Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 22/22

Tenor

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Bekanntgabe einer neuen Auswahlentscheidung untersagt, die ausgeschriebene Stelle der Sachgebietsleitung für das Sachgebiet ... Schulentwicklung und interne Evaluation mit dem Beigeladenen zu besetzen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.343,60 € festgesetzt.

Gründe

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Der wörtlich gestellte Antrag der Antragstellerin,

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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle der Sachgebietsleitung (m/w/d) für das Sachgebiet ... Schulentwicklung und interne Evaluation mit der ausgewählten Bewerberin zu besetzen und die Stellenbesetzung durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde zu vollziehen, bis eine rechtsfehlerfreie und unanfechtbare Entscheidung über ihre Bewerbung vorliegt oder sich ihre Bewerbung aus anderweitigen Gründen erledigt,

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ist zulässig und begründet.

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Nach der Bestimmung des § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint (Satz 2). Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der gewährten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

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Der Antragstellerin steht ein Anordnungsgrund zur Seite; denn der Antragsgegner beabsichtigt, die streitgegenständliche Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Mit seiner Ernennung würde sich der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin faktisch erledigen. Die Ernennung könnte mit Blick auf den Grundsatz der Ämterstabilität (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 –, juris Rn 13; OVG Schleswig, Beschluss vom 02.09.2016 – 2 MB 21/16 –, juris Rn. 9) nicht mehr rückgängig gemacht werden.

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Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch ist in beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren glaubhaft gemacht, wenn der unterlegene Bewerber darlegt, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft war und seine Aussichten, bei erneuter Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, zumindest offen sind, seine Auswahl mithin möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.09.2002 – BvR 857/02 –, juris Rn. 83; BVerwG, Beschluss vom 20.01.2004 – 2 VR 3.03 –, juris Rn.8; OVG Schleswig, Beschluss vom 28.04.2017 – 2 MB 5/17 –, n.v.).

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Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners war fehlerhaft. Es ist nicht auszuschließen, dass bei einer erneuten Entscheidung die Auswahl zugunsten der Antragstellerin erfolgt.

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Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) gewährt ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Dementsprechend hat jeder Bewerber Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Beförderungsbegehren (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es dabei, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen und als vorrangiges Auswahlkriterium auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2003 – 2 C 16.02 –, juris Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 04.10.2012 – 2 BvR 1120/12 –, juris Rn. 12). Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 –, juris Rn. 58, Kammerbeschlüsse vom 14.10.2012 – 2 BvR 1120/12 –, juris Rn. 12 und vom 09.08.2016 – 2 BvR 1287/16 –, juris Rn. 79).

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In bestimmten Fällen lässt es Art. 33 Abs. 2 GG zu, dass der Dienstherr die Kandidaten im Anschluss an den Vergleich der Gesamturteile anhand der für das Beförderungsamt wesentlichen Einzelaussagen der dienstlichen Beurteilungen weiter vergleicht. Dies kommt insbesondere bei einem wesentlich gleichen Gesamtergebnis in Betracht. Gerade dann kommt den Einzelaussagen nach dem Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilungen, über Leistung und Eignung der Beamten ein differenziertes Bild zu geben, besondere Bedeutung zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 –, juris Rn. 32, Kammerbeschluss vom 09.08.2016 – 2 BvR 1287/16 –, juris Rn. 76).

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Erst wenn die Bewerber aufgrund ihrer dienstlichen Beurteilungen als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen sind, ist ein Rückgriff auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines sogenannten strukturierten Auswahlgesprächs zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.04.2010 – 1 WB 39.09 –, juris, Rn. 39; OVG Schleswig, Beschluss vom 27.02.2019 – 2 MB 22/18 –, juris Rn. 21).

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Gemessen an diesen Maßstäben liegen bereits nicht im Wesentlichen gleiche Beurteilungen vor. Die Antragstellerin und der Beigeladene wurden im gleichen Beurteilungszeitraum mit dem gleichen Gesamtleistungsergebnis beurteilt. Die Antragstellerin erhielt die Notenstufe „B“ (die Leistungsanforderungen werden deutlich übertroffen) und der Beigeladene wurde mit dem Zahlenwert „4“ (die Anforderungen werden deutlich übertroffen) bewertet. Beide Bewerber erhielten die zweithöchste Notenstufe in einer Skala von fünf Notenstufen (E-A und 1-5). Ob aber nach ihrem Gesamtergebnis wesentlich gleiche Beurteilungen vorliegen, die einen solchen weiteren Vergleich ermöglichen, richtet sich nicht allein nach dem formalen Gesamturteil. Vielmehr sind auch etwaige Unterschiede im Maßstab der Beurteilung der Bewerber zu berücksichtigen. Solche Unterschiede kommen etwa dann in Betracht, wenn sich bei konkurrierenden Bewerbern die dienstlichen Beurteilungen auf unterschiedliche Statusämter beziehen, da an Inhaber eines höheren statusrechtlichen Amtes von vornherein höhere Erwartungen zu stellen sind als an Inhaber eines niedrigeren statusrechtlichen Amtes. Dieser Grundsatz gilt zwar nicht ausnahmslos und kann nicht schematisch auf jeden Fall der Beförderungskonkurrenz angewendet werden. Vielmehr hängt das zusätzlich zu berücksichtigende Gewicht der in einem höheren Statusamt erteilten Beurteilung von den Umständen des Einzelfalls ab (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.02.2017 – 2 BvR 1558/16 –, juris Rn. 21; OVG Schleswig, Beschluss vom 27.02.2019 – 2 MB 22/18 –, juris Rn. 6).

