Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 17/16

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Antragstellers,

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die aufschiebende Wirkung des am 11.05.2016 eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.05.2016 wiederherzustellen,

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ist zulässig aber unbegründet.

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Die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Falle einer gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes prüft das Verwaltungsgericht im Falle eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO, ob wegen der Besonderheit des Einzelfalles ein privates Interesse an der aufschiebenden Wirkung vorliegt, das gegenüber dem im Gesetz in diesen Fällen unterstellten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Hat die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, kommt es darauf an, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens den Verwaltungsakt nicht befolgen zu müssen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen oder anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, ist zu differenzieren zwischen dem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug und den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde. Im letztgenannten Fall bedarf es neben der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch eines besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses, das mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Dieses besondere öffentliche Vollziehungsinteresse ist gemäß § 80 Abs. 3 VwGO gesondert von der Behörde zu begründen. Lässt sich bei der Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nach dem oben dargelegten Maßstab weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des Bescheides feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Dabei sind die Folgen zu würdigen, die eintreten würden, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache dagegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre.

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Ausgehend von diesen Grundsätzen bleibt hier dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers der Erfolg versagt.

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I. Zunächst kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung - nicht schon wegen einer unzureichenden Begründung des besonderen Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) in Betracht. Die Antragsgegnerin hat hinreichend deutlich gemacht, weshalb sie eine sofortige Suspendierung des Antragstellers von den Dienstgeschäften für erforderlich hält. Sie begründet das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung namentlich mit der Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs, der Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Bundespolizei, dem Ansehen des Beamtentums und dem Schutz der anderen Auszubildenden. Dass diese Gründe nicht über die Gründe der Verbotsverfügung hinausgehen, ist ausnahmsweise unschädlich. Denn die Gründe, die zu dem Erlass der Verbotsverfügung geführt haben, sind schon für sich gesehen so dringend, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht mehr weitergehend begründet werden kann. Materiellrechtlich erfordert das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG zwingende - also keinen Aufschub duldende - dienstliche Gründe. Im Hinblick darauf und angesichts des Zwecks eines solchen Verbots, auf Sachverhalte zu reagieren, bei denen es undenkbar erscheint, dass der Beamte weiterhin dienstlich tätig wird, folgt die besondere Eilbedürftigkeit typischerweise bereits aus der Situation, die Anlass für das Verbot nach § 66 BBG ist. Daher tragen die Gründe der Verbotsverfügung regelmäßig zugleich das besondere öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung (Plog/Wiedow, BBG-Kommentar, 328. EL 2013, § 66 Rn. 31; vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 24.03.2010, Az. 2 L 417/10; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 09.09. 2008, Az. 12 L 942/08, und v. 25.03.2009, Az. 12 L 148/09 - alle juris).

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II.Die in der Sache vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus. Die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 erweist sich bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig.

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1. Das Verbot findet seine rechtliche Grundlage in § 66 Satz 1 BBG. Danach kann Beamtinnen und Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden.

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a) Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung bestehen nicht.

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Als oberste Dienstbehörde ist die Antragsgegnerin nach §§ 2 BPolBG i.V.m. §§ 3, 66 BBG und der Anordnung des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter des Bundes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern vom 29. Februar 2008 (GMBl. 2008 Nr. 13 S. 262) zuständig für die Verbotsverfügung.

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Zwar ist der Antragsteller - soweit ersichtlich - entgegen § 28 Abs. 1 VwVfG vor dem Erlass der Verfügung nicht angehört worden. Ob die Voraussetzungen für ein Absehen von der Anhörung vorlagen, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG), wofür Vieles spricht, kann auf sich beruhen. Selbst wenn man von einer erforderlichen Anhörung ausgeht, führt dies nicht zu einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers, weil die Anhörung gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG noch bis zum Abschluss des Klageverfahrens nachgeholt werden kann (Vgl.OVG NRW, Beschl. v. 29.10.2010, Az. 7 B 1293/10, - juris).

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Die Gleichstellungsbeauftragte der Antragsgegnerin wurde gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 BGleiG beteiligt und erhob keine auf das Gleichstellungsrecht bezogenen Einwände.

