Urteil vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 4 K 5119/17

Tenor

Es wird festgestellt, dass der mit Bescheid des E.-B.-Gymnasiums R. vom 20.03.2017 verfügte Ausschluss des Klägers von der Schule rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein ihm gegenüber verfügter Schulausschluss rechtswidrig war.
Der am 03.05.2000 geborene Kläger war im Schuljahr 2015/16 und im folgenden Schuljahr bis zum 20.03.2017 Schüler am E.-B.-Gymnasium in R.. Vor seinem im März 2017 vollzogenen Wechsel an die Französische Schule / W.-E.-Realschule in T. besuchte er am E.-B.-Gymnasium zuletzt die Klasse 9 d. Die Realschule in T. besuchte der Kläger zunächst – bis zum 08.05.2017 – probeweise und seither endgültig.
Während seiner Schulzeit am E.-B.-Gymnasium wurden gegen den Kläger nach Aktenlage folgende Ordnungsmaßnahmen verhängt:
-Im Mai 2016 wurde gegen ihn ein 5tägiger Unterrichtsausschluss verfügt, wovon 2 Tage nach Ableistung von 10 Sozialstunden erlassen wurden;
Sachverhalt: Der Kläger hatte im Spanienaustausch (22.04. – 01.05.2016) Haschisch und Alkohol konsumiert;
Vollzug: Unterrichtsausschluss vom 31.05. – 02.06.2016.
-Mit Bescheid vom 30.11.2016 wurden dem Kläger 1,5 Zeitstunden Sozialstunden beim Hausmeister der Schule auferlegt;
Sachverhalt: Der Kläger wurde in der großen Pause beim Rauchen angetroffen und zudem hatte der Kläger das Schulgelände unerlaubt verlassen;
Vollzug: Die Sozialstunden wurden am 06.12.2016 abgeleistet.
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-Mit Bescheid vom 24.01.2017 wurden gegen ihn 4 Stunden Rektoratsarrest verfügt und mit weiterem Bescheid vom 01.02.2017 wegen des gleichen Sachverhalts ein Schulausschluss – insbesondere bei einem erneuten unerlaubten Verlassen des Schulgeländes - angedroht
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Sachverhalt: Der Kläger hat erneut das Schulgelände unerlaubt verlassen und wurde mit hochprozentigem Alkohol angetroffen;
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Vollzug: Je 2 Stunden Rektoratsarrest am 03.02. und am 10.02.2017.
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Am 21.02.2017 verließ der Kläger während der großen Pause erneut unerlaubt das Schulgelände. Mit Schreiben vom 23.02.2017 teilte der Schulleiter des E.-B.-Gymnasiums der Mutter des Klägers mit, dass er nunmehr beabsichtige, den Kläger endgültig von der Schule zu verweisen und lud die Mutter zur Anhörung auf den 06.03.2017 ein. Zur Anhörung des Klägers und seiner Mutter finden sich in den vorgelegten Akten keine Unterlagen. Am 08.03.2017 tagte die Klassenkonferenz zwecks Anhörung zu der beabsichtigten Maßnahme; diese stimmte der geplanten Maßnahme zu.
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Unter Bezugnahme auf ein Gespräch mit dem Schulleiter vom gleichen Tag äußerten sich die Eltern des Klägers mit Schreiben vom 17.03.2017 zu der vorgesehenen Maßnahme und machten im Wesentlichen geltend, ihnen sei klar, dass der Kläger eine schwierige Phase habe und Regelverstöße gegen die Schulordnung begangen habe. Es habe einiges an Konsequenzen gebraucht, bis bei ihm ein Aufmerken erfolgt sei. Zwischenzeitlich habe er aber verstanden, dass er Fehler gemacht habe; er habe sich jetzt gegenüber therapeutischen Maßnahmen geöffnet. Ihr Sohn wolle nun an der Französischen Schule / W.-E.-Realschule die Chance für einen neuen Anfang wahrnehmen und zum 20.03. an diese Schule wechseln. Ein Wechsel aus dem aktuellen Umfeld sei dringend notwendig, da der gegenwärtige Umgang zu den schwierigen Entwicklungen in den letzten Wochen deutlich beigetragen habe. Sie würden deshalb freundlich bitten, von dem geplanten Verweis abzusehen, damit ihr Sohn eine echte Chance für einen neuen Start bekomme und sich sein schulischer Weg zu einem guten Gelingen entwickeln könne.
15 
Mit Bescheid vom 20.03.2017 schloss der Schulleiter den Kläger „nach Schulgesetz § 90 Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen mit sofortiger Wirkung vom E.-B.-Gymnasium“ aus. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:
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Die tragenden Gründe sind hier noch einmal aufgeführt.

Im Spanienaustausch (22.04.-01.05.2016) konsumierte J. Haschisch und Alkohol. Nach der Klassenkonferenz am 10.05.2016 und der Anhörung von Ihnen am 12.05.2016 wurde ein 5tägiger Unterrichtsausschluss verhängt. Zwei dieser fünf Tage wurden unter der Voraussetzung ausgesetzt, dass J. mindestens 10 Sozialstunden leistet.

