Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (15. Kammer) - 15 E 1/17

Tenor

Der Antrag auf Anordnung von Ersatzzwangshaft wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

Gründe

I.

1

Mit bestandskräftiger Verfügung vom 06.07.2017 wurde der Antragsgegner aufgefordert, die zur Bearbeitung eines Antrages seiner Tochter … auf Ausbildungsförderung notwendigen Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Er wurde insbesondere aufgefordert, das mitübersandte, bei der Bearbeitung von BAföG-Anträgen übliche Formblatt 3 (Einkommenserklärung …. des Vaters) vollständig auszufüllen, zu unterschreiben und zurückzusenden. Darüber hinaus wurde er gebeten, eine Kopie des Einkommenssteuerbescheides für das Kalenderjahr 2015, im Falle der Nichtveranlagung eine Gehaltsabrechnung aus Dezember 2015 beizulegen.

2

Der Antragsgegner hat auf diesen Bescheid ebenso wenig reagiert wie auch auf in der Folgezeit erlassene Zwangsgeldandrohungen bzw. Zwangsgeldfestsetzungen. Der Antragsgegner ist darauf hingewiesen worden, dass im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes Ersatzzwangshaft angeordnet werden kann. Im Laufe des Verfahrens ist dem Antragsteller vom Arbeitgeber des Antragsgegners ein Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2015 übersandt worden, aus der sich ergibt, dass der Antragsgegner das gesamte Jahr 2015 beim betreffenden Arbeitgeber beschäftigt war und in dieser Zeit einen Bruttoarbeitslohn iHv 22.800,-- € erzielt hat.

3

Im Rahmen einer versuchten Beitreibung eines bestandskräftig festgesetzten Zwangsgeldes iHv 750,-- € ist dem Antragsteller ein Vermögensverzeichnis des Antragsgegners vom Amtsgericht Groß Gerau (…/15) nach § 802 c/d ZPO vom 04.02.2016 übersandt worden, aus dem sich die Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes ergibt.

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Am 10.11.2017 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Anordnung einer Ersatzzwangshaft nach § 240 LVwG zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Einreichung der Einkommenserklärung (Formblatt 3) und der Einkommensnachweise für 2015 eingereicht. Der Antragsgegner hat von der Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu nicht Gebrauch gemacht.

II.

5

Der Antrag, gegenüber dem Antragsgegner die Ersatzzwangshaft anzuordnen (§ 240 Abs. 1 LVwG), hat keinen Erfolg.

6

Nach § 240 Abs. 1 LVwG kann das Verwaltungsgericht zur Erzwingung von Handlungen auf Antrag der Vollstreckungsbehörde die Ersatzzwangshaft anordnen, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist und bei Androhung des Zwangsgeldes hierauf hingewiesen wurde.

7

Vorliegend ist die Pflicht des Antragsgegners zur Einreichung einer Einkommenserklärung (Formblatt 3) und von Einkommensnachweisen für 2015 zwar vollziehbar, und es wurde auch – mit entsprechender Belehrung – bestandskräftig ein Zwangsgeld festgesetzt, die begehrte Anordnung einer Ersatzzwangshaft erweist sich jedoch als unverhältnismäßig.

8

Die Ersatzzwangshaft ist wegen der damit verbundenen Freiheitsentziehung ein schwerwiegender Eingriff, der nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn es um die Durchsetzung überragender staatlicher Interessen geht. Dies ist – soweit erkennbar – vorliegend nicht der Fall. Der Antragsteller hat durch die vom Arbeitgeber des Antragsgegners erlangte Lohnsteuerbescheinigung für 2015 sowie das am 04.02.2016 erstellte Vermögensverzeichnis nach § 802 c ZPO auch ohne Mitwirkung des Antragsgegners eine hinreichend konkrete Übersicht über die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners im Jahre 2015 erlangt, um eine Berechnung der Höhe der Ausbildungsförderung der Tochter des Antragsgegners im Bewilligungszeitraum Oktober 2017 bis Januar 2018 vornehmen zu können. Die vorliegende Unterlagen haben letztlich zu einer Anrechnung des Einkommens des Antragsgegners iHv 39,64 € monatlich geführt.

9

Von einer hinreichenden Konkretisierung des Einkommens des Antragsgegners geht offenbar auch der Antragsteller aus, der einräumt, dass angesichts der finanziellen Situation des Antragsgegners von einer sog. „Negativ-Evidenz“ ausgegangen werden könne und die Notwendigkeit der Vorlage des Formblattes 3 allein mit der für ihn geltenden Erlasslage begründet. Er beruft sich insoweit auf ein Protokoll einer Sitzung der obersten BAföG-Behörden der Länder und des Bundes (OBLBAföG) vom 25./26.11.2014, das für ihn Erlasscharakter habe. In der genannten Sitzung haben offenbar die Vertreter aller Länder den Bund gebeten, unter Aufhebung eines entgegenstehenden Erlasses in bestimmten Fällen auf die Vorlage des Formblattes 3 zu verzichten. Der Bund habe sodann einem Verzicht auf die Vorlage des Formblattes 3 ausnahmsweise für den Fall zugestimmt, dass dem Amt für Ausbildungsförderung das für den Bewilligungszeitraum maßgebliche Einkommen zweifelsfrei und vollständig bekannt ist und sich hieraus offensichtlich kein Anrechnungsbetrag für die BAföG-Einkommensberechnung des betreffenden Elternteiles ergibt.

10

Dem vermag das beschließende Gericht nicht zu folgen. Wenn, wie vorliegend, das für den Bewilligungszeitraum maßgebliche Einkommen zweifelsfrei und vollständig bekannt ist und damit die BAföG-Einkommensberechnung des betreffenden Elternteils erfolgen kann, macht es keinen Unterschied, ob sich im Ergebnis ein Anrechnungsbetrag ergibt oder nicht. Die Vorlage des Formblattes 3 und weiterer Unterlagen durch den betreffenden Elternteil dient dann – ohne materiell-rechtliche Folgen – allein der grundsätzlichen Durchsetzung der sich aus §§ 47 Abs. 4 BAföG, 60 SGB I ergebenden Mitwirkungspflichten.

11

Zwar mag die Erfüllung gesetzlicher Mitwirkungspflichten auch ohne materiell-rechtliche Folgen aus prinzipiellen Gründen noch im staatlichen Interesse liegen und ggf. mit angemessenen Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen durchzusetzen sein, einen derart schwerwiegenden Eingriff wie eine freiheitsentziehende Maßnahme in Form der Ersatzzwangshaft (und sei es auch nur für wenige Tage) kommt jedoch aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht in Betracht.

12

Der Antragsteller hat vielmehr die für die Sachbearbeitung erforderlichen Informationen auf andere Weise erlangt, so dass insoweit ein Beugemittel nicht mehr erforderlich ist. Der Beugecharakter der begehrten Ersatzzwangshaft würde sich damit allein darauf reduzieren, dass Formulare auch dann einzureichen sind, wenn sich ihr Inhalt auch aus anderen Unterlagen ergibt. Dies mag einer gewissen, geradezu sprichwörtlichen Formularverliebtheit von Behörden entsprechen („Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare, Formulare!“), die Anordnung von Ersatzzwangshaft rechtfertigt es nicht.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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