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b) In materiellrechtlicher Hinsicht ist das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ebenfalls nicht zu beanstanden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 Satz 1 BBG liegen hier vor. Das Verbot der Ausübung des Dienstes ist gerechtfertigt, weil für diese Maßnahme zwingende dienstliche Gründe vorliegen.

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Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 21). Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zur Parallelvorschrift des § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013, Az. 6 A 2586/12, und v. 30.07.2015, Az. 6 A 1454/13, - beide juris). Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte kann auch gegen einen Beamten auf Widerruf ausgesprochen werden und sich auf die Teilnahme an der Ausbildung beziehen. Es dient gemäß § 66 Satz 1 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen bzw. durch die Strafverfolgungsbehörden anstellen zu lassen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 und v. 30.07.2015, a.a.O., - beide juris; Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 19). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem disziplinargerichtlichen Verfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Dies schließt nicht aus, dass zugleich ein Schuldvorwurf gegenüber dem Beamten begründet werden kann. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass insbesondere der Verdacht einer in Ausübung des Dienstes begangenen erheblichen Straftat für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausreichen kann. Zu den schwer wiegenden Nachteilen für den Dienstherrn zählen dabei auch die Belastung des Vertrauensverhältnisses, die eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beamten unzumutbar machen kann, sowie ein sich aus der vorgeworfenen Straftat ergebender Ansehensverlust des öffentlichen Dienstes. Nicht erforderlich ist eine Verdunkelungsgefahr oder eine Behinderung der Ermittlungen bei Fortsetzung der dienstlichen Tätigkeit (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 25.03.2009, Az. 12 L 148/09, - juris). Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende (Anfangs-)Verdacht einer Straftat, wie er sich etwa in der Aufnahme staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen den Beamten manifestiert (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 19). Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten. Daraus folgt, dass für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte weder eine erschöpfende Aufklärung bzw. ein "Beweis" erforderlich noch vorauszusetzen ist, dass Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs bereits eingetreten sind oder das Verhalten des Beamten sich im weiteren Verlauf des Verfahrens tatsächlich als strafrechtlich relevant erweist (vgl.OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013, a.a.O., - juris).

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Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben liegen hier zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 66 Satz 1 BBG vor. Gegen den Antragsteller und dessen Studienkameraden, Herrn PKA … , ist bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren (Az. 121 Js 506/16) wegen des Anfangsverdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und der Volksverhetzung (§§ 86 a, 130 StGB) anhängig.

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Ausweislich der beigezogenen, staatsanwaltlichen Ermittlungsakten werden dem Antragsteller sowie Herrn PKA … u.a. vorgeworfen, mehrfach durch rassistische und rechtsradikale Äußerungen im Rahmen der Unterrichtskurse wie auch bei anderen Gelegenheiten aufgefallen zu sein.

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Im Einzelnen wird ihm auf Grundlage der polizeilichen Vernehmungen mehrerer Mitstudierenden u.a. Folgendes zu Last gelegt:

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Im Unterricht sei ein Film über das „Milgram-Experiment“ gezeigt worden, wobei sich der Antragsteller lautstark lachend über die Bestrafung der Teilnehmer des Experiments gefreut habe (Aussage des Zeugen PKA … , Bl. 48 der Beiakten).

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Im Englischunterricht habe er ausgerufen: „Das ist ein Nigger! Wir waren in der Projektwoche in der deutschen Hauptstadt Germania!“. In einer Pause soll PKA … ein Hitlerbärtchen skizziert haben und seine Mitstudierenden raten lassen. Der Antragsteller solle darauf gesagt haben: „Das ist der Führer, Gott hab ihn selig. Der hat in zwei Tagen Geburtstag“ (Aussage des Zeugen PKA … , Bl. 61 der Beiakten).

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Auf seinem Handy habe der Antragsteller mehreren Kolleginnen „SS-Frisuren“ gezeigt und diese gefragt, welche Frisur ihm wohl am besten stehen würde. Im Zuge dessen habe er geäußert, er wolle aussehen, wie ein SS-Soldat und sei stolz darauf (Aussagen der Zeuginnen PKA‘in … , PKA’in … und PKA’in … , Bl. 36, 51 und 55 der Beiakten).