Am 30.11.2016 wurde J. von einer Lehrkraft beim Rauchen außerhalb des Schulgeländes angetroffen. Daher hat er am 06.12.2016 von 13.30 bis 15.00 Uhr Sozialstunden zu leisten.

Am 20.01.2017 hat J. das Schulgelände unerlaubt verlassen und wurde mit hochprozentigem Alkohol angetroffen. Er bekam Rektoratsarrest am 03.02.2017 und am 10.02.2017 und nach der Anhörung von Frau K., J. sowie der Klassenkonferenz Androhung des Schulausschlusses am 01.02.2017 mit dem deutlichen Hinweis, dass ein neuerliches unerlaubtes Verlassen des Schulgeländes zu einem Schulverweis führen kann.

Am 21.02.2017 hat J. erneut das Schulgelände unerlaubt verlassen.

In der Gesamtbewertung ist festzuhalten, dass bei J. keinerlei Verhaltensänderung über den gesamten Zeitraum festzustellen ist.“
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Weitere Ausführungen oder darüberhinausgehende Zusätze enthält der Bescheid nicht.
18 
In der Schulakte des Klägers befindet sich schließlich noch ein vom Schulleiter des E.-B.-Gymnasiums unterzeichnetes Formular „Schülerübergabe“, welches neben den persönlichen Angaben zum Kläger die Bemerkung aufweist „Ausschluss nach § 90 SchG“.
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Mit Schreiben vom 17.04.2017, einen Eingangsvermerk enthält dieses Schriftstück nicht, legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Bescheid vom 20.03.2017 Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, ausweislich des Bescheids habe der Schulleiter keinerlei Ermessenserwägungen angestellt; dieser verstoße daher gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ausweislich des Bescheids seien keine Entscheidungsalternativen abgewogen worden, so dass hier ein Ermessensausfall, ein wohl am schwersten wiegender Ermessensfehler, vorliege. Ermessenserwägungen hätten sich hier zudem aufgedrängt, nachdem die Mutter des Klägers bei der Anhörung darauf hingewiesen habe, dass sie das Verhalten des Klägers nicht gutheiße, sich dieser aber endlich einer therapeutischen Maßnahme geöffnet habe und zwischenzeitlich die erste Sitzung stattgefunden habe; an der Klinik laufe derzeit eine Diagnostik. Vor diesem Hintergrund hätte es sich aufgedrängt, Entscheidungsalternativen zum Schulausschluss abzuwägen. Gerade bei jungen Menschen sei Bedacht auf positive Entwicklungen zu geben.
20 
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2017, zugestellt am 30.05.2017, stellte das Regierungspräsidium das Widerspruchsverfahren ein und legte dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, der Kläger sei inzwischen endgültig von der neuen Schule aufgenommen worden, so dass der Schulausschluss keinerlei Rechtswirkungen mehr entfalte. Daher sei hier Erledigung eingetreten. Mangels Statthaftigkeit eines Fortsetzungswiderspruchs sei folglich das Widerspruchsverfahren einzustellen. Im Rahmen des eingeräumten Ermessens seien die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, da der Widerspruch ohne Erledigung unbegründet gewesen wäre. Der behauptete Ermessensausfall sei hier nicht erkennbar. Aus dem Bescheid gehe explizit hervor, dass der Kläger wiederholte – überwiegend gleichartige – Fehlverhaltensweisen an den Tag gelegt habe und trotz entsprechender Sanktionierung bei ihm keine positive Verhaltensänderung feststellbar gewesen sei. Die vorangegangenen Vorfälle und deren jeweilige erzieherische Ahndung seien im Bescheid aufgelistet, woraus deutlich werde, dass mildere Mittel als der – bereits angedrohte – Schulausschluss nicht mehr ausreichend gewesen seien. Etwaige Ermessensfehler wären zudem im Widerspruchsverfahren heilbar gewesen. Der Therapiebeginn ändere an der Erforderlichkeit der Maßnahme nichts, da der Kläger sich trotzdem an die schulischen Regeln habe halten müssen und für sein Fehlverhalten vollumfänglich verantwortlich sei. Weitere Verstöße gegen die Schulordnung seien schon aus generalpräventiven Gründen nicht mehr hinnehmbar gewesen. Der Schule sei es auch nicht zumutbar gewesen, den ungewissen Verlauf einer Therapie abzuwarten.
