Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - NC 6 K 701/05

Tenor

Auf die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 07.03.2006 wird dieser geändert. Die zu erstattenden Kosten werden auf 500,31 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Höhe der Festsetzung außergerichtlicher Kosten zugunsten der Antragsgegnerin im hochschulrechtlichen Zulassungsstreit.
Der Antragsteller begehrte im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, weitere Studienplätze im Studiengang Humanmedizin im Wege eines Losverfahrens unter Beteiligung des Antragstellers zu verteilen. Mit Beschluss vom 08.11.2005 verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin zur Durchführung eines solchen Losverfahrens. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit jedoch übereinstimmend für erledigt. Nach dem daraufhin ergangenen - unanfechtbaren - Einstellungsbeschluss des VGH Baden-Württemberg vom 25.01.2006 - NC 9 S 200/05 - trägt der Antragsteller die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen. Mit Beschluss vom 07.03.2006 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 674,89 Euro fest.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Erinnerung eingelegt, soweit mit der Kostenfestsetzung ein Betrag von 49,97 Euro überschritten wird. Zur Begründung nimmt er auf den Beschluss des OVG Hamburg vom 30.09.1987 - OVG Bs IV 593/87 - und auf eine vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in einer anderen Sache vertretene Verfassungsbeschwerde Bezug. Für den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin habe es sich bei allen gegen die Hochschule gerichteten Zulassungsstreitigkeiten nur um eine Angelegenheit gehandelt. Ausgehend von ca. 170 AntragstellerInnen seien die Einzelstreitwerte auf (170 x 5.000 EUR =) 850.000 EUR zu addieren. Daraus errechne sich bei einer 13/10-Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer eine Gebühr für das erstinstanzliche Verfahren von 6.124,57 EUR und für das Beschwerdeverfahren von 2.369,88 EUR, zusammen also 8.494,58 EUR. Dieser Betrag sei wiederum auf 170 Verfahren zu verteilen, sodass lediglich eine Kostenfestsetzung in Höhe von 49,97 EUR erfolgen dürfe.
Die Antragsgegnerin hat sich zur Erinnerung nicht geäußert.
II.
Die nach §§ 164, 165, 151, 147 VwGO zulässige Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 07.03.2006 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Antragsgegnerin hat für das erstinstanzliche Verfahren keinen über 302,53 EUR hinausgehenden Kostenerstattungsanspruch. Sie kann insoweit lediglich eine 8/10-Verfahrensgebühr, nicht aber die geltend gemachte 13/10-Gebühr verlangen. Nach Nr. 3101 des VV zum RVG beträgt die Gebühr aus Nr. 3100 nur 8/10, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Hier hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin bis zum Auftragsende im erstinstanzlichen Verfahren keinen Schriftsatz eingereicht und keinen Sachantrag gestellt. Der Auftrag endete hier - bezogen auf das erstinstanzliche Verfahren - spätestens am 24.11.2005, als dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin der die Instanz abschließende (vollständig abgefasste) Beschluss der Kammer vom 08.11.2005 zugestellt wurde (der Tenor der Entscheidung wurde bereits am 08.11.2005 selbst bekannt gegeben; zu den Beendigungsgründen vgl. nur Müller-Rabe, in: Gerold u.a., RVG, VV 3101, Rn 8). Bis dahin hatte sich der mit Generalvollmacht bestellte Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin nicht zum Verfahren gemeldet und lediglich ein Empfangsbekenntnis übersandt. Auch auf die nachfolgende Erledigungserklärung des Antragstellervertreters (Schriftsatz vom 29.11.2005) meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin nicht, sondern erst mit der - die zweite Instanz einleitenden - Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 08.11.2005. Ist der Prozessbevollmächtigte danach im erstinstanzlichen Verfahren nach außen nicht in Erscheinung getreten, kann die volle 13/10-Gebühr nicht beansprucht werden (vgl. wiederum nur Müller-Rabe, a.a.O., Rn 2; Keller, in: Riedel / Sußbauer, RVG, VV Teil 3 Abschn. 1, Rn 20). Für das erstinstanzliche Verfahren errechnet sich folglich ein Erstattungsanspruch von lediglich 302,53 EUR (0,8 Gebühr: 240,80 EUR zzgl. 20 EUR Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV zzgl. 16 % MwSt. gem. Nr. 7008 VV).
