Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 12 K 3151/11

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 20.03.2009 und deren Widerspruchsbescheid vom 03.08.2011 werden aufgehoben, soweit die Bescheide der Beklagten vom 20.08.2007, 02.05.2008, 27.06.2008, 01.07.2008, 23.09.2008, 10.10.2008, 12.11.2008 und 19.12.2008 zurückgenommen wurden und soweit mehr als 743,15 EUR zurückgefordert wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme von Bescheiden, mit denen Kassenleistungen bewilligt worden waren, und gegen die Rückforderung von Kassenleistungen.
Die Klägerin ist A-Mitglied der Beklagten. Mitversichert sind Ehemann und Kinder. Die Klägerin ist Briefträgerin und in Besoldungsgruppe A 5 eingestuft.
Beginnend am 05.06.2007 stellte die Klägerin immer wieder Anträge auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund privatärztlicher Behandlungen und Rezepte. Die Beklagte gewährte hierfür mit folgenden Bescheiden Kassenleistungen:
- Antrag vom 05.06.2007: Bescheid vom 12.06.2007
- Antrag vom 11.07.2007: Bescheid vom 15.08.2007 über 28,52 EUR
- Antrag vom 20.07.2007: Bescheid vom 20.08.2007 über 37,82 EUR
- Antrag vom 01.10.2007: Bescheid vom 23.10.2007 über 10,16 EUR
- Antrag vom 10.12.2007: Bescheid vom 20.12.2007 über 104,20 EUR
- Antrag vom 31.12.2007: Bescheid vom 30.01.2008 über 3,76 EUR
- Antrag vom 25.03.2008: Bescheid vom 15.04.2008 über 32,99 EUR
Änderungsbescheid vom 02.05.2008 über 38,18 EUR
- Antrag vom 10.06.2008: Bescheid vom 27.06.2008 über 138,37 EUR
- Antrag vom 11.06.2008: Bescheid vom 01.07.2008 über 126,93 EUR
- Antrag vom 08.08.2008: Bescheid vom 08.09.2008 über 468,27 EUR
- Antrag vom 14.08.2008: Bescheid vom 10.09.2008 über 48,84 EUR
- Antrag vom 18.08.2008: Bescheid vom 05.11.2008 über 67,86 EUR
- Antrag vom 03.09.2008: Bescheid vom 23.09.2008 über 21,82 EUR
- Antrag vom 19.09.2008: Bescheid vom 10.10.2008 über 104,23 EUR
- Antrag vom 21.10.2008: Bescheid vom 12.11.2008 über 137,69 EUR
- Antrag vom 28.11.2008: Bescheid vom 19.12.2008 über 56,69 EUR
- Antrag vom 29.12.2008: Bescheid vom 28.01.2009 über 11,54 EUR.
Daneben nahm die Klägerin in diesem Zeitraum auch Sachleistungen in Anspruch, wie sie A-Mitgliedern der Beklagten zustehen.
Mit Bescheid vom 20.03.2009 nahm die Beklagte Leistungsabrechnungen zurück, die sie mit Datum und Vorgangsnummer bezeichnete. Gleichzeitig forderte sie 1.377,88 EUR von der Klägerin zurück.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie berief sich darauf, Ehemann und Kinder seien chronisch krank. Sie hätten starke Kopfschmerzen, bedingt durch Winkelfehlsichtigkeit und Lactose- und Glutenunverträglichkeit. Durch die streitigen Behandlungen seien gute Ergebnisse erzielt worden, die von keinem Vertragsarzt erreicht worden seien. Die privatärztlichen Behandlungen seien erst nach telefonischer Zusage durch die Mitgliederberatung der Beklagten begonnen worden. Sie habe nicht die Ausbildung, um die zugrundeliegenden Regeln zu verstehen. Schließlich berief sie sich auf Treu und Glauben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, A-Mitglieder hätten Anspruch auf Leistungen entsprechend der Leistungsordnung A und damit auf vertragsärztliche Leistungen und Vertragsleistungen. Ein Anspruch auf Leistungen nach der Leistungsordnung B bestehe nur, wenn andere Leistungen ohne Verschulden nicht in Anspruch genommen werden könnten. Die zurückgenommenen Bescheide bezögen sich auf privatärztliche Leistungen und privatärztlich verordnete Mittel. Die Leistungen seien zu Unrecht gewährt worden. Die Rücknahme erfolge nach Ermessen. Fehlender Behandlungserfolg rechtfertige keinen abweichenden Leistungsanspruch. Eine schriftliche Zusage läge nicht vor. Auf eine telefonische Zusage könne sich die Klägerin nicht berufen; bei telefonischen Zusagen seien Missverständnisse nie auszuschließen. Mit Schreiben vom 05.08.2011 gab die Beklagte der Klägerin einen allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit, Ratenzahlung zu beantragen.
