Urteil vom Verwaltungsgericht Stade (1. Kammer) - 1 A 1098/08

Tatbestand

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Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserverbandsbeitrag für stark versiegelte Flächen.

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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Oppeln 16 in 21789 Wingst zur Größe von 0,4461 ha. Hierbei handelt es sich um eine Hof- und Gebäudefläche mit forst- und landwirtschaftlicher Nutzung. Nach den Angaben der Kläger besteht die Fläche überwiegend aus Ödland, nämlich Grasland und Wildwuchs. Flächenversiegelungen sind nach Darstellung der Kläger neben den Baulichkeiten nicht vorhanden. Das Grundstück ist von Abflussgräben umgeben. Da das Grundstück im Verbandsgebiet des Beklagten liegt, sind die Kläger gesetzliche Zwangsmitglieder des Beklagten.

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Der Beklagte ist ein Wasser- und Bodenverband. Er ist gesetzliches Zwangsmitglied des Unterhaltungsverbandes Untere Oste und trägt die vom Unterhaltungsverband für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung aufgewendeten Kosten. Zu diesem Zweck erhebt der Beklagte von seinen Mitgliedern Beiträge nach dem Flächenmaßstab gemäß § 32 Abs. 3 seiner Satzung vom 27. März 1996, zuletzt geändert durch die 3. Änderungssatzung vom 16. April 2008.

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Der Beklagte hat die Kläger mit Beitragsbescheid vom 25. Juni 2008 zu Beiträgen für das Haushaltsjahr 2008 herangezogen. In diesem Beitragsbescheid sind auch die von dem Beklagten an den Unterhaltungsverband abzuführenden Beiträge für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung enthalten. Diese sind für das Grundstück der Kläger mit insgesamt 70,71 € berücksichtigt. Im Einzelnen ist nach einem Hektarsatz von 32,50 € ein Beitrag in Höhe von 14,50 € festgesetzt worden. Darüber hinaus ist das Grundstück der Kläger als stark versiegelte Fläche eingestuft worden, wofür der vierfache Hektarsatz ausgehend von 31,50 € mit 126,00 € in Ansatz gebracht wurde, was bei der Fläche des Grundstücks der Kläger einen Beitrag von 56,21 € ausmacht. Zusätzlich sind Grabungs- und Reinigungskosten in Höhe von 0,45 € festgesetzt. Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage lediglich gegen die Festsetzung einer vierfachen Erschwernis.

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Die Kläger haben gegen diesen Bescheid am 1. Juli 2008 Klage erhoben und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt (1 B 1099/08). Den Eilantrag hat die Kammer mit Beschluss vom 11. August 2008 abgelehnt, weil der erforderliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde nicht rechtzeitig gestellt worden war. Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend:

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Es könne nicht rechtens sein, dass die Kläger zu Erschwernisbeiträgen für stark versiegelte Flächen herangezogen würden. Denn sie besäßen ein Naturgrundstück, das lediglich mit ca. 1/14 seiner Fläche bebaut sei und keinerlei Versiegelung aufweise. Es könne nicht verfassungskonform sein, wenn ein Bürger Abgaben entrichten müsse, die durch nichts gerechtfertigt seien. In diesem Zusammenhang sei unerheblich, dass der Beklagte selbst gegenüber dem Unterhaltungsverband verpflichtet sei. Offenbar habe es der Beklagte versäumt, wegen dieser Verpflichtung zugunsten seiner Mitglieder Klage zu erheben. Wenn vollständig versiegelte Flächen, wie z. B. Straßen, lediglich mit dem 2,5-fachen Aufschlag belegt würden, aber ein nur zu einem 1/14 bebautes Grundstück, das im Übrigen naturbelassen sei, mit einem vierfachen Aufschlag herangezogen werde, so sei dies nicht nachzuvollziehen. Auf Festsetzungen des Liegenschaftskatasters könne nicht abgestellt werden, wenn die sich dadurch ergebende Regelung nicht im Entferntesten mit den realen Gegebenheiten übereinstimme. Im Übrigen werde auf dem Grundstück der Kläger das gesamte Regenwasser, das auf die bebaute Fläche falle, in einen Tümpel abgeleitet, der nach unten offen sei, so dass das Wasser versickern könne. Es erreiche somit die Entwässerungsgräben gar nicht und sei somit vom Beklagten bzw. vom Unterhaltungsverband nicht zu entsorgen. Nach den eigenen Erläuterungen des Beklagten könne somit ein Erschwernisbeitrag für das „grüne Grundstück“ der Kläger nicht gefordert werden. Der Hinweis auf die Möglichkeit, eine Freistellung zu beantragen, ändere nichts an der grundsätzlichen Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Allenfalls könne sich hierdurch eine vergleichsweise Regelung ergeben.

