die Antragstellerin begehrt die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin über die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag im Zuge der Erneuerung eines Abschnitts der D. in Osnabrück.

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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks D. E., Flur F., Flurstück G.. Dieses grenzt im Westen mit der Grundstückszufahrt an den nördlichen Teil der D. an; im rückwärtigen Bereich grenzt es mit der südöstlichen Grundstücksgrenze an einen Fußweg an, der die H. mit dem mittleren Teil der D. verbindet. Dieser Fußweg wird beidseitig durch zum Teil denkmalgeschützte Natursteinmauern, die zwischen 2,00 und 2,50 m hoch sind, begrenzt. Der Fußweg hat eine Länge von ca. 135 m und ist mit mehreren Straßenlaternen ausgestattet. In seinem Verlauf wird die klägerische Grundstücksgrenze - vom Abzweig D. aus gemessen - nach etwa 38 m erreicht. An dieser Stelle ist das klägerische Grundstück mit einer etwa 2,50 m hohen, denkmalgeschützten Natursteinmauer eingefriedet, die erst im weiteren Verlauf des Fußweges in Richtung H. in einer Entfernung von weiteren 41 m einen derzeit zugemauerten und verputzten, in der Dimension mit einer Zimmertür vergleichbaren Mauerdurchbruch aufweist. Im Übrigen besteht von dem Fußweg keine Möglichkeit des Zugangs zum klägerischen Grundstück.

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Die D. zweigt im Süden von der I. ab und verläuft auf einer Strecke von gut 300 m in nördliche Richtung, danach zweigt sie in westliche Richtung ab. Dieses ost-westlich verlaufende Mittelstück hat eine Länge von zirka 125 m; hiervon zweigt in einer Entfernung von gut 95 m - vom östlichen Standpunkt aus betrachtet - in nordöstliche Richtung der vorstehend beschriebene Fußweg zur H. ab. In ihrem nördlichen Bereich verläuft die D. auf einer Länge gut 150 m in nordwestliche Richtung und mündet dort in die H. ein. Zu Beginn dieses nördlichen Teils - vom südlichen Standpunkt aus betrachtet - sind an der östlichen Straßenseite das zum Grundstück der Antragstellerin benachbarte Grundstück D. J. (Flurstück K.) und an der westlichen Straßenseite der Komplex der L. (D. M. mit dem Vorderliegerflurstück N.) gelegen.

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Die Antragsgegnerin baute in jüngster Vergangenheit den südlichen und den mittleren Teil der D. aus; die Ausbaumaßnahmen sind abgeschlossen, jedoch liegt die Schlussrechnung des Bauunternehmers bislang nicht vor. Das Ende der Ausbaustrecke befindet sich zu Beginn des nördlichen Teils der D. in Höhe der L. und dem gegenüberliegenden Grundstück D. J. mehrere Meter hinter einer durch Verbreiterung des Gehweges geschaffenen, mit entfernbaren Pollern versehenen Einengung der Fahrbahn in Höhe einer weiteren - der nördlicher gelegenen - Zuwegung zum Komplex der L..

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Nachdem die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 7. Dezember 2007 zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag für die D. in Höhe von 8.316,84 € herangezogen und die Antragstellerin hiergegen am 9. Januar 2008 die bei der Kammer in der Hauptsache weiterhin anhängige Klage (1 A 8/08) erhoben hatte, fasste ihr Rat am 27. Mai 2008 den Beschluss, der „unten aufgeführte Teil der Straßenausbaumaßnahme“ solle fertig gestellt werden und es seien Vorausleistungen im Wege der Abschnittsbildung zu erheben. Den Ausbauabschnitt definiert die Antragsgegnerin in dem besagten Beschluss wie folgt: „D. von I. bis Ende Ausbaustrecke Höhe L. /Hs.-Nr. M. u. J. ohne Teilstück ab Hs.-Nr. M. u. J. bis H.“.

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Nachdem die Antragstellerin bereits in dem Verfahren 1 B 4/08 mangels vorheriger Stellung eines Aussetzungsantrages bei der Antragsgegnerin erfolglos um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht und mit anwaltlichem Schreiben vom 26. März 2008 bei der Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung beantragt, die Antragsgegnerin diesen Antrag mit Schreiben vom 2. April 2008 jedoch als unbegründet abgelehnt hatte, hat sie mit Schriftsatz vom 11. April 2008 erneut um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht.

