Beschluss vom Verwaltungsgericht Osnabrück (1. Kammer) - 1 B 13/11
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten über die Ladenöffnung der Beigeladenen im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin am Sonntag, den 26.06.2011.
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Die Beigeladene betreibt einen Einzelhandel mit Wohnmöbeln und verfügt deutschlandweit über zahlreiche Filialen. Bei der Antragstellerin handelt es sich ebenfalls um ein Möbelhandelsunternehmen, welches zwei Standorte außerhalb des Gemeindegebietes der Antragsgegnerin in Lingen (ca. 24 km von der Filiale der Beigeladenen entfernt) sowie in Rheine (ca. 7 km von der Filiale der Beigeladenen entfernt) betreibt. Die Antragsgegnerin ist eine Gemeinde mit ca. 7.800 Einwohnern. Sie genehmigte für alle Verkaufsstellen in ihrem Gemeindegebiet im März 2011 vier verkaufsoffene Sonntage für das Jahr 2011, jeweils aus Anlass von Märkten (10.04. Frühlingserwachen, 19.06. Salz- und Ölmarkt, 04.09. Herbstmarkt und 09.10. Kirmes). Die Beigeladene hatte ihr Geschäft in dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin zu dem Zeitpunkt der ersten beiden verkaufsoffenen Sonntage noch nicht geöffnet. Vielmehr eröffnete sie ihre neue Filiale im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin erst am 21. sowie 22.06.2011 für einen begrenzten Kundenkreis und am 23.06.2011 offiziell.
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Die Beigeladene beantragte am 30.05.2011 bei der Antragsgegnerin die Möglichkeit der "Sonderöffnung" anlässlich ihrer Neueröffnung für Sonntag, den 26.06.2011, von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr (Verkauf ab 13.00 Uhr). Mit Bescheid vom 07.06.2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Genehmigung zur Öffnung ihres Möbelcenters im Gemeindegebiet am Sonntag, den 26.06.2011, in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Im Rahmen der Begründung verwies die Antragsgegnerin auf die Vorschrift des § 5 I 3 NLöffVZG sowie darauf, dass die Neueröffnung als ein außergewöhnliches Ereignis die Erfüllung dieses Ausnahmetatbestandes rechtfertige. Insoweit müsse das allgemeine Interesse an einer strikten Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe im Rahmen der vorzunehmenden Ermessenserwägungen zurücktreten. Gesetzlich begrenzt sei die Öffnung innerhalb eines Jahres auf insgesamt vier Sonn- und Feiertage. Diese Anforderung würde von der Beigeladenen eingehalten. Eine Öffnung sei allerdings jeweils höchstens für die Dauer von fünf Stunden zulässig.
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Am 20.06.2011 hat die Antragstellerin Klage gegen diesen Bescheid vom 07.06.2011 (1 A 135/11) erhoben. Sie begründet diese damit, dass der wirtschaftliche Schaden, der ihr durch die Ladenöffnung der Konkurrentin am Sonntag drohe, immens wäre. Die Bedeutung verkaufsoffener Sonntage in der Möbelbranche könne nicht überschätzt werden. Die Beigeladene habe bewusst nicht vor dem für alle geltenden verkaufsoffenen Sonntag, dem 19.06.2011, geöffnet. Eine alleinige Sonderöffnungsmöglichkeit eine Woche später - quasi konkurrenzlos - sei nicht gerechtfertigt. Die Möglichkeit der Verletzung subjektiver Rechte ergebe sich aus ihrer Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG. Ein Antrag der überwiegenden Anzahl der Verkaufsstellen, der nach § 5 I 1 NLöffVZG für die Öffnung erforderlich sei, läge nicht vor.