12

Vorliegend liegen indes zwei Statusämter zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen. Die Antragstellerin unterhielt im maßgeblichen Beurteilungszeitraum das Amt einer Regierungsschuldirektorin (A 15 gemäß Anlage 1 SHBesG) während der Beigeladene im entsprechenden Zeitraum im Amt eines Studienrats (A 13 gemäß Anlage 1 SHBesG) beurteilt wurde. Da der Beigeladene auch nicht mit einer besseren Gesamtbewertung beurteilt wurde, kann er den Leistungsvorsprung der Antragstellerin durch ihre Tätigkeit in einem höheren Statusamt nicht ausgleichen. Es ist zwar anerkannt, dass ein Statusrückstand im Einzelfall durch leistungsbezogene Kriterien kompensiert werden kann. Das zusätzlich zu berücksichtigende Gewicht der besseren, aber in einem niedrigeren Statusamt erteilten Beurteilung hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.02.2017 – 2 BvR 1558/16 –, juris Rn. 21). Bei einem Unterschied von zwei Statusämtern, selbst wenn der Beamte im statushöheren Amt eine schlechtere Beurteilung aufweist – was hier nicht der Fall ist –, erscheint eine vollständige „Kompensation“ eines statusniedrigeren Beamten (auch mit um einer Note besseren Beurteilung) nicht möglich mit der Folge, dass insgesamt von einer besseren Beurteilung des Beamten im statushöheren Amt auszugehen ist. Von einer gleichen Beurteilungslage oder gar einer gleichen Eignung kann nicht gesprochen werden (so in einem vergleichbaren Fall: Beschluss der Kammer vom 04.09.2018 – 12 B 43/18 –, juris Rn. 25).

13

Daran ändert auch die bessere Erfüllung des Anforderungsprofils durch den Beigeladenen nichts. Unabhängig von der Frage, ob das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung überhaupt auf „gute Kenntnisse über die schulbezogene Bildungslandschaft in Schleswig-Holstein“ als Kriterium der Bestenauslese abstellen durfte, ist die Erfüllung des deklaratorischen Merkmales durch den Beigeladenen nicht dazu geeignet, den Leistungsvorsprung der Antragstellerin auszugleichen. Zwar kann die Berücksichtigung eines rechtmäßig aufgestellten Anforderungsprofils dazu führen, dass einem Bewerber, der dessen Voraussetzungen am besten erfüllt, bei der Stellenbesetzung selbst dann der Vorzug gegeben werden darf, wenn seine Befähigung und dienstlichen Leistungen im Vergleich zu den Mitbewerbern (geringfügig) schlechter beurteilt worden sind (OVG Bautzen, Beschluss vom 15.08.2011 – 2 B 93/11 –, juris Rn. 24). Vorliegend erfüllt die Antragstellerin jedoch vier der fünf deklaratorischen Anforderungsmerkmale, während der Beigeladene fünf erfüllt. Dieser geringfügige Unterschied kann den Leistungsvorsprung anhand der dienstlichen Beurteilungen nicht ausgleichen. In diesem Zusammenhang weist die Antragstellerin zu Recht darauf hin, dass sie als externe Bewerberin aus einem anderen Bundesland das deklaratorische Merkmal der Kenntnis der schleswig-holsteinischen Bildungslandschaft nur schwer erfüllen kann. Zwar ist es denkbar, dass auch externe Bewerber Vorerfahrungen in Schleswig-Holstein gesammelt haben. Dies wird in der Praxis aber kaum die Regel darstellen. Deshalb ist die Wichtigkeit dieses Anforderungsmerkmals – unabhängig davon, ob es überhaupt zulässig ist – als eher gering einzustufen. Wäre dieses Merkmal von äußerster Relevanz für den Antragsgegner, hätte er die Stellenausschreibung nicht auch an Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Bundesländern richten dürfen.

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Daraus folgt, dass der Antragsgegner die Antragstellerin und den Beigeladenen nicht als gleichwertig ansehen durfte. Die Durchführung eines Auswahlgesprächs war mithin rechtswidrig. Ein Rückgriff auf die durch das Auswahlgespräch gewonnen Erkenntnisse ist unzulässig (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 27.02.2019 – 2 MB 22/18 –, juris Rn. 20).

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und beträgt ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.


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