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Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,

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den Beitragsbescheid des Beklagten vom 25. Juni 2008 aufzuheben, soweit darin ein Beitrag in Höhe von 56,21 € für stark versiegelte Flächen berücksichtigt ist.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen und verweist auf Folgendes:

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Bei dem Beklagten handele es sich um einen Wasser- und Bodenverband, der selbst Gewässer III. Ordnung unterhalte. Er sei zugleich Zwangsmitglied beim Unterhaltungsverband Untere Oste und zahle dort Beiträge für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung. Die Kläger seien dingliches Mitglied des Beklagten. Die Beiträge, die der Beklagte an den Unterhaltungsverband zu zahlen habe, würden nach einem Beitragsschlüssel an seine Mitglieder weitergegeben. Im Ergebnis zahlten die Mitglieder des Beklagten damit den Beitrag, der für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung anfalle, über den Beklagten an den Unterhaltungsverband. Diese Konstruktion sei zwingend, da der Beklagte nicht über eigene Mittel verfüge, um die Beiträge an den Unterhaltungsverband abzuführen. Letztlich gebe der Beklagte nur das an seine Mitglieder weiter, was er selbst an den Unterhaltungsverband zahlen müsse. Der Unterhaltungsverband und der Beklagte hätten sich satzungsgemäß an dem Gesetz zur Änderung des Nds. Wassergesetzes und des Nds. Fischereigesetzes vom 26. April 2007 (GVBl. S. 144) orientiert, in dem es eine Änderung der Festsetzung und Handhabung von Erschwernisbeiträgen gegeben habe. Zwar habe sich durch diese Gesetzesänderung an der Tatsache, dass Erschwernisbeiträge der Unterhaltungsverbände schon immer über die Wasser- und Bodenverbände an die Eigentümer weitergegeben worden seien, nichts geändert. Nunmehr werde jedoch gemäß § 101 Abs. 3 NWG in Verbindung mit einer Anlage 6 ein zusätzlicher Beitrag für Versiegelungen erhoben, wenn eine versiegelte Fläche im Liegenschaftskataster eingetragen sei. Dabei werde eine Differenzierung zwischen leicht versiegelten Flächen (einfacher Hektarsatz), mitteldicht versiegelten Flächen (2 1/2-facher Hektarsatz) und stärker versiegelten Flächen (vierfacher Hektarsatz) vorgenommen. Das Grundstück der Kläger habe nach dem Liegenschaftskataster die Kennung 21130 (Gebäude und Freifläche, Wohnen). Danach bestehe im Falle der Kläger eine Pflicht zur Zahlung des zusätzlichen vierfachen Hektarsatzes. Dieses sei zwingendes Recht. Das gesetzgeberische Ermessen habe sich insoweit im verfassungsrechtlich gebotenen Rahmen gehalten. Denn es sei wasserwirtschaftlich belegbar, dass von versiegelten Flächen Erschwernisse ausgingen. Derartige Erschwernisbeiträge seien in der Vergangenheit allein nach Satzungsrecht erhoben worden, nunmehr hinsichtlich der Erschwernisfaktoren aber in das Nds. Wassergesetz aufgenommen. Der Gesetzgeber knüpfe an das amtliche Liegenschaftskataster an, das die Einstufung der Flächen nach ihrer tatsächlichen Nutzung vornehme. Mit den sich hieraus ergebenden Kennungen seien somit typische Versiegelungsarten verbunden. Dem Gesetzgeber sei durchaus bekannt gewesen, dass so gut wie alle Flächen mehr oder weniger unversiegelte Anteile enthielten. Es habe aber verhindert werden sollen, dass die Unterhaltungsverbände jeweils reale Ermittlungen vor Ort zur Erfassung der genauen versiegelten Flächenanteile hätten anstellen müssen. Derartige Aufwendungen hätten die Unterhaltungskosten enorm in die Höhe getrieben, und deshalb habe der Gesetzgeber die in der Anlage 6 zu § 101 NWG enthaltenen Erschwernisfaktoren bewusst sehr niedrig angesetzt. So fließe z.B. von stärker versiegelten Flächen (Dächer, Plattenwege, Asphaltflächen) die 20-fache Menge und mehr an Wasser in schnellerer Weise in die Gewässer als dies von unversiegelten Flächen geschehen würde. Der maximale Faktor für derartige Flächen betrage jedoch nur vier. Wasserwirtschaftlich sei dieser geringe Faktor akzeptabel, weil eben nur eine anteilige Grundstücksfläche versiegelt sei. Die Typisierungsnotwendigkeit im Beitragsrecht führe zu Rechtssicherheit und einfacher Anwendung, setze aber die Angleichung bestimmter Fallgruppen voraus. Dabei werde davon ausgegangen, dass bestimmte Grundstücke, z.B. für Wohnen oder gewerbliche Zwecke, regelmäßig stärkere Versiegelungsanteile aufwiesen. Daher sei es zulässig, generell Erschwernisbeiträge in pauschalierter Höhe festzusetzen. Dabei sei auch hinzunehmen, dass es in Ausnahmefällen zu höheren Belastungen komme, wenn der versiegelte Anteil des Grundstücks zum unversiegelten Bereich in einem geringen Verhältnis stehe. Andernfalls wären generelle Lösungen unmöglich. Bei gänzlicher Unversiegelung von Flächen werde im Übrigen auf Antrag der beitragspflichtigen Personen ein Erschwernisbeitrag nicht erhoben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat sie zu Recht zu einem Beitrag für das Haushaltsjahr 2008 in Höhe 71,15 € herangezogen.

