Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (17. Kammer) - 17 A 11/17

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 24. November 2018 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verfügung, mit der ein Disziplinarverfahren gegen die Klägerin eingestellt wurde.

2

Die Klägerin steht als Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14) in Diensten des Landes Schleswig-Holstein. Im Januar 2017 leitete der Beklagte ein Disziplinarverfahren gegen die Klägerin ein. Ihr wurde zur Last gelegt, gegen ihre dienstliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen zu haben. Eine Beteiligung des Personalrats erfolgte im Rahmen des Disziplinarverfahrens nicht.

3

Mit Bescheid vom 27. November 2017 stellte der Beklagte das Disziplinarverfahren ein. Es sei zwar ein Dienstvergehen erwiesen, die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme erscheine aber nicht angezeigt.

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Am 28. Dezember 2017 hat die Klägerin Klage erhoben.

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Die Klage sei zulässig, weil es sich um eine „beschwerende Einstellungsverfügung“ handle. Sie habe sich keines Dienstvergehens schuldig gemacht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sie die nicht erfolgte Beteiligung des Personalrats gerügt.

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Sie beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 24. November 2017 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Eine Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Disziplinarakte des Klägers sowie der Personalakte der Klägerin verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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A. Die Klage ist zulässig (hierzu I.), und begründet (hierzu II.).

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I. Die Klage ist zulässig.

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1. Sie ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 41 Abs. 1 LDG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) und § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, weil es sich bei der Einstellungsverfügung des Beklagten um einen belastenden Verwaltungsakt handelt. Die Klägerin ist sowohl durch die in der Einstellungsverfügung enthaltene Feststellung, dass ein Dienstvergehen erwiesen sei, als auch durch die Kostenentscheidung beschwert (sog. „belastende Einstellungsverfügung“, vgl. VGH München, Beschluss vom 28 Januar 2015 – 16b DZ 12.1868 –, juris, Rn. 5 f.; VG Münster, Urteil vom 17. Juni 2014 – 20 K 2835/13. BDG –, juris, Rn. 18; Benz/​Frankenstein, LDG, § 32 Rn. 1 a. E. ). Rechtsschutzziel ist deshalb die Aufhebung der Einstellungsverfügung (vgl. Weiß, in: Fürst, GKÖD, Bd. II, § 32 Rn. 103 ; Hummel/​Baunack, in: Hummel/​Köhler/​Mayer/​Baunack, BDG, 6. Aufl 2016, § 33 Rn. 17).

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2. Die Durchführung eines Vorverfahrens im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG war entbehrlich. Dies folgt aus § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG in Verbindung mit § 42 LDG.

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II. Die Klage ist begründet. Die Einstellungsverfügung des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unterbleibt eine nach § 51 Mitbestimmungsgesetz (MBG) erforderliche Mitbestimmung des Personalrats, hat dies die Rechtswidrigkeit der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme zur Folge (vgl. OVG Weimar, Urteil vom 13. November 1997 – 2 KO 60/96 –, juris, Rn. 37; VG Schleswig, Urteil vom 29. Januar 2014 – 11 A 152/11 –; Beschluss vom 24. März 2009 - 12 B
10/09 -).

17

Die Beklagte hat es unterlassen, vor Erlass der Einstellungsverfügung das erforderliche Verfahren zur Mitbestimmung des Personalrats durchzuführen. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG bestimmt der Personalrat mit bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Beschäftigten der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelne Beschäftigte betreffen oder sich auf sie auswirken. Bei der Einstellungsverfügung des Beklagten handelt es sich um eine solche mitbestimmungspflichtige Maßnahme.

18

Unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne ist jede Handlung oder Entscheidung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt. Die Maßnahme muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustands abzielen. Nach Durchführung der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben (BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2011 – 6 P 19.10 –, juris, Rn. 11; OVG Schleswig, Urteil vom 19. Februar 2015 – 2 LB 12/14 –, juris, Rn. 25). Bei der Auslegung von § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG ist zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift den Grundsatz der Allzuständigkeit der Personalvertretung begründet und dem Zweck einer möglichst umfassenden Mitbestimmung dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 2 C 15.09 –, juris, Rn. 13; OVG Schleswig, Beschluss vom 30. Juli 2007 – 3 MB 20/07 –, juris, Rn. 8 m. w. N.).

19

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Einstellung eines Disziplinarverfahrens nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Landesdisziplinargesetzes (LDG) um eine „Maßnahme“ im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG (im Ergebnis ebenso Benz/​Frankenstein, LDG, § 32 Rn. 4 ; Weiß, in: Fürst, GKÖD, Bd. II, § 32 Rn. 171a ). Nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 LDG wird das Disziplinarverfahren eingestellt, wenn ein Dienstvergehen zwar erwiesen ist, die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme jedoch nicht angezeigt erscheint. Die Einstellungsverfügung enthält somit eine zweifache Regelung gegenüber dem Beamten. Erstens wird das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren durch die Verfügung beendet. Zweitens wird verbindlich festgestellt (zum Regelungscharakter von Feststellungen vgl. nur BVerwG, Urteil vom 5. November 2009 – 4 C 3.09 –, NVwZ 2010, 133 <134 Rn. 15>), dass der Beamte ein Dienstvergehen begangen hat.

20

Der in der nicht erfolgten Beteiligung des Personalrats liegende Mangel ist auch nicht ausnahmsweise nach dem Rechtsgedanken des § 115 LVwG unbeachtlich (vgl. dazu OVG Münster, Urteil vom 1. Juni 2017 – 6 A 2335/​14 –, juris, Rn. 64). Denn es ist nicht offensichtlich, dass die Sachentscheidung des Klägers bei einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats nicht anders ausgefallen wäre.

21

Die Rechtswidrigkeit der Einstellungsverfügung bliebe im Übrigen davon unberührt, wenn vorliegend die Mitwirkung des Personalrats nach § 51 Abs. 5 Satz 1 MBG von der Zustimmung der Klägerin abhängig gewesen wäre, wenn über die beabsichtigte Einstellungsverfügung hinaus schutzwürdige persönliche Interessen der Klägerin berührt gewesen wären (zu diesem möglichen Erfordernis Benz/​Frankenstein, LDG, § 32 Rn. 4 ; Weiß, in: Fürst, GKÖD, Bd. II, § 32 Rn. 171a ). Denn der Beklagte hat auch das insoweit mitbestimmungsrechtlich erforderliche (Vor-)​Verfahren – die Einholung der Zustimmung der Klägerin – nicht eingeleitet.

22

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG in Verbindung mit § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO.

23

C. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 4 LDG in Verbindung mit § 167 Abs. 2 VwGO und § 167 Absatz 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

24

D. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die Gerichtskosten gesetzlich festgelegt sind (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG in Verbindung mit § 78 Satz 1 BDG und Nr. 17 des Gebührenverzeichnisses zum BDG).


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