Am 30.08.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beruft sich darauf, die Rücknahme der Verwaltungsakte sei rechtswidrig. Sie sei nicht binnen Jahresfrist erfolgt. Aus einzelnen Leistungsabrechnungen gehe hervor, dass der Beklagten zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt gewesen sei, dass nur ein Anspruch auf Vertragsleistungen bestehe. Die im Ausgangsbescheid aufgeführten Leistungsabrechnungen korrelierten zum Teil nicht mit den im Widerspruchsbescheid benannten Leistungsabrechnungen. Auch insoweit sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht eingehalten. Sie habe am 26.02.2008 ein langes Telefongespräch mit der Beklagten geführt. Dabei sei ihr gesagt worden, sie benötige eine Überweisung vom Hausarzt zu Dr. F. Mitarbeiter der Beklagten hätten gesagt, dann solle sie - wie immer - die Privatrechnung mit einem Erstattungsantrag bei der Beklagten einreichen. Vor diesem Hintergrund sei sie davon ausgegangen, dass sie auch Privatrechnungen einreichen könne. Sie habe auch davon ausgehen dürfen, dass die Abrechnungsweise der Beklagten ihre Richtigkeit habe. Die Beklagte treffe ein Mitverschulden. Sie berufe sich auf Entreicherung.
10 
Die Klägerin hat einen Einzelverbindungsnachweis der Telekom vom 04.03.2008 und eine Fachärztliche Stellungnahme von Privatdozent Dr. E. F. vom 30.04.2009 und Nachweise über Zahlungen an Ärzte vorgelegt.
11 
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin - unterstützt von ihrem anwesenden Ehemann - noch vorgetragen: Zur Vorlage von privatärztlichen Rechnungen und Rezepten sei es gekommen, weil ihr Sohn Störungen gehabt habe, bei denen sämtliche ausprobierten Mittel nicht zum Erfolg geführt hätten. Sie habe dann im Internet einen Privatarzt gefunden, der ihn schließlich erfolgreich behandelt habe. Später sei auch ihr Ehemann von diesem Privatarzt behandelt worden. Sie habe sich vor Aufnahme der Behandlung bei der Beklagten telefonisch erkundigt. Dort sei ihr gesagt worden, sie solle die Rechnungen einreichen. Im Jahr 2007 habe sie selbst bei der Beklagten angerufen. Den Anruf im Jahr 2008 habe der Ehemann gemacht; es sei aber das Telefon laut gestellt worden, so dass sie habe mithören können. Ihr sei weder früher noch heute klar gewesen, welche konkreten Ansprüche sie als A-Mitglied gehabt habe. Insbesondere sei ihr nicht klar gewesen, dass sie keine Ansprüche auf Geldleistungen gehabt habe. Inzwischen sei sie B-Mitglied der Beklagten. Sie sei Briefträgerin und verdiene einschließlich Kindergeld etwa 1.600,00 EUR im Monat. Ihr Ehemann habe Einkommen in Höhe von 400,00 EUR im Monat.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2009 und deren Widerspruchsbescheid vom 03.08.2011 aufzuheben.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Sie trägt vor, bei der Überprüfung der im Ausgangsbescheid genannten Daten seien Schreibfehler festgestellt worden, und korrigiert nun die Daten entsprechend. Weiter beruft sie sich darauf, die Klägerin habe im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2008 auch Vertragsleistungen in Anspruch genommen. Grundsätzlich gebe es eine Kontrolle, wenn A-Mitglieder Privatrechnungen einreichten. Es sei nicht zu klären, warum im Fall der Klägerin die Kontrollmechanismen versagt hätten.
17 
Mit Beschluss vom 25.04.2012 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
18 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig.
20 
Sie ist auch zum Teil begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
21 
Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als die Bescheide vom 20.08.2007, 02.05.2008, 27.06.2008, 01.07.2008, 23.09.2008, 10.10.2008, 12.11.2008 und 19.12.2008 zurückgenommen wurden. Denn bei der Rücknahme dieser Bescheide wurde die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG nicht eingehalten. Die Beklagte erhielt nach ihren Ausführungen Kenntnis von den Überzahlungen anlässlich einer Überprüfung am 06.03.2009. Diese Bescheide wurden aber nicht schon im Bescheid vom 20.03.2009, sondern erst im Widerspruchsbescheid vom 03.08.2011 zurückgenommen. Ein Fall des § 48 Abs. 4 S. 2 VwVfG lag nicht vor.
