Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 17 K 4686/03

Tenor

Der Bescheid des Grenzschutzpräsidiums Süd vom 29.08.2003 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 16.10.2003 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein Polizeibeamter des Bundesgrenzschutzes, wendet sich gegen die Heranziehung zum Schadenersatz wegen in Verlust geratener dienstlicher Schlüssel.
Der Kläger ist als Polizeibeamter bei der Bundesgrenzschutzinspektion ... beschäftigt. Mit Anzeige vom 11.01.2001 meldete er den Verlust folgender dienstlicher Schlüssel:
1. Dienststellenschlüssel Nr.: ...
2. Gatesschlüssel Nr.: ...
3. Land/Luftschlüssel Nr.: ...
4. Personalschrankschlüssel Nr.: ...
5. Waffenfachschlüssel Nr.: ...
Er gab hierzu an, dass die Schlüssel zuletzt am 02.01.2001 von ihm benutzt worden seien. Bis 11.01.2001 habe er Dienstausgleich gehabt. Am 10.01.2001 habe er bemerkt, dass die Schlüssel gefehlt hätten. In seiner Schadensmeldung vom 14.02.2001 machte der Kläger zum Sachverhalt insbesondere folgende weitere Angaben: Er habe am 02.01.2001, während des Nachtdienstes, den Schlüsselbund noch in seinem Besitz gehabt. Im Zeitraum vom 03.01.2001 bis einschließlich 10.01.2001 habe er dienstfrei gehabt. Innerhalb dieses Zeitraums habe er diesen Schlüsselbund nicht benötigt, so dass der Verlust von ihm auch erst am 11.01.2001, als er wieder zum Dienst gewollt habe, bemerkt worden sei. Der genaue Ort des Verlustes sei nicht feststellbar. Da er an der Dienststelle seine Waffe noch habe wegsperren müssen, könne der Verlust nur auf dem Weg zu seinem Fahrzeug oder bei ihm zu Hause erfolgt sein. Der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers führte in seiner Stellungnahme zum Sachverhalt aus: Basierend auf den durch den Kläger getroffenen Aussagen sei weder der Zeitpunkt noch der Ort des Schlüsselverlustes genau nachvollziehbar. Es könne daher auch keine konkrete Bewertung darüber erfolgen, welche Handlung bzw. Unterlassung tatsächlich dazu geführt habe, dass der Schlüsselbund in Verlust geraten sei. Insbesondere aufgrund früherer Vorfälle bzw. den entsprechenden durch die Dienststelle dazu ergangenen Hinweisen sei grundsätzlich davon auszugehen, dass gerade im Umgang mit dienstlich zugewiesenen Schlüsseln durch jeden Bediensteten besondere Sorgfalt angewandt werde. Davon werde grundsätzlich auch beim Kläger ausgegangen.
Aufgrund des Schlüsselverlustes mussten verschiedene Schließzylinder in der Terminalanlage ausgetauscht werden. Hierfür wurden dem Bundesgrenzschutzamt Stuttgart durch die XXX insgesamt DM 13.054,78 (= Euro 6.674,80) in Rechnung gestellt. Insgesamt belief sich der entstandene Schaden infolge der erforderlichen Wiederbeschaffung von Schlüsseln auf Euro 6.736,10.
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Nach Anhörung des Klägers und nach Beteiligung der Personalvertretung, die der beabsichtigten Regressmaßnahme zustimmte, machte das Grenzschutzpräsidium Süd mit Bescheid vom 29.08.2003 den genannten Betrag als Schadenersatz gegenüber dem Kläger geltend. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Es werde davon ausgegangen, dass der Schaden in grob fahrlässiger Weise verursacht worden sei. Die Beurteilung des Schadensfalles als „grob fahrlässig verursacht“ ergebe sich insbesondere aus den Regelungen der Dienstanweisung (DA) Schaden BGS. Wenn ein BGS-Angehöriger Sachen nicht zurückgeben könne, die in seiner alleinigen Obhut gestanden hätten, so sei gemäß Ziffer 4.4 der DA-Schaden grundsätzlich davon auszugehen, dass ihn ein die Haftung begründendes Verschulden treffe. Etwas anderes könne nur gelten, wenn der Beamte nachweise, dass der Schaden möglicherweise auf Tatsachen beruhe, für die er nicht verantwortlich gemacht werden könne. Der Kläger habe vorgetragen, er könne nicht nachvollziehen, wie der Schlüsselbund abhanden gekommen sei. Er vermute, dass der Verlust auf dem Weg zum Fahrzeug oder zu Hause erfolgt sein müsse. Dass nur Vermutungen eingestellt werden könnten und sich auch der Ort, an dem der Schlüsselbund abhanden gekommen sei, nicht präzisieren lasse, spreche für grobe Fahrlässigkeit. Für den Verlust möglicherweise kausale Tatsachen, die nicht vom Kläger zu vertreten wären, seien nicht ersichtlich und seien auch nicht vorgetragen. Der äußerst sorglose Umgang mit den Dienststellenschlüsseln werde dadurch noch verdeutlicht, dass der Kläger die Schlüssel erst nach acht Tagen vermisst habe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Dienststellenschlüsseln um besonders wichtige Gegenstände handle, die mit besonderer Aufmerksamkeit hätten behandelt werden müssen. Im Übrigen sei anzumerken, dass aufgrund eines zurückliegenden Vorfalls der Dienststelle dem Kläger die Problematik des Verlustes von Schlüsseln und des drohenden Regresses besonders bewusst gewesen sein müsse. Mit Verfügung vom 10.11.1993 sei seitens der damaligen „Grenzschutzstelle Flughafen“ ausdrücklich auf das Regressrisiko bei Schlüsselverlust hingewiesen worden. Diese Verfügung sei in der Dienststelle im Umlaufverfahren bekannt gegeben und zum Gegenstand von dienstlichen Unterrichten gemacht worden. Dies hätte den Kläger dazu veranlassen müssen, besonders sorgsam mit den Dienststellenschlüsseln umzugehen.