21 
Am 23.06.2017 hat der Kläger hier die vorliegende Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben. Zu deren Begründung wird das Widerspruchsvorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, es bleibe dabei, dass hier ein Ermessenausfall vorliege. Im Bescheid würden lediglich Verstöße aus der Vergangenheit aufgeführt. § 90 SchulG stelle jedoch eine Vielzahl anderer Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung und aus dem Bescheid ergebe sich nicht, warum hier gerade vom Schulausschluss – der härtesten Maßnahme – Gebrauch gemacht worden sei. Danach habe der Beklagte ohne Not die Erledigung abgewartet und es sei wohl unzulässig, sodann erst Ermessenserwägungen anzustellen. Im Verwaltungsvorgang seien die im Anhörungsverfahren vorgetragenen Argumente auch nicht dokumentiert, obgleich ihr Vortrag im Verwaltungsverfahren unstreitig geblieben sei. Dies stütze den Eindruck, dass die Entscheidung schon vor der Anhörung festgestanden habe und keine Befassung mit den Einwendungen oder gar eine Abwägung beabsichtigt gewesen und daher auch nicht vorgenommen worden sei. Er habe sich auch an der neuen Schule gut entwickelt, inzwischen eine Gymnasialempfehlung erhalten und strebe das Abitur an. Dies belege, dass der Beklagte umfassend verkannt habe, dass er umfassend zum Besseren motiviert gewesen sei und noch sei.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
festzustellen, dass der vom Beklagten mit Bescheid vom 20.03.2017 verhängte Ausschluss von der Schule rechtswidrig gewesen ist.
24 
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
26 
Zur Begründung wird geltend gemacht, die Klage sei bereits unzulässig, da kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe. Insbesondere liege kein Rehabilitationsinteresse in Bezug auf den Schulausschluss vor. Hierzu habe der Kläger nichts vorgetragen und eine nachhaltige Grundrechtsbeeinträchtigung könne nicht angenommen werden. Der Schulausschluss sei aber auch rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig und ermessensgerecht. Ein Ermessensausfall liege nicht vor. Der Schulleiter sei sich des ihm zustehenden Ermessens bewusst gewesen und habe dieses fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere die vorgetragene nunmehrige Therapiewilligkeit sei von der Schule zur Kenntnis genommen und entsprechend gewürdigt worden. Angesichts der Vorgeschichte des Klägers und der bereits verhängten Maßnahmen sei kein milderes Mittel mehr ersichtlich, um den erneuten – zudem „einschlägigen“ – Verstoß gegen die Schulordnung zu ahnden. Auch aus generalpräventiven Gründen sei es nicht hinnehmbar gewesen, den Kläger weiter an der Schule zu belassen. Die Therapiebereitschaft führe zu keiner anderen Einschätzung der Notwendigkeit des Schulausschlusses, zumal ein Therapieerfolg nicht absehbar gewesen sei. Diese Erwägungen fänden im Bescheid insofern Ausdruck, als die vorangegangenen Fehlverhaltensweisen mit der entsprechenden Ahndung aufgelistet seien, wodurch deutlich werde, dass der Kläger sich durch die bisherigen Maßnahmen nicht zu ordnungsgemäßem Verhalten habe anhalten lassen und damit eine mildere Maßnahme als der nunmehr verhängte Schulausschluss nicht mehr als ausreichend erachtet habe werden können. Auch die Bedeutung der Therapiewilligkeit sei im Anhörungsverfahren erörtert worden. Zudem seien etwaige Ermessensfehler durch die weiteren Ausführungen im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Inhaltlich hätten diese Erwägungen im Widerspruchsbescheid ihren Niederschlag gefunden. Zurückgewiesen werde die Behauptung, das Regierungspräsidium habe ohne Not die Erledigung abgewartet. Es habe dem Kläger freigestanden, gegen den unmittelbar seine Wirkung entfaltenden Schulausschluss im Wege des Eilverfahrens vorzugehen. Zudem sei das Widerspruchsverfahren erst am 26.04.2017 an das Regierungspräsidium weitergeleitet worden, wonach alsbald (am 08.05.) Erledigung eingetreten sei.
27 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
28 
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die vorliegenden Behördenakten und die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

29 
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend hierauf verzichtet haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO) und das Gericht eine solche ebenfalls nicht für erforderlich hält.
30 
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsbegehren zulässig und begründet.
31 
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der vom Schulleiter verfügte Schulausschluss vom 20.03.2017 rechtswidrig war. Er wurde bereits am 17.03.2017 bei seiner bisherigen Schule, dem E.-B.-Gymnasium R., abgemeldet und besuchte anschließend vorläufig (mit Probezeit) und sodann nach deren Ablauf am 08.05.2017 endgültig eine Realschule in T.. Mit Erhebung der Klage wurde erklärt, der Kläger beabsichtige nicht, in seine alte Schule zurückzukehren. Damit hat sich die angegriffene Maßnahme erledigt, da von ihr für den Kläger keine unmittelbaren Rechtswirkungen mehr ausgehen.