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Maßgebliche Rechtsgrundlage des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 32 der Verbandssatzung des Beklagten in Verbindung mit § 101 Abs. 3 NWG. Nach § 32 Abs. 3 der Verbandssatzung (VS) verteilt sich die Beitraglast aus der Aufbringung der Beiträge des Beklagten für den Unterhaltungsverband Untere Oste wegen der Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung und deren Anlagen auf die Mitglieder im Verhältnis der Flächeninhalte der zum Verband gehörenden Grundstücke. Flächen, die nicht zum Niederschlagsgebiet des Gewässers II. Ordnung gehören, sind bezüglich zu leistender Beiträge an den Unterhaltungsverband Untere Oste beitragsfrei. Mitglieder sind nach § 3 Abs. 1 der Verbandssatzung des Beklagten die jeweiligen Eigentümer der im Verbandsgebiet gelegenen Grundstücke und Anlagen sowie Körperschaften des öffentlichen Rechts.

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Nach dieser Satzungsbestimmung hat der Beklagte den Beitrag für das Grundstück der Kläger (nicht land- und forstwirtschaftliche Flächen) mit 32,50 € je Hektar ermittelt, was bei einem Grundstück zur Größe von 0,4461 ha einen Beitragssatz von 14,50 € ergibt. Insoweit greifen die Kläger die Beitragserhebung des Beklagten nicht an.