11 
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies das Grenzschutzpräsidium Süd mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2003 im Wesentlichen mit der gleichen Begründung zurück.
12 
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 18.10.2003 zugestellt.
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Am 17.11.2003 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Kläger könne nicht genau nachvollziehen, wie es zu dem Schlüsselverlust gekommen sei. Da es hierbei um dienstlich zugewiesene Schlüssel gegangen sei, habe er ansonsten stets auf diese geachtet. Bei Beendigung des Dienstes habe er die Schlüssel stets in ein Fach seiner verschließbaren Tasche gegeben. Wenn er die Schlüssel zu Hause aus der Tasche genommen habe, habe er sie in einen Schlüsselkasten gehängt, in welchem er sie jedoch getrennt von den privaten Schlüsseln aufbewahrt habe. Bei privaten Unternehmungen habe er die Schlüssel nie mitgenommen, insbesondere auch nicht in den Urlaub. Er sei seit dem 01.12.1992 Angehöriger der Bundesgrenzschutzinspektion Flughafen Stuttgart. Während dieser mehr als zehn Jahre sei es aufgrund seiner Sorgfalt im Umgang mit den ihm zugewiesenen dienstlichen Schlüsseln zu keinem Zeitpunkt zu einem vergleichbaren Vorfall gekommen. Auch der bereits seit mehreren Jahren unmittelbare Vorgesetzte des Klägers habe in seiner schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Beklagten bestätigt, dass beim Kläger ansonsten von einem stets besonders sorgfältigen Umgang mit den ihm dienstlich zugewiesenen Schlüsseln auszugehen sei, weshalb der vorliegende Vorfall lediglich als minderschweres Verschulden anzusehen sei.
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Nach den vorliegenden Umständen habe der Kläger vorliegend lediglich durch irgendeine Unaufmerksamkeit im Sinne leichter Fahrlässigkeit den Schlüsselverlust herbeigeführt. Grundsätzlich greife zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Beweislastregel des § 282 BGB ein, wonach ein öffentlich Bediensteter grundsätzlich beweispflichtig dafür sei, beim Verlust von Schlüsseln öffentlicher Gebäude nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt zu haben. Das Bundesverwaltungsgericht schränke die Anforderungen an diesen Entlastungsbeweis aber insofern wiederum ein, als sie nicht entgegen der gesetzlichen Regelung der §§ 46 BRRG, 78 BGB zu einer De-facto-Haftung auch bei leichter Fahrlässigkeit und damit zu einer Vereitelung oder zumindest Beeinträchtigung des gesetzlichen Haftungsprivilegs führen dürften. Deshalb könne der Entlastungsbeweis dadurch geführt werden, dass der Beamte nachweise, „bei der gleichen Tätigkeit bisher den eine Haftung ausschließenden Grad von Sorgfalt“ beachtet zu haben. Wie bereits ausgeführt, habe der Kläger während seiner langjährigen Dienstzeit seinen Dienst stets ordnungsgemäß erfüllt und sorgfältig auf die ihm zugewiesenen Schlüssel geachtet. Die Beklagte schließe daraus, dass der Kläger das Abhandenkommen des Schlüsselbundes nicht mehr vollständig nachvollziehen könne, automatisch auf ein grob fahrlässiges Handeln. Eine solche Schlussfolgerung könne jedoch nicht vorgenommen werden. Sie würde dazu führen, dass jeder Verlust eines Dienstschlüssels ein grob fahrlässiges Handeln begründen würde. Regelmäßig werde eine Person nicht beweisen können, wann und wie es zu dem Verlust gekommen sei. Auch in den von der Beklagten zur Begründung ihres Standpunkts herangezogenen Entscheidungen des OLG Naumburg vom 09.08.1996 und des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21.04.1989 