32 
Statthafte Klageart ist nach h. M. bei vorprozessual erledigten Verwaltungsakten die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 RNr. 99 m. w. N.). Demgegenüber erwägt das Bundesverwaltungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung, in solchen Fällen die Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO anzuwenden, lässt diese Frage jedoch offen (Urt. v. 14.7.1999 - 6 C 7/98 -, NVwZ 2000, 63 f.). Auch im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, welche Klageart einschlägig ist, da die Klage sowohl als Fortsetzungsfeststellungsklage als auch als Feststellungsklage zulässig ist. Auch das Feststellungsinteresse ist bei beiden Klagearten identisch. Sowohl bei der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch bei der Feststellungsklage genügt als Feststellungsinteresse grundsätzlich jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RNrn. 129 - 146, § 43 RNr. 23). Für das Vorliegen eines solchen Interesses ist entscheidend, ob die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in einem der genannten Bereiche konkret zu verbessern (vgl. BVerwG, B. v. 16.10.1989, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211; OVG Hamburg, Urt. v. 10.11.1998 - Bf VI 12/96 -, juris). Ein Feststellungsinteresse wird nach allgemeiner Auffassung im Fall der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses und der Präjudizialität, der Vorbereitung eines zu erwartenden, nicht aussichtslos erscheinenden Schadensersatzprozesses, anerkannt.
33 
Ein Feststellungsinteresse kann sich vorliegend nicht aus Präjudizialität ergeben. Der Verwaltungsakt hat sich bereits vor Erhebung der Klage erledigt. In solchen Fällen ist ein mit der beabsichtigten Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche begründetes, schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu verneinen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.01.1989, BVerwGE 81, 226). Denn die ordentlichen Gerichte sind von sich aus in der Lage, über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes als Vorfrage zur Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch zu befinden.
34 
Auch das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr scheidet hier aus. Ein mit der drohenden Wiederholung begründetes berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, B. v. 16.10.1989, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211; B. v. 26.4.1993, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 255; Urt. v. 26.7.1996, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 284, LS). Dies bedingt die Annahme, dass die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, welche für den hier angegriffenen Verwaltungsakt zunächst maßgebend waren, auch im Zeitpunkt der künftig zu erwartenden Entscheidungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sein werden. Allein die zeitlich ungewisse, nur theoretisch denkbare Möglichkeit, dass die zu entscheidende Rechtsfrage in Zukunft für die Rechtsstellung des Klägers jemals wieder Bedeutung erlangen könnte, reicht dagegen für die Annahme eines Feststellungsinteresses nicht aus. So liegt der Fall hier, da gegenwärtig nicht absehbar ist, dass dem Kläger an seiner jetzigen Schule in absehbarer Zeit wieder ein auf § 90 SchulG beruhender Schulausschluss konkret droht.
35 
Für die Klage liegt jedoch - entgegen der Auffassung des Beklagten - unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses ein Feststellungsinteresse vor. Ein solches Interesse ist zu bejahen, wenn der erledigte Verwaltungsakt diskriminierende Wirkung entfaltet, vor allem bei nachhaltiger Grundrechtsbetroffenheit. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kläger durch den Verwaltungsakt selbst, seine Begründung oder die Umstände seines Zustandekommens noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in seiner Menschenwürde, seinem Persönlichkeitsrecht oder in seinem beruflichen oder gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich beeinträchtigt ist und die abträglichen Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden können (VGH B.-W., Urt. v. 08.05.1989, NvwZ 1990, 378 f.; konkret für einen Schulausschluss: VG Stuttgart, Urt. v. 14.11.2003 - 10 K 4593/02 -, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Bei einem Schulausschluss handelt es sich um einen erheblichen Grundrechtseingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Schülers, bei welchem diesem die Möglichkeit eröffnet werden muss, die Berechtigung dieser Maßnahme gerichtlich klären zu lassen. Es besteht für den Kläger ein Interesse daran, gegenüber seinen Mitschülern, der Schule, den Lehrern und der Öffentlichkeit - ein Schulausschluss muss insbesondere auch dem Jugendamt mitgeteilt werden (vgl. § 90 Abs. 8 Satz 1, 2. HS SchulG) - rehabilitiert zu werden (ebenso VG Stuttgart, a. a. O.).
36 
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Verfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Der Schulausschluss ist weder formell noch materiell rechtmäßig zustande gekommen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Fortsetzungsfeststellungsklage der Zeitpunkt der Erledigung des streitigen Verwaltungsaktes (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RNr. 147), hier also der endgültige Schulwechsel des Klägers mit Ablauf des 08.05.2017.
37 
Rechtsgrundlage für die Maßnahme ist/war § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 g) i. V. m. § 90 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 SchulG. Danach kann der Schulleiter nach Anhörung der Klassenkonferenz als Erziehungs- und Ordnungsmaßnahme einen Schulausschluss aussprechen, wenn der Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet (Satz 1) und es einem Mitschüler wegen Art und Schwere der Beeinträchtigungen und deren Folgen nicht (mehr) zumutbar ist mit dem Schüler weiter dieselbe Schule zu besuchen oder einer Lehrkraft, ihn weiter zu unterrichten (Satz 2), sowie das Verbleiben des Schülers in der Schule eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung, Gesundheit oder Sicherheit der Mitschüler befürchten lässt (Satz 3). Vor der Entscheidung über eine solche Maßnahme hat die zur Entscheidung zuständige Stelle dem Schüler, bei minderjährigen Schülern auch den Erziehungsberechtigten, Gelegenheit zur Anhörung einzuräumen (§ 90 Abs. 7 SchulG).