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Mit Datum vom 22.06.2011 hat die Beigeladene bei der Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Vollziehung ihrer Genehmigung, am Sonntag, dem 26.06.2011, in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr die Verkaufsstelle zu öffnen und zu betreiben, anzuordnen. Noch am selben Tag hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehbarkeit ihres Bescheides vom 07.06.2011 angeordnet. Sie begründet dies damit, dass die Anordnung sowohl im öffentlichen als auch im überwiegenden Interesse der Beigeladenen erforderlich gewesen sei. Den mit der Werbung für die Öffnung des Geschäftes am Sonntag angesprochenen Verkehrskreisen könne nicht zugemutet werden, vor verschlossenen Türen zu stehen. Die Beigeladene verlöre in einem Fall der Schließung am Sonntag jegliches Vertrauen bei ihren Kunden. Die finanziellen Nachteile wären immens. Die Antragstellerin sei durch die Zulassung der Ladenöffnung am 26.06.2011 in ihren wirtschaftlichen Interessen nicht relevant beeinträchtigt. Da im Gesetz die Öffnung der Verkaufsstellen an vier Sonn- und Feiertagen vorgesehen sei und sich die Beigeladene am letzten verkaufsoffenen Sonntag, dem 19.06.2011, nicht habe beteiligen können, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet gehabt habe, sei die Genehmigung rechtmäßig und die Anordnung der sofortigen Vollziehung infolge der eingereichten Klage durch die Antragstellerin erforderlich geworden.
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Die Antragstellerin hat am 20.06.2011, konkretisiert am 22.06.2011, einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Sie meint, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtswidrig, weil die der Anordnung zugrunde liegende Erteilung der Ausnahmegenehmigung rechtswidrig sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.06.2011 wiederherzustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie trägt vor, dass der Antrag mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig sei. Im Übrigen sei die Genehmigung gem. § 5 I 3 NLöffVZG aufgrund der Ausnahmesituation (Neueröffnung der Filiale) rechtmäßig. Die Beigeladene würde damit in diesem Jahr nicht häufiger als an vier Sonntagen - voraussichtlich nur an dreien - öffnen dürfen. Sie halte sich damit an die gesetzlichen Regelungen und würde nicht bevorzugt behandelt.
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Die Beigeladene beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zu der Begründung des überwiegenden öffentlichen sowie ihres eigenen überwiegenden Interesses im Rahmen des § 80a I VwGO i.V.m. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO verweist sie auf ihren Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 22.06.2011.
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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80a III VwGO i.V.m. § 80 V 1 Var. 2 VwGO ist unzulässig. Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt.
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Antragsbefugt ist im Verfahren des § 80 V VwGO im Hinblick auf die Akzessorietät des vorläufigen Rechtsschutzes nur derjenige, der hinsichtlich des Verwaltungsakts im Hauptsacheverfahren gem. § 42 II VwGO wegen der Möglichkeit einer Rechtsverletzung klagebefugt ist (vgl. Kopp/ Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage, § 80, Rn. 134 m.w.N.). § 42 II VwGO setzt daher hier voraus, dass die Antragstellerin geltend machen kann, durch die der Beigeladenen erteilten Sonderöffnung in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Antragstellerin verletzt sein können. Da die Antragstellerin nicht Adressatin des von ihr angefochtenen Verwaltungsakts ist, kommt es darauf an, ob sie sich für ihr Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch sie als Dritte schützt (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 8/01, juris Rn. 15). Einer Vorschrift kommt drittschützende Wirkung zu, wenn sie einen bestimmten und abgrenzbaren, d.h. individualisierbaren und nicht übermäßig weiten Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen lässt (BVerwG; Urt. v. 25.02.1977, IV C 22.75, juris Rn. 26). Die Klage- bzw. Antragsbefugnis fehlt, wenn eine der aufgezeigten Voraussetzungen offensichtlich und eindeutig nicht gegeben ist. Das ist vorliegend der Fall.
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Die Antragstellerin kann sich als Konkurrentin der Beigeladenen für die Möglichkeit einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte weder auf die Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) noch auf Grundrechte berufen. Es besteht jedenfalls in vorliegender Konstellation keine Möglichkeit, dass die Antragstellerin durch die der Beigeladenen erteilten Genehmigung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist.