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Zur Begründung ihres Antrags führt sie aus, ihr Grundstück erlange durch die rückwärtige Anbindung an den streitgegenständlichen Fußweg zur D. keinen besonderen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne des § 6 NKAG. Ausgehend von den bauordnungsrechtlichen Vorgaben der § 5 NBauO und § 2 DVNBauO werde das Grundstück über den Fußweg nicht erschlossen. Die Breite des Fußweges liege jedenfalls in seinem mittleren Teil wegen der dort aufgestellten Straßenlaternen unter 3 m, so dass im Brandfall ein Feuerwehrfahrzeug nicht in den Fußweg hineinfahren und dort Aufstellung nehmen könne. Wähle man den Aufstellort des Feuerwehrfahrzeuges noch auf der D. in Höhe des abzweigenden Fußweges, so könne ihr Grundstück aufgrund der vorhandenen denkmalgeschützten Mauer allenfalls erst nach einer Entfernung von über 70 m über den derzeit geschlossenen Durchbruch erreicht werden. Im Brandfall stünde der Feuerwehr bei Nutzung dieses Zuganges indes nicht mehr ausreichend Schlauch zur Verfügung. Im Übrigen sei dieser Zugang für Rettungs- und Räumgeräte der Feuerwehr zu klein. Die von der Antragsgegnerin vorgetragene Möglichkeit, das Feuerwehrzeug im Brandfall bis unmittelbar vor den zweiten Laternenpfosten in den Fußweg hineinfahren zu lassen, scheitere in der Praxis aufgrund der an dieser Stelle vorhandenen Breite des Fußweges von durchschnittlich 3 m. Die Einsatzmannschaft habe dort keine Möglichkeit, die Türen des Fahrzeugs zu öffnen und an ihre im Heck des Fahrzeugs befindlichen Gerätschaften zu gelangen. Daneben wendet die Antragstellerin ein, die zusätzliche Erreichbarkeit ihres Grundstücks über den Fußweg vermittele dem Grundstück keinen weiteren Vorteil. Das Grundstück sei deshalb nicht besser baulich nutzbar, insbesondere die in unmittelbarer Nähe der denkmalgeschützten Mauer gelegenen Flächen seien aus Natur- und Denkmalschutzgründen nicht bebaubar. Dort befinde sich eine als Naturdenkmal geschützte massive Rotbuche, die nicht gefällt werden dürfe.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 9. Januar 2008 gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2007 anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, namentlich den Beschluss vom 21. Juli 2000 -9 M 566/99 -, demgemäß dem Grundstück der Antragstellerin die Möglichkeit der Inanspruchnahme des ausgebauten Teils der D. über den Fußweg vermittelt werde. Sofern die Feuerwehr im Brandfall den Aufstellort ihres Feuerwehrfahrzeugs in der D. in Höhe des abzweigenden Fußweges wähle, könne das Grundstück der Antragstellerin fußläufig in weniger als 40 m erreicht werden. Der Einwand der Antragstellerin, der einzige Zugang zum Grundstück sei im Bereich des Fußweges aufgrund der denkmalgeschützten Einfriedung weiter als 50 m von diesem Aufstellort des Feuerwehrfahrzeugs entfernt, rechtfertige keinen anderen Befund. In der Rechtsprechung sei erklärt, dass es für die Frage der Vermittlung eines Vorteils durch die ausgebaute Anlage nicht auf die konkrete Lage des Zugangs und den Standort von Gebäuden auf dem Grundstück ankomme. Jedenfalls sei zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin von der unteren Denkmalschutzbehörde zur Schaffung eines Zugangs vom Fußweg ein Durchbruch durch die denkmalgeschützte Mauer in unmittelbarer Nähe der südlichen Grundstücksgrenze genehmigt werden könne, sofern das Grundstück der Antragstellerin einzig über den Fußweg erschlossen würde.

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Der Berichterstatter (§ 87 Abs. 3 VwGO) hat gemäß Beschluss vom 20. Mai 2008 Beweis erhoben durch Einnahme des richterlichen Augenscheins der Örtlichkeiten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 4. Juni 2008 (GA Bl. 41 ff.) und die anlässlich des Ortstermins gefertigten Lichtbilder (GA Bl. 47 ff.) Bezug genommen.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage ist - nachdem die Antragstellerin den gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erforderlichen Aussetzungsantrag mit Schriftsatz vom 26. März 2008 bei der Antragsgegnerin gestellt und diese den Antrag mit Schreiben vom 2. April 2008 abschlägig beschieden hat - nunmehr zulässig und begründet.