38 
Der mit Bescheid vom 20.03.2017 verfügte Schulausschluss des Klägers leidet formell bereits an einem schwerwiegenden Begründungsmangel (§ 39 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LVwVfG). Hiernach sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen - wie hier - soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
39 
Diesen Maßstäben genügt der verfügte Schulausschluss nicht. Zwar werden im Bescheid vom 20.03.2017 die relevanten Tatsachen, allerdings ohne konkrete Bewertung für die nun gewählte Maßnahme, aufgeführt, aber keine konkrete Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahme angegeben oder gar subsumierend dargelegt. Der Bescheid erschöpft sich rechtlich in der Eingangserwähnung des § 90 SchulG – einer Norm, welche auch bloße Erziehungsmaßnahmen umfasst – und legt weder die konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Schulausschluss aus § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 g) i. V. m. § 90 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 SchulG dar noch werden die strengen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahme erwähnt oder subsumiert. Zum Auswahlermessen und zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme finden sich darüber hinaus im Bescheid keinerlei Ausführungen, obwohl gerade bei der schwersten aller Ordnungsmaßnahmen solche Darlegungen zwingend geboten sind. Gründe für ein Absehen von der Begründungspflicht nach § 39 Abs. 2 LVwVfG sind nicht ersichtlich, so dass hier unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ein Begründungsmangel zu bejahen ist. Dieser Mangel wurde im Widerspruchsbescheid auch nicht geheilt und wäre von diesem – aufgrund des hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts (siehe oben) – ebenso wenig heilbar gewesen wie durch den zumindest teilweise ergänzenden Vortrag des Beklagten im Klageverfahren.
40 
Unabhängig davon ist der Bescheid vom 20.03.2017 auch deshalb rechtswidrig, weil der Schulleiter beim Erlass des im Streit stehenden Schulausschlusses das ihm durch § 90 SchulG eingeräumte Ermessen nicht im notwendigen Umfang ausgeübt hat (§ 114 VwGO).
41 
Es liegt zwar nicht, wie seitens des Klägers behauptet wird, ein umfassender Ermessensausfall vor. Dies wäre lediglich dann der Fall, wenn die Behörde ihr Ermessen verkennt, sie sich beispielsweise etwa irrig für gebunden hält. Die Aufzählung des Fehlverhaltens des Klägers mit den jeweiligen früheren Ordnungsmaßnahmen, welche offensichtlich nicht zu einer Verhaltensänderung bei diesem führten, lassen zumindest den Schluss zu, dass der Schulleiter ein milderes Mittel nicht mehr für zielführend erachtete. Somit hat er sehr wohl Erwägungen angestellt, die eine Ermessensausübung darstellen.
42 
Diese Erwägungen sind/waren jedoch nicht umfassend genug, weshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden muss. Es wurden nicht alle abwägungserheblichen Tatsachen, insbesondere die Belange des Klägers und seiner Eltern, in ausreichendem Maße in die Abwägung einbezogen beziehungsweise nicht ordnungsgemäß gewichtet. Zwar kann aus dem Bescheid geschlossen werden, dass mildere Maßnahmen vom Schulleiter in Betracht gezogen wurden. Konkrete maßnahmenbezogene Erwägungen enthält der Bescheid aber nicht und in der Begründung wird weder auf Einwände des Klägers aus seiner wohl erfolgten Anhörung (die Behördenakten weisen hierzu weder ein Protokoll noch sonstige Hinweise auf) noch auf diejenigen seiner Eltern aus deren Anhörung (auch diese kann aus dem Akteninhalt nur vermutet werden – ein Protokoll fehlt auch hierzu) eingegangen. Der Bescheid muss jedoch zumindest derart konkret gefasst sein, dass der Kläger nachvollziehen kann, weshalb „konkrete“ mildere Ordnungsmaßnahmen in seinem Fall nicht ergriffen wurden. Der bloße Hinweis „In der Gesamtbewertung ist festzuhalten, dass bei J. keinerlei Verhaltensänderung über den gesamten Zeitraum festzustellen ist“ reicht vorliegend nicht aus, um dem massiven Grundrechtseingriff, der sich aus einem Schulausschluss als härtester Ordnungsmaßnahme des Schulrechts ergibt, gerecht zu werden. Der Kläger kann aus dem Bescheid auch schlechthin nicht erkennen, ob beispielsweise seine Therapiewilligkeit, welche die Eltern des Klägers in ihrem Brief vom 17.03.2017 vorgetragen haben, in den Überlegungen des Schulleiters überhaupt eine Rolle gespielt hat. Auch weshalb das konkrete Verhalten des Klägers die in § 90 Abs. 6 SchulG angeführten Folgen befürchten lässt, hat der Schulleiter nicht konkret ausgeführt. Mithin liegt in der Gesamtbewertung hier ein Ermessensfehler vor; auch dieser Mangel wurde im Widerspruchsbescheid nicht geheilt und wäre von diesem – aufgrund des hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts (siehe oben) – ebenso wenig heilbar gewesen wie durch den zumindest teilweise ergänzenden Vortrag des Beklagten im Klageverfahren.
