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| Die Antragsteller wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. |
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| Die Beigeladene plant die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft für die Unterbringung von 104 Bewohnern. |
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| Die Beigeladene ist Eigentümerin der Grundstücke Flst. Nr. 5173 und Flst. Nr. 5174, Am S. xx, Gemarkung Ü.. Das Bauvorhaben soll auf Flst. Nr. xx (im Folgenden: Vorhabengrundstück) errichtet werden. Es soll über das angrenzende Flst. Nr. xx erschlossen werden. Auf dem südöstlichen Teil des Vorhabengrundstücks und auf Flst. Nr. xx befindet sich der M. Kindergarten. Alle drei Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Schättlisberg 2. Teiländerung C Straße am Schättlisberg“ vom 14.07.2006 (im Folgenden: Bebauungsplan). Für das Vorhabengrundstück und das Flst. Nr. xx setzt der Bebauungsplan eine Fläche für den Gemeinbedarf fest, hinsichtlich des Vorhabengrundstücks mit der Zweckbestimmung Grundschule und Sporthalle, hinsichtlich des Flst. Nr. xx mit der Zweckbestimmung Kindergarten. |
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| Das Bauvorhaben soll aus zwei Gebäudeeinheiten bestehen, die im westlichen Teil des Vorhabengrundstücks entstehen sollen und in denen Wohngruppen für jeweils fünf bis sechs Bewohner vorgesehen sind. Die maximalen Maße eines Gebäudeteils sollen 36,55 m auf 16,20 m betragen. Zwischen den beiden Gebäudeteilen soll ein Innenhof angelegt werden, in dem sich ein Sandkasten mit Bänken umringt von Bäumen befinden soll. Die beiden Gebäudeeinheiten sollen neben Wohneinheiten auch Küchen für die Bewohner sowie Gemeinschaftsräume enthalten. Im zweiten Stock der beiden Häuser sollen sich auch jeweils Büroeinheiten befinden. Die Einfahrt soll sich nach den Lageplänen am nördlichen Rand der südwestlichen Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstücks befinden. In der Baugenehmigung sind 7 KfZ-Stellplätze für Bewohner sowie fünf weitere KfZ-Stellplätze für Besucher vorgesehen, die sich an der westlichen Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstücks befinden sollen. Es sind 52 Fahrrad-Stellplätze vorgesehen, von denen sich 25 südöstlich von der Grundstückseinfahrt und 27 am nördlichen Rand der nordwestlichen Grundstücksgrenze befinden sollen. |
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| Der Antragsteller Ziff. 1 ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst. Nr. xx, Am S. xx, Gemarkung Ü. Die verheirateten Antragsteller Ziff. 2 und 3 sind Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst. Nr. xx, C.-L.-Straße xx, Gemarkung Ü. Der Antragsteller Ziff. 4 ist Eigentümer des – ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten – Grundstücks Flst. Nr. xx, Am S. xx, Gemarkung Ü. Auch die Grundstücke der Antragsteller liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans, der dort jeweils ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. |
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| Keines der Grundstücke der Antragsteller grenzt unmittelbar an das Vorhabengrundstück an. Das Grundstück des Antragstellers Ziff. 1 wird durch das ca. 16 Meter breite Flst. Nr. xx vom Vorhabengrundstück getrennt, das Grundstück des Antragstellers Ziff. 4 durch die Straße „Am S.“. Zwischen dem Grundstück der Antragsteller Ziff. 3 und 4 und dem Vorhabengrundstück liegen mehrere bebaute Grundstücke. Allein in den vom Vorhabengrundstück aus nordwestlich und nordöstlich liegenden Mehrfamilienhäusern leben bereits etwa 170 Personen in unmittelbarer Umgebung des Vorhabens. Zur Veranschaulichung wird auf die nachfolgende Skizze verwiesen (das Vorhabengrundstück ist rot markiert, das Grundstück des Antragstellers Ziff. 1 blau, das des Antragstellers Ziff. 4 lila und das der Antragsteller Ziff. 2, 3 gelb): |
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| Im Textteil des Bebauungsplans wird unter 2.2 festgesetzt, dass die überbaubaren Grundstücksflächen durch die Baugrenzen festgesetzt werden und in 5.0, dass Stellplätze, Garagen und Carports innerhalb der Baufenster zulässig sind. Nach 8.0 sind bauliche Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO innerhalb der Bauflächen zulässig. Unter „Begründung – Inhalt“, dort näher unter „1. Planungsrechtliche Festsetzungen“ wird unter „2. Planungserfordernis + Planungsziele“ wird u. a. ausgeführt: „Das Plangebiet stellt gemeinsam mit dem angrenzenden Bebauungsplangebiet „Nördlicher Amann“ die flächenmäßig bedeutendste Baulandreserve der Stadt Ü. dar. […] Im Plangebiet ist außerdem der Bau eines Kindergartens und einer Grundschule mit Erweiterungsoptionen vorgesehen. Diese Infrastruktureinrichtungen dienen nicht nur dem Plangebiet, sondern auch den angrenzenden Wohngebieten. Für die Schule wurde bereits ein Architekturwettbewerb durchgeführt, dessen Ergebnis dem Bebauungsplan zugrunde liegt. Weiterhin sollen öffentliche Freiflächen (Spielplatz, öffentliche Grünflächen) ausgewiesen und planungsrechtlich gesichert werden.“ Unter „5. Planung“ heißt es unter „5.5 Bebauung“: „Das Plangebiet ist Nahtstelle zu verschiedenen vorhandenen bzw. im Bau befindlichen Wohnquartieren, die die jeweilige städtebauliche und architektonische Auffassung widerspiegeln. Aufgabe der vorliegenden Planung ist es, diese Wohngebiete zu einem vielfältig erlebbaren Stadtraum zusammenzufügen, ohne allzu große Brüche in Architektur und Gestaltung aufkommen zu lassen. Grundsätzlich gilt, dass im gesamten Plangebiet eine mindestens zweigeschossige Bebauung zulässig ist. Die Fortführung der teilweise im Bestand vorhandenen eingeschossigen Bebauung erscheint unter dem Gesichtspunkt des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden als nicht mehr vertretbar.“ |
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| Das gegenständliche Bauvorhaben hat folgende Vorgeschichte: mit Schreiben vom 05.12.2016 beantragte die Beigeladene die Erteilung eines Bauvorbescheids für das Vorhaben „Anschlussunterkunft zur Flüchtlingsunterbringung am S.“. Mit dem Bauvorbescheid sollte darüber entschieden werden, ob die geplante Flüchtlingsunterkunft unter Erteilung einer Befreiung von der durch den Bebauungsplan festgeschriebenen Nutzung für maximal zehn Jahre für maximal 104 Bewohner bauplanungsrechtlich zulässig ist. Die Antragsteller machten im Nachbarbeteiligungsverfahrungen allesamt Einwendungen geltend. |