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Der Beklagte hat darüber hinaus § 32 Abs. 3 Satz 2 VS in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 16. April 2008 zur Anwendung gebracht. Hiernach verteilt sich die Beitragslast aus der Aufbringung der zusätzlichen Beiträge für die Erschwerung der Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung für den Unterhaltungsverband Untere Oste auf die Mitglieder nach der Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 des Nds. Wassergesetzes - NWG -. Diese Anlage sieht einen zusätzlichen Beitrag für Versiegelungen vor, wobei zwischen leicht versiegelten Flächen (einfacher Hektarsatz), mitteldicht versiegelte Flächen (zweieinhalbfacher Hektarsatz) und stärker versiegelten Flächen (vierfacher Hektarsatz) unterschieden wird. Nach Ziffer 1a der Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG kann für eine versiegelte Fläche, die im Liegenschaftskataster mit einer der aufgeführten Bezeichnungen und der entsprechenden Kennungen eingetragen ist, nach Maßgabe der in Spalte 2 der Anlage enthaltenen Begriffsbestimmung ein zusätzlicher Beitrag mit dem angegebenen mehrfachen Hektarsatz erhoben werden, also jeweils nach Einstufung der Fläche als leicht versiegelt, mitteldicht versiegelt oder stärker versiegelt. Bezogen auf das Grundstück der Kläger sieht die Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG ausgehend von der Begriffsbestimmung „Gebäude und Freifläche, die Wohnzwecken dient“ mit der Kennung 21130 den vierfachen Hektarsatz für stärker versiegelte Flächen vor. Ausgehend von einem einfachen Hektarsatz für versiegelte Flächen von 31,50 € he Hektar ergibt sich somit bei Annahme der vierfachen Erschwernis ein Hektarsatz von 126,00 €, der bei der Grundstücksgröße der Kläger von 0,4461 ha einen Erschwernisbeitrag von 56,21 € ergibt.

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Diese Heranziehung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

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Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Nds. Wassergesetzes und des Nds. Fischereigesetzes (Drucksache 15/3245) soll die Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG die verlässliche Grundlage für die mögliche Erhebung von zusätzlichen Beiträgen für die Erschwerung der Gewässerunterhaltung bilden. Der nach der Stärke der Bodenversiegelung dreifach gestufte zusätzliche Beitrag nach Nr. 1 Buchstabe a) der Anlage richtet sich dabei nach der Nutzungsart des mit einer Versiegelung versehenen Grundstücks. Für die Einstufung des konkreten Grundstückes ist die Eintragung im Liegenschaftskataster maßgebend. In Nr. 1 Buchstabe a) sind alle Flächen mit ihrer Bezeichnung und Begriffsbestimmung nach dem Liegenschaftskataster aufgeführt, die für die Erhebung zusätzlicher Beiträge für die Versiegelung in Betracht kommen. Entscheidend ist die tatsächliche entsprechende Nutzung. Die Einstufung der Flächen in Nr. 1 Buchstabe a) in leicht versiegelte, mitteldicht versiegelte und stark versiegelte Flächen berücksichtigt die von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. ermittelten mittleren Abflussbeiwerte für versiegelte Flächen. Der durchschnittliche Abflussbeiwert für Dächer aller Art liegt bei 0,8, für Straßen bei 0,5 und bei Gärtnereien und Kulturland bei 0,1. Daraus kann die Proportionalität der Faktoren der zusätzlichen Beiträge abgeleitet werden. Für die Einstufung der Fläche kommt es dabei auf die Eintragung im Liegenschaftskataster am Beginn des neuen Beitragsjahres an.