43 
Als weiterer, dritter Rechtswidrigkeitsgrund ist bezüglich des streitgegenständlichen Bescheids zudem festzustellen, dass der verfügte Schullausschluss nach den vorausgehenden Ordnungsmaßnahmen wohl auch unverhältnismäßig gewesen sein dürfte. Bei gleichem – teilweise sogar schwerwiegenderem – Fehlverhalten wurden in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger nur kurzzeitige Unterrichtsausschlüsse verfügt, welche teilweise sogar durch die Ableistung von Sozialstunden erlassen wurden. Eine schlüssige, nachvollziehbare Steigerung der Ordnungsmaßnahmen bei gleichem Fehlverhalten ist daher aus der Vorgeschichte insgesamt nicht erkennbar, so dass die nunmehr gewählte strengste Ordnungsmaßnahme – unter ergänzender Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers und seiner Eltern – nicht in engerem Sinne verhältnismäßig gewesen sein dürfte. Letztlich kommt es aber auf diesen Mangel im Hinblick auf die beiden anderen Rechtswidrigkeitspunkte (siehe oben) nicht mehr entscheidend an.
44 
Insgesamt ist die Klage daher begründet.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
46 
B e s c h l u s s
vom 29. Januar 2019
47 
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
48 
Gründe
49 
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 38.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Gründe

29 
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend hierauf verzichtet haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO) und das Gericht eine solche ebenfalls nicht für erforderlich hält.
30 
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsbegehren zulässig und begründet.
31 
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der vom Schulleiter verfügte Schulausschluss vom 20.03.2017 rechtswidrig war. Er wurde bereits am 17.03.2017 bei seiner bisherigen Schule, dem E.-B.-Gymnasium R., abgemeldet und besuchte anschließend vorläufig (mit Probezeit) und sodann nach deren Ablauf am 08.05.2017 endgültig eine Realschule in T.. Mit Erhebung der Klage wurde erklärt, der Kläger beabsichtige nicht, in seine alte Schule zurückzukehren. Damit hat sich die angegriffene Maßnahme erledigt, da von ihr für den Kläger keine unmittelbaren Rechtswirkungen mehr ausgehen.
32 
Statthafte Klageart ist nach h. M. bei vorprozessual erledigten Verwaltungsakten die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 RNr. 99 m. w. N.). Demgegenüber erwägt das Bundesverwaltungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung, in solchen Fällen die Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO anzuwenden, lässt diese Frage jedoch offen (Urt. v. 14.7.1999 - 6 C 7/98 -, NVwZ 2000, 63 f.). Auch im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, welche Klageart einschlägig ist, da die Klage sowohl als Fortsetzungsfeststellungsklage als auch als Feststellungsklage zulässig ist. Auch das Feststellungsinteresse ist bei beiden Klagearten identisch. Sowohl bei der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch bei der Feststellungsklage genügt als Feststellungsinteresse grundsätzlich jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RNrn. 129 - 146, § 43 RNr. 23). Für das Vorliegen eines solchen Interesses ist entscheidend, ob die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in einem der genannten Bereiche konkret zu verbessern (vgl. BVerwG, B. v. 16.10.1989, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211; OVG Hamburg, Urt. v. 10.11.1998 - Bf VI 12/96 -, juris). Ein Feststellungsinteresse wird nach allgemeiner Auffassung im Fall der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses und der Präjudizialität, der Vorbereitung eines zu erwartenden, nicht aussichtslos erscheinenden Schadensersatzprozesses, anerkannt.
33 
Ein Feststellungsinteresse kann sich vorliegend nicht aus Präjudizialität ergeben. Der Verwaltungsakt hat sich bereits vor Erhebung der Klage erledigt. In solchen Fällen ist ein mit der beabsichtigten Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche begründetes, schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu verneinen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.01.1989, BVerwGE 81, 226). Denn die ordentlichen Gerichte sind von sich aus in der Lage, über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes als Vorfrage zur Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch zu befinden.