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| Am 26.07.2017 erteilte das Regierungspräsidium Tübingen den beantragten Bauvorbescheid unter Zurückweisung der von den Antragstellern erhobenen Einwendungen. Die Zulässigkeit der Wohnnutzung (Anschlussunterbringung) unter Abweichung der Nutzung vom Bebauungsplan und die Genehmigungsfähigkeit der Flüchtlingsunterkunft als Anschlussunterbringung wurden dahingehend begründet, dass eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB möglich sei, da die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden ebenfalls eine Gemeinbedarfsnutzung darstelle, die im vorliegenden Fall zudem auf die Dauer von maximal zehn Jahren befristet sei. Die Grundzüge der Planung seien somit nicht berührt. Zugleich erforderten Gründe des Allgemeinwohls, hier der Bedarf zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden, die Befreiung. Wie sich aus § 246 Abs. 8 bis 17 BauGB ergebe, gehe der Gesetzgeber davon aus, dass in den nächsten Jahren mit einem hohen Bedarf der Unterbringung von Flüchtlingen zu rechnen sei und somit die Notwendigkeit bestehe, vorausschauend Unterkünfte zu realisieren. Die gesellschaftspolitische Aufgabe der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylbegehrenden stelle einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der auch unter Würdigung eventuell gegenläufiger nachbarlicher Interessen über die privaten Belange einzelner Angrenzer zu stellen sei. Zur Zulässigkeit der Bebauung für maximal 104 Bewohner wurde ausgeführt, dass durch die Festsetzung als Gemeinbedarfsfläche mit Zweckbestimmung „Sporthalle, Grundschule und Kindergarten“ für das Vorhabengrundstück bereits eine Vorbelastung bestehe. Bei der genehmigten Nutzung handle es sich nicht um eine mit einem allgemeinen Wohngebiet per se unvereinbare Nutzung. Die geplante Flüchtlingsunterkunft sei mit den geplanten Wohngruppen auf eine relativ selbstständige Lebensführung ausgelegt (soziale Anlage mit wohnähnlichem Charakter). Die konkrete Planung der Unterkunft (Zimmergröße / -belegung) lasse eine hinreichende Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises zu. Der Baurechtsbehörde obliege es nicht, Regelungen hinsichtlich der Art der Belegung und Betreuung vorzuschreiben. Mit Blick auf das Störpotential und den wohnähnlichen Charakter der Flüchtlingsunterkunft seien bodenrechtliche Spannungen nicht zu erwarten. Die vorgesehene Nutzung sei gebietsverträglich. Im Hinblick auf die Bewohnerzahl der direkt angrenzenden Wohnbebauungen mit ca. 170 Bewohnern sei die Unterbringung von bis zu 104 Flüchtlingen bzw. Asylbegehrenden auch nicht unverhältnismäßig bzw. rücksichtslos. Die Zurückweisung der Einwendungen hinsichtlich der baulichen Nutzung und der intensiven Belegung wurde dadurch begründet, dass die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich nicht nachbarschützend seien und sich dem Bebauungsplan nicht entnehmen lasse, dass dies im vorliegenden Fall anders sein solle. Im Übrigen setze der Bebauungsplan maximal zwei Vollgeschosse fest und das Vorhaben entspreche dieser Festsetzung. Der Bebauungsplan sehe sogar vor, dass eine eingeschossige Bebauung unter dem Gesichtspunkt des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden als nicht mehr vertretbar angesehen werde. Bezüglich einer Zunahme des Verkehrs und einer Verschlechterung der Erschließungssituation wird darauf hingewiesen, dass die Frage der gesicherten Erschließung nicht nachbarschützend sei, da das Gebot der Rücksichtnahme nicht die Erschließung des Baugrundstücks zum Gegenstand habe. Eine Ausnahme sei zu machen, wenn durch die mangelhafte Erschließung eines Baugrundstücks auch die Erschließung anderer Grundstücke erheblich beeinträchtigt werde. Davon könne aufgrund des pauschalen Vortrags der Einwender nicht ausgegangen werden. Im Zusammenhang mit dem Zu- und Abfahrtsverkehr zu dem Bauvorhaben seien keine unzumutbaren Mehrbelastungen feststellbar. Hinsichtlich einer Lärmbelästigung seien die von dem geplanten Bauvorhaben ausgehenden Geräuschimmissionen für die Nachbarn nicht unzumutbar. Bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handle es sich um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, auch wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten der Flüchtlinge und Asylbegehrenden von denen der Ortsansässigen gegebenenfalls abhöben und es sich bei der Unterkunft nicht um eine Wohnnutzung im engeren Sinne handle, sondern vielmehr um eine Anlage für soziale Zwecke. Das Bauplanungsrecht gewähre keinen Milieuschutz und entstehende soziale Konflikte seien mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu lösen. Die Frage, ob Alternativstandorte gegeben seien, gehöre nicht zum Prüfungsumfang im Genehmigungsverfahren des Bauvorbescheids oder der Baugenehmigung. Auch das Gebot der Rücksichtnahme verleihe dem Nachbarn kein Recht, den Bauherrn auf Alternativstandorte zu verweisen. Der Gebietserhaltungsanspruch greife nur innerhalb desselben Baugebiets und nicht in planübergreifender Weise. Das Vorhabengrundstück und die Grundstücke der Einwender befänden sich zwar im Geltungsbereich desselben Bebauungsplanes, nicht aber innerhalb des gleichen Baugebiets. Darüber hinaus seien auch in einem allgemeinen Wohngebiet Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig, zu denen eine Flüchtlingsunterkunft gehöre. Die Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB könne erteilt werden, da wie ausgeführt keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt würden. Eine Änderung des Bebauungsplans sei nicht notwendig, da der Bebauungsplan nach Rückbau der Flüchtlingsunterkunft wieder vollständig umgesetzt werden könne. |
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| Dagegen erhoben die Antragsteller am 29.08.2017 unter dem Aktenzeichen 7 K 6773/17 Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Über diese Klage wurde bislang nicht entschieden. |
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| Mit Antrag vom 19.09.2017 beantragte die Beigeladene unter Bezugnahme auf den bereits erteilten Bauvorbescheid die Erteilung einer Baugenehmigung zur Neuerrichtung einer „Anlage zum Wohnen“. |
