Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 35/18

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger. Erstmals reiste er 1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der am 04.03.1990 gestellte Asylantrag wurde am 28.10.1991 abgelehnt. Die Ausreise erfolgte 2004.

2

Am 17.09.2011 reiste er mit einem serbischen Reisepass in den Schengen-Raum ein und hielt sich in der Folgezeit, auch nach dem 17.12.2011, im Bundesgebiet auf. Mit Bescheid der Stadt Nürnberg vom 13.03.2012 wurde er ausgewiesen. Die Ausweisungsverfügung ist seit dem 16.04.2012 bestandskräftig.

3

Nach eigenen Angaben reiste der Antragsteller im November 2014 erneut ins Bundesgebiet ein. Ab dem 05.12.2014 befand sich der Antragsteller kurzzeitig in B-Stadt in Untersuchungshaft.

4

Am 14.02.2015 versuchte er über den Flughafen Berlin-Tegel erneut ins Bundesgebiet einzureisen. Ihm wurde jedoch aufgrund der Ausweisungsverfügung der Stadt Nürnberg die Einreise verweigert und er wurde nach Belgrad zurückgewiesen.

5

Am 14.03.2016 wurde der Antragsteller im Rahmen einer Polizeikontrolle in Schwarzenbek vorläufig festgenommen. Da weder die Ausländerbehörde in Nürnberg noch in B-Stadt erreicht werden konnte, wurde er aus dem Gewahrsam entlassen.

6

Mit Bescheid vom 12.09.2016 wurden die Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 13.03.2012 nachträglich auf den 12.09.2019 befristet.

7

Am 15.03.2017 wurde der Antragsteller im Kreisgebiet des Antragsgegners angetroffen und darauf hingewiesen, dass er sich mit der Ausländerbehörde in Nürnberg in Verbindung setzen solle. Dem kam der Antragsteller nicht nach.

8

Am 12.02.2018 wurde der Antragsteller in Schwarzenbek angetroffen und festgenommen. Daraufhin ersuchte der Antragsgegner am 13.02.2018 bei der JVA XXX um die Aufnahme des Antragstellers zum Vollzug der Abschiebehaft und stellte einen Antrag auf Anordnung von Abschiebehaft beim Amtsgericht Schwarzenbek. Nach Anhörung des Antragstellers ordnete das Amtsgericht Schwarzenbek am selben Tag an, den Antragsteller bis längstens 15.03.2018 in Abschiebehaft zu nehmen (AG Schwarzenbek – 6 XIV 21/18 B). Im Rahmen der Anhörung erklärte der Antragsteller, er habe mit Frau XXX ein Kind. Deshalb sei er ab und zu in Deutschland. Er habe auch beim Jugendamt in XXX einen Termin für die Anerkennung der Vaterschaft bekommen. Seitdem befindet sich der Antragsteller in der JVA XXX in Abschiebehaft.

9

Mit Bescheid vom 14.02.2018 drohte der Antragsgegner dem Antragsteller die Abschiebung an und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Mit Schreiben vom 19.02.2018 kündigte der Antragsgegner die Abschiebung nach Serbien für den 07.03.2018 an.

10

Am 02.03.2018 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen die Abschiebungsandrohung und hat bei Gericht um Eilrechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung wird vorgetragen, einer Abschiebung stehe Art. 6 GG entgegen, da der Antragsteller Vater eines kleinen Kindes, mit dem er in häuslicher, familiärer Gemeinschaft lebe, sei. Dem Eilantrag ist eine eidesstattliche Versicherung von Frau XXX von 02.03.2018 beigefügt. Auf den Inhalt dieser Erklärung wird Bezug genommen (Bl. 9 d.A.).

11

Der Antragsteller beantragt,

12

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Abschiebungsandrohung vom 14.02.2018 wiederherzustellen.

13

Der Antragsgegner beantragt,

14

den Antrag abzulehnen.

15

Eine Nachfrage des Gerichts beim Bürgerservice des Kreis Herzogtum Lauenburg, Bereich Amtsvormundschaft, hat ergeben, dass weder unter dem Namen des Antragstellers, noch unter dem Namen des Kindes bzw. der Kindesmutter eine Vaterschaftsanerkennung durchgeführt wurde oder ein Termin zur Vaterschaftsanerkennung vereinbart wurde (vgl. Aktenvermerk, Bl. 24 d.A.).

II.

16

Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.

17

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen eines rechtlichen Abschiebungshindernisses glaubhaft gemacht.