werde nicht automatisch vom Verlust der Dienstwaffe oder des Schlüssels auf ein grob fahrlässiges Handeln geschlossen. So habe etwa der Bayrische Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Urteil grobe Fahrlässigkeit des Zollbeamten beim Verlust der Dienstwaffe nur deshalb angenommen, weil aufgrund der Umstände der Geschehensablauf, dass ihm die Waffe unbemerkt im Gedränge während des Aussteigens aus dem Zug entwendet worden sei, wesentlich wahrscheinlicher gewesen sei, als dass die Waffe ihm unbemerkt aus dem Holster gerutscht wäre. Da aufgrund der vom Gericht nachgestellten Situation ein Herausfallen der Waffe habe weitestgehend ausgeschlossen werden können, sei vom Gericht auf den wahrscheinlicheren Geschehensablauf des unbemerkten Entwendens abgestellt worden. Das Gericht habe dem Zollbeamten den Vorwurf gemacht, dass er aufgrund der besonderen Situation im Gedränge nicht genügend auf seine Pistole geachtet habe, obwohl er gewusst habe, dass sich unter den Fahrgästen im Zug „zwielichtige“ Personen befunden hätten. Ein solcher Vorwurf könne dem Kläger jedoch nicht gemacht werden. Wie bereits ausgeführt, vermute der Kläger, dass der Verlust auf dem Weg zu seinem Fahrzeug oder zu sich nach Hause erfolgt sei. Vom Geschehensablauf her dürfte ein unbemerktes Herausfallen am wahrscheinlichsten sein. Eine vergleichbare Sondersituation zu dem Fall mit dem Zollbeamten, die über ein das übliche Maß hinausgehendes Augenmerk auf die Schlüssel abverlangt hätte, habe nicht bestanden. Der Verlust der Schlüssel sei folglich auf eine Unachtsamkeit im Sinne leichter Fahrlässigkeit zurückzuführen, weshalb eine Haftung des Klägers für den Schlüsselverlust ausgeschlossen sei.
15 
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 16.10.2003 aufzuheben.
17 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
19 
Zur Begründung des Klageabweisungsantrags wird insbesondere ausgeführt: Die verloren gegangenen Schlüssel hätten in alleiniger Obhut des Klägers gestanden und eine Rückgabe sei ihm nicht möglich. Damit sei grundsätzlich davon auszugehen, dass den Kläger ein die Haftung begründendes Verschulden treffe. Ein Nachweis, dass der Schaden möglicherweise auf Tatsachen beruhe, die er nicht zu vertreten habe, sei vom Kläger nicht erbracht worden. Der Kläger könne zur Zeit, Ort und Umständen des Verlustes keinerlei Angaben machen. Er trage vor, den „Verlust nicht vollständig nachvollziehen zu können“. Ferner würden lediglich vage Vermutungen geäußert, wie es zum Verlust gekommen sein könnte. Diese Vermutungen seien auch nicht nachvollziehbar, vor allem ein „unbemerktes Herausfallen“ dürfte nicht vorkommen, da der Verlust eines gesamten Schlüsselbundes bei ausreichender Sorgfalt sicher bemerkt worden wäre. Der Kläger habe auch in hohem Maße außer Acht gelassen, dass ihm im Umgang mit Bundeseigentum erhöhte Sorgfaltspflichten oblägen. Nachdem die Schlüssel den Zugang zu sicherheitsempfindlichen Räumen/Bereichen ermöglichten, seien sie so aufzubewahren gewesen, dass jeglicher Zugriff Dritter ausgeschlossen gewesen sei. Dies beinhalte auch, die Schlüssel nach Dienstschluss so zu transportieren und aufzubewahren, dass sie nicht verloren gehen könnten. Dem Kläger sei auch bekannt gewesen, dass gerade im Umgang mit Dienststellenschlüsseln ein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab anzuwenden sei. Der Kläger habe gleichwohl äußerst sorglos gehandelt. Diese Sorglosigkeit zeige sich gerade darin, dass er den Verlust der Schlüssel erst nach acht Tagen bemerkt habe.