34 
Auch das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr scheidet hier aus. Ein mit der drohenden Wiederholung begründetes berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, B. v. 16.10.1989, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211; B. v. 26.4.1993, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 255; Urt. v. 26.7.1996, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 284, LS). Dies bedingt die Annahme, dass die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, welche für den hier angegriffenen Verwaltungsakt zunächst maßgebend waren, auch im Zeitpunkt der künftig zu erwartenden Entscheidungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sein werden. Allein die zeitlich ungewisse, nur theoretisch denkbare Möglichkeit, dass die zu entscheidende Rechtsfrage in Zukunft für die Rechtsstellung des Klägers jemals wieder Bedeutung erlangen könnte, reicht dagegen für die Annahme eines Feststellungsinteresses nicht aus. So liegt der Fall hier, da gegenwärtig nicht absehbar ist, dass dem Kläger an seiner jetzigen Schule in absehbarer Zeit wieder ein auf § 90 SchulG beruhender Schulausschluss konkret droht.
35 
Für die Klage liegt jedoch - entgegen der Auffassung des Beklagten - unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses ein Feststellungsinteresse vor. Ein solches Interesse ist zu bejahen, wenn der erledigte Verwaltungsakt diskriminierende Wirkung entfaltet, vor allem bei nachhaltiger Grundrechtsbetroffenheit. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kläger durch den Verwaltungsakt selbst, seine Begründung oder die Umstände seines Zustandekommens noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in seiner Menschenwürde, seinem Persönlichkeitsrecht oder in seinem beruflichen oder gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich beeinträchtigt ist und die abträglichen Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden können (VGH B.-W., Urt. v. 08.05.1989, NvwZ 1990, 378 f.; konkret für einen Schulausschluss: VG Stuttgart, Urt. v. 14.11.2003 - 10 K 4593/02 -, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Bei einem Schulausschluss handelt es sich um einen erheblichen Grundrechtseingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Schülers, bei welchem diesem die Möglichkeit eröffnet werden muss, die Berechtigung dieser Maßnahme gerichtlich klären zu lassen. Es besteht für den Kläger ein Interesse daran, gegenüber seinen Mitschülern, der Schule, den Lehrern und der Öffentlichkeit - ein Schulausschluss muss insbesondere auch dem Jugendamt mitgeteilt werden (vgl. § 90 Abs. 8 Satz 1, 2. HS SchulG) - rehabilitiert zu werden (ebenso VG Stuttgart, a. a. O.).
36 
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Verfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Der Schulausschluss ist weder formell noch materiell rechtmäßig zustande gekommen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Fortsetzungsfeststellungsklage der Zeitpunkt der Erledigung des streitigen Verwaltungsaktes (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RNr. 147), hier also der endgültige Schulwechsel des Klägers mit Ablauf des 08.05.2017.
37 
Rechtsgrundlage für die Maßnahme ist/war § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 g) i. V. m. § 90 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 SchulG. Danach kann der Schulleiter nach Anhörung der Klassenkonferenz als Erziehungs- und Ordnungsmaßnahme einen Schulausschluss aussprechen, wenn der Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet (Satz 1) und es einem Mitschüler wegen Art und Schwere der Beeinträchtigungen und deren Folgen nicht (mehr) zumutbar ist mit dem Schüler weiter dieselbe Schule zu besuchen oder einer Lehrkraft, ihn weiter zu unterrichten (Satz 2), sowie das Verbleiben des Schülers in der Schule eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung, Gesundheit oder Sicherheit der Mitschüler befürchten lässt (Satz 3). Vor der Entscheidung über eine solche Maßnahme hat die zur Entscheidung zuständige Stelle dem Schüler, bei minderjährigen Schülern auch den Erziehungsberechtigten, Gelegenheit zur Anhörung einzuräumen (§ 90 Abs. 7 SchulG).
38 
Der mit Bescheid vom 20.03.2017 verfügte Schulausschluss des Klägers leidet formell bereits an einem schwerwiegenden Begründungsmangel (§ 39 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LVwVfG). Hiernach sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen - wie hier - soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
39 
Diesen Maßstäben genügt der verfügte Schulausschluss nicht. Zwar werden im Bescheid vom 20.03.2017 die relevanten Tatsachen, allerdings ohne konkrete Bewertung für die nun gewählte Maßnahme, aufgeführt, aber keine konkrete Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahme angegeben oder gar subsumierend dargelegt. Der Bescheid erschöpft sich rechtlich in der Eingangserwähnung des § 90 SchulG – einer Norm, welche auch bloße Erziehungsmaßnahmen umfasst – und legt weder die konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Schulausschluss aus § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 g) i. V. m. § 90 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 SchulG dar noch werden die strengen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahme erwähnt oder subsumiert. Zum Auswahlermessen und zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme finden sich darüber hinaus im Bescheid keinerlei Ausführungen, obwohl gerade bei der schwersten aller Ordnungsmaßnahmen solche Darlegungen zwingend geboten sind. Gründe für ein Absehen von der Begründungspflicht nach § 39 Abs. 2 LVwVfG sind nicht ersichtlich, so dass hier unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ein Begründungsmangel zu bejahen ist. Dieser Mangel wurde im Widerspruchsbescheid auch nicht geheilt und wäre von diesem – aufgrund des hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts (siehe oben) – ebenso wenig heilbar gewesen wie durch den zumindest teilweise ergänzenden Vortrag des Beklagten im Klageverfahren.