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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn nach der für die behördliche Aussetzungsentscheidung maßgebenden Regelung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, deren Maßstäbe auch im gerichtlichen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sind (Nds. OVG, Beschluss vom 13. Januar 1989 - 9 M 1/89 -, NVwZ-RR 1989, 328; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 15. Aufl. 2007, § 80 Rn. 146), bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

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Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 9. Januar 2008 anzuordnen, denn bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorausleistungsbescheids, sodass die in der Hauptsache - 1 A 8/08 - erhobene Anfechtungsklage aller Voraussicht nach Erfolg haben wird.

18

Gemäß § 6 Abs. 7 NKAG in der Fassung vom 23. Januar 2007 (GVBl 2007, S. 41) in Verbindung mit § 11 der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Beiträgen nach dem NKAG für straßenbauliche Maßnahmen (Straßenbaubeitragssatzung) - SABS - vom 18. Juli 2006 (ABl. 2006, S. 41) kann die Antragsgegnerin auf die künftige Beitragsschuld angemessene Vorausleistungen verlangen, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Danach können Vorausleistungen nur auf eine künftige Beitragsschuld, also bis zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, und nur bis zum Erlass des endgültigen, später nicht zurückgenommenen Heranziehungsbescheids erhoben werden (Nds. OVG, 21. November 2002 - 9 LA 248/02 -, KStZ 2003, 95 m.w.N.). Zwar ist der Ausbau der D. zwischenzeitlich abgeschlossen. Die Schlußrechnung des Bauunternehmers ist bei der Antragsgegnerin nach eigenen unbestrittenen Angaben jedoch noch nicht eingegangen, sodass die Höhe des umlagefähigen Aufwandes nicht endgültig feststeht, mithin die sachliche Beitragspflicht nicht entstanden ist.

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Der Erhebung von Vorausleistungen setzt grundsätzlich keine Abschnittsbildung gemäß § 6 Abs. 4 NKAG i.V.m. § 1 Abs. 3 SABS voraus, sodass Vorausleistungen von allen Bevorteilten einer Anbaustraße auch dann erhoben werden können, wenn zum Zeitpunkt der Heranziehung nur ein Abschnitt der Anbaustraße in allen seinen Teileinrichtungen ausgebaut wurde. Einer Abschnittsbildung durch Beschluss der kommunalen Vertretungskörperschaft bedarf es jedoch, wenn mit dem Ausbau der gesamten öffentlichen Einrichtung in allen ihren Teileinrichtungen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (vgl. zu §§ 127 ff. BauGB: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 21 Rn. 18 ff.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn nach den Planungsabsichten der Kommune oder dem für den ausgebauten Abschnitt der Anbaustraße maßgeblichen Bauprogramm erkennbar ist, dass auf absehbare Zeit (vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 21 Rn. 18: ein Zeitraum von 4 Jahren) der Ausbau des noch verbliebenen Restes der Anbaustraße nicht erfolgen wird. Denn der die Erhebung von Vorausleistungen rechtfertigende Sondervorteil einer künftigen qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit der vollständig ausgebauten Straße entsteht nicht, wenn von vornherein fest steht, dass die Ausbaumaßnahme nicht auf der gesamten Länge der ausgebauten Straße und deren Teileinrichtungen durchgeführt wird, mithin nach der Rechtsprechung des Nds. OVG (Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 LC 262/04 -, juris m.w.N.) auch keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden können. Straßenausbaubeiträge dürfen nach Auffassung des Nds. OVG nur erhoben werden, wenn der Beitragstatbestand auf der gesamten Länge der ausgebauten Straße bzw. Teileinrichtung oder des etwa gebildeten Abschnitts verwirklicht worden ist. Es hat dies mit Gesichtspunkten der Rechtssicherheit (Bauprogramme sind änderbar und häufig schwer feststellbar) und der Vorteilsgerechtigkeit (alle Anlieger sollen gleiche Vorteile haben) begründet. Da die Vertreter der Antragsgegnerin im Rahmen der vom Berichterstatter durchgeführten Ortsbesichtigung bekundet haben, den nördlichen Teil der D. jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand der Planungen nicht ausbauen zu wollen, bedurfte es folglich einer Abschnittsbildung durch Beschluss ihres Rates, um die Bevorteilten des ausgebauten Abschnitts der D. zu Vorausleistungen und nachfolgend zu Straßenausbaubeiträgen heranziehen zu können. Dass die D. über den ausgebauten Abschnitt hinaus bis ihrer Einmündung in die H. eine einheitliche Anlage ist, unterliegt keinen Zweifeln.

