Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (6. Kammer) - 6 B 11/17
Tenor
Die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 12. Januar 2017 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Gründe
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Der Antrag ist zulässig und begründet.
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Der Widerspruch der Beigeladenen vom 1. Februar 2017 gegen den Bescheid vom 12. Januar 2017, mit dem das Bürgerbegehren für zulässig erklärt wurde, hat aufschiebende Wirkung. Dieser Widerspruch ist nämlich nicht offensichtlich unzulässig. Mit dem Bürgerbegehren wird zwischen den Antragstellern und der Beigeladenen ein kommunalverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis begründet. Der Beigeladenen werden durch die Zulässigkeitsentscheidung des Antragsgegners Rechtspflichten auferlegt. Sie muss den Bürgerentscheid durchführen. Insoweit wird die Beigeladene in ihrer Rechtsstellung betroffen und kann Widerspruch einlegen gegen den Bescheid vom 12. Januar 2017 (vgl. Dehn, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, 11. Auflage, § 16 g Ziffer 3). Dieser zulässige Widerspruch hat auch aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO.
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Insofern kann das Gericht gemäß § 80 a Abs. 3 iVm Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf Antrag der Begünstigen die sofortige Vollziehung anordnen. Das Gericht kann diese Anordnung auch selbst treffen, ohne dass zuvor erfolglos ein entsprechender Antrag gegenüber dem Antragsgegner gestellt wurde (vgl. Schenke, in Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, § 80 a Rn. 21 mit weiteren Nachweisen).
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Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Antragsteller. Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird die durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bewirkte Hemmung der 3-Monats-Frist aus § 16g Abs. 6 Satz 3 GO wieder rückgängig gemacht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat in Bezug auf diese Frist ex-tunc-Wirkung (vgl. auch Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Kommentar zur VwGO, § 80 Rn. 121), mit der Folge, dass die Frist des § 16g Abs. 6 Satz 3 GO am 13. Januar 2017 beginnt und nicht erst heute mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Sonst hätte es auch der Beigeladene in der Hand, die in § 16 g Abs. 6 Satz 3 GO genannte Frist durch Einlegung eines Widerspruchs leerlaufen zu lassen.
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Der Antrag ist auch begründet. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Der Antrag des Begünstigten auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist begründet, wenn sein Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse des Dritten überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der eingelegte Rechtsbehelf des Dritten bei summarischer Überprüfung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Erfolg hat und sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig erweist.
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Dies ist hier der Fall. Der Bescheid vom 12. Januar 2017, mit dem das Bürgerbegehren der Antragsteller für zulässig erklärt wurde, ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Der Widerspruch selbst ist noch nicht begründet worden. Mit Schreiben vom 10. Januar 2017 hat die Beigeladene einen Verstoß gegen den Bebauungsplan Nr. 73 geltend gemacht und auch in diesem Eilverfahren auf einen solchen Verstoß hingewiesen. Allerdings ist ein möglicher Verstoß der in dem Bürgerentscheid zur Abstimmung gebrachten Frage gegen den B-Plan Nr. 73 nicht zu erkennen.
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In der textlichen Festsetzung des B-Plans heißt es:
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„Die gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB festgesetzte Gemeinbedarfsfläche „Haus des Gastes“ dient dem Tourismus. Zulässig sind Informations-, Verwaltungs- und Kultureinrichtungen für den Tourismus sowie eine Hausmeisterwohnung. Darüber hinaus sind Gastronomie- und Verkaufseinrichtungen zur Tourismusbedarfsdeckung in einer Größenordnung von insgesamt maximal 15% der Gesamtnutzungsfläche zulässig.“
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Es ist nicht erkennbar, inwieweit die von den Antragstellern zur Entscheidung gebrachte Frage dagegen verstoßen könnte. Diese lautet wie folgt:
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„Sind Sie dafür, dass das Haus des Gastes in E., B., ganzjährig für Veranstaltungen und als Stätte des Verweilens erhalten bleibt, innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Cafeteria mit Außenterrasse eingerichtet wird, die Außenanlage, Gebäude und Räume instandgesetzt und behindertengerecht gestaltet werden und die gesamte Anlage dauerhaft instand gehalten wird?“
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Diese Frage, über die abgestimmt werden soll, lässt keinen Verstoß gegen den B-Plan Nr. 73 erkennen. Es ist nicht zu erkennen, inwieweit die die baurechtlichen Beschränkungen der Nutzung durch den Bürgerentscheid nicht beachtet werden. Ein Widerspruch zum Tourismusbezug ist durch die Fragestellung nicht gegeben. Die vorgesehene Cafeteria mit Außenterrasse lässt nicht erkennen, dass die im B-Plan festgesetzte Größenordnung der Gastronomie- und Verkaufseinrichtungen von maximal 15% der Gesamtnutzungsfläche überschritten wird. Auch aus dem Zeitungsartikel vom 09. Februar 2017, auf den die Beigeladene hinweist, ergibt sich nichts anderes. Dort wird von einem gastronomischen Bereich mit Platz für 40-50 Personen gesprochen. In Hinblick auf die auch in diesem Zeitungsartikel genannten 450 qm für öffentliche Nutzung ist auch nicht erkennbar, dass dies gegen den im B-Plan vorgegebene Größenordnung von maximal 15% der Gesamtnutzungsfläche verstoßen könnte. Auch die Beigeladene trägt dazu konkret nichts vor.
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Da der Bescheid vom 12. Januar 2017 insoweit offensichtlich rechtmäßig ist, haben die Antragsteller einen Anspruch auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides.
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Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Antragsteller. Durch die Anordnung des Sofortvollzuges entfällt die aufschiebende Wirkung rückwirkend (vgl. Schoch, Kommentar zur VwGO, § 80 Rn. 121).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Ihr sind deshalb keine Kosten aufzuerlegen.
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Referenzen
- VwGO § 80 1x
- § 16 g Abs. 6 Satz 3 GO 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80a 1x
- § 16g Abs. 6 Satz 3 GO 2x (nicht zugeordnet)