2. Im Übrigen entspricht die Kostenfestsetzung den §§ 13, 2 Abs. 2 RVG i.V. mit Nrn. 3100, 3101, 3500, 7002, 7008 VV.
a) Soweit der Antragstellervertreter zur Begründung der Erinnerung auf die von ihm vertretene Verfassungsbeschwerde zu grundsätzlichen Fragen der Erstattungsfähigkeit von außergerichtlichen Kosten im Kapazitätsstreit Bezug nimmt, ist auf die - ihm bekannte - bisherige Rechtsprechung der Kammer zu verweisen, wonach die Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich erstattungsfähig sind. § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt auch zu Gunsten von Behörden als Beteiligte eines Verwaltungsprozesses. Auch sie können sich im Prozess durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, dessen Gebühren und Auslagen dann erstattungsfähig sind. Im hier zu beurteilenden Fall ist davon auch keine Ausnahme zu machen (zu derartigen Konstellationen vgl. den Beschluss der Kammer vom 19.04.2006 - NC 6 K 715/05 -).
Nur in restriktiv zu behandelnden Ausnahmefällen findet trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts eine Kostenerstattung nicht statt. Dies gilt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung etwa bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten (Verstoß gegen Treu und Glauben) sowie bei einem offensichtlichen Verstoß gegen den das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, und wird von der Rechtsprechung insbesondere auch für den Fall angenommen, dass die anwaltliche Vertretung für die Partei offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen, etwa wenn die Vertretungsanzeige erst nach unstreitig eingetretener objektiver Erledigung der Hauptsache erfolgt, obwohl nur noch die Abgabe entsprechender prozessualer Erklärungen durch die Beteiligten aussteht (vgl. zum Ganzen nur: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.11.2004 - NC 9 S 411/04 -, NVwZ 2005, 838; Beschluss vom 20.12.2005 - NC 9 S 168/05 -; Beschluss vom 28.02.1991 - NC 9 S 98/90 -, NVwZ 1992, 388; Beschluss vom 29.08.1989 - NC 9 S 69/89 -, VBlBW 1990, 136; OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.08.2003 - 2 OA 117/03 -, NVwZ-RR 2004, 155; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2006 - OVG 1 K 72.05 -; VG Stuttgart, Beschluss vom 23.06.2004 - 4 K 4611/03 -, DÖV 2004, 848).
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Im hier zu beurteilenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die anwaltliche Vertretung für die Antragsgegnerin zur Gänze offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan war, dem Antragsteller als ihrem Prozessgegner Kosten zu verursachen. Es ist nicht maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit, ob der Prozessgegner oder das Gericht die Beauftragung oder Tätigkeit des bevollmächtigten Anwalts für nutzlos halten, sondern ob sie für die von ihm vertretene Partei von Nutzen ist. Letzteres wird zur Vermeidung eines unangemessenen und vom Gesetz für den Regelfall nicht vorgesehenen Eindringens in das Vertretungsverhältnis vermutet und kann nur dann zur Verhinderung einer rechtsmissbräuchlichen Kostenverursachung verneint werden, wenn nach den äußeren Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem Stand des Streitverfahrens, das Gegenteil offen zutage tritt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.12.1996 - 9 S 2801/96 - m.w.N.).
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Anders als in der im Beschluss vom 19.04.2006 - NC 6 K 715/05 - von der Kammer zu beurteilenden Konstellation ist der mit Generalvollmacht allgemein bestellte Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hier zu Recht und keinesfalls treuwidrig für die Universität tätig geworden, auch wenn sich seine Tätigkeit nicht nach außen gezeigt hat. Die Kammer hält eine anwaltliche Vertretung der Hochschule in Eilverfahren - von besonderen Fallkonstellationen abgesehen - nicht für missbräuchlich. Hier kommt hinzu, dass der Berichterstatter die Antragsgegnerin mit der Eingangsverfügung aufgefordert hat, zum Eilantrag umgehend Stellung zu nehmen, sodass ein - auch anwaltliches - Tätigwerden erforderlich erscheinen durfte.
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b) Soweit der Antragstellervertreter weiter geltend macht, es habe sich bei allen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Zulassungsstreitigkeiten um dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne gehandelt, sodass die Einzelstreitwerte der Verfahren zu einem Gesamtstreitwert zu addieren seien, aus dem die - anteilig auf alle beteiligten AntragstellerInnen zu verteilende - Gebühr des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu errechnen sei, kann dem nicht gefolgt werden.