22 
Die Beklagte wollte diese Bescheide zwar schon mit Bescheid vom 20.03.2009 zurücknehmen. Die Rücknahme dieser Bescheide fand aber tatsächlich nicht statt. Die Beklagte nahm stattdessen Leistungsabrechnungen vom 25.07.2007, 10.01.2008, 26.03.2008, 12.06.2008, 13.06.2008, 04.09.2008, 27.11.2008 und 02.12.2008 - jeweils unter Beifügung einer Vorgangsnummer - zurück. Solche Bescheide existierten in dieser Form aber nicht und konnten demnach nicht zurückgenommen werden. Es ließ sich auch nicht mit hinreichender Bestimmtheit im Rahmen der Auslegung ermitteln, welche Bescheide tatsächlich gemeint waren (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 31.05.2010 - 11 A 1520/09 -; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.12.2006 - L 20 SO 20/06 -, jew. juris). Denn es war für die Klägerin eine Vielzahl von Bescheiden ergangen, und es wurde auch eine Vielzahl von Bescheiden zurückgenommen. Daran ändert nichts, dass die - jeweils tatsächlich gemeinten - Vorgangsnummern angegeben waren. Zum einen werden Bescheide grundsätzlich nach dem Datum bezeichnet (so auch VG Oldenburg, Urt. v. 31.05.2010, a.a.O.). Zum anderen erschließt sich ohne weitere Angaben nicht, welche Bescheide tatsächlich gemeint waren, insbesondere ob statt der (falschen) Daten die Vorgangsnummern gelten sollen. Vorliegend waren aber neben den (falschen) Daten der Bescheide und den Vorgangsnummern nicht die Beträge der gewährten oder zurückgeforderten Kassenleistungen angegeben.
23 
Damit konnten auch die mit diesen Bescheiden gewährten Leistungen nicht zurückgefordert werden.
24 
Im Übrigen ist die Klage nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
25 
Die Beklagte konnte von der Klägerin nach § 30 Abs. 5 Satz 1 der Satzung der Beklagten in der Fassung der 80. Satzung mit Stand 01.08.2011 (80. Satzung) in Verbindung mit § 49 a Abs. 1 VwVfG 743,15 EUR zurückfordern.
26 
Die Klägerin erhielt in dieser Höhe Kassenleistungen, die ihr nicht zustanden.
27 
Diese Leistungen wurden der Klägerin allerdings mit Bescheiden vom 15.08.2007 in Höhe von 28,52 EUR, vom 23.10.2007 in Höhe von 10,16 EUR, vom 20.12.2007 in Höhe von 104,20 EUR, vom 30.01.2008 in Höhe von 3,76 EUR, vom 08.09.2008 in Höhe von 468,27 EUR, vom 10.09.2008 in Höhe von 48,84 EUR, vom 05.11.2008 in Höhe von 67,86 EUR und vom 28.01.2009 in Höhe von 11,54 EUR gewährt. Diese Bescheide stellten einen Rechtsgrund für den jeweils ausgezahlten Betrag dar. Die Beklagte nahm jedoch diese Bescheide zurück.
28 
Die Rücknahme dieser Bescheide war rechtmäßig. Dabei ist Rechtsgrundlage für die Rücknahme § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden.
29 
Die genannten Bescheide waren rechtswidrig. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die mit diesen Bescheiden gewährten Kassenleistungen.
30 
Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten geregelt; dabei ist maßgebend die Satzung in der Fassung, die zu dem Zeitpunkt gegolten hat, in dem die Aufwendungen entstanden sind, für die die Kassenleistungen begehrt werden. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. A-Mitglieder erhalten Leistungen nach der Leistungsordnung A. Danach haben A-Mitglieder gemäß §§ 31 Abs. 2, 33 Abs. 7 der Satzung i.V.m. der Leistungsordnung A Ziffer 2 Nr. 1 a) und b), Nr. 3 a) nur Anspruch auf Sachleistungen. Die Klägerin erhielt jedoch - auf ihre Anträge hin - Geldleistungen.
31 
Der Rücknahme steht nicht § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG entgegen. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Dabei ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Die Klägerin kann sich in Bezug auf die genannten Bescheide nicht nach § 48 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG auf Vertrauensschutz berufen.