20 
Mit Beschluss vom 21.01.2005 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
21 
Dem Gericht hat die einschlägige Sachakte der Beklagten vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Grenzschutzpräsidiums Süd vom 29.08.2003 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 16.10.2003 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
23 
Rechtsgrundlage für die Haftung des Klägers für den durch den Verlust der ihm anvertrauten Dienststellenschlüssel verursachten, beim Dienstherrn entstandenen Schadens ist § 78 Abs. 1 BBG. Danach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Vorschrift setzt sonach zunächst voraus, dass der Beamte objektiv seine Pflichten aus dem Beamtenverhältnis verletzt hat. Insbesondere zählt dazu die jeden Beamten treffende (negative) Pflicht, unmittelbar und mittelbar den Dienstherrn schädigende Handlungen zu unterlassen (vgl. Kaster, NWVBl. 1994, 121). Verliert ein Beamter ihm anvertraute Dienststellenschlüssel bzw. Schlüssel zu einer Schließanlage eines öffentlichen Gebäudes und verursacht er damit seinem Dienstherrn einen Schaden, kommt damit eine Verletzung dieser (negativen) Pflicht in Betracht (vgl. Kaster a. a. O.). Kann der Beamte, wie vorliegend, den Schlüsselverlust nicht durch besondere, ihn entlastende Umstände erklären, wird regelmäßig vom Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung auszugehen sein.
24 
Allerdings haftet der Beamte nach § 78 Abs. 1 BBG im Innenverhältnis gegenüber dem Dienstherrn stets nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Im vorliegenden Fall kommt nach den bekannt gewordenen Umständen nur grobe Fahrlässigkeit in Betracht.
25 
Der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit des Beamten ist nur gerechtfertigt, wenn dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflage 2002, Rdnr. 318 m. w. N.; Kaster, a. a. O.). Während der Maßstab der gewöhnlichen Fahrlässigkeit ausschließlich objektiv ist, müssen bei der groben Fahrlässigkeit auch subjektive, in der Individualität des Handelnden begründete Umstände berücksichtigt werden. Den Beamten muss auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen (Schnellenbach, a. a. O.; Kaster, a. a. O.). Das Verschulden bezieht sich lediglich auf die Pflichtverletzung selbst, nicht dagegen auf den Schaden (Kaster, a. a. O.). Vom Umfang des Schadens darf nicht ohne Weiteres auf den Grad der Fahrlässigkeit rückgeschlossen werden (Schnellenbach, a. a. O.). Die Feststellung grober Fahrlässigkeit hängt stets in besonderem Maße von den Umständen des Einzelfalles ab, generalisierende Ausführungen sind daher nicht möglich (vgl. Kaster, a. a. O.).
26 
Im vorliegenden Fall fehlt es an Feststellungen, mit denen der verstärkte Verschuldensvorwurf der groben Fahrlässigkeit belegt werden kann. Zwar fehlt es auch an besonderen, den Kläger im Hinblick auf den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entlastenden Umständen, jedoch kann nach den vorliegenden Feststellungen der Schlüsselverlust auch lediglich durch eine Unaufmerksamkeit im Sinne leichter Fahrlässigkeit verursacht worden sein. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass den Kläger hinsichtlich der ihm in Verwahrung gegebenen dienstlichen Schlüssel angesichts der mit dem Verlust verbundenen Gefahrenmomente und angesichts des im Falle des Verlusts drohenden Schadens erhöhte Sorgfaltspflichten trafen. Diese den Kläger treffende erhöhte Sorgfaltspflicht allein ermöglicht jedoch bei einem Verlust der Schlüssel, dessen nähere Umstände nicht aufzuklären sind, nicht ohne weiteres den Schluss darauf, dass der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße - auch in subjektiver Hinsicht - verletzt hat. Denn auch eine den Kläger treffende und ihm - etwa durch besondere Belehrungen oder durch Vorfälle in der Vergangenheit - bewusste erhöhte Sorgfaltspflicht verhindert es nach der Lebenserfahrung nicht, dass dienstlich anvertraute Schlüssel durch Unaufmerksamkeit im Sinne leichter Fahrlässigkeit verloren gehen können. Der erforderliche Verschuldensvorwurf kann auch nicht allein damit begründet werden, dass der Kläger zu Zeit, Ort und Umständen des Verlustes keinerlei nähere Angaben habe machen können, dass er lediglich vage Vermutungen, wie es zum Verlust gekommen sein könne, geäußert habe. Denn es widerspricht nicht der Lebenserfahrung, dass insbesondere bei relativ kleinen und leichten Gegenständen - hierzu gehört auch ein Schlüsselbund, wie der vom Kläger verlorene - dem betroffenen Beamten die Umstände des Verlustes nicht erinnerlich sind. Es kann sich hierbei, jedenfalls bei einem sonst im Hinblick auf seine Dienstpflichten als sorgfältig bekannten Beamten, um ein nie auszuschließendes „Augenblicksversagen“ (z. B. durch Abgelenktheit) handeln.