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Schon während seiner Ausbildungszeit in … habe sich der Antragsteller zusammen mit Herrn PKA … wiederholt zur Behandlung von Gefangenen im Konzentrationslager in Dachau geäußert. Hierbei habe er den Begriff „Judenschweine“ verwendet und sich über den damaligen Umgang mit den Gefangenen „freudig gezeigt“ (Aussage des Zeugen PKA … , Bl. 46 der Beiakten). Er habe geäußert, dass die Behandlung von KZ-Gefangenen überzeugend gewesen sei und dass man heute mit Flüchtlingen und Ausländern auch derart umgehen müsse. Er habe gesagt, dass es damals eine „bessere Zeit“ gewesen sei. Ferner soll der Antragsteller noch während der ersten Ausbildungsmonate im Jahr 2015 gesagt haben: „Wohl ist, was dem deutschen Volke dient!“. In der dienstlichen Unterkunft der Bundespolizeiakademie in … solle er angetrunken über den Flur gelaufen sein und gerufen haben „Zicke, Zacke, Heu, Heu, Heu“ und danach „Sieg Heil“ (Aussage der Zeugin PKA’in … , Bl. 55 der Beiakten).

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Ausweislich des auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordneten Beschlusses des Amtsgerichts B-Stadt vom 26. April 2016 zur Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume, der Person sowie ggf. des Pkw besteht zudem der Anfangsverdacht, dass der Antragsteller auf seinem Mobiltelefon NS-Symbole und das NS-Regime verherrlichende Bilder gespeichert hat. Der Antragsteller soll diese Bilder über WhatsApp-Gruppen zusammen mit Herrn PKA … geteilt haben. Ausweislich der in der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte abgedruckten Bilder befinden sich auf dem Mobiltelefon des Antragstellers Bilder von Soldaten, teilweise mit erkennbaren SS-Runen (Bl. 136 der Beiakten) sowie Hakenkreuze (Bl. 140 bis 143 der Beiakten).

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Sollten sich diese Vorwürfe bestätigen, besteht nicht nur die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich der Antragsteller des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und der Volksverhetzung gemäß der §§ 86a, 130 StGB strafbar gemacht hat, sondern - und darauf kommt es im hiesigen Verfahren maßgeblich an - auch gegen die ihm obliegende Verfassungstreuepflicht verstoßen hat. Diese Verfassungstreuepflicht ist ein Ausschnitt aus der allgemeinen beamtenrechtlichen Treuepflicht. Sie stellt eine Grundpflicht dar und erfasst das Gesamtverhalten eines Beamten. Die relevante Verfassungstreuepflicht folgt daraus, dass ein Beamter als Organ einer demokratischen Staatsordnung die Pflicht zum verfassungstreuen Verhalten besitzt, der Beamte muss die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland aktiv verteidigen. Die streitgegenständlichen, vorbezeichneten Äußerungen weisen mitunter unmittelbaren Bezug zur menschenverachtenden, nationalsozialistischen Ideologie auf und stehen dem Wertesystem des Grundgesetzes entgegen. Auch wenn der Nachweis über Ort, Zeit und Datum einzelner Äußerungen sich nach jetzigem Ermittlungsstand (noch) nicht genau bestimmen lässt, bestehen hinreichende Anhaltspunkte für eine Straftat von so schwerwiegender Art, dass bereits vor abschließender Prüfung die Verhinderung weiterer Dienstausübung zwingend notwendig erscheint. Es würde sich nicht um eine einmalige „flapsige“ Bemerkung, zu der sich der Antragsteller etwa unter nicht unerheblichen Alkoholeinfluss hätte hinreißen lassen, handeln, sondern um vielfältige und häufige Äußerungen über einen längeren Zeitraum, die auf eine rechtsextreme, zumindest aber latent rassistische Gesinnung schließen lassen. Die Allgemeinheit in Deutschland, zu der auch ausländische Mitmenschen sowie deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund gehören, besitzen ein Anrecht darauf, sich auf eine generelle Unvoreingenommenheit einer Polizeibehörde und deren Beamten verlassen zu können. Die streitgegenständlichen Vorwürfe stünden im Falle ihrer Bestätigung diesem Recht der Allgemeinheit entgegen. Die Antragsgegnerin ist zu Recht davon ausgegangen, dass auch im Interesse des Ansehens der Bundespolizei die weitere Dienstausübung des Antragstellers nicht verantwortet werden kann, da nicht nur der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde, sondern auch andere gewichtige dienstliche Nachteile zu besorgen wären. Der Verbleib des Antragstellers im Ausbildungsbetrieb bis zum Abschluss eines einzuleitenden Entlassungsverfahrens könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bei seiner fachpraktischen Ausbildung in Uniform in der Öffentlichkeit tätig werden müsste. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die strafrechtlichen dienstrechtlichen Ermittlungen erschwert werden können. Schließlich dient das Verbot der Führung von Dienstgeschäften auch dem Schutz der Mitstudierenden, die in dem laufenden Verfahren gegen den Antragsteller als Zeugen ausgesagt und u.a. gegenüber dem Studienbegleiter angegeben haben, Angst vor dem Antragsteller und Herrn PKA … zu haben.