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Das Niedersächsische Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten soll vornehmlich die Einhaltung der Arbeitszeit- und Arbeitsschutzbestimmungen durch kontrollfähige Regelungen sichern, das Verkaufspersonal insbesondere vor überlangen Arbeitszeiten schützen und ihm u.a. ein weitgehend zusammenhängendes Wochenende gewährleisten (zu dem vor dem NLöffVZG geltenden Ladenschlussgesetz: Nds. OVG, Beschl. v. 26.04.2001, 7 MN 1524/01, juris Rn. 9). Neben dieser grundsätzlichen Zielrichtung des Arbeitnehmerschutzes verfolgt das Gesetz eine weitere - wenn auch nachgeordnete - wettbewerbsrechtliche Zielsetzung in dem Sinne, dass die einschlägigen Regelungen die Gleichbehandlung von Verkaufsstellen mit und ohne Verkaufspersonal herstellen und einer übermäßigen Konkurrenz durch willkürliche Ladenöffnungszeiten entgegensteuern sollen. Nur in dieser Hinsicht, also im Zusammenhang mit seinem arbeitsschutzrechtlichen Gehalt, dient das Gesetz nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts der Sicherung der Wettbewerbsneutralität (wiederum zu dem früher geltenden Ladenschlussgesetz: BVerwG, Urt. v. 23.03.1982, 1 C 157/79, juris Rn. 29; vgl. ferner: Sächsisches OVG, Beschl. v. 17.03.2011, 3 B 62/11, juris Rn. 38; Nds. OVG a.a.O., juris Rn. 9; a.A.: OVG Bremen, Urt. v. 04.09.2001, 1 D 307/01, juris Rn. 24 ff., das eine konkurrentenschützende Interpretation der Regelungen über den Ladenschluss im Lichte des Art. 12 GG fordert).
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An diesem grundsätzlichen Verständnis hat sich auch nach Inkrafttreten des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufzeiten nichts geändert. Die Antragsgegnerin stützt ihren Bescheid auf § 5 I 3 NLöffVZG. Die Fassung des § 5 geht zurück auf das Gesetz über die Ladenöffnungszeiten, wie es ursprünglich im Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und FDP vom 01.11.2006 (LT-Drs. 15/3276) vorgesehen war. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dieser an der Sonn- und Feiertagsruhe aus religiösen, kultur- und familienpolitischen Gründen sowie zur Gewährleistung des arbeitsfreien Sonn- und Feiertags für die Beschäftigten festhalten. Abweichungen von diesem Grundsatz sollten nur in Ausnahmefällen und unter Abwägung der vorhandenen und allgemein anerkannten Freizeitbedürfnisse in der Bevölkerung mit den Schutzinteressen der Beschäftigten möglich bleiben (LT-Drs. 15/3276, S. 5). Dabei sollten auch der soziale Arbeitsschutz für Beschäftigte und Verkaufsstelleninhaber sichergestellt und Ausnahmefälle unter Beachtung des Sonn- und Feiertagsschutzes angemessen berücksichtigt werden können. Betont wird, dass unter Abwägung aller Interessen ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes zu gewährleisten sei (LT-Drs. 15/3276, S. 7). In der Gesetzesbegründung sind dabei keine Hinweise auf einen mit dem Gesetz beabsichtigten Schutz der konkurrierenden Verkaufsstellen zu finden. Auch der Wortlaut des Gesetzes liefert keinen Anhaltspunkt für über das öffentliche Interesse hinausgehenden Konkurrentenschutz. Das Niedersächsische Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten gebietet den Konkurrenten - hier der Antragstellerin - daher insgesamt keinen Schutz, der sie berechtigten würde, gegen anderen Verkaufsstellen erteilte Sonderöffnungsgenehmigungen vorzugehen.
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Die Antragstellerin vermag ihre Antragsbefugnis - jedenfalls in vorliegender Konstellation - auch nicht auf mögliche, sie in ihren eigenen Rechten verletzende Grundrechtsverstöße zu stützen.