18

Ein rechtliches Abschiebungshindernis kann sich aufgrund des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art. 8 EMRK ergeben. Dies setzt indes bei einer drohenden Trennung von einem nicht-ehelichen Elternteil von seinem Kind voraus, dass zum einen die Vaterschaft besteht und zum anderen eine schützenswerte Beziehung zwischen dem Vater und dem Kind besteht. Besteht eine solche verfassungsrechtlich schützenswerte familiäre Beziehung, kann ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auch bei einer nur vorübergehenden Trennung vorliegen, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (so z.B. bei einem 2 ½ Jahre alten Kind BVerfG, Beschluss vom 31, August 1999, - 2 BvR 1523/99 – juris Rn. 10). Insoweit sind die Gerichte verpflichtet, die Folgen einer vorübergehenden Trennung zu würdigen und müssen vor allem auch eine Vorstellung davon entwickeln, welcher Trennungszeitraum zumutbar ist (BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 14; Beschluss vom 9. Januar 2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 17; Beschluss vom 1. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 – juris Rn. 33; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2018 – OVG 3 S 5.18 –, Rn. 3, juris).

19

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antragsteller nach der im Eilverfahren erforderlichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Abschiebungshindernis glaubhaft gemacht.

20

Zwar ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung der Kindesmutter grundsätzlich eine gelebte Beziehung des Antragstellers zu dem am 04.06.2016 geborenen Kind. Auch dürfte der Antragsteller wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des weiteren Kindes der Frau XXX nicht ohne weiteres auf ein mögliches Zusammenleben in Serbien zu verweisen sein. Eine Trennung von dem Kind würde sich auch nicht auf einen überschaubaren Zeitraum begrenzen, da aus mehreren Gründen (unter anderem wegen der Befristungsentscheidung der Stadt Nürnberg vom 12.09.2016; auch ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner gemäß § 31 Abs. 1 AufenthV einer Visumserteilung zustimmen würde, vielmehr hat er in diesem Verfahren eine schützenswerte Verbindung verneint) nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller kurzfristig die Möglichkeit hat, nach Deutschland zurückzukehren.

21

Jedoch hat der Antragsteller bereits nicht glaubhaft gemacht, dass eine Vaterschaft bezüglich des Kindes besteht, die zunächst Voraussetzung für eine schützenswerte Beziehung ist.

22

Gemäß § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann,

23

 1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,

24

 2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder

25

 3. dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

26

Hinsichtlich des Antragstellers ist keine dieser Varianten erfüllt. Der eidesstattlichen Versicherung ist diesbezüglich lediglich zu entnehmen, dass sich die Kindesmutter der (biologischen) Vaterschaft des Antragstellers sicher sei. Eine Vaterschaftsanerkennung nach Nr. 2, die bereits vor der Geburt des Kindes möglich gewesen wäre, haben der Antragsteller und die Kindesmutter nicht durchgeführt, obwohl diese nach eigenen Angaben seit nunmehr zwei Jahren (März 2016) zusammenleben. Auch hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er sich ernsthaft um die formale Anerkennung seiner Vaterschaft und die Erlangung des gemeinsamen Sorgerechts bemüht hat (vgl. dazu Funke-Kaiser in: GK zum AufenthG, § 60a, Stand: März 2015, Rn. 186). Die Behauptung, er habe einen Termin zwecks Vaterschaftsanerkennung bekommen, hat sich durch Nachfrage bei der zuständigen Behörde nicht bestätigt. Auch ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung nicht, dass eine Anerkennung angestrebt wird. Die Ausführungen der Frau XXX hinsichtlich der (biologischen) Vaterschaft reichen insofern zur Glaubhaftmachung einer schützenswerten rechtlichen Vaterschaft nicht aus. Denn der leibliche Vater ist nur insoweit unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, als ihm die verfahrensrechtliche Möglichkeit zu eröffnen ist, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegensteht (BVerfGE 108, 82 (104 ff.) = NJW 2003, 2151). Von dieser Möglichkeit ist nicht Gebrauch gemacht worden. Dabei ist auch zu beachten, dass erst durch die Anerkennung der Vaterschaft die besonderen familienrechtlichen Pflichten entstehen. Die besondere Bedeutung der formalen Anerkennung der Vaterschaft im Rahmen der Prüfung eines rechtlichen Abschiebungshindernisses ergibt sich zudem auch aus § 60a Abs. 2 Satz 13 AufenthG, wonach die Abschiebung zur Durchführung des Verfahrens nach § 85a AufenthG ausgesetzt wird.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

28

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG.


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