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Es erscheint in diesem Zusammenhang allerdings fraglich, ob die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abschnittsbildung rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Anlass zu Zweifeln gibt der Kammer der von der Antragsgegnerin vorgelegte Abschnittsbildungsbeschluss ihres Rates vom 27. Mai 2008, der als ausgebauten und zur Abrechnung im Wege der Vorausleistung vorgesehenen Abschnitt der D. den Teil "D. von I. bis Ende Ausbaustrecke Höhe L. /Hs.-Nr. M. u. J. ohne Teilstück ab Hs.-Nr. M. u. J. bis H. " bezeichnet. Dabei kann dahinstehen, ob dieser nachträglich, d.h. nach Bekanntgabe des angefochtenen Vorausleistungsbescheides gefasste Abschnittsbildungsbeschluss zu einer Heilung des ursprünglich rechtswidrigen Vorausleistungsbescheides geführt hat, mit der Folge, dass die Antragstellerin hierauf ihr Klagebegehren - Aufhebung des Vorausleistungsbescheides - nicht mehr mit Erfolg stützen kann (näher Driehaus, a.a.O., § 37 Rn. 15 ff. und § 14 Rn. 13). Nach dem Wortlaut des Beschlusses bleibt nämlich schon offen, wo konkret in "Höhe L. /Hs.-Nr. M. u. J. " die Ausbaustrecke endet und der Abschnitt gebildet worden sein soll. Das zum Komplex der L. gehörende Flurstück N. grenzt immerhin mit einer Front von über 70 Metern, das gegenüber liegende Flurstück K. (D. J.) mit einer Front von über 40 Metern an den nordwestlichen, zur H. verlaufenden, größtenteils nicht ausgebauten Teil der D. an. Insoweit erscheint der Kammer zweifelhaft, ob dieser Beschluss aufgrund der fehlenden Nennung bzw. Beschreibung eines in dem vorstehend genannten Abschnitt gelegenen, zur hinreichenden Begrenzung geeigneten und im Interesse der Erkennbarkeit und Durchsichtigkeit der Beitragsabrechnung für jedermann zwingend erforderlichen äußerlichen Merkmals der D. dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernis noch gerecht wird und daher als wirksam angesehen werden kann (vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 14 Rn. 23; zur Bestimmtheit eines Abschnittsbildungsbeschlusses vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1990 - 2 A 751/87 -, NVwZ-RR 1992, 49).