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| Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens wurden die Antragsteller als Angrenzer benachrichtigt, die Benachrichtigung wurde den Antragstellern Ziff. 1 bis 3 am 08.11.2017 und dem Antragsteller Ziff. 4 am 11.11.2017 zugestellt. Mit Schreiben vom 06.12.2017 erhoben die Antragsteller, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, gemeinsam Einwendungen und führten im Wesentlichen aus, dass die im Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück festgesetzte Fläche für den Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung Schule, Kindergarten der entsprechenden Versorgung des Baugebiets insgesamt diene. Die Festsetzung und Zweckbestimmung der Fläche des Vorhabengrundstücks begründe einen Gebietserhaltungsanspruch, mit dem das geplante Vorhaben nicht vereinbar sei. In dem durch mehrfache Teiländerungen und Erweiterungen als Wohngebiet erheblich ausgeweiteten Gebiet bestünde auch ein Bedarf an öffentlichen Einrichtungen, insb. an einer Schule, der im Falle der Verwirklichung des Bauvorhabens auf Dauer nicht mehr erfüllt werden könne. Bedarf für eine Schule bestehe insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf dem unmittelbar angrenzenden Areal um den Hildegardring 150 Mietwohnungen durch private Investoren errichtet werden sollten. Ihr Interesse an der entsprechenden baulichen Nutzung des Plangebiets werde auch durch das Rücksichtnahmegebot geschützt, das durch die Verwirklichung des Vorhabens ebenfalls verletzt würde. Ohne eine Änderung des Bebauungsplans sei das Bauvorhaben nicht zulässig. Im Rahmen einer Änderung des Bebauungsplans könne das Vorhabengrundstück auch als Fläche für die Unterbringung einer Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende ausgewiesen werden. Dieses Vorgehen würde auch dem Erfordernis einer hinreichend konkreten Zweckbestimmung gerecht, was bei der vorliegenden Festsetzung im Hinblick auf das Bauvorhaben nicht der Fall sei. Es könne auch keine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB oder § 246 Abs. 12 BauGB erteilt werden, da die Befreiung aufgrund der Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs und des Gebots der Rücksichtnahme unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar sei. Die vorgesehene Belegungszahl von maximal 104 Bewohnern sei zudem gebietsunverträglich und verletze auch insoweit das Gebot der Rücksichtnahme. Der Bebauungsplan sehe lediglich Geschosswohnungsbau, kleinere Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser und freistehende Einzel- und Doppelhäuser vor, was das geplante Bauvorhaben in seinem Umfang überschreite. Zudem herrschten bereits jetzt im planungsrechtlich relevanten Gebiet um das Vorhabegrundstück chaotische verkehrliche Zustände, die durch die Zulassung des Vorhabens weiter verschlechtert würden. Zudem gebe es Alternativstandorte, die für das geplante Vorhaben weit besser geeignet seien bzw. eine ausreichende Untersuchung auf Alternativstandorte sei noch nicht durchgeführt worden. Besser geeignet sei insbesondere ein Grundstück am Rande des Gewerbegebiets Oberried. Für diesen Alternativstandort hätten sich auch die Verwaltung der Stadt Ü. sowie ein erheblicher Teil des Gemeinderats ausgesprochen. Da ein geeigneterer Alternativstandort bestehe, stelle sich das Bauvorhaben in seiner Dimension auch als unverhältnismäßig dar. Die Anschlussunterbringung sei zudem zur Ermöglichung einer bestmöglichen Integration in kleinen, dezentralen Einheiten zu bewerkstelligen, nicht in einer kasernenartigen Haltung von mehr als 100 Personen. Das Bauvorhaben überschreite zudem zum Teil die bestehenden Baugrenzen. Da die Stellplätze sowie die Zufahrt zum Bauvorhaben den in unmittelbarer Nähe befindlichen Häusern zugewandt seien, seien Lärmschutzuntersuchungen notwendig im Hinblick auf Störungen der Nachtruhe und Einhaltung von Richtwerten. |
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| Mit Bescheid vom 30.05.2018 – den Antragstellern zugestellt am 04.06.2018 - hat das Regierungspräsidium Tübingen die beantragte Baugenehmigung erteilt. Bezüglich der Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung und ihrer Begründung wird auf den Bauvorbescheid vom 26.07.2017 verwiesen. Darüber hinaus wird gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BauGB wegen der Stellplätze (KfZ-Stellplätze und überdachte Fahrradstellplätze), die teilweise außerhalb des Baufensters liegen, eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt. Zur Zurückweisung der im Rahmen der Nachbarbeteiligung geltend gemachten Einwendung, dass sich die Gebäude zum Teil außerhalb nachbardrittschützender Baugrenzen lägen, wurde ausgeführt, dass auf den nichtüberbaubaren Grundstücksflächen gemäß dem Bebauungsplan bauliche Nebenanlagen innerhalb der Bauflächen zulässig seien. Zudem seien im Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück keine weiteren Einschränkungen für Flächen auf den Baufeldern für Nebenanlagen und Stellplätze getroffen. Außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen seien die geplanten Nebengebäude für Müll/Fahrräder entlang der südwestlichen Grundstücksgrenze und für Fahrräder entlang der nordwestlichen Grundstücksgrenze zulässig. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot sei somit nicht erkennbar. Die Zurückweisung des Einwands, dass es aufgrund der Einfahrt und der Stellplätze zu einer Störung der Nachtruhe kommen könnte und dass diesbezüglich Lärmschutzuntersuchungen notwendig seien, wird damit begründet, dass hinsichtlich der Lage der Stellplätze (Fahrrad und KfZ) und der Zufahrt die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB vorlägen. Dabei wird als nächstgelegenes Gebäude u.a. explizit auf das Wohngebäude des Antragstellers Ziff. 1 abgestellt. Der Mindestabstand zu den nächstgelegenen Gebäuden betrage mindestens 20 Meter. Lärmbelästigungen seien durch die Nutzung der KfZ-Stellplätze nicht zu erwarten. Hinsichtlich der notwendigen Stellplätze sei in einer von Wohnbebauung geprägten Umgebung regelmäßig davon auszugehen, dass dies nicht der Fall sei. Hinsichtlich der zusätzlichen Stellplätze könne aufgrund der deutlichen Abstände zu dem nächstgelegenen Wohnhaus (23 m) eine unzumutbare Lärmbelästigung nicht angenommen werden. Hinsichtlich der Einwendungen, die bereits im Rahmen des Bauvorbescheids berücksichtigt worden seien, wird auf den Bauvorbescheid vom 26.07.2017 verwiesen. |
