Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 121/18

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 19.10.2018 gegen die Androhung der Ersatzvornahme des Antragsgegners vom 24.09.2018 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wehrt sich gegen eine Androhung der Ersatzvornahme in Bezug auf eine Wiederherstellungsanordnung hinsichtlich eines Knicks.

2

Der Antragsteller und seine ehemalige Lebensgefährtin sind seit dem Jahre 2009 Eigentümer des Flurstücks xxx, Flur xxx, Gemeinde und Gemarkung xxx. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die westliche Grenze des Grundstücks in Form eines Knicks verläuft und ob dieser geschädigt wurde. Laut Auskunft des Einwohnermeldeamts lebte der Antragsteller vom 3. März 2010 bis zum 6. Juli 2016 in dem zu dem streitbefangenen Grundstück gehörenden Haus, xxx, xxx und seit dem 6. Juli 2016 in der xxx in A-Stadt (Bl. 87 d. Beiakte).

3

Mit Schreiben vom 8. November 2016 erhielt der Antragsteller eine Anhörung hinsichtlich des Vorwurfs der Schädigung eines Knicks. Dieses Schreiben adressierte der Antragsgegner an die genannte Adresse in xxx. Der Antragsteller äußerte sich im Folgenden nicht.

4

Mit Bescheid vom 11. Januar 2017 erließ der Antragsgegner eine Wiederherstellungsanordnung gegenüber dem Antragsteller, mit der dieser verpflichtet wurde, den Knick auf dem genannten Grundstück in xxx wiederherzustellen, mit knicktypischen Gehölzen zu bepflanzen, zu pflegen und dauerhaft zu erhalten. Ablagerungen seien vollständig zu entfernen, das erstellte Heckenloch auf einer Länge von vier Metern sei zu schließen, die an der westlichen Seite des Schuppens aufgestellten Sichtschutzmaßnahmen und die Vorbaumaßnahmen auf dem Knick seien zu entfernen. Zudem seien geschädigte Gehölze und entstandene Bewuchslücken durch das Pflanzen knicktypischer Gehölze zu schließen beziehungsweise zu ersetzen. Die Fertigstellung dieser Maßnahmen sei dem Antragsgegner unter Vorlage von Bildmaterial bis spätestens 30. November 2017 zur Abnahme anzuzeigen. Zur Begründung bezog sich der Antragsgegner auf eine im Mai 2015 erhaltene Anzeige, wonach ein Knick auf dem Grundstück des Antragstellers geschädigt worden sei, was sich durch eine Ortsbesichtigung bestätigt habe. Diesen Bescheid ließ der Antragsgegner per Postzustellungsurkunde zustellen. Adressiert war er an den Antragsteller unter der Adresse xxx in xxx. Handschriftlich berichtigte der Zusteller die Adresse und ersetzte die Straße mit „xxx“. Den Bescheid legte er am 13. Januar 2017 in den zu dieser Adresse gehörenden Briefkasten, da eine Übergabe nicht möglich war (Bl. 39 d. Beiakte).

5

Der Antragsteller reagierte auf diesen Bescheid nicht.

6

Im Februar 2017 leitete der Kreis Dithmarschen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren im Hinblick auf eine Knickschädigung gegen den Antragsteller ein. Die Anhörung im Ordnungswidrigkeitenverfahren sendete der Kreis Dithmarschen an den Antragsteller unter der Adresse xxx in A-Stadt. Hierauf nahm der Antragsteller auch schriftlich Stellung (Bl. 42 ff. d. Beiakte).

7

Mit Bescheid vom 7. Februar 2018 (Bl. 73 d. Beiakte) forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, der Wiederherstellungsanordnung vom 11. Januar 2017 unverzüglich nachzukommen. Es wurde eine neue Frist zur Umsetzung bis zum 28. Februar 2018 gesetzt und ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro angedroht. Diesen Bescheid ließ der Antragsgegner ebenfalls per Postzustellungsurkunde zustellen. Adressiert war er an den Antragsteller unter der Adresse xxx x in xxx. Den Bescheid legte der Zusteller am 8. Februar 2018 in den zu dieser Adresse gehörenden Briefkasten, da eine Übergabe nicht möglich war (Bl. 75 d. Beiakte).