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Die Gebühren des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin wurden zu Recht aus dem festgesetzten (Einzel-)Streitwert von 5.000 Euro berechnet, nach dem sich gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 RVG auch der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bestimmt. Die Regelung des § 32 Abs. 1 RVG ist abschließend, für eine extra legem vorzunehmende Bildung eines Gesamtgegenstandswerts ist daneben kein Raum. Werden die für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Werte gerichtlich festgesetzt - hier durch den (nicht angefochtenen und damit zwischenzeitlich rechtskräftigen) Streitwertbeschluss der Kammer im Beschluss vom 08.11.2005 bzw. durch den (unanfechtbaren) Streitwertbeschluss des VGH Baden-Württemberg vom 25.01.2006 nach § 63 Abs. 2 GKG -, so sind diese Festsetzungen auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Soweit der Antragstellervertreter mit der Streitwertfestsetzung als Bemessungsgrundlage auch für die anwaltlichen Gebühren nicht einverstanden ist, wäre statthaftes Rechtsmittel für das Begehren nach einem zusammenfassenden Gesamtstreitwertbeschluss die Streitwertbeschwerde gewesen (so auch VG München, Beschluss vom 22.07.2002 - M 2 K 97.3324 -; explizit hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 19.12.2001 - 1 BvR 814/01 -, NVwZ-RR 2002, 389), deren Erfolgsaussichten hier nicht zu beurteilen sind (vgl. dazu aber VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.05.2006 - 1 S 2525/05 -). Warum ausnahmsweise im Rahmen der Erstattung außergerichtlicher (Anwalts-)Kosten - entgegen § 32 Abs. 1 RVG - zwischen Streitwert und Gegenstandswert differenziert und insoweit abweichende Werte zugrunde gelegt werden sollten, leuchtet nicht ein, nachdem das Gericht von sämtlichen Antragstellern der Parallelverfahren - und im Übrigen auch vom Antragsteller selbst - Zahlungen auf der Grundlage des Einzelstreitwerts verlangt hat.
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Selbst wenn man die Bildung eines Gesamtgegenstandwerts nicht schon aus den vorstehenden Erwägungen für ausgeschlossen halten wollte, führte der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin diese auch in Verfahren anderer AntragstellerInnen auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester vertreten hat, nicht dazu, dass die Vergütung aus der Gesamtsumme der Streitwerte dieser Verfahren zu ermitteln und anteilig auf die Verfahren umzulegen wäre (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.04.2006 - NC 9 S 16/06 -; VG Freiburg, Beschluss vom 04.01.2006 - NC 6 K 1958/04 -). Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit zwar nur einmal fordern, und gemäß § 22 Abs. 1 RVG werden in derselben Angelegenheit die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin in den anderen Verfahren betraf jedoch nicht dieselbe Angelegenheit.
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Der Begriff der Angelegenheit ist im RVG beispielsweise in den §§ 16 bis 18 erwähnt, nicht jedoch definiert (vgl. Mader, in: Gerold u.a., RVG, § 15, Rn 5). Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft, das der Rechtsanwalt auftragsgemäß für seinen bzw. seine Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt nach Maßgabe des zugrunde liegenden Auftrags, der die Richtschnur anwaltlichen Handelns bildet, den Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt. Die Angelegenheit ist jedoch nicht notwendig identisch mit dem Gegenstand des Auftrags. Gegenstand der Angelegenheit ist das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts aufgrund des Auftrags bezieht. Ebenso wie ein einheitlicher Auftrag mehrere Angelegenheiten umfassen kann, können mehrere Aufträge (verschiedener Auftraggeber) ein und dieselbe Angelegenheit betreffen, obwohl sie verschiedene Gegenstände zum Inhalt haben. Ob mehrere Gegenstände dieselbe oder mehrere Angelegenheiten darstellen, hängt davon ab, ob sie von einem einheitlichen Auftrag umfasst werden, zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahrt (hierzu und zum Nachstehenden: BVerwG, Urteil vom 09.05.2000 - 11 C 1.99 -, NJW 2000, 2289 m.w.N.). Soweit danach auf den zuletzt genannten „einheitlichen Tätigkeitsrahmen“ des Rechtsanwalts abzustellen ist, liegt dem der Gedanke zugrunde, dass der Rechtsanwalt mehrere Gegenstände durch eine gleichgerichtete Vorgehensweise bearbeitet, die - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - wegen des verringerten Arbeitsaufwandes auch gebührenrechtliche Konsequenzen rechtfertigt. Dabei ist nicht bereits deshalb zwingend die Annahme derselben Angelegenheit ausgeschlossen, weil die Kammer die unterschiedlichen auf Zulassung zum Studium gerichteten Verfahren nicht gemäß § 93 VwGO verbunden hat. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (a.a.O.) kommt die Annahme „derselben Angelegenheit“ vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht, die sich beispielsweise daraus ergeben, dass dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, sodass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten ergehen können. Andererseits handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten, wenn der Rechtsanwalt (auf Klägerseite) auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jeweiligen Verwaltungsakte vorträgt oder nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten hat.