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| Dagegen haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Sigmaringen am 04.07.2018 unter dem Aktenzeichen 7 K 4173/18 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. In der Begründung der Klage wird das Vorbringen im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen weiter vertieft. Durch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB dürfe eine Planänderung nicht ersetzt werden, wenn die Grundzüge der Planung berührt würden. Öffentliche Belange im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB seien auch § 1 Abs. 6 Nr. 2 und Nr. 3 BauGB. Das Vorhabengrundstück stelle nach den Ausführungen im Bebauungsplan die bedeutendste Baulandreserve im Plangebiet dar und fungiere als Nahtstelle zu den bereits vorhandenen Wohnquartieren. Aufgrund konzeptioneller Wechselbezüglichkeit der festgesetzten Gemeinbedarfsflächen zu den benachbarten Wohngebieten stünde den Antragstellern auch ein baugebietsübergreifender, plangebietsinterner Gebietserhaltungsanspruch zu. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein plangebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch bestehen könne. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei, dass sich dem Bebauungsplan entnehmen lasse, dass auch ein plangebietsexternes Grundstück in das nachbarliche Austauschverhältnis einbezogen werden solle. Vorliegend befänden sich die Grundstücke der Antragsteller zwar nicht im selben Baugebiet, aber im selben Plangebiet. Daher gälten die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen nur in abgeschwächter Form und seien aufgrund des o.g. Inhalts des Bebauungsplans vorliegend erfüllt. Im Kindergartenbedarfsplan 2017/2018, der vom Gemeinderat Ü. beschlossen worden sei, sei zudem der Neubau einer weiteren Kindertagesstätte auf dem S. beschlossen worden. Dies zeige, dass – entgegen der Ausführungen der Beigeladenen im Verfahren 7 K 6773/17 sehr wohl Bedarf nach Flächen für den Bau einer Kindertagesstätte bestehe. Zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme sei zu ergänzen, dass im Plangebiet aktuell nur 157 gemeldete Anwohner lebten. Im Hinblick auf die 104 Untergebrachten werde das gesamte soziale Gefüge im Plangebiet aus den Fugen geraten und es werde zu einem nicht mehr zumutbaren sozialen Gefälle sowie zu bodenrechtlich beachtlichen Spannungen kommen. Hinsichtlich der Begründung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nehmen die Antragsteller Bezug auf die Begründung der zeitgleich erhobenen Klage. |
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| Die Antragsteller beantragen sinngemäß, |
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| die aufschiebende Wirkung der Klage vom 04.07.2018 gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 30.05.2018 anzuordnen. |
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| Der Antragsgegner beantragt, |
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| Der Antragsgegner vertieft und wiederholt dabei weitgehend die Argumentation aus dem angegriffenen Bescheid. Darüber hinausgehend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich der Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung „Sporthalle, Grundschule, Kindergarten“ nicht um eine dem Nachbarschutz dienende Festsetzung handle, sondern diese Festsetzung diene allein dem von Seiten der Gemeinde Überlingen prognostizierten Erweiterungsbedarf für solche Einrichtungen. Durch die auf 10 Jahre befristete Befreiung seien zudem die Grundzüge der Planung nicht berührt. Es werde von den Antragsstellern nicht dargestellt, dass eigene Kinder aufgrund des Bauvorhabens keinen Betreuungsplatz bekommen würden. Die Antragsteller führten nicht aus, inwiefern die Nutzung ihres Wohnungseigentums durch das geplante Bauvorhaben rücksichtslos eingeschränkt würde. |
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| Die Beigeladene beantragt, |
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| Zur Begründung führt die Beigeladene im Wesentlichen aus, dass bei der Planung des Bauvorhabens im Besonderen Rücksicht auf die nachbarschaftliche Bebauung genommen worden sei. Die zwei L-förmigen Baukörper mit je ca. 50 Bewohnern orientierten sich an der bestehenden Zeilenbebauung im Bereich „H.ring“ und „Am S.“. Die Gebäude dort wiesen jedoch eine Bebauung von drei bis vier Vollgeschossen auf, während das Bauvorhaben lediglich zwei Vollgeschosse aufweisen solle. Es handle sich bei der Umgebungsbebauung nicht um ein schwach besiedeltes Wohngebiet, sondern um eine gewichtige Mehrfamilienhausbebauung. Zu dem beschlossenen Neubau einer weiteren Kindertagesstätte sei anzumerken, dass tatsächlich Mehrbedarf bestehe. Allerdings sei hierbei den freien Trägern bei der Realisierung der Vorrang zu lassen. Tatsächlich habe die Freie Waldorfschule Ü. im Juli 2018 bereits eine Erweiterung des Betreuungsangebots auf dem Hofgut R. realisiert und der Verein Kinderhaus Stochennest D. sowie der Verein G.-Haus planten eine Erweiterung. Ein kurzfristiges Erfordernis, das Vorhabengrundstück für eine Kindertagesstätte zu verwenden, bestehe daher nicht. Für 2019 und die folgenden Jahre habe man den Neubau einer weiteren Kindertagesstätte im Baugebiet „Südlich Härlen“ vorgesehen, nicht aber auf dem S., sodass auch kein mittelfristiger Bedarf bestehe. Die Kindertagesstätte im Baugebiet „Südlich Härlen“ sei von den Betreibern des H. Spitals Ü. und des in der Planung befindlichen Pflegeheims angestoßen worden, die in unmittelbarer Nähe ihrer Einrichtungen ein Kinderhaus zur Betreuung der Kinder des Pflegepersonals angestoßen hätten. Auch von der Schaffung einer weiteren Grundschule auf dem S. wolle man kurz- und mittelfristig absehen. Nach Abschluss der zehnjährigen Nutzung als Flüchtlingsunterkunft solle das Bauvorhaben als weitere Tageseinrichtung für Kinder genutzt werden, sofern Bedarf bestehen solle. Man bemühe sich um eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen. Bereits jetzt habe man über 145 dezentral gelegene Plätze zur Anschlussunterbringung geschaffen. Weitere 180 Flüchtlinge lebten in privat angemietetem Wohnraum. Weitere Verhandlungen über die Anmietung und den Kauf von Häusern würden derzeit geführt. Im Jahr 2018 sei man allerdings verpflichtet, über 90 geflüchtete Personen dauerhaft unterzubringen und für das Jahr 2019 sei mit weiteren Zuweisungen zu rechnen. Daher bestünde ein großes Erfordernis, zeitnah weiteren Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen. |