27 
Die Haftung des Klägers kann auch nicht mit seinem Verhalten nach dem Verlust der Schlüssel begründet werden. Selbst wenn sich feststellen ließe, dass der Kläger im Anschluss an den Schlüsselverlust sich pflichtwidrig verhalten hat, war das Verhalten des Klägers insoweit nicht mehr kausal für den entstandenen und geltend gemachten Schaden. Der hier von der Beklagten geltend gemachte Schaden war bereits mit dem (endgültigen) Verlust der Schlüssel entstanden; ein weiterer Schaden (Folgeschaden) der dadurch entstanden wäre, dass der Kläger den Verlust nicht rechtzeitig gemeldet hätte, ist nicht feststellbar (vgl. hierzu Kaster, a. a. O., Seite 124). Im Übrigen kann bereits bezweifelt werden, ob das Verhalten des Klägers im Anschluss an den Schlüsselverlust überhaupt pflichtwidrig war. Denn der Kläger hatte vom 03.01.2001 bis einschließlich 10.01.2001 dienstfrei und benötigte den Schlüsselbund daher nicht. Eine besondere Pflicht zur ständigen Kontrolle, ob der Schlüsselbund noch vorhanden war, bestand nicht. Anweisungen bzw. Richtlinien zum Umgang mit dienstlichen Schlüsseln, die insoweit eine Regelung enthalten hätten, bestanden ersichtlich nicht. Der Umlauf vom 10.11.1993, auf den die Beklagte sich berufen hat, bezog sich auf einen bestimmten aktuellen Anlass und enthielt außer dem Hinweis auf einen möglichen Regress nur den Hinweis, dass die Schlüssel für den Flughafen und die Dienststelle nur während des Dienstes „bei sich zu tragen sind“. Aus diesem Hinweis ergibt sich nicht, dass die Schlüssel etwa nicht nach Hause hätten mitgenommen werden dürfen oder aber ihr Vorhandensein zu Hause (wiederholt) zu überprüfen war. Offenbar war es, wie aus dem vom Kläger geschilderten üblichen Verhalten bezüglich der dienstlichen Schlüssel hervorgeht, auch nach 1993 bei der Grenzschutzinspektion XXX durchaus üblich, die dienstlichen Schlüssel mit nach Hause zu nehmen. Der Hinweis vom 10.11.1993 ist offenbar dahin zu verstehen, dass hiermit auf die bezüglich der dienstlich zugewiesenen Schlüssel bestehende besondere Sorgfaltspflicht aufgrund eines aktuellen Anlasses hingewiesen werden sollte.
28 
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Kläger mit dem Verlust der Schlüssel nicht gegen insoweit bestehende eindeutige Richtlinien bzw. Anweisungen verstoßen hat, so dass sich daraus bereits eine, insbesondere grob fahrlässige, Dienstpflichtverletzung ergeben würde. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ergibt sich eine Haftung des Klägers nach § 78 BBG auch nicht aus der Anwendung des Rechtsgedankens des § 282 BGB (a. F.), der nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auch bei Erstattungsfällen im Beamtenrecht grundsätzlich anwendbar ist (vgl. BVerwGE 37, 192; 52, 255). Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Beweisregel des § 282 BGB, wonach den Schuldner die Beweislast trifft, wenn streitig ist, ob die Unmöglichkeit der Leistung die Folge eines von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes ist, in besonderen Fällen auch einzelne Schuldformen betreffen. Haftet der Schuldner nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, so ist er lediglich für das Nichtvorliegen dieser beiden Verschuldensgrade beweispflichtig (BVerwGE 52, 255, 260). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet die Anwendung dieser Beweisregel nicht, dass den Beamten wegen des Nichtvertretenmüssens eine formelle Beweislast trifft. Im Hinblick auf den das Verwaltungsstreitverfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatz ergebe sich hieraus vielmehr, dass er die materielle Beweislast trage, wenn sich nicht klären lasse, dass er den Fehlbestand nicht vertreten habe. Ihm bleibe die Möglichkeit darzutun, dass er bei seinem Dienst denjenigen Grad der Sorgfalt beachtet habe, zu dem er nach dem konkreten Dienstverhältnis verpflichtet gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O.) dürfen allerdings insoweit keine zu hohen Anforderungen an den Entlastungsbeweis gestellt werden; sie dürfen nicht dazu führen, dass ein Beamter auch bei leichter Fahrlässigkeit haftet. Im Hinblick auf Erstattungsfälle (bei Kassenfehlbeständen) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Unaufklärbarkeit der Frage, ob der Fehlbestand auf eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des in jenem Verfahren beklagten Kassenbeamten zurückzuführen sei, nicht zu seinem Nachteil ausschlagen dürfe, weil sein Tätigkeitsbereich nicht frei von fremder Einflussnahme gewesen sei. Die Verantwortung des einzelnen Beamten reiche nicht weiter als der Gefahrenbereich, den er unter Ausschluss jeder fremden Einflussnahme allein beherrsche. Aus letzterem Grunde wäre allerdings die Haftung des Klägers im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen, da es im Falle dienstlich anvertrauter Schlüssel um einen Gefahrenbereich geht, den der Beamte unter Ausschluss jeder fremden Einflussnahme allein beherrscht. Dennoch haftet der Kläger im konkreten Falle nicht.