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Die konkrete Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin nach den Maßgaben des zugrunde liegenden Mandats richtete sich jedoch auf eine individuelle Prüfung eines jeden Verfahrens und auf anschließenden - erforderlichenfalls - gesonderten und konkreten Vortrag, wobei das Gericht nicht zu beurteilen hat, inwieweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin tatsächlich in jedem einzelnen Verfahren eine Prüfung des jeweiligen Antragstellervortrags bzw. der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen vorgenommen hat.
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Dies folgt im auf vorläufige Zulassung zum Studium gerichteten Eilverfahren bereits daraus, dass neben der Frage der Kapazitätsausschöpfung durch die festgesetzte und vergebene Zahl an Studienplätzen auch individuell zu prüfen ist, ob ein/e BewerberIn persönlich die Voraussetzungen für eine Zulassung zum Studium erfüllt. Zu prüfen ist dabei beispielsweise konkret die Hochschulzugangsberechtigung nach § 58 Abs. 2 LHG bzw. bei ausländischen Bildungsnachweisen nach § 58 Abs. 3 LHG und damit zusammenhängend die Staatsangehörigkeit des/r BewerberIn (Deutsche/r, EG-InländerIn, AusländerIn - ggf. mit Privilegierung nach Assoziationsabkommen) oder aber auch mitunter die Frage, ob ein/e BewerberIn bereits ein Erststudium absolviert hat oder bereits vorläufig oder endgültig im begehrten - oder ggf. einem verwandten - Studiengang anderweitig zugelassen ist. Hinzu kommt die individuelle Prüfung der Frage, ob ein/e AntragstellerIn die Frist zur Bewerbung bei der Hochschule nach § 24 i.V. mit § 3 Abs. 2 ZVS-VergabeVO gewahrt hat, die im hier streitigen Zulassungsturnus zum Wintersemester 2005/2006 eine noch intensivere Einzelfallprüfung erfordert hat, weil die ZVS-VergabeVO erstmals zwischen sog. „Altabiturienten“ und „Neuabiturienten“ differenziert und für diese beiden Gruppen unterschiedliche Ausschlussfristen normiert hat. Berücksichtigt man weiter, dass zahlreiche AntragstellerInnen in den jeweiligen Eilverfahren höchst unterschiedliche Anträge stellen - z.T. gerichtet auf direkte Zulassung zum Studium, z.T. gerichtet auf die (ggf. isolierte) Durchführung eines Losverfahrens, letzteres mitunter auch unter Angabe einer konkreten Zahl von Studienplätzen oder ausgerichtet an einer von der festgesetzten Zulassungszahl abgeleiteten Quote, z.T. gerichtet auf unterschiedliche Fachsemester und nur hilfsweise auf das erste Fachsemester, z.T. beschränkt auf bestimmte Studienabschnitte (zu den unterschiedlichen Antragsfassungen und ihrer rechtlichen Bewertung vgl. im Übrigen ausführlich die Darlegungen im Beschluss vom 08.11.2005) -, so wird unmittelbar deutlich, dass - von hier nicht bedeutsamen Ausnahmen abgesehen - eine individuelle Betrachtung eines jeden Verfahrens zur angemessenen Rechtsverteidigung erforderlich ist. In Anbetracht dessen können in jedem einzelnen Verfahren beachtliche Besonderheiten bestehen, die eine Gleichbehandlung aller Verfahren nicht erlauben. Inwieweit das Ergebnis dieser jeweiligen Einzelfallprüfung tatsächlich seinen Niederschlag in den vom Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin eingereichten Schriftsätzen findet, ist dabei ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass nicht allein die - in allen Verfahren gleichgerichtete - materiellrechtliche Verteidigung der Kapazitätsberechnung Gegenstand des Auftrags für den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin war, sondern zusätzlich die Bearbeitung eines jeden Verfahrens in formeller Hinsicht. Dabei hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin - wie dargelegt - „nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BVerwG zu beachten.
