Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (2. Kammer) - 2 B 40/22

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Antragsteller vom 05.08.2022 - eingegangen bei Gericht am 08.08.2022 - „die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die seitens des Antragsgegners erteilte Baugenehmigung vom 30.09.2021 insoweit anzuordnen, als hierin im rückwärtigen (westlichen) Bereich des Vorhabengrundstücks eine Stellplatzanlage und eine zu derselben führende Zufahrt entlang der nördlichen Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstücks legalisiert werden“, ist zwar nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO statthaft, jedoch ist er wegen des Fehlens des erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

2

Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners statthaft. Der Antragsgegner macht insofern geltend, dass die Frage der Stellplätze und der Zufahrt überhaupt nicht Regelungsgegenstand der angefochtenen Baugenehmigung geworden sei. Die Antragsteller würden im Wesentlichen bauordnungsrechtliche Fragen problematisieren, die von der Bauaufsichtsbehörde gar nicht geprüft worden seien, weil es sich vorliegend um ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 69 LBO handele. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich zunächst nach dem Inhalt der Bauvorlagen, die Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens waren. Soll sich der Regelungsgehalt der Baugenehmigung nicht auf bestimmte vom Bauantragsteller zur Überprüfung durch die Baugenehmigungsbehörde gestellte Aspekte beziehen, ist es Sache der Bauaufsichtsbehörde den eingeschränkten Regelungsgehalt in der Baugenehmigung deutlich zu machen. Allein aus dem Umstand, dass im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren Vorschriften der LBO im Wesentlichen nicht geprüft werden, folgt nicht, dass Stellplätze nicht Gegenstand einer Baugenehmigung sein können, weil ihnen auch eine planungsrechtliche Komponente zukommt. Vorliegend ist es so, dass die geplanten Stellplätze von der Beigeladenen im Lageplan - nicht nur nachrichtlich - eingezeichnet worden sind. Dieser Lageplan ist von der Baugenehmigungsbehörde als Anlage zur Baugenehmigung grün gestempelt und damit zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden. Tatsächlich spielen diese Stellplätze auch bauplanungsrechtlich eine Rolle für die Berechnung der zulässigen Grundfläche. Die Beigeladene hat daher die Flächen für die Stellplätze (87,50 m²) und die Flächen für die Zuwegung (212,72 m²) auch bei der Berechnung der Grundflächenzahl GRZ und Geschossflächenzahl GFZ mit in die hierzu eingereichte Bauvorlage aufgenommen. Auch diese Bauvorlage ist vom Antragsgegner als Anlage zur Baugenehmigung grün gestempelt worden. Aus Sicht der Kammer sind daher jedenfalls die streitbefangenen Stellplätze (die Zufahrt ist im Lageplan nicht eingezeichnet) Gegenstand des Bauantrages und Regelungsgehalt der Baugenehmigung vom 30.09.2021 geworden. Dieser Bewertung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass notwendige Stellplätze mit einer Nutzfläche bis zu 50 m² je Grundstück sowie deren Zufahrten und Fahrgassen gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 14 b LBO 2016 verfahrensfreie Vorhaben sein können. Abgesehen davon, dass hier die Maximalgröße von 50 qm überschritten wird, sind solche Anlagen (wie auch die übrigen Anlagen in § 63 LBO) nur dann verfahrensfrei, wenn sie isoliert errichtet werden sollen. Es gilt der Grundsatz, dass ein als Ganzes genehmigungsbedürftiges Vorhaben nicht in genehmigungsbedürftige und genehmigungs- und verfahrensfreie Bestandteile aufgespaltet betrachtet werden darf. Werden sie – wie hier – im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang als Teil einer genehmigungspflichtigen Anlage errichtet, unterliegen sie ebenfalls der Genehmigungspflicht (Möller/Bebensee, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Kommentar § 63 Rn. 1; OVG Schleswig, Urteil vom 12.09.2019 – 1 LB 6/15). Der Umstand, dass es sich um ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 69 LBO 2016 handelt, führt lediglich dazu, dass die angefochtene Baugenehmigung keine Aussagen dazu enthält, ob die Stellplätze auch aus bauordnungsrechtlicher Sicht zulässig sind. Dies ändert aber nichts daran, dass jedenfalls die Stellplätze Regelungsgegenstand der Baugenehmigung geworden sind.

3

Gleichwohl fehlt den Antragstellern ausnahmsweise das für jedes gerichtliche Verfahren erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Gerichtliche Hilfe darf danach nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der gewünschte Erfolg nicht auf andere Weise erzielt werden kann. Vorliegend geht es den Antragstellern darum, dass die Baugenehmigung allein bezogen auf die Errichtung der geplanten Stellplätze und der Zufahrt nicht vollzogen werden darf. Dieses Ziel haben die Antragsteller aber ohnehin schon dadurch erreicht, dass insoweit noch eine vom Antragsgegner verfügte Baueinstellungsverfügung greift. Die Antragsteller würden daher durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf unabsehbare Zeit nicht bessergestellt werden. Wegen diverser Nachbarbeschwerden hat der Antragsgegner nämlich mit Verfügung vom 02.05.2022 die vollständige Einstellung der Bauarbeiten auf dem Vorhabengrundstück verfügt. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an. Nach Durchführung eines Ortstermins und der Nachreichung weiterer angeforderter Bauunterlagen wurde diese Baueinstellungsverfügung mit Schreiben vom 06.05.2022 teilweise aufgehoben. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass die endgültige Errichtung der Zufahrt sowie der Stellplätze erst nach einer entsprechenden Freigabe durch den Antragsgegner erfolgen dürfe. Der Bauherr wurde gebeten, die Bauaufsichtsbehörde über die Entwicklung mit der Nachbarschaft auf dem Laufenden zu halten. Dieser Hinweis beruhte auf den Erörterungen in einem Ortstermin vom 05.05.2022, in dem die Beigeladene erklärt hatte, dass sie sich überlegen werde, ob sie ein Schallschutzgutachten für die Stellplätze und die Zufahrt nachreiche, oder aber sich eher mit den Nachbarn in Verbindung setze und Lösungsmöglichkeiten (Schallschutzwände, Einhausung der Stellplätze usw.) erörtern wolle. Auch wenn es möglicherweise derartige Gespräche mit den Nachbarn noch nicht gegeben hat, ändert dies nichts daran, dass für die Stellplätze und die Zufahrt bereits eine unbefristete Baueinstellungsverfügung in der Welt ist. Gegenwärtig würden die Antragsteller daher durch eine gerichtliche Entscheidung nichts gewinnen. Gerichtliche Hilfe könnte später dann in Anspruch genommen werden, wenn eine entsprechende Baufreigabe durch den Antragsgegner erfolgt und die bis dahin gefundenen Lösungen zur Konfliktvermeidung von den Antragstellern als unzureichend angesehen werden.

4

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

5

Es entspricht hier nicht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sich diese nicht durch Stellung eines Sachantrages gemäß § 154 Abs. 3 VwGO am Kostenrisiko beteiligt hat.

6

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG, wobei der für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anzunehmende Wert von 15.000 € für das betroffene Einfamilienhaus wegen des nur vorläufigen Regelungscharakters des Eilverfahrens um die Hälfte reduziert worden ist.


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