8

Der Antragsteller reagierte auch auf diesen Bescheid nicht.

9

Mit Bescheid vom 20. März 2018 (Bl. 78 d. Beiakte) setzte der Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro gegen den Antragsteller fest und setzte eine erneute Frist bis zum 18. April 2018 unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1000 Euro. Auch dieser Bescheid wurde per Zustellungsurkunde an die Adresse xxx in xxx durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt (Bl. 80 d. Beiakte).

10

Der Antragsteller reagierte auch auf diesen Bescheid nicht.

11

Mit Bescheid vom 24. September 2018, zugestellt am 27. September 2018 an den Antragsteller unter der Adresse xxx in A-Stadt (Bl. 119 d. Beiakte), drohte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Fristsetzung bis zum 1. Dezember 2018 die Durchführung des Wiederherstellungsbescheides vom 11. Januar 2017 im Wege der Ersatzvornahme an. Die Kosten hierfür seien vorläufig auf 9000 Euro veranschlagt worden. Er begründete diese damit, dass die mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. Januar 2017 getroffenen Anordnungen bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht umgesetzt worden seien.

12

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2018 (Bl. 121 d. Beiakte) legte der Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.

13

Der Antragsteller hat am 22. Oktober 2018 um einstweiligen Rechtsschutz bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht ersucht. Zur Begründung führt er an, der Voreigentümer des Grundstücks habe in den 50er Jahren einen sogenannten Friesenwall als Begrenzung angelegt, der beim Kauf des Grundstücks mit blühenden Gartenpflanzen versehen gewesen sei und keinen Knickcharakter besessen habe. Des Weiteren trägt er vor, weder das Anhörungsschreiben vom 8. November 2016 noch die Wiederherstellungsanordnung vom 11. Januar 2017 jemals erhalten zu haben. Er habe erst im Zuge des Ordnungswidrigkeitenverfahrens von dem Vorgang Kenntnis erlangt. Er sei seit dem Mai 2016 in A-Stadt wohnhaft und auch dort gemeldet. Die Adresse xxx in xxx sei die Adresse seiner neuen Lebensgefährtin, bei der er jedoch niemals wohnhaft gewesen sei und auch keinen Namen am Briefkasten gehabt habe. Diese Anschrift sei von seiner vorangegangenen Lebenspartnerin in den Umlauf gebracht worden.

14

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

15

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.

16

Der Antragsgegner beantragt,

17

den Antrag abzulehnen.

18

Die Wiederherstellungsverfügung sei dem Antragsteller am 13. Januar 2017 mittels Postzustellung an die Adresse xxx, xxx wirksam bekanntgegeben worden und seither nicht widerrufen oder zurückgenommen worden. Sie sei vollziehbar, da sie bestandskräftig geworden sei. Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 418 ZPO erbringe die PZU als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Ein Gegenbeweis könne nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Der Antragsteller habe diesen Gegenbeweis gerade nicht erbracht.

19

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

20

1. Der Antrag, den die Kammer bei verständiger Würdigung des Begehrens des Antragstellers als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Variante 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 19. Oktober 2018 gegen die Androhung der Ersatzvornahme durch den Antragsgegner vom 24. September 2018 wertet, ist zulässig und begründet.

21

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits.

22

Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (wieder-)herzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 06.08.1991 – 4 M 109/91 –, juris Rn. 5).

23

Nach diesem Maßstab hat das vorläufige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers Erfolg. Das Interesse der Öffentlichkeit und des Antragsgegners an einer sofortigen Vollziehung der angedrohten Ersatzvornahme überwiegt nicht gegenüber dem Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben nicht, da sich bereits auf der Grundlage der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der eingelegte Widerspruch des Antragstellers wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Androhung der Ersatzvornahme Erfolg haben wird.