29 
Hierbei ist davon auszugehen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O.) im Anwendungsbereich des § 282 BGB der zwingende Beweis einer Nichtschuld nicht verlangt wird. Denn dazu wird der Schuldner vielfach überhaupt nicht in der Lage sein. Die Anforderungen an den Entlastungsbeweis dürfen zwar nicht so gering sein, dass schon die bloße Möglichkeit eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Schadenseintritts für den Entlastungsbeweis ausreicht. Der Beweis wird aber oftmals schon als erbracht anzusehen sein, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten hat, und er beweist, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat. Dieser Beweis kann auch dadurch geführt werden, dass der Schuldner bei der gleichen Tätigkeit bisher den eine Haftung ausschließenden Grad von Sorgfalt beachtet hat. Dabei sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgebend (BVerwG, a. a. O.).
30 
Im vorliegenden Fall kann der Kläger zwar keinen Entlastungsbeweis in Bezug auf den konkreten Vorgang des Schlüsselverlustes erbringen, da er sich an die näheren Umstände nicht erinnern konnte. Jedoch hat der Kläger zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters dargelegt, dass er während seiner seit 1992 andauernden Dienstzeit hinsichtlich der Verwahrung von dienstlich anvertrauten Schlüsseln die erforderliche Sorgfalt angewandt hat (vgl. die Darlegungen in der Stellungnahme des Klägers vom 22.05.2003 sowie die Widerspruchsbegründung vom 30.09.2003). Diese Darlegung des Klägers ist von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden und wird von der Stellungnahme des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers vom 14.02.2001 im Grundsatz bestätigt. Bei einem in der Vergangenheit pflichtgemäßen Verhalten des Klägers kann daher bezüglich des konkreten Vorgangs von einem „Augenblicksversagen“ ausgegangen werden, das den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht begründet (vgl. zum Versicherungsrecht insoweit OLG Köln, Urt. v. 14.11.1991, Az. : 5 U 182/90, Juris).
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen. Sie ist nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht bereits der Regel, da der Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage ist, selbst seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 162 RdNr. 18 m. w. N.).

Gründe

 
22 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Grenzschutzpräsidiums Süd vom 29.08.2003 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 16.10.2003 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
23 
Rechtsgrundlage für die Haftung des Klägers für den durch den Verlust der ihm anvertrauten Dienststellenschlüssel verursachten, beim Dienstherrn entstandenen Schadens ist § 78 Abs. 1 BBG. Danach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Vorschrift setzt sonach zunächst voraus, dass der Beamte objektiv seine Pflichten aus dem Beamtenverhältnis verletzt hat. Insbesondere zählt dazu die jeden Beamten treffende (negative) Pflicht, unmittelbar und mittelbar den Dienstherrn schädigende Handlungen zu unterlassen (vgl. Kaster, NWVBl. 1994, 121). Verliert ein Beamter ihm anvertraute Dienststellenschlüssel bzw. Schlüssel zu einer Schließanlage eines öffentlichen Gebäudes und verursacht er damit seinem Dienstherrn einen Schaden, kommt damit eine Verletzung dieser (negativen) Pflicht in Betracht (vgl. Kaster a. a. O.). Kann der Beamte, wie vorliegend, den Schlüsselverlust nicht durch besondere, ihn entlastende Umstände erklären, wird regelmäßig vom Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung auszugehen sein.
24 
Allerdings haftet der Beamte nach § 78 Abs. 1 BBG im Innenverhältnis gegenüber dem Dienstherrn stets nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Im vorliegenden Fall kommt nach den bekannt gewordenen Umständen nur grobe Fahrlässigkeit in Betracht.
25 
Der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit des Beamten ist nur gerechtfertigt, wenn dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflage 2002, Rdnr. 318 m. w. N.; Kaster, a. a. O.). Während der Maßstab der gewöhnlichen Fahrlässigkeit ausschließlich objektiv ist, müssen bei der groben Fahrlässigkeit auch subjektive, in der Individualität des Handelnden begründete Umstände berücksichtigt werden. Den Beamten muss auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen (Schnellenbach, a. a. O.; Kaster, a. a. O.). Das Verschulden bezieht sich lediglich auf die Pflichtverletzung selbst, nicht dagegen auf den Schaden (Kaster, a. a. O.). Vom Umfang des Schadens darf nicht ohne Weiteres auf den Grad der Fahrlässigkeit rückgeschlossen werden (Schnellenbach, a. a. O.). Die Feststellung grober Fahrlässigkeit hängt stets in besonderem Maße von den Umständen des Einzelfalles ab, generalisierende Ausführungen sind daher nicht möglich (vgl. Kaster, a. a. O.).