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| Die Antragsteller erwidern auf die Ausführungen der Beigeladenen dahingehend, dass sich dem Kindergartenbedarfsplan 2017/2018 und der dort beschlossenen Planung eines Neubaus auf dem S. eine Nachrangigkeit zu Erweiterungen bestehender Standorte gerade nicht entnehmen lasse. Der Verweis auf die Planung der Freien Waldorfschule Ü. sei unzulässig, da sich das Hofgut R. mehrere Kilometer vom S. entfernt befinde, über ein überregionales Einzugsgebiet verfüge und da die dort zusätzlich geschaffenen Plätze bereits für an der Einrichtung angemeldete Kinder oder deren Geschwister verwendet werden sollten. Auch D. sei zu weit vom vorliegenden Standort entfernt. Auch werde durch die geplanten Erweiterungen des Vereins Kinderhaus Stochennest D. sowie des Vereins G.-Haus. der bestehende Bedarf nicht annähernd gedeckt. Der Verweis der Beigeladenen auf den Neubau eines Kinderhauses im Baugebiet „Südlich Härlen“ sei verfehlt, da durch dieses Kinderhaus – wie von der Beigeladenen selbst vorgetragen - der Bedarf des Pflegepersonals gedeckt werden solle. |
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| Das Gericht hat die Akten des Regierungspräsidiums Tübingen einschließlich der Akten der Stadt Ü. beigezogen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte dieses Eilverfahrens, der Klageverfahren 7 K 4173/18 und 7 K 6773/18 (Bauvorbescheid) und die o.g. Behördenakten Bezug genommen. |
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| Der Antrag bleibt ohne Erfolg. |
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| Der Antrag ist zulässig. Da im Hauptverfahren eine (Dritt-)Anfechtungsklage statthaft ist, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Antrag nach § 80a Abs. 1 und 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO der statthafte Rechtsbehelf. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Klage der Antragsteller auch keine aufschiebende Wirkung. |
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| Der Antrag ist nicht begründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, bei der die privaten Interessen des Antragstellers an der Verschonung vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den eingelegten Rechtsbehelf und das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug gegeneinander abzuwägen sind. Deshalb sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, ein wesentliches Kriterium. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass allein ein Verstoß gegen objektive Rechtsvorschriften nicht ausreicht. Denn die zum Bauvorhaben benachbarten Antragsteller können sich nur auf die Verletzung zumindest auch ihrem Schutz zu dienen bestimmter Vorschriften berufen. Erweist sich der Rechtsbehelf als wahrscheinlich erfolgreich, so wird auch dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in der Regel zu entsprechen sein. Erweist sich der Rechtsbehelf demgegenüber als wahrscheinlich aussichtslos, so muss das Gericht darüber hinaus sachlich prüfen, ob hier ein besonderes öffentliches Interesse am gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzug besteht. Soweit der der Verfügung zu Grunde liegende Sachverhalt umstritten ist, erfordert die summarische Prüfung im Eilverfahren eine Sachverhaltsermittlung auf Grund glaubhafter Tatsachen und auf Grund überwiegender Wahrscheinlichkeiten. |
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| Nach diesen Maßgaben überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug. |
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| Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 30.05.2018 mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist, sodass bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Vorrang zukommt. |
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| Gem. § 48 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LBO i. V. m. § 46 Abs. 1 Nr. 2 LBO ist das Regierungspräsidium Tübingen als höhere Baurechtsbehörde anstelle der Beigeladenen als untere Baurechtsbehörde zuständig, da es sich um ein Bauvorhaben der Beigeladenen handelt. |
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| Das Bauvorhaben dürfte mit der durch den Bebauungsplan festgeschriebenen Art der Nutzung vereinbar sein. |
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| Gem. § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Die Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung sind generell nachbarschützend (Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 99). Der Bebauungsplan setzt als Baugebiet ein allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO fest. Die Festsetzung einer Fläche für den Gemeinbedarf nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB stellt nicht die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung dar, sondern nur eine Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung, die neben der Festsetzung als allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO anwendbar ist (EZBK/Söfker BauGB § 9 Rn. 20, beck-online). Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen (§ 4 Abs. 1 BauNVO). Zulässig sind Wohngebäude (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) sowie u.a. Anlagen für soziale Zwecke (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). |