24

Es liegen bereits die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vor.

25

Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung nach § 229 Abs.1 Nr. 1 LVwG i.V.m. § 238 LVwG ist unter anderem das Vorliegen eines unanfechtbaren Grundverwaltungsakts, woran es vorliegend mangelt.

26

Nach § 110 Abs. 1 LVwG ist der Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist. Dies ist im vorliegenden Fall der Antragsteller. Die Bekanntgabe ist in verschiedenen Formen möglich, so auch in der Form der Zustellung, einer nach § 110 Abs. 5 LVwG besonders formalisierten Art der Bekanntgabe. Zugestellt wird gemäß § 148 Abs 1, 2 LVwG nach den §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend.

27

Der Bescheid vom 11. Januar 2017 ist dem Antragsteller nicht durch ordnungsgemäße Zustellung bekannt gegeben worden und damit ihm gegenüber auch nicht rechtlich existent geworden (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 18. Aufl., § 41 Rn. 15).

28

Nach § 177 ZPO kann das Schriftstück der Person, der zugestellt werden soll, an jedem Ort übergeben werden, an dem sie angetroffen wird. Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung oder in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück gemäß § 178 Abs. 1 ZPO in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner (Ziffer 1.) oder in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person (Ziffer 2.) zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist (§ 180 Satz 1 ZPO). Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO). Nach § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist zum Nachweis der Zustellung nach § 177, § 178 und § 180 ZPO eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen.

29

Im vorliegenden Fall beurkundet die Postzustellungsurkunde (Bl. 39 d. Beiakte) vom 13. Januar 2017, dass der Postbedienstete versucht hat, das Schriftstück unter der berichtigten Adresse, xxx, xxx, zu übergeben. Weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung nicht möglich war, hat der Postbedienstete bescheinigt, das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt zu haben.

30

Dem kann der Antragsteller jedoch entgegenhalten, der Bescheid sei falsch adressiert und auch an eine falsche Adresse zugestellt worden.

31

Der Bescheid trägt den Namen des Antragstellers und ursprünglich die Adresse xxx in xxx, was handschriftlich durch den Zusteller in xxx in xxx geändert wurde.

32

Die Adresse ist unzweifelhaft nicht der Wohnort beziehungsweise die Wohnung des Antragstellers.

33

Zustellungsurkunden begründen nach § 418 ZPO den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Danach erstreckt sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde allerdings nicht auch darauf, dass der Zustellungsadressat unter der Zustellungsanschrift tatsächlich wohnt. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften sind von dem Zusteller regelmäßig nicht voll zu überprüfen, so dass seine Erklärung, er habe eine Nachricht über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers abgegeben, nur ein beweiskräftiges Indiz dafür begründet, dass der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt. Dementsprechend kann das Gericht aufgrund der Beurkundung der Ersatzzustellung im Regelfall solange davon ausgehen, dass der Zustellungsempfänger dort wohnt, als dieser die Indizwirkung nicht durch eine plausible und schlüssige Darstellung entkräftet, wozu die schlichte Behauptung, unter der Zustellungsanschrift nicht zu wohnen, noch nicht genügt (BVerfG, NJW 1992, Seite 224f.).

34

Der Antragsteller trägt vor, seit Mai 2016 unter der Adresse xxx in A-Stadt wohnhaft und auch gemeldet zu sein. Dies wird durch eine vom Antragsgegner eingeholte Auskunft des Einwohnermeldeamtes vom 2. August 2018 (Bl. 87 d. Beiakte) bestätigt. Die Adresse xxx in xxx, an die vorliegend zugestellt wurde, ist nach Vortrag des Antragstellers niemals sein Wohnort gewesen. Hierzu kann der Antragsgegner auch nicht substantiiert darlegen, aus welchem Grund er an diese Adresse hat zustellen lassen.

35

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

36

3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG.


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