26 
Im vorliegenden Fall fehlt es an Feststellungen, mit denen der verstärkte Verschuldensvorwurf der groben Fahrlässigkeit belegt werden kann. Zwar fehlt es auch an besonderen, den Kläger im Hinblick auf den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entlastenden Umständen, jedoch kann nach den vorliegenden Feststellungen der Schlüsselverlust auch lediglich durch eine Unaufmerksamkeit im Sinne leichter Fahrlässigkeit verursacht worden sein. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass den Kläger hinsichtlich der ihm in Verwahrung gegebenen dienstlichen Schlüssel angesichts der mit dem Verlust verbundenen Gefahrenmomente und angesichts des im Falle des Verlusts drohenden Schadens erhöhte Sorgfaltspflichten trafen. Diese den Kläger treffende erhöhte Sorgfaltspflicht allein ermöglicht jedoch bei einem Verlust der Schlüssel, dessen nähere Umstände nicht aufzuklären sind, nicht ohne weiteres den Schluss darauf, dass der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße - auch in subjektiver Hinsicht - verletzt hat. Denn auch eine den Kläger treffende und ihm - etwa durch besondere Belehrungen oder durch Vorfälle in der Vergangenheit - bewusste erhöhte Sorgfaltspflicht verhindert es nach der Lebenserfahrung nicht, dass dienstlich anvertraute Schlüssel durch Unaufmerksamkeit im Sinne leichter Fahrlässigkeit verloren gehen können. Der erforderliche Verschuldensvorwurf kann auch nicht allein damit begründet werden, dass der Kläger zu Zeit, Ort und Umständen des Verlustes keinerlei nähere Angaben habe machen können, dass er lediglich vage Vermutungen, wie es zum Verlust gekommen sein könne, geäußert habe. Denn es widerspricht nicht der Lebenserfahrung, dass insbesondere bei relativ kleinen und leichten Gegenständen - hierzu gehört auch ein Schlüsselbund, wie der vom Kläger verlorene - dem betroffenen Beamten die Umstände des Verlustes nicht erinnerlich sind. Es kann sich hierbei, jedenfalls bei einem sonst im Hinblick auf seine Dienstpflichten als sorgfältig bekannten Beamten, um ein nie auszuschließendes „Augenblicksversagen“ (z. B. durch Abgelenktheit) handeln.
27 
Die Haftung des Klägers kann auch nicht mit seinem Verhalten nach dem Verlust der Schlüssel begründet werden. Selbst wenn sich feststellen ließe, dass der Kläger im Anschluss an den Schlüsselverlust sich pflichtwidrig verhalten hat, war das Verhalten des Klägers insoweit nicht mehr kausal für den entstandenen und geltend gemachten Schaden. Der hier von der Beklagten geltend gemachte Schaden war bereits mit dem (endgültigen) Verlust der Schlüssel entstanden; ein weiterer Schaden (Folgeschaden) der dadurch entstanden wäre, dass der Kläger den Verlust nicht rechtzeitig gemeldet hätte, ist nicht feststellbar (vgl. hierzu Kaster, a. a. O., Seite 124). Im Übrigen kann bereits bezweifelt werden, ob das Verhalten des Klägers im Anschluss an den Schlüsselverlust überhaupt pflichtwidrig war. Denn der Kläger hatte vom 03.01.2001 bis einschließlich 10.01.2001 dienstfrei und benötigte den Schlüsselbund daher nicht. Eine besondere Pflicht zur ständigen Kontrolle, ob der Schlüsselbund noch vorhanden war, bestand nicht. Anweisungen bzw. Richtlinien zum Umgang mit dienstlichen Schlüsseln, die insoweit eine Regelung enthalten hätten, bestanden ersichtlich nicht. Der Umlauf vom 10.11.1993, auf den die Beklagte sich berufen hat, bezog sich auf einen bestimmten aktuellen Anlass und enthielt außer dem Hinweis auf einen möglichen Regress nur den Hinweis, dass die Schlüssel für den Flughafen und die Dienststelle nur während des Dienstes „bei sich zu tragen sind“. Aus diesem Hinweis ergibt sich nicht, dass die Schlüssel etwa nicht nach Hause hätten mitgenommen werden dürfen oder aber ihr Vorhandensein zu Hause (wiederholt) zu überprüfen war. Offenbar war es, wie aus dem vom Kläger geschilderten üblichen Verhalten bezüglich der dienstlichen Schlüssel hervorgeht, auch nach 1993 bei der Grenzschutzinspektion XXX durchaus üblich, die dienstlichen Schlüssel mit nach Hause zu nehmen. Der Hinweis vom 10.11.1993 ist offenbar dahin zu verstehen, dass hiermit auf die bezüglich der dienstlich zugewiesenen Schlüssel bestehende besondere Sorgfaltspflicht aufgrund eines aktuellen Anlasses hingewiesen werden sollte.