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| Das Bauvorhaben stellt eine Anlage für soziale Zwecke dar und ist als solche in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Flüchtlingsunterkünfte können je nach dem Betriebskonzept entweder Wohngebäude oder Anlagen für soziale Zwecke sein. Sind die Asylbewerber/Flüchtlinge einzeln in gesonderten Räumen untergebracht oder als Familien in zugewiesenen mehreren Räumen, dann handelt es sich stets um Wohngebäude. In diesem Falle kann allenfalls noch eine relativ kurze Verweildauer das Wohnen in Frage stellen. Aber auch bei einer gemeinschaftlichen Unterbringung einander fremder Personen in Appartements oder Wohnungen kann ein Wohnen noch angenommen werden, wenn eine selbstständige Versorgung und Lebensführung der Asylbewerber oder Obdachlosen noch möglich ist. Für eine solche eigene Versorgung reicht es aus, wenn die Bewohner von der öffentlichen Hand bereitgestellte Lebensmittel selbst verarbeiten und verbrauchen, statt von einer Gemeinschaftsküche versorgt zu werden. Bei einer dichteren Unterbringung liegt aber keine Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises mehr vor (Bönker/Bischopink, BauNVO § 3 Rn. 68-70, beck-online). Nach diesen Maßstäben stellt das Bauvorhaben zur Überzeugung der Kammer eine Anlage für soziale Zwecke dar. Wie im Bauvorbescheid vom 26.07.2017 – auf den die Baugenehmigung vom 30.05.2018 insoweit verweist – ausgeführt, ist das Bauvorhaben mit den geplanten Wohngruppen auf eine relativ selbstständige Lebensführung ausgelegt. Zudem werden Büroeinheiten zur Betreuung und Unterstützung integriert. Die konkrete Planung der Unterkunft (Zimmergröße / -belegung) lässt eine hinreichende Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises zu. Für die Einordnung als Anlage für soziale Zwecke spricht auch ein vergleichbarer Fall des Verwaltungsgerichts München, dem folgendes Bauvorhaben zugrunde lag: |
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| „Nach den genehmigten Plänen umfasst das Bauvorhaben zwei zweigeschossige Flachdachbauten (Haus B im Norden, Haus A im Süden mit einem Abstand zueinander von 25 m) mit den Außenmaßen von 44,54 m (West-Ost) x 11,68 m (Nord-Süd) sowie an der Westseite des Baugrundstücks ein eingeschossiges Nebengebäude für Heizung, Müll und Lagerung und vier Kfz-Stellplätzen. Der zwischen den Gebäuden liegende Freiraum soll zum Teil als Aufenthaltsfläche (Spielplatz, Sitzbänke) gestaltet und genutzt werden. Der Betriebsbeschreibung zufolge beträgt die Gesamtkapazität der Notunterkunft insgesamt 121 Personen (Haus A: 56 Plätze, Haus B: 65 Plätze). Auf jedem Stockwerk werden die erforderlichen Gemeinschaftseinrichtungen (Sanitär- und Kochgelegenheit) eingerichtet. Daneben sind noch weitere Räume (Büro, Werkstatt, Aufenthaltsraum, Waschmaschinen/Trockenräume etc.) vorgesehen.“ |
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| Das Verwaltungsgericht München ging in dieser nach der Überzeugung der Kammer vergleichbaren und übertragbaren Fallkonstellation ebenfalls vom Vorliegen einer Anlage für soziale Zwecke aus (VG München, Urteil vom 14.03.2005 – M 8 K 04.4552 –, Rn. 23, Juris). Somit dürfte das Bauvorhaben gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig sein. |
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| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Festsetzung als Fläche für den Gemeinbedarf. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB können im Bebauungsplan Flächen für den Gemeinbedarf festgesetzt werden. Die Festsetzung als Fläche für den Gemeinbedarf stellt einen Ausschnitt der Darstellungsmöglichkeiten nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB dar (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rn. 40). Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2a BauGB kann im Flächennutzungsplan die Ausstattung des Gemeindegebiets mit Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs, insbesondere mit der Allgemeinheit dienenden baulichen Anlagen und Einrichtungen des Gemeinbedarfs, wie mit Schulen und Kirchen sowie mit sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Zwecken dienenden Gebäuden und Einrichtungen, sowie mit Flächen für Sport- und Spielanlagen dargestellt werden. Die eigentliche Zweckbestimmung als Schule/Sporthalle wäre damit zulässig. Als sonstige sozialen Zwecken dienende Einrichtung ist nach der Überzeugung der Kammer also auch das streitige Bauvorhaben zulässig. Nach der Rechtsprechung kann etwa eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und Asylbegehrende unter § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB fallen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 10.04.2014 – 7 D 100/12 – Juris). Dies muss aufgrund der konkreten Ausgestaltung erst recht für das Bauvorhaben gelten, das Wohnzwecken deutlich nähersteht als eine Erstaufnahmeeinrichtung. |
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| Einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB hätte es insoweit entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums Tübingen daher wohl nicht bedurft. |
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| Das Bauvorhaben verstößt nach summarischer Prüfung auch nicht gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller. |
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| Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch ist eine Folge davon, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer – unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung – das Recht, sich gegen eine schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen. Aus der Gleichstellung geplanter und faktischer Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 Abs. 2 BauGB ergibt sich, dass in diesem Umfang auch ein identischer Nachbarschutz schon vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist (grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.09.1993 – 4 C 28.91 – Juris.; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 06.02.2017 – 15 ZB 16.398 – Juris Rn. 9 m.w.N.). |
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| Nach diesen Grundsätzen steht den Antragstellern aufgrund der allgemeinen Zulässigkeit des Bauvorhabens in dem allgemeinen Wohngebiet wohl kein entsprechender Abwehranspruch zu. Das Bauvorhaben ist wie bereits erwähnt nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zulässig. Die Antragsteller können sich daher nicht darauf berufen, dass eine Bebauung von der konkreten Festsetzung mit der Zweckbestimmung Schule und Sporthalle abweicht. Der Gebietserhaltungsanspruch greift im Übrigen nur innerhalb eines Baugebiets nach § 22 ff. BauNVO, eine Fläche für den Gemeinbedarf stellt jedoch gerade kein Baugebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung dar (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 25.03.2014 – 2 Bs 43/14- Juris). |