40 
Unabhängig davon ist der Bescheid vom 20.03.2017 auch deshalb rechtswidrig, weil der Schulleiter beim Erlass des im Streit stehenden Schulausschlusses das ihm durch § 90 SchulG eingeräumte Ermessen nicht im notwendigen Umfang ausgeübt hat (§ 114 VwGO).
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Es liegt zwar nicht, wie seitens des Klägers behauptet wird, ein umfassender Ermessensausfall vor. Dies wäre lediglich dann der Fall, wenn die Behörde ihr Ermessen verkennt, sie sich beispielsweise etwa irrig für gebunden hält. Die Aufzählung des Fehlverhaltens des Klägers mit den jeweiligen früheren Ordnungsmaßnahmen, welche offensichtlich nicht zu einer Verhaltensänderung bei diesem führten, lassen zumindest den Schluss zu, dass der Schulleiter ein milderes Mittel nicht mehr für zielführend erachtete. Somit hat er sehr wohl Erwägungen angestellt, die eine Ermessensausübung darstellen.
42 
Diese Erwägungen sind/waren jedoch nicht umfassend genug, weshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden muss. Es wurden nicht alle abwägungserheblichen Tatsachen, insbesondere die Belange des Klägers und seiner Eltern, in ausreichendem Maße in die Abwägung einbezogen beziehungsweise nicht ordnungsgemäß gewichtet. Zwar kann aus dem Bescheid geschlossen werden, dass mildere Maßnahmen vom Schulleiter in Betracht gezogen wurden. Konkrete maßnahmenbezogene Erwägungen enthält der Bescheid aber nicht und in der Begründung wird weder auf Einwände des Klägers aus seiner wohl erfolgten Anhörung (die Behördenakten weisen hierzu weder ein Protokoll noch sonstige Hinweise auf) noch auf diejenigen seiner Eltern aus deren Anhörung (auch diese kann aus dem Akteninhalt nur vermutet werden – ein Protokoll fehlt auch hierzu) eingegangen. Der Bescheid muss jedoch zumindest derart konkret gefasst sein, dass der Kläger nachvollziehen kann, weshalb „konkrete“ mildere Ordnungsmaßnahmen in seinem Fall nicht ergriffen wurden. Der bloße Hinweis „In der Gesamtbewertung ist festzuhalten, dass bei J. keinerlei Verhaltensänderung über den gesamten Zeitraum festzustellen ist“ reicht vorliegend nicht aus, um dem massiven Grundrechtseingriff, der sich aus einem Schulausschluss als härtester Ordnungsmaßnahme des Schulrechts ergibt, gerecht zu werden. Der Kläger kann aus dem Bescheid auch schlechthin nicht erkennen, ob beispielsweise seine Therapiewilligkeit, welche die Eltern des Klägers in ihrem Brief vom 17.03.2017 vorgetragen haben, in den Überlegungen des Schulleiters überhaupt eine Rolle gespielt hat. Auch weshalb das konkrete Verhalten des Klägers die in § 90 Abs. 6 SchulG angeführten Folgen befürchten lässt, hat der Schulleiter nicht konkret ausgeführt. Mithin liegt in der Gesamtbewertung hier ein Ermessensfehler vor; auch dieser Mangel wurde im Widerspruchsbescheid nicht geheilt und wäre von diesem – aufgrund des hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts (siehe oben) – ebenso wenig heilbar gewesen wie durch den zumindest teilweise ergänzenden Vortrag des Beklagten im Klageverfahren.
43 
Als weiterer, dritter Rechtswidrigkeitsgrund ist bezüglich des streitgegenständlichen Bescheids zudem festzustellen, dass der verfügte Schullausschluss nach den vorausgehenden Ordnungsmaßnahmen wohl auch unverhältnismäßig gewesen sein dürfte. Bei gleichem – teilweise sogar schwerwiegenderem – Fehlverhalten wurden in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger nur kurzzeitige Unterrichtsausschlüsse verfügt, welche teilweise sogar durch die Ableistung von Sozialstunden erlassen wurden. Eine schlüssige, nachvollziehbare Steigerung der Ordnungsmaßnahmen bei gleichem Fehlverhalten ist daher aus der Vorgeschichte insgesamt nicht erkennbar, so dass die nunmehr gewählte strengste Ordnungsmaßnahme – unter ergänzender Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers und seiner Eltern – nicht in engerem Sinne verhältnismäßig gewesen sein dürfte. Letztlich kommt es aber auf diesen Mangel im Hinblick auf die beiden anderen Rechtswidrigkeitspunkte (siehe oben) nicht mehr entscheidend an.
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Insgesamt ist die Klage daher begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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B e s c h l u s s
vom 29. Januar 2019
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Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
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Gründe
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 38.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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