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Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Kläger mit dem Verlust der Schlüssel nicht gegen insoweit bestehende eindeutige Richtlinien bzw. Anweisungen verstoßen hat, so dass sich daraus bereits eine, insbesondere grob fahrlässige, Dienstpflichtverletzung ergeben würde. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ergibt sich eine Haftung des Klägers nach § 78 BBG auch nicht aus der Anwendung des Rechtsgedankens des § 282 BGB (a. F.), der nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auch bei Erstattungsfällen im Beamtenrecht grundsätzlich anwendbar ist (vgl. BVerwGE 37, 192; 52, 255). Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Beweisregel des § 282 BGB, wonach den Schuldner die Beweislast trifft, wenn streitig ist, ob die Unmöglichkeit der Leistung die Folge eines von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes ist, in besonderen Fällen auch einzelne Schuldformen betreffen. Haftet der Schuldner nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, so ist er lediglich für das Nichtvorliegen dieser beiden Verschuldensgrade beweispflichtig (BVerwGE 52, 255, 260). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet die Anwendung dieser Beweisregel nicht, dass den Beamten wegen des Nichtvertretenmüssens eine formelle Beweislast trifft. Im Hinblick auf den das Verwaltungsstreitverfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatz ergebe sich hieraus vielmehr, dass er die materielle Beweislast trage, wenn sich nicht klären lasse, dass er den Fehlbestand nicht vertreten habe. Ihm bleibe die Möglichkeit darzutun, dass er bei seinem Dienst denjenigen Grad der Sorgfalt beachtet habe, zu dem er nach dem konkreten Dienstverhältnis verpflichtet gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O.) dürfen allerdings insoweit keine zu hohen Anforderungen an den Entlastungsbeweis gestellt werden; sie dürfen nicht dazu führen, dass ein Beamter auch bei leichter Fahrlässigkeit haftet. Im Hinblick auf Erstattungsfälle (bei Kassenfehlbeständen) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Unaufklärbarkeit der Frage, ob der Fehlbestand auf eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des in jenem Verfahren beklagten Kassenbeamten zurückzuführen sei, nicht zu seinem Nachteil ausschlagen dürfe, weil sein Tätigkeitsbereich nicht frei von fremder Einflussnahme gewesen sei. Die Verantwortung des einzelnen Beamten reiche nicht weiter als der Gefahrenbereich, den er unter Ausschluss jeder fremden Einflussnahme allein beherrsche. Aus letzterem Grunde wäre allerdings die Haftung des Klägers im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen, da es im Falle dienstlich anvertrauter Schlüssel um einen Gefahrenbereich geht, den der Beamte unter Ausschluss jeder fremden Einflussnahme allein beherrscht. Dennoch haftet der Kläger im konkreten Falle nicht.
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Hierbei ist davon auszugehen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O.) im Anwendungsbereich des § 282 BGB der zwingende Beweis einer Nichtschuld nicht verlangt wird. Denn dazu wird der Schuldner vielfach überhaupt nicht in der Lage sein. Die Anforderungen an den Entlastungsbeweis dürfen zwar nicht so gering sein, dass schon die bloße Möglichkeit eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Schadenseintritts für den Entlastungsbeweis ausreicht. Der Beweis wird aber oftmals schon als erbracht anzusehen sein, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten hat, und er beweist, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat. Dieser Beweis kann auch dadurch geführt werden, dass der Schuldner bei der gleichen Tätigkeit bisher den eine Haftung ausschließenden Grad von Sorgfalt beachtet hat. Dabei sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgebend (BVerwG, a. a. O.).
30 
Im vorliegenden Fall kann der Kläger zwar keinen Entlastungsbeweis in Bezug auf den konkreten Vorgang des Schlüsselverlustes erbringen, da er sich an die näheren Umstände nicht erinnern konnte. Jedoch hat der Kläger zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters dargelegt, dass er während seiner seit 1992 andauernden Dienstzeit hinsichtlich der Verwahrung von dienstlich anvertrauten Schlüsseln die erforderliche Sorgfalt angewandt hat (vgl. die Darlegungen in der Stellungnahme des Klägers vom 22.05.2003 sowie die Widerspruchsbegründung vom 30.09.2003). Diese Darlegung des Klägers ist von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden und wird von der Stellungnahme des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers vom 14.02.2001 im Grundsatz bestätigt. Bei einem in der Vergangenheit pflichtgemäßen Verhalten des Klägers kann daher bezüglich des konkreten Vorgangs von einem „Augenblicksversagen“ ausgegangen werden, das den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht begründet (vgl. zum Versicherungsrecht insoweit OLG Köln, Urt. v. 14.11.1991, Az. : 5 U 182/90, Juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen. Sie ist nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht bereits der Regel, da der Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage ist, selbst seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 162 RdNr. 18 m. w. N.).

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