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Selbst wenn man unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bauausführung zu der Auffassung gelänge, der Beschluss sei hinreichend bestimmt, weil im Wege der Auslegung dahingehend zu verstehen, dass der Abschnitt für jedermann erkennbar dort gebildet sei, wo die erneuerte Fahrbahn an die vorhandene ältere Fahrbahn angrenze - so jedenfalls das Verständnis der Antragsgegnerin -, kommt hinzu, dass die durch den Rat vorzunehmende Abschnittsbildung sich nicht maßgeblich an dem etwa aus straßenbautechnischen oder bauphysikalischen Gründen festgelegten tatsächlichen Ende der Ausbaustrecke orientieren darf. Vielmehr ist das Ende einer abschnittsweise durchgeführten Ausbaumaßnahme - will die Gebietskörperschaft nicht auf einem Teil der Kosten für die Ausbaumaßnahme mangels Umlagefähigkeit sitzen bleiben - so zu legen, dass an dem gewählten Punkt eine rechtsfehlerfreie Abschnittsbildung erfolgen kann. Einigkeit besteht in der Rechtsprechung darüber, dass für eine Abschnittsbildung Umstände wie etwa Grundstücks-, Widmungs- und Ausbaugrenzen sowie der Standort von Verkehrszeichen keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (BayVGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - 6 B 89.3052 -, BayVBl 1993, 469). In der Rechtsprechung des Nds. OVG (vgl. Beschluss vom 15. Oktober 2001 - 9 LB 1853/01 - NdsRpfl 2002, 90) ist geklärt, dass nach § 6 Abs. 4 NKAG der Aufwand auch für Abschnitte einer Einrichtung ermittelt werden kann, wenn diese selbständig in Anspruch genommen werden können. Es muss sich dabei um eine (Straßen-)Strecke handeln, die vorwiegend durch äußere, in den tatsächlichen Verhältnissen begründete Merkmale begrenzt ist und der eine gewisse selbständige Bedeutung als Verkehrsweg zukommt, d.h. die selbständig in Anspruch genommen werden kann. Als zur hinreichenden Begrenzung geeignete Merkmale kommen z.B. einmündende Straßen sowie Plätze, Brücken, Wasserläufe sowie einmündungsähnliche, über eine typische Grundstückszufahrt hinausgehende Straßeneinschnitte in Betracht. Durch das Abstellen auf äußerlich erkennbare Merkmale soll verhindert werden, dass selbständig abzurechnende Abschnitte willkürlich gebildet werden. In seinem Urteil vom 20. Juni 2007 (- 9 LC 59/06 -, DVBl. 2007, 1050 (Ls.)) hat das Nds. OVG klargestellt, dass diese allgemeinen Grundsätze nicht besagen, dass eine Abschnittsbildung immer die gesamte ausgebaute Strecke erfassen muss. Die Bildung eines im Vergleich zum tatsächlichen Ausbau kürzeren Abrechnungsabschnitts ist vor allem dann gerechtfertigt und geboten, wenn es am Ausbauende an äußerlich erkennbaren, in den tatsächlichen Verhältnissen begründeten Merkmalen fehlt, die eine Abschnittsbildung erst ermöglichen. Lediglich für den Fall, dass am tatsächlichen Ausbauende eine Abschnittsbildung, die zu einer Refinanzierung des gesamten entstandenen Aufwands über Straßenausbaubeiträge führt, rechtlich ohne Weiteres zulässig ist, bedarf es besonderer Rechtfertigung, wenn der Abschnitt gleichwohl so gebildet wird, dass der Aufwand zu einem - wenn auch möglicherweise geringen - Teil nicht über Straßenausbaubeiträge refinanziert werden kann.

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Vorliegend erscheint daher zweifelhaft, ob der nach Bekunden der Vertreter der Antragsgegnerin im Rahmen des durchgeführten Ortstermins am Beginn der zweiten, in nördliche Richtung - Richtung H. - gelegenen Zuwegung zur L. gebildete Abschnitt (an dieser Stelle setzt sich die erneuerte Fahrbahn von der vorhandenen, etwas dunkleren Asphaltdecke ab und die als Grundstückseinfriedung dienende Natursteinmauer weist einen Durchbruch auf) nach den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen Bestand haben kann. Aus Sicht der Kammer drängt sich eine Abschnittsbildung in dem (aus Blickrichtung Süden) vorgelagerten Bereich der Polleranlage in Höhe des Endes der im Zuge der Straßenausbaumaßnahme offenbar verbreiterten Gehwege und der daran in nördliche Richtung anschließenden verbreiterten Fahrbahn eher auf.

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Jedenfalls begründet die Annahme der Antragsgegnerin, dem Grundstück der Antragstellerin werde über den streitgegenständlichen Fußweg ein Vorteil durch den Ausbau des südlichen und mittleren Teils der D. vermittelt, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Heranziehungsbescheids.

24

Zwar geht die Antragsgegnerin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Nds. OVG (vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 1999 - 9 M 186/99 -, n.V., und vom 21. Juli 2000 - 9 M 566/99 -, NVwZ-RR 2001, 53) und der Kammer (vgl. Urteile vom 8. Februar 2005 - 1 A 179/04 und 209/04 -) zutreffend davon aus, dass aus Gründen des Brandschutzes Wohngrundstücke über einen unbefahrbaren Wohnweg bzw. hier einen Fußweg in Verbindung mit der öffentlichen Straße, in die dieser einmündet, nur dann noch als erschlossen bzw. im Straßenbaubeitragsrecht als bevorteilt angesehen werden können, wenn die Entfernung zwischen dem (nächstgelegenen) möglichen Standort für ein Feuerwehrfahrzeug und dem jeweiligen Wohngrundstück nicht mehr als 50 m beträgt. Ist der unbefahrbare Wohnweg wegen seiner Breite oder seines Ausbauzustandes auch für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr unbefahrbar, reicht mithin die Erschließungsfunktion des Wohnweges nur bis zu einer Länge von 50 m. Ist hingegen der Wohnweg für die Feuerwehr befahrbar, soll es darauf ankommen, wie weit mit Feuerwehrfahrzeugen in den Wohnweg hereingefahren werden kann. Von diesem Standort aus endet dann nach weiteren 50 m die Erschließungsfunktion des unbefahrbaren Wohnweges.