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| Das Bauvorhaben verstößt nach summarischer Prüfung auch nicht gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme. |
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| Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme (objektiv-rechtlich) begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dabei muss allerdings demjenigen, der sein eigenes Grundstück in einer sonst zulässigen Weise baulich nutzen will, insofern ein Vorrang zugestanden werden, als er berechtigte Interessen nicht deshalb zurückzustellen braucht, um gleichwertige fremde Interessen zu schonen. Das gilt noch verstärkt, wenn sich bei einem Vergleich der beiderseitigen Interessen derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, zusätzlich darauf berufen kann, dass das Gesetz durch die Zuerkennung einer Privilegierung seine Interessen grundsätzlich höher bewertet wissen will, als es für die Interessen derer zutrifft, auf die Rücksicht genommen werden soll. Andererseits bietet sich bei der Bemessung dessen, was den durch ein Vorhaben Belästigten zugemutet werden kann, eine Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an (BVerwG, Urteil vom 25.02.1977 – IV C 22.75 –, BVerwGE 52, 122-131, Rn. 22). |
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| Soweit die Antragsteller vorbringen, dass das Bauvorhaben den in unmittelbarer Nähe befindlichen Häusern zugewandt sei und daher Lärmschutzuntersuchungen im Hinblick auf Störungen der Nachtruhe und Einhaltung von Richtwerten notwendig seien, können sich die Antragsteller Ziff. 2 und 3 hierauf aufgrund der Distanz ihres Wohnhauses zum Vorhabengrundstück bereits nicht berufen. Die Grundstücke der Antragsteller Ziff. 1 und Ziff. 4 stellen die der Einfahrt bzw. den Stellplätzen am nächsten gelegenen Grundstücke dar. Die lärmbedingte Rücksichtslosigkeit wurde jedoch nicht weitergehend glaubhaft gemacht. Von den zahlreichen Fahrradstellplätzen ist nach der Natur der Sache kein erhöhter Lärm zu erwarten. Sowohl Anlieger- als auch Besucherverkehr stellen ein natürliches Phänomen in einem allgemeinen Wohngebiet dar. Auch die geringe Anzahl der KfZ-Stellplätze vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Das zu erwartende Verkehrsaufkommen dürfte sich nach der Überzeugung der Kammer insbesondere im Vergleich zu den nordöstlich sowie westlich des Bauvorhabens gelegenen Mehrfamilienhäusern am H.ring nicht signifikant erhöhen. Insbesondere die geplante Schule, die von den Antragstellern als vorzugswürdig empfunden wird, dürfte im Vergleich mit dem jetzt genehmigten Vorhaben für ein deutlich erhöhtes Lärmaufkommen sorgen. Zudem beträgt der Abstand des Grundstücks des Antragstellers Ziff. 1 zu den KfZ-Stellplätzen mindestens 15 m und der Abstand des Grundstücks des Antragstellers Ziff. 4 zur Einfahrt mindestens 17,5 m, wodurch bereits eine signifikante Lärmabnahme zu verzeichnen sein dürfte. Sollte sich im Zuge des An- und Abfahrtsbetriebs über die reinen Verkehrsgeräusche hinaus – etwa durch Gespräche oder Beladevorgänge – weiterer Lärm ergeben, so wäre diesem im Wege des Polizei- und Ordnungsrechts Einhalt zu gebieten. |
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| Ein aufgrund der vorhabenbedingten Nutzung des Bauvorhabens entstehender übermäßiger Geräuschpegel ist zudem nicht zu erwarten bzw. erscheint nicht rücksichtslos. Wie auch vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt, wird es durch nichts belegt, dass untergebrachte Asylbewerber aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse sowie ihrer sozialen Situation die Nachbarschaft stärker störten als dies bei einheimischen Familien der Fall sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.1996 – 4 C 13/94 -, Rn. 70, Juris). Aus der Wohnnutzung entstehender Lärm entspricht zudem grundsätzlich der Art der baulichen Nutzung als allgemeines Wohngebiet. Falls es zu einer über den in einem allgemeinen Wohngebiet gem. § 48 BImSchG i. V. m. Nr. 6.1 der TA Lärm vorgeschriebenen Immissionsrichtwert von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts hinausgehenden außergewöhnlichen Lärmentwicklung kommen sollte, ist diesbezüglich wiederum auf das Polizei- und Ordnungsrecht zu verweisen. |
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| Auch das - nach Ansicht der Antragsteller unzulässige – Beharren auf dem Standort am S. trotz bestehender Alternativstandorte stellt sich nach summarischer Prüfung nicht als rücksichtslos dar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1997 – 4 B 97/97 –, Rn. 6, Juris) hat im Fall der Klage eines Nachbarn gegen ein Bauvorhaben im Hinblick auf sich auf dem Vorhabengrundstück bietende und ggf. vorzugswürdige Alternativstandorte festgestellt: |
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| „Die Frage, ob ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot darin liegt, dass das Vorhaben auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten in einem größeren Abstand von dem Betrieb der Klägerin hätte errichtet werden können, geht schon im Ansatz fehl. Die baurechtliche Prüfung ist - im Gegensatz zum Planfeststellungsrecht mit seiner aus dem Abwägungsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eröffneten Alternativenprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <171 f.>; Beschluß vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92 S. 101 <104>) - an das aus dem Bauantrag ersichtliche Vorhaben gebunden. Wenn die Wohnbebauung an dem von den Beigeladenen gewählten Standort Nachbarrechte der Kläger nicht verletzt, kann diese die Baugenehmigung nicht durch einen Hinweis auf ihres Erachtens besser geeignete Alternativstandorte zu Fall bringen.“ |
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| Diese Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen und gelten hinsichtlich des Verweises auf einen außerhalb des Plangebiets gelegenen Alternativ-standort in erhöhtem Maß. Es ist zudem anzumerken, dass es im Gemeinderat der Beigeladenen wohl Bedenken gegen den Standort und Präferenzen bezüglich eines Alternativstandorts gegeben haben mag, der Gemeinderat sich dann aber mehrheitlich für ein Festhalten am Standort S. entschlossen hat. |