32 
Die Klägerin hat zwar die gewährten Leistungen verbraucht, indem sie die den Leistungen zugrundeliegenden Arztrechnungen und Medikamente bezahlt hat. Dieses Vertrauen ist aber nicht schutzwürdig. Dabei kann auf die im Zivilrecht zum Begriff der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (so schon BVerwG, Urt. v. 28.01.1993, Buchholz 239.2 § 49 SVG Nr. 4; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.02.2012 - 2 S 2983/11 - m.w.N.). Danach kann sich ein zur Herausgabe verpflichteter Empfänger einer Leistung nicht auf Entreicherung berufen, wenn er mit dem Erlangten (konkrete) Anschaffungen getätigt oder (tatsächlich bestehende) Schulden getilgt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.1993, a.a.O.). Vorliegend wurde die Klägerin durch die Zahlung der Arztrechnungen von Verbindlichkeiten befreit, die tatsächlich gegenüber den behandelnden Ärzten bestanden hatten. Als Gegenleistung für die Bezahlung der Medikamente erhielt sie die Medikamente selbst. Die Klägerin hätte die ärztlichen Leistungen und die gekauften Medikamente auch dann bezahlen müssen, wenn sie die von der Beklagten gewährten Leistungen nicht erhalten hätte.
33 
Soweit im Leitsatz Nr. 1 des Urteils des VGH Baden-Württemberg vom 16.02.2012 (a.a.O.) ausgeführt wird: "Das Vertrauen des Empfängers von Kassenleistungen auf den Bestand von Bewilligungsentscheidungen ist grundsätzlich schutzwürdig, wenn er mit den ihm gewährten Leistungen die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Arztrechnungen beglichen hat …", ist dies in dieser Verallgemeinerung in Ansehung der Entscheidungsgründe nicht nachvollziehbar. Zum einen wird ausdrücklich auf das zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.1993 (a.a.O.) Bezug genommen. Zum anderen wurde ein Sonderfall entschieden, dessen Besonderheiten auch zur Begründung der Entscheidung herangezogen wurden. Letzteres gilt entsprechend für den in dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 16.02.2012 (a.a.O.) zitierten Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.07.2007 (- 6 A 4961/05 -, juris).
34 
Ein Vertrauensschutz lässt sich nicht aus den Umständen herleiten, die dazu führten, dass die Klägerin privatärztliche Behandlung in Anspruch nahm und sich Privatrezepte ausstellen ließ. Denn diese Umstände ließen sich - auch mittels Befragung der Klägerin und des Ehemannes in der mündlichen Verhandlung - nur ansatzweise aufklären Die Klägerin hat - unterstützt von ihrem anwesenden Ehemann - dort in etwa vorgetragen: Zur Vorlage von privatärztlichen Rechnungen und Rezepten sei es gekommen, weil ihr Sohn Störungen gehabt habe, bei denen sämtliche ausprobierten Mittel nicht zum Erfolg geführt hätten. Sie habe dann im Internet einen Privatarzt gefunden, der ihn erfolgreich behandelt habe. Später sei auch ihr Ehemann so behandelt worden. Sie habe sich vor Aufnahme der Behandlungen bei der Beklagten telefonisch erkundigt. Dort sei ihr gesagt worden, sie solle die Rechnungen einreichen. Im Jahr 2007 habe sie selbst bei der Beklagten angerufen. Den Anruf im Jahr 2008 habe der Ehemann gemacht; es sei aber das Telefon laut gestellt worden, so dass sie habe mithören können. Ihr sei weder früher noch heute klar gewesen, welche konkreten Ansprüche sie als A-Mitglied gehabt habe. Insbesondere sei ihr nicht klar gewesen, dass sie keine Ansprüche auf Geldleistungen gehabt habe. Sie sei Briefträgerin.
35 
Die Tatsache, dass die Klägerin - mehrmals - bei der Beklagten anrief, um zu klären, ob sie für privatärztliche Behandlungen Leistungen erhalte, zeigt, dass sie sich durchaus darüber im klaren war, dass ihr aufgrund ihrer A-Mitgliedschaft solche Leistungen nicht selbstverständlich zustanden. Wie sie dabei ihre Anliegen im Einzelnen darlegte, steht aber genauso wenig konkret fest wie die Antworten darauf. Die Angaben hierzu sind vorliegend vage. Außerdem sind Missverständnisse systemimmanent; es kommt leicht dazu, dass man das versteht, was man verstehen will. Der Inhalt derartiger Telefongespräche lässt sich ohnehin, insbesondere nach längerer Zeit, kaum noch zuverlässig ermitteln. Auffallend ist, dass im Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2011 das Telefongespräch vom 26.02.2008 so dargestellt wird, als ob es die Klägerin selbst geführt hätte. In der mündlichen Verhandlung ist dann aber die Rede davon gewesen, dass der Ehemann das Telefongespräch führte und die Klägerin bloß mithörte. Unklar bleibt auch, aufgrund welcher Informationen der Beklagten es dazu kam, dass sich neben dem Sohn der Klägerin später auch deren Ehemann privatärztlich behandeln ließ.