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Zunächst kann eine Antragsbefugnis aus Art. 14 I GG nicht hergeleitet werden. Mit der Berufung auf das durch Art. 14 I GG geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann die Antragstellerin nur dann Erfolg haben, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Bestand ihres Betriebes durch die zugunsten der Beigeladenen erteilten Erlaubnis bzw. durch deren Ausnutzung ernsthaft im Sinne einer Existenzgefährdung oder Vernichtung gefährdet würde. Voraussetzung ist, dass durch die Maßnahme der Verwaltung der Gewerbebetrieb "schwer und unerträglich getroffen oder der Bestand des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ernsthaft in Frage gestellt" wird (BVerwG, Urt. v. 01.12.1982, 7 C 111/81, juris Rn. 13). Eine derartige Gefährdung hat die Antragstellerin aber nicht geltend gemacht. Sie macht lediglich eine Bevorzugung der Beigeladenen in dem Sinne, dass sich diese durch die bewusste Wahl des Eröffnungsdatums im Anschluss an den die vollständige Gemeinde betreffenden verkaufsoffenen Sonntag am 19.06.2011 eine separate Ladenöffnung ermöglicht habe, geltend. Dass die Beigeladene am 26.06.2011 möglicherweise Mehreinnahmen verbucht, die ansonsten - zumindest zum Teil - der Antragstellerin zugute gekommen wären, reicht alleine nicht aus, um den Bestand des Betriebes der Antragstellerin ernsthaft in Frage zu stellen. Die leicht schlechteren Wettbewerbsbedingungen bzw. der Verlust von Erwerbsmöglichkeiten oder Chancen sind eigentumsrechtlich nicht geschützt. Sie stellen nur dann eine Beeinträchtigung der durch Art. 14 I GG geschützten Rechtsposition dar, wenn sie mit den genannten schweren und unerträglichen Beeinträchtigungen verbunden sind (BVerwG, Urt. v. 01.12.1982, a.a.O.). Diese Schwelle ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht erreicht. So ist infolge der Genehmigung eines einzelnen verkaufsoffenen Sonntages zugunsten der Beigeladenen, die im Übrigen - wie von der Antragsgegnerin nachvollziehbar dargelegt - im Jahr 2011 an maximal drei verkaufsoffenen Sonntagen teilnehmen und damit insgesamt die gesetzlich vorgesehene maximale Anzahl aller Voraussicht nach gar nicht ausschöpfen wird, von keiner Wettbewerbsverzerrung zulasten der Antragstellerin auszugehen. Im Übrigen dürfte diese vielmehr auch die Möglichkeit haben, an vier Sonn- und Feiertagen zu öffnen, denn für das Möbelcenter der Antragstellerin in Lingen gilt ebenfalls die Regelung des § 5 NLöffVZG und für das in Rheine sieht § 6 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten des Landes Nordrhein-Westfalen, LÖG NRW, ebenfalls eine Öffnung an bis zu vier Sonn- und Feiertagen vor. Zudem kann das Gericht nicht erkennen, welchen Unterschied es für die Antragstellerin, die selbst keine Filialen im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin betreibt, macht, wenn die Beigeladene bereits eine Woche früher geöffnet hätte und damit auch am verkaufsoffenen Sonntag am 19.06.2011 hätte teilnehmen können. Auch in diesem Fall hätte die Antragstellerin vermutlich mit Umsatzeinbußen ihrer im selben Einzugsgebiet liegenden Konkurrenzfilialen rechnen müssen.