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Der Schwellenwert von 50 m - gemessen vom möglichen Aufstellort eines Feuerwehr-Einsatzfahrzeugs im mittleren Teil der D. unmittelbar vor dem zum Grundstück der Antragstellerin abzweigenden Fußweg - wird ausweislich der vom Berichterstatter im Rahmen des Ortstermins durchgeführten Messungen nicht überschritten. Die Entfernung vom Beginn des Fußweges am Abzweig D. zur Grenze des Grundstücks der Antragstellerin beträgt lediglich 38,5 m.

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Gleichwohl mangelt es dem Grundstück der Antragstellerin - soweit nach den vorstehenden Grundsätzen der Fußweg von seinem Beginn bis zu einer Entfernung von 50 m grundsätzlich einen Vorteil vermitteln kann - an einer Sondervorteile vermittelnden qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit. Die Kammer verlangt, was Wohngrundstücke betrifft, für die Annahme eines Sondervorteils in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 8. April 2008 - 1 A 599/06) zumindest, dass auf der Fahrbahn der ausgebauten Straße bis in Höhe des Grundstücks herangefahren und es von dort ggf. über einen Geh- und/oder Radweg betreten werden kann. Dagegen muss auf das Wohngrundstück von der ausgebauten Straße her nicht zwingend hinauf zu fahren sein. Natürliche oder rechtliche Zugangshindernisse, die vom Grundstückseigentümer nicht mit zumutbaren Mitteln überwunden werden können, hindern indes die Annahme eines Sondervorteils ebenso wie ein nur punktförmiges Angrenzen an die ausgebaute Straße bzw. ein solches auf einer (minimalen) Breite, die einen Zugang zum Grundstück praktisch nicht ermöglicht (vgl. Driehaus, a.a.O., § 35 Rn. 12 m.w.N.). Danach kann im vorliegenden Fall ein Zugangshindernis zwar nicht schon deshalb angenommen werden, weil auf dem Grundstück der Antragstellerin in unmittelbarer Nähe zu der hier interessierenden Grundstücksgrenze zum Fußweg eine als Naturdenkmal geschützte, sehr massive Rotbuche die Ausnutzbarkeit des Grundstücks etwa dergestalt einschränkt, dass eine Zufahrt zum Grundstück in diesem Bereich nicht angelegt werden kann, denn jedenfalls würde die Rotbuche nicht den fußläufigen Zugang zum Grundstück über den streitgegenständlichen Fußweg hindern. Indes stellt die denkmalgeschützte Mauer, die auf gesamter Linie das Grundstück der Antragstellerin im südöstlichen Bereich einfriedet, ein die vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit ausschließendes Hindernis dar, das die Antragstellerin nicht mit zumutbarem Aufwand beseitigen kann. Die Annahme eines solchen Hindernisses wäre nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die untere Denkmalschutzbehörde der Antragstellerin die Genehmigung einer zur Anlage eines Zugangs zum Fußweg geeigneten Öffnung der Mauer in diesem, von dem von der ausgebauten D. ausgehenden Vorteil noch erfassten, südöstlichen Bereich ihres Grundstücks verbindlich in Aussicht stellt (vgl. Urteil der Kammer vom 8. April 2008; Driehaus, a.a.O., § 35 Rn. 12 unter Hinweis auf HessVGH, Beschluss vom 3. August 2004 - 5 UZ 2099/04). Davon kann auch unter Berücksichtigung der Erklärungen der Vertreter der Antragsgegnerin im Rahmen der vom Berichterstatter durchgeführten Ortsbesichtigung nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Abgesehen davon, dass der Erfolg oder das Unterliegen im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht allein von dieser Aussage der Vertreter der Antragsgegnerin abhängig gemacht werden kann, weil sie die Schwelle der Verbindlichkeit noch nicht erreicht hat, haben die Vertreter der Antragsgegnerin zudem einschränkend dahingehend formuliert, dass diese Zusage der unteren Denkmalschutzbehörde jedenfalls für den Fall Geltung beanspruche, dass die Öffnung der Mauer die einzige Möglichkeit des Zugangs bzw. einer Zufahrt zum Grundstück der Antragstellerin darstelle. Insoweit wird bei der Beurteilung der denkmalschutzrechtlichen Aspekte die im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht geltende sog. Hinwegdenkenstheorie, die die Antragsgegnerin bemüht, nicht Maßstab der Entscheidung sein. Vielmehr wird die untere Denkmalschutzbehörde die im nördlichen Teil der D. vorhandene Zufahrt zum Grundstück der Antragstellerin in ihre Entscheidung über eine Genehmigung der Öffnung der denkmalgeschützten Mauer mit einstellen.