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Bei dieser Sachlage ist der Antragsgegnerin eine weitere dienstliche Zusammenarbeit mit dem Antragsteller bis zur Klärung des bestehenden Verdachts nicht zuzumuten. Die Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sind auch im Sinne des § 66 Satz 1 BBG zwingend; insbesondere ist eine mildere, aber zur Erreichung des Zwecks in gleicher Weise geeignete Maßnahme nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, er hätte zumindest zur Fortsetzung seines Studiums noch an der Modulprüfung Ende Juni 2016 teilnehmen können, so stehen diesem Einwand die obigen Gründe entgegen. Eine weniger beeinträchtigende Maßnahme, wie ein Teilverbot oder eine Zuweisung zu einer anderen Lerngruppe kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Schwere der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe und der damit korrespondierende grundlegende Vertrauensverlust in dessen Verfassungstreue, schließen eine vorläufige Fortsetzung des Studiums sowie einen weiteren Besuch der Hochschule des Bundes aus. Dass der mit dem Verbot verbundene Eingriff in das Recht des Antragstellers auf amtsangemessene Beschäftigung aus sonstigen Gründen außer Verhältnis zu dem mit ihm erstrebten Zweck, Gefahren vom Dienstbetrieb vorläufig abzuwenden, steht, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. Auch dem Vorbringen des Antragstellers lässt sich hierzu nichts entnehmen.

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Das private Aufschubinteresse des Antragstellers an der Fortsetzung seines Studiums ist auch vor dem Hintergrund zu relativieren, als ein Beamter auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 BBG bei Vorliegen eines sachlichen Grundes ohnehin jederzeit ohne Einhaltung einer Frist entlassen werden könnte. Dies ist auch denkbar, sofern der Dienstherr Zweifel daran hat, dass der Beamte auf Widerruf nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.1981, Az. 2 C 48/78 - juris).

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Als Rechtsfolge sieht § 66 Satz 1 BBG vor, dass die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden kann. Die Formulierung "kann" lässt darauf schließen, dass die Maßnahme im Ermessen der Behörde steht. Da jedoch das im Rahmen des Ermessens im Vordergrund stehende Prüfprogramm der Verhältnismäßigkeit hier bereits im Rahmen des Tatbestandsmerkmals "zwingend" umfassend zur Anwendung kommt und sonstige Umstände, die - ungeachtet der bestehenden Verhältnismäßigkeit - ein Absehen von dem Verbot oder dessen Beschränkung eventuell dennoch rechtfertigen könnten, weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, wäre jede andere Maßnahme als das Verbot, wie es hier verhängt wurde, rechtsfehlerhaft; das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen ist insoweit auf Null reduziert (vgl. zur Ermessensreduzierung in Fällen der vorliegenden Art: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013, a.a.O.; VG Ansbach, Urt. v. 19.06.2007, Az. AN 1 K 03.00900 (mit der Annahme intendierten Ermessens), - beide juris; ferner Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 21).

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2. Schließlich liegt die sofortige Vollziehung des Verbots der Führung von Dienstgeschäften aus den oben genannten Gründen auch im besonderen öffentlichen Interesse. Die zwingenden, dienstlichen Gründe des Verbots gebieten keinen Aufschub und rechtfertigen auch materiell die Annahme des besonderen öffentlichen Interesses.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.


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