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Weiter heißt es in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes, dass die Erfassung der Flächen und die dazu gehörenden Faktoren auf einer zurückhaltenden Einschätzung der Erschwernisse beruhen, wenn die bekannten Abflussbeiwerte und die Festlegungen in der vorläufigen Richtlinie vom 2. Dezember 1961 berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hätte zur Gewässerunterhaltung nur die Anlieger heranziehen können. Er ist diesen Weg aber nicht gegangen, weil auf diese Weise die verschiedenen Beiträge zum Wasserkreislauf und damit zur Belastung der Gewässer nicht vollständig hätten erfasst werden können. Zu berücksichtigen sei, dass auch versickertes Wasser zum größeren Teil wieder dem Oberflächenwasser zufließt und zurück gehaltenes Wasser schrittweise an die Vorfluter abgegeben wird. Dem Einwand, die Festschreibung von Erschwernisbeiträgen ohne vorherige Einzelfallprüfung verstoße gegen die Beitragsgerechtigkeit nach dem Verursacherprinzip, begegnet die amtliche Begründung durch den Hinweis, dass angesichts der vielfältigen Sachverhalte und Gestaltungen eine Einzelfallgerechtigkeit nicht erreichbar sei. Daher sei auf normierte, einheitliche Flächenzuordnungen im Liegenschaftskataster und darauf aufbauend auf pauschale Erschwerniswerte zu setzen, die von der Versiegelung ausgingen.

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Dass im Übrigen grundsätzlich eine Pauschalierung der umzulegenden Kosten zulässig ist, hat das Nds. Oberverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 26. August 1996 (Nds. VBl. 1997, S. 10 ff.) entschieden. Für die Bemessung von Erschwernisbeiträgen scheide der Flächenmaßstab von vornherein aus, da die Gründe, die ihn für die Verteilung der allgemeinen Unterhaltungskosten als sachgerecht erscheinen ließen, für sie nicht zuträfen. Die Möglichkeit einer Pauschalierung bedeute, dass für Erschwernisse gleicher Art die Beiträge pauschal bestimmt werden könnten. Somit könne sich die Höhe dieses Beitrags etwa an dem auf mehrjähriger Erfahrung beruhenden durchschnittlichen Mehraufwand für bestimmte Fallgruppen orientieren, wobei den Organen des Verbandes ein gewisses Einschätzungsermessen zustehe.

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Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass wegen des dem Ortsgesetzgeber eingeräumten weiten Ermessens nicht gefordert werden kann, dass der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird. Führt ein Maßstab im Allgemeinen zu einer gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen, so stellen Mehrbelastungen in Ausnahmefällen seine Rechtmäßigkeit nicht notwendig in Frage. Denn Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der Ausnahmen gering ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 2005 - 10 BN 2/05 -, zitiert nach Juris).

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Hiervon ausgehend hält die Kammer die Entscheidung des Gesetzgebers, die Erhebung von Erschwernisbeiträgen nach Maßgabe von drei unterschiedlichen in der Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG bestimmten Fallgruppen vorzunehmen, für zulässig und im konkreten Fall für rechtsfehlerfrei durchgeführt. Die hiergegen erhobenen Einwände der Kläger greifen nicht durch. Insbesondere erweist sich die vorgenommene Pauschalierung und Typisierung unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2005 als rechtsfehlerfrei.