27

Schließlich vermag auch der Verweis der Antragsgegnerin auf den von der unteren Denkmalschutzbehörde seinerzeit genehmigten, derzeit zugemauerten und verputzten Durchbruch in der denkmalgeschützten Mauer, der in einer Entfernung von 79,90 m vom Beginn des Fußweges am Abzweig D. gelegen ist, keinen anderen Befund zu rechtfertigen. Zwischen den Beteiligten besteht insoweit Einigkeit, dass nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Nds. OVG (Beschlüsse vom 5. Februar 1999 und 21. Juli 2000, a.a.O.) ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr den Fußweg befahren und von dem möglichen Haltepunkt aus in einer Entfernung von längstens 50 m das Grundstück der Antragstellerin betreten werden können müsste. Ausgehend von den straßenverkehrsrechtlichen Zulassungsvorschriften, wonach ein Lastkraftwagen eine Breite (ohne Außenspiegel) von 2,55 m nicht überschreiten darf, haben die im Rahmen der Ortsbesichtigung vom Berichterstatter durchgeführten Messungen ergeben, dass ein Feuerwehr-Einsatzfahrzeug - diese sind etwa als LF 8/6 oder LF 16/12 typischerweise als LKW-Aufbauten konzipiert - wohl bis in die Nähe der südlichen Grenze des Grundstücks der Antragstellerin - unmittelbar bis vor die zweite Straßenlaterne; die Distanz von dort bis zum Beginn des Fußweges beträgt etwas weniger als 38 m - in den Fußweg hineinfahren könnte. Die Breite des Fußweges vor dieser Straßenlaterne beträgt 3,30 m. Gleichwohl ist der Antragstellerin darin beizupflichten, dass an dieser Stelle den Einsatzkräften aufgrund der rechts- und linksseitig befindlichen 2 bis 2,5 m hohen Mauern kaum ausreichend Platz verbliebe, um die Türen des Fahrzeugs zu öffnen, geschweige denn an das Heck des Fahrzeugs zu gelangen, um die dort mitgeführten Armaturen aus den Fächern zu nehmen oder etwa die Schnellangriffseinrichtung und die Heckpumpe zu bedienen.

28

Die Kammer hat daher in den zitierten Urteilen vom 8. Februar 2005 in Auslegung des Beschlusses des Nds. OVG vom 21. Juli 2000 (a.a.O.) für den Fall, dass die Einsatzkräfte der Feuerwehr mit ihrem Fahrzeug den Wohn- bzw. Fußweg befahren und dort an einem bestimmten Punkt ihren Aufstellort wählen, das zusätzliche Erfordernis von der DIN 14 090 genügenden Aufstell- und Bewegungsflächen aufgestellt, um eine wirksame Brandbekämpfung zu gewährleisten, die im Einklang mit den für die Einsatzkräfte der Feuerwehr geltenden Unfallverhütungsvorschriften stehen. Hieran hält die Kammer auch in Ansehung der gegen ihre Urteile vom 8. Februar 2005 vom Nds. OVG mit Beschlüssen vom 29. September 2006 - 9 LA 66/05 und 68/05 - zugelassenen Berufungen jedenfalls in dem hier vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes fest.

29

Offen bleiben kann danach, ob die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einer überhöhten Vorausleistung herangezogen hat, etwa weil sie die gesamte Grundstücksfläche in die Berechnung eingestellt hat, ohne zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Antragstellerin auch an den nicht ausgebauten Abschnitt der D. angrenzt und ihr daher eine neuerliche Heranziehung für den Fall des Ausbaus dieses nördlichen Teils der D. droht.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

31

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

 


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