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Auch eine Rechtsverletzung der Antragstellerin gem. Art. 12 GG kommt nicht in Betracht. Zwar kann auch das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG als Schutznorm in Frage kommen. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn das Niedersächsische Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten erfüllt die Anforderungen, die die Verfassung an Art. 12 GG beschränkende Normen stellt. Die gem. § 5 I 3 NLöffVZG einem Konkurrenten in demselben Einzugsgebiet - davon ist aufgrund der örtlichen Nähe der beteiligten Möbelhäuser auszugehen - erteilte Ausnahmegenehmigung mit der gleichzeitigen Nichtmöglichkeit der eigenen Ladenöffnung greift zwar in den Schutzbereich des Beigeladenen ein. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Berufsausübungsregelung, die grundsätzlich bereits durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert wird (BVerfG, Urt. v. 09.04.2004, 1 BvR 636/02). Die grundsätzliche Sonn- und Feiertagsruhe, die ihren Ursprung in Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV findet und deren Schutz gemäß oben genannter Gesetzesbegründung auch das Niedersächsische Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten mit ihren begrenzten Ausnahmemöglichkeiten dient, stellt einen solchen legitimen Zweck dar. Zudem liegt - wie bereits bei Art. 14 GG dargestellt - jedenfalls keine Berührung der beruflichen Betätigungsfreiheit in schwerwiegender Weise vor. Eine solche wäre jedoch für eine (mögliche) Rechtsverletzung gem. Art. 12 GG erforderlich (vgl. Nds. OVG, a.a.O., juris Rn. 10 m.w.N.). Für eine solche schwerwiegende Beeinträchtigung fehlt es hier - wie bereits ausgeführt - an hinreichenden Anhaltspunkten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin aller Voraussicht nach an anderen Sonntagen auch die gesetzliche Möglichkeit hat - ohne die Konkurrenz der Beigeladenen - ihre Filialen zu öffnen.
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Ein Verstoß gegen die Wettbewerbsfreiheit gem. Art. 2 I GG liegt ebenfalls nicht vor. Durch das gem. Art. 2 I GG gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wird auch die Freiheit zu der Teilnahme am Wettbewerb geschützt. Bei Bestehen einer Wettbewerbslage darf die Verwaltungsbehörde bei ihren Entscheidungen, mit denen sie einen von mehreren Konkurrenten begünstigt, die rechtlich geschützten Interessen der anderen Konkurrenten nicht willkürlich vernachlässigen (BVerwG, Urt. v. 22.05.1980, 3 C 2/80, juris Rn. 49). Eine willkürliche Vernachlässigung der Antragstellerin liegt hier zunächst bereits deshalb nicht vor, weil die Antragsgegnerin nicht für die Genehmigung verkaufsoffener Sonntage im Falle der Antragstellerin zuständig ist. Zudem hat sich die Antragsgegnerin bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 5 NLöffVZG an der Tatsache der Neueröffnung der Filiale der Beigeladenen orientiert und sich daher zumindest nachvollziehbar und nicht willkürlich für die Sondergenehmigung entschieden. Angesichts der auf ihr Gemeindegebiet beschränkten Zuständigkeit der Antragsgegnerin spricht zudem viel dafür, dass diese eventuelle Wettbewerbsnachteile gemeindefremder Konkurrenzunternehmen bei ihrer Ermessensentscheidung auch gar nicht zu berücksichtigen hat.
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Ob die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung, d.h. der Umstand der zeitnahen Filialeröffnung der Beigeladenen im Gemeindegebiet, den Anforderungen, die § 5 I 3 NLöffVZG an die in dieser Vorschrift geforderte Ausnahmesituation und die das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zu den Ladenöffnungszeiten an den Adventssonntagen vom 01.12.2009 (1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07) generell an die Anlassbezogenheit bei der Abweichung von der grundsätzlichen Sonn- und Feiertagsruhe stellen, genügt, dann dahingestellt bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO, § 162 III VwGO. Da die Beigeladene einen entsprechenden Antrag gestellt hat, d.h. ein Kostenrisiko i.S.d. § 154 III VwGO eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, ihre Kosten der unterlegenen Partei, hier der Antragstellerin, aufzuerlegen.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gem. § 53 II Nr. 2, § 52 I GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 Streitwertkatalog und unter entsprechender Anwendung der Nr. 54.4 Streitwertkatalog (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 01.07.2010, 11 B 2749/10, juris Rn. 20).
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