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| Soweit die Antragsteller rügen, dass das geplante Bauvorhaben den durch den Bebauungsplan vorgegebenen baulichen Umfang überschreite, kann dies wohl auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung keinen relevanten Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften begründen. Die Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung haben nur dann nachbarschützenden Charakter, wenn sich aus dem Bebauungsplan ergibt, dass durch sie auch private Belange geschützt werden sollen (Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 99). Nach summarischer Prüfung ist aus den Festsetzungen des Bebauungsplans ebenso wenig wie aus seiner Begründung ersichtlich, dass der Satzungsgeber bei Erlass des Bebauungsplans beabsichtigt hatte, den genannten Festsetzungen nachbarschützenden Charakter zu verleihen. Damit erfolgten diese aus städtebaulichen Gründen. Darüber hinaus setzt der Bebauungsplan maximal zwei Vollgeschosse fest, woran sich das Bauvorhaben auch hält. Der Antragsgegner weist auch zu Recht darauf hin, dass nach dem Textteil des Bebauungsplans eine eingeschossige Bauweise gerade nicht mehr verwirklicht werden soll. Auch von einer erdrückenden oder verriegelnden Wirkung im Sinne des Rücksichtnahmegebots kann in Anbetracht der östlich sowie westlich entlang des H.rings befindlichen Mehrfamilienhäusern wohl nicht ausgegangen werden. |
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| Auch der Einwand einer unzulässigen Überschreitung der Baugrenzen kann wohl nicht durchdringen. Hinsichtlich der Antragsteller Ziff. 2 und 3 sind die Festsetzungen der Baugrenzen bereits aufgrund der geographischen Lage des Grundstücks der Antragsteller nicht drittschützend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg entfalten seitliche und hintere Baugrenzen regelmäßig eine drittschützende Wirkung zugunsten der ihnen gegenüber liegenden Nachbargrundstücke. Der von einer solchen Baugrenze vermittelte Drittschutz ist allerdings auf die Fläche begrenzt, die dieser Baugrenze unmittelbar rechtwinklig vorgelagert ist (VGH BW, Beschluss vom 27.11.2013 – 8 S 1813/13 –, Rn. 43, Juris). Nach diesen Grundsätzen könnte nur die seitliche (nordöstliche) Baugrenze drittschützende Wirkung hinsichtlich des Antragstellers Ziff. 1 haben. Unmittelbar vorgelagert ist das Grundstück des Antragstellers Ziff. 1 aufgrund des zwischen seinem und dem Vorhabengrundstück liegenden Flst. Nr. xx allerdings nicht. Die in den Plänen vorgesehene überdachte Unterbringung für 27 Fahrräder und die zwölf KfZ-Stellplätze überschreiten im Übrigen die im Bebauungsplan vorgesehene Baugrenze. Das Regierungspräsidium Tübingen hat diesbezüglich jedoch eine Befreiung erteilt, was nicht zu beanstanden ist. Nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB kann eine Befreiung erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Durch die geringfügige Überschreitung der Baugrenze werden die Grundzüge der Planung nicht berührt. Das Bauvorhaben stellt auch einen explizit genannten Grund des Allgemeinwohls dar. Die Abweichung ist auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar, da aufgrund der geringen Anzahl der KfZ-Stellplätze, des geringen Störpotentials der Radstellplätze und der Abstandsflächen keine Störungen der Antragsteller Ziff. 1 und 4 – wie ausgeführt insbesondere nicht durch Lärm – zu erwarten sind. |
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| Auch die weiteren von den Antragstellern vorgebrachten Einwendungen vermögen einen erheblichen Verstoß gegen hier zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften nach summarischer Prüfung nicht zu begründen. Die Einschätzung, dass das Bauvorhaben nicht durch Erteilung einer Befreiung realisiert werden könne, teilt das Gericht so nicht. Durch Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB und somit eine Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde darf ein Bebauungsplan als rechtssatzmäßiger Ausdruck der verfassungsrechtlich garantierten und demokratisch legitimierten Planungshoheit der Gemeinde nicht in relevanter Weise abgeändert werden. Auch die nach §§ 3 und 4 BauGB notwendige Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange darf auf diese Weise nicht unterlaufen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.03.1999 – 4 B 5/99 -, Rn. 5, Juris). Zu der Frage, wann die Grundzüge der Planung berührt sind, führt das Bundesverwaltungsgericht aus (BVerwG, Beschluss vom 05.03.1999 – 4 B 5/99 –, Rn. 6, Juris): |
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| „Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - a.a.O.). Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf - jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind - nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 8. Mai 1989 - BVerwG 4 B 78.89 - Buchholz 406.11 § 31 BBauG/BauGB Nr. 27).“ |
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| Nach diesen Maßstäben ist die Erteilung einer Befreiung nicht zu beanstanden, da der Gebietstyp des allgemeinen Wohngebiets gewahrt bleibt und das Bauvorhaben auch dem Gemeinbedarf dient. Wie schon ausgeführt wäre eine Befreiung betreffend die Art der baulichen Nutzung rechtlich wohl gar nicht erforderlich gewesen. Zudem erscheint eine Umgehung der gemeindlichen Planung nicht gegeben zu sein, da sich der Gemeinderat der Beigeladenen mehrheitlich für das Bauvorhaben ausgesprochen hat. Ob Bedarf für eine Schule bzw. einen Kindergarten besteht bzw. ob eine dezentrale Unterbringung vorzugswürdig wäre, entzieht sich daher der weiteren gerichtlichen Überprüfung. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gem. § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 ZPO haften die Antragsteller nach Kopfteilen. Die Antragsteller Ziff. 2 und 3 verfolgen dabei jeweils ihr eigenes Interesse, sodass für alle Antragsteller die gleiche Quote festzulegen ist. |
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| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichte 2013. Für die Antragsteller Ziff. 2 und 3 als Miteigentümer ist nur ein Grundstück von einer möglichen Wertminderung betroffen. Somit ergibt sich der Streitwert aus der Hälfte von 3 x 10.000,- Euro. |
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