Beschluss vom Verwaltungsgericht Schwerin (7. Kammer) - 7 A 651/20 SN
Tenor
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist unzulässig.
Die Streitsache wird an das Sozialgericht B-Stadt verwiesen.
Gründe
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Der Rechtsstreit ist gemäß § 17a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG – nach Anhörung der Beteiligten unter Ausspruch der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs an das zuständige Gericht zu verweisen, dessen Endentscheidung die Kostenentscheidung vorbehalten bleibt.
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Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nicht eröffnet.
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Zwar ist der Rechtsstreit um den klägerischen Antrag vom 29. Januar 2020 auf gebührenpflichtige Erteilung u. a. eines in der Bundesdruckerei zu fertigenden elektronischen Heilberufsausweises und um dessen mit Bescheid der beklagten Kammer vom Folgetag erfolgte, schließlich mit deren Widerspruchsbescheid vom 30. März 2020 bestätigte Ablehnung eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –. Indessen ist diese Streitigkeit durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen, so dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zu befassen ist.
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Bei diesem Bundesgesetz handelt es sich um § 51 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich, wenn der Gegenstand des Streits Maßnahmen betrifft, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen; hierfür kommt es darauf an, ob die Vorschriften, die zur Klärung der konkreten streitigen Rechtsfragen heranzuziehen und auszulegen sind, zumindest im Grundsatz im SGB V oder in verwandten Rechtsvorschriften geregelt sind (so Gutzeit, in: Roos/Wahrendorf, beck-online-Großkommentar SGG, 2020, Rdnr. 38 zu § 51 m. w. Nachw.). Es muss sich um Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Rechts- und Pflichtenkreis der Krankenkassen handeln, der im SGB V wurzelt (Gutzeit, a. a. O. Rdnr. 39). So werden Streitigkeiten zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern im Sinne des § 69 Abs. 1 SGB V (Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern) von den Sozialgerichten entschieden; die Zuordnung erfolgt, weil sich nach § 2 Abs. 2 SGB V die Krankenkassen der Leistungserbringer bedienen, um ihre Pflichten (in Gestalt geschuldeter Sach- oder Dienstleistungen) gegenüber den Versicherten zu erfüllen (Gutzeit, a. a. O. Rdnr. 44).
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In diesen Rechtskreis öffentlich-rechtlicher Leistungserbringung durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gehört auch der vorliegende Streit um die Bewilligung der Ausstellung eines elektronischen Heilberufsausweises. Dieser Ausweis dient neben u. a. der Beifügung qualifizierter Signaturen zu elektronischen Briefen in der vertragsärztlichen Versorgung (s. hierzu § 291f SGB V) vor allem nach näherer Maßgabe des § 291a Abs. 3 bis 5a SGB V dem Zugriff auf Daten der elektronischen Gesundheitskarte, die gemäß § 291 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch die Krankenkasse für jeden Versicherten ausgestellt wird und nach den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift dem Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie der Abrechnung mit den Leistungserbringern dient und ferner die Durchführung der Anwendungen nach § 291a Absatz 2 und 3 SGB V zu gewährleisten hat, wobei letztere nach § 291a Abs. 1 SGB V der Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der medizinischen Behandlung dienen (zu den Inhalten der in einer sog. Telematikinfrastruktur für unterschiedliche an dem Leistungsverhältnis Beteiligte zu den vorgenannten Zwecken vorzuhaltenden Informationen s. etwa auch Pitschas, Neue Zeitschrift für Sozialrecht – NZS – 2009, S. 177 ff., Paland/Holland, NZS 2016, S. 247 [248 ff.], sowie Weyd, Medizinrecht 2020, S. 183 [189 ff.]). U. a. zwecks Aktualisierung von Medikationsplänen haben sich Apotheken gemäß § 31a Abs. 3 Satz 4 in Verbindung mit Satz 3 SGB V bis zum 30. September 2020 an die Telematikinfrastruktur anzuschließen.