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Im Übrigen weist die Kammer ergänzend darauf hin, dass der Antragstellervertreter in zahlreichen an das Gericht generell oder zu anderen Verfahren übersandten Schriftsätzen u.a. unter Berufung auf die Rechtsprechung des VG Gera und des VG Halle die Auffassung vertritt, ein jeder Antragsteller habe im Kapazitätsstreit im Rahmen der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs nach § 123 VwGO inhaltlichen Sachvortrag vorzubringen und sei andernfalls seitens des Gerichts mittels der Bestimmung des § 87 b VwGO mit weiterem Vorbringen zu präkludieren bzw. an der Vergabe ggf. aufgedeckter Studienplätzen nicht zu beteiligen. Die Kehrseite dieser - nicht von vorneherein abwegigen - Rechtsauffassung wäre aber, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin umso mehr auf den jeweiligen Vortrag der Antragstellerseite bzw. des jeweiligen Prozessbevollmächtigten einlassen müsste (so auch in ähnlichem Zusammenhang - im Rahmen einer Baunachbarklage - OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.03.2001 - 10 E 84/01 -, BauR 2001, 1402; zu Kurszulassungsstreitverfahren VG Sigmaringen, Beschluss vom 15.05.2006 - 1 K 2252/05 -). Folglich wäre es zumindest ausgeschlossen anzunehmen, es handele sich bei allen auf Zulassung zu einem bestimmten Studiengang in einem bestimmten Fachsemester gerichteten Eilverfahren um „dieselbe Angelegenheit“; insoweit könnten allenfalls die Verfahren des jeweiligen Antragstellervertreters zu „einer Angelegenheit“ zusammengefasst werden (was für den Antragstellervertreter zu höchstens 51 Verfahren „dieselbe Angelegenheit“ betreffend führen würde).
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Die Rechtsprechung des OVG Hamburg (Beschluss vom 30.09.1987 - OVG Bs IV 593/87 -, HmbJVBl. 1988, 47; ähnlich - ebenfalls in Einzelfallentscheidungen aus verschiedenen Sachgebieten „eine Angelegenheit“ annehmend -: OVG Bremen, Beschluss vom 04.04.2001 - 1 S 80/01 -, NordÖR 2001, 464 Ls., zum Hochschulzulassungsrecht; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.07.2005 - 15 E 424/05 -, NVwZ-RR 2006, 437 und VG Würzburg, Urteil vom 08.05.2002 - W 2 K 00.1430 zum Beitragsrecht; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.07.2002 - 8 S 1520/02 -, NVwZ-RR 2003, 159 zur beabsichtigten Verhinderung eines Bauvorhabens durch mehrere Beigeladene; LAG Berlin, Beschluss vom 27.04.2006 - 17 Ta (Kost) 6012/06 -, NJW 2006, 1998 Ls.), auf die sich der Antragstellervertreter beruft, steht der Annahme verschiedener Angelegenheiten nicht entgegen (so zwischenzeitlich auch das VG Hamburg, Beschluss vom 05.05.2006 - 12A ZE 2890/04 -). Dabei handelt es sich - wie auch bei den weiteren zitierten Entscheidungen - um eine nicht unmittelbar vergleichbare Einzelfallentscheidung, bei der auch keine anwaltliche Vertretung gerade der Beklagten- bzw. Antragsgegnerseite in mehreren Verfahren in Rede stand. Im rechtlichen Ausgangspunkt stimmt die Kammer mit den Prämissen des OVG Hamburg überein. Lediglich die konkrete Subsumtion führt hier - wie dargelegt - dazu, dass die Vorgabe eines gleichgerichtetes Vorgehens des Prozessbevollmächtigten in allen Verfahren gerade nicht angenommen werden kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

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