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Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, ihr Grundstück werde zu Unrecht als stärker versiegelte Fläche eingestuft. Es sei zwar bebaut. Die Bebauung mache im Verhältnis zur Grundstücksgröße aber lediglich ca. 1/14 aus. Bei dieser Sachlage könne nicht von einer stärker versiegelten Fläche des Grundstücks gesprochen werden. Dem gegenüber ist einzuwenden, dass die Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG den vierfachen Hektarsatz unter anderem für Gebäude- und Freifläche, die Wohnzwecken dient (Kennung 21230) vorsieht. Dies bedeutet, dass damit pauschalierend ein Grundstück insgesamt als stärker versiegelte Fläche eingestuft wird, obwohl auf der Hand liegt, dass dieses Grundstück nicht zu 100 % bebaut oder anderweitig versiegelt ist. Abgesehen davon, dass die im Sinne einer vermeintlichen Einzelfallgerechtigkeit exakte Ermittlung des Versiegelungsanteils eines Grundstücks aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Praktikabilität bei derartigen Massenverfahren nicht in Betracht kommen kann, spricht für die erfolgte Einstufung insbesondere die folgende Erwägung: Der Gesetzgeber hat die Verteilung in versiegelte und unversiegelte Bereiche über die Erschwernisfaktoren berücksichtigt und diese bewusst sehr niedrig angesetzt. So weist der Beklagte darauf hin, dass z.B. von stärker versiegelten Flächen, wie Asphalt oder Betonflächen, dichten Steinlegungen, Dächern, Plattenwegen oder ähnlichen Oberflächen, Mengen vom 20-fachen und mehr an Wasser in schnellerer Weise in die Gewässer fließen, als dies von vergleichbaren unversiegelten Flächen geschehen würde. Gleichwohl beträgt der maximale Faktor für Grundstücke mit stärkeren Versiegelungen nach dem NWG nur das Vierfache. Wasserwirtschaftlich ist dieser Ansatz gleichwohl akzeptabel, weil bei jedem Grundstück, das zu Wohnzwecken dient, regelmäßig nur ein gewisser Anteil der Flächen versiegelt ist und damit das Wasser vermehrt schneller in die Gewässer abführt. Hätte man nur an die versiegelten Flächen anknüpfen wollen, hätte man für diese einen erheblich höheren Multiplikator wählen müssen und die unversiegelten Flächen möglicherweise unberücksichtigt lassen können. Im Ergebnis hätte sich im Regelfall jedoch bei dieser Vorgehensweise kein wesentlich anderes Resultat ergeben, lediglich der erforderliche Verwaltungsaufwand wäre um ein Vielfaches bis hin zur mangelnden Praktikabilität angestiegen.

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In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität angewendete Pauschalierung an ihre rechtlichen Grenzen stößt, wenn die Einstufung eines Grundstücks als stärker versiegelt angesichts der tatsächlichen Verhältnisse sich als unverhältnismäßig erweist. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn ein außergewöhnlich großes Grundstück nur mit einem sehr kleinen Gebäude versehen ist. Für derartige Ausnahmefälle dürfte die Schaffung und Anwendung einer Härtefallregelung angebracht sein. Im vorliegenden Fall sieht die Kammer einen derartigen Ausnahmefall jedoch noch nicht als gegeben an.

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Ein weiterer Einwand ist in dem Hinweis zu sehen, dass Straßen nach der Anlage zu § 101 Abs.3 Satz 4 NWG nur als mitteldicht versiegelte Flächen und damit mit dem zweieinhalbfachen Hektarsatz eingestuft sind. Hierzu weist die amtliche Begründung des Gesetzentwurfes auf die unterschiedlichen Abflussbeiwerte z.B. für Dächer (0,8) und für Straßen (0,35) hin. Im Übrigen seien bei den Straßen nicht nur asphaltierte Straßen berücksichtigt, sondern auch geringer versiegelte Flächen, wie Böschungen, Bankette und Gräben. Diese Einschätzung entspricht im Übrigen der Empfehlung der Abwassertechnischen Vereinigung zu mittleren Abflussbeiwerten, die bei Straßen, Wegen und Plätzen je nach Beschaffenheit einen mittleren Abflussbeiwert zwischen 0,15 und 0,9 annimmt. Dabei wird der Abflussbeiwert als vom Einzugsgebiet abhängiger Faktor definiert, mit dem die Regenmenge je Zeiteinheit multipliziert wird, um den zu erwartenden Regenabfluss zu erhalten, der in das Entwässerungssystem eingeleitet werden soll. Dem gegenüber bewegt sich der mittlere Abflussbeiwert bei Dächern zwischen 0,8 und 1,0. Die vorgenommene unterschiedliche Einstufung von Straßen und Wegen sowie Wohnbebauung erweist sich damit jedenfalls nicht als willkürlich.

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Da die Kläger im Übrigen die rechnerische Ermittlung des festgesetzten Beitragssatzes nicht beanstanden und insoweit auch keine Bedenken ersichtlich sind, erweist sich die Klage damit als unbegründet. Sie war daher abzuweisen.

 


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