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Um auf diese Weise den am Versorgungsverhältnis Beteiligten eine elektronische Kommunikation innerhalb der Telematikinfrastruktur und die Nutzung und Aktualisierung der Daten der Gesundheitskarte zu ermöglichen, verpflichtet § 291a Abs. 5f SGB V die Länder, Stellen zu bestimmen, die für die Ausgabe elektronischer Heilberufsausweise und deren Sperrung zuständig sind (Satz 1 Nr. 1), und solche, die ihnen beim Nachweis der heilberuflichen Berufsausübungsberechtigung des Ausweisinhabers bzw. von deren Fortfall zuarbeiten (Satz 1 Nr. 2). Wie die unverzügliche Pflicht zur Sperrung des Ausweises (§ 291a Abs. 5f Satz 4, 2. Halbsatz, SGB V) ergibt sich der Anspruch des an der Leistungserbringung teilnehmenden Heilberuflers auf Ausstellung eines elektronischen Heilberufsausweises aus dem bundesgesetzlich in § 291a SGB V selbst geregelten Umstand, dass zur Teilnahme am Leistungsverhältnis in den geregelten Fällen die Legitimation durch einen solchen Ausweis erforderlich ist und dass ihm der der Datenzugriff kraft seiner Eigenschaft als zur heilberuflichen Berufsausübung Berechtigten zusteht.
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Im Land Mecklenburg-Vorpommern wurde der Normsetzungsauftrag des § 291a Abs. 5f SGB V (seinerzeit § 291a Abs. 5a SGB V) schließlich durch die mit Gesetz vom 17. März 2008 (GVOBl. M-V S. 106) in das Heilberufsgesetz – HeilBerG M-V – eingefügte Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 13 umgesetzt, die mit — übrigens beiden — in § 291a Abs. 5f Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V bundesgesetzlich festgelegten Aufgaben sowie mit Einzelheiten der Organisation für deren Erfüllung die heilberuflichen Kammern betraut; dabei wurde außerdem den Kammerangehörigen lediglich die gesetzliche Verpflichtung auferlegt, sich im Verfahren auf Erteilung eines Heilberufsausweises persönlich zu identifizieren und kostendeckende Gebühren zu entrichten. Weiter wurde in einem neuen § 4 Abs. 2 HeilBerG M-V den Kammern u. a. die Einbeziehung Dritter in die Aufgabenerfüllung ermöglicht (s. zu allem die Kurzbegründung im Regierungsentwurf, Landtags-Drucksache 5/788, S. 36).
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Wenn nun zwischen der Klägerin und der beklagten Kammer Streit darüber besteht, ob für die Bewilligung der Ausweiserteilung, wie die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vorschlug, die Vorlage einer Kopie ihrer Approbationsurkunde sowie eines Negativattests zur Entziehung der Approbation genügt, oder, wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung andeutet, eine (worüber sich in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen keine Anhaltspunkte finden, angeblich verweigerte) Auskunft des (vielleicht im Sinne von § 4 Abs. 2 HeilBerG M-V „einbezogenen“) Landesamts für Gesundheit und Soziales in E. als „Bestätigung“ im Sinne von § 294a Abs. 5f Satz 1 Nr. 2 SGB SV erforderlich ist, so geht es in der Sache um die Umsetzung von § 291a SGB V, nämlich um die Gewährleistung, dass nur befugte Heilberufler Zugang zu den Daten der Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur haben. Dies ist eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Denn die von der Beklagten postulierte Besonderheit beim Nachweis der Berufsausübungsberechtigung einer Apothekerin kann allenfalls in § 291a SGB V wurzeln (s. auch die stillschweigende Bejahung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten durch diese bei Angriffen gegen den notwendigen Anschluss an die Telematikinfrastruktur nicht nur von Versicherungsnehmer-, sondern auch von Leistungserbringerseite, letzteres etwa im Beschluss des Sozialgerichts München vom 22. März 2019 – S 38 KA 52/19 ER –, Zeitschrift für Datenschutz 2019, S. 327 f.).
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Für die Entscheidung ist das Sozialgericht B-Stadt nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 8 SGG sachlich und nach § 57 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 8 des Gerichtsstrukturgesetzes örtlich zuständig, da die Klägerin ihren freiberuflichen Geschäftssitz im Landkreis D. hat.
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Referenzen
- § 291a SGB V 3x (nicht zugeordnet)
- § 291a Abs. 5f Satz 4, 2. Halbsatz, SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- 38 KA 52/19 1x (nicht zugeordnet)
- § 291a Abs. 5f SGB V 2x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 2 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 31a Abs. 3 Satz 4 in Verbindung mit Satz 3 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 291a Abs. 1 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 51 1x
- § 294a Abs. 5f Satz 1 Nr. 2 SGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 291a Abs. 5a SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 291f SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 8 1x
- § 4 Abs. 2 HeilBerG 2x (nicht zugeordnet)
- § 291a Absatz 2 und 3 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 57 1x
- § 291 Abs. 1 Satz 1 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 69 Abs. 1 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 291a Abs. 5f Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 291a Abs. 3 bis 5a SGB V 1x (nicht zugeordnet)