36 
Es kann auch kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin aus dem Gedanken hergeleitet werden, die Klägerin hätte die privatärztlichen Behandlungen nicht fortgeführt, wenn ihr klar gewesen wäre, dass die Beklagte deren Kosten nicht erstatten würde, und der Klägerin hätte dies klar werden können, wenn die Beklagte von vornherein oder ab einem späteren Zeitpunkt keine Leistungen für privatärztliche Aufwendungen erbracht hätte. Denn die Klägerin führte die Behandlungen fort, obwohl ihr auf die Anträge vom 12.02.2007, 07.03.2007, 10.01.2008 und 05.03.2008 ganz erhebliche Kosten verblieben, weil die Beklagte eine Kostenerstattung ablehnte und die Klägerin auf vertragsärztliche Behandlungen verwies.
37 
Die Beklagte übte in Bezug auf die Rücknahme der Bescheide auch das ihr nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zustehende Ermessen fehlerfrei aus. Zwar kommt grundsätzlich in Betracht, dass es bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt wird, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.04.2012 - 2 C 15.10 - zur Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Es war vorliegend aber nicht ausgeschlossen, das Ermessen zu Ungunsten der Klägerin auszuüben, auch wenn die Ursache für die Überzahlungen im Verantwortungsbereich der Beklagten lag.
38 
Die Beklagte hielt für diese Bescheide auch die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ein. Sie erhielt nach ihren Ausführungen Kenntnis von den Überzahlungen erst anlässlich einer Überprüfung am 06.03.2009. Mit dem Erlass des Bescheids vom 20.03.2009 hielt sie demnach die Jahresfrist ein. Diese Bescheide waren im Bescheid der Beklagten vom 20.03.2009 auch korrekt bezeichnet worden. Dem steht nicht entgegen, dass sich aus den Bescheiden der Beklagten vom 08.03.2007, 02.04.2007, 11.02.2008 und 28.03.2008 ergab, dass die Beklagte Kenntnis von der A-Mitgliedschaft der Klägerin hatte. Denn diese Mitgliedschaft war der Beklagten selbstverständlich bekannt. Es kommt allein auf die Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Bescheide an.
39 
Die Rückforderung der rechtswidrig gewährten Leistungen war nach § 30 Abs. 5 Satz 1 der 80. Satzung i.V.m. § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zwingend vorgeschrieben. Insoweit bestand für die Beklagte kein Ermessen, anders zu entscheiden.
40 
Nach § 49 a Abs. 2 Satz 1 VwVfG gelten für den Umfang der Erstattung die Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Diese Vorschrift gilt auch für die Beklagte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Dabei stellt § 49 a Abs. 2 Satz 1 VwVfG eine Rechtsfolgeverweisung auf die Vorschriften des BGB dar, die den Umfang des Anspruchs betrifft (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. [2011], § 49 a RdNr. 12).
41 
Die Klägerin kann sich nicht auf Entreicherung berufen. Denn sie hat - wie oben ausgeführt - durch die Begleichung von Arztrechnung und der Medikamentenkosten tatsächlich bestehende Schulden getilgt (vgl. auch BGH, Urt. v. 17.01.2003, NJW 2003, 3271, und vom 17.06.1992, NJW 1992, 2415).
42 
Es liegen auch keine besonderen Umstände vor, deren Berücksichtigung nach Treu und Glauben verbieten würde, von einer Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen, obwohl keine Entreicherung vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1982, NJW 1983, 2042). Das Verfahren der Beklagten, der Klägerin über einen so langen Zeitraum hinweg regelmäßig Kassenleistungen zu gewähren, die ihr als A-Mitglied nicht zustanden, ist zwar nicht nachvollziehbar, und die Umstände sind nach den Ausführungen der Beklagten auch nicht aufzuklären. Dieses Fehlverhalten der Beklagten ist aber nicht so gravierend, dass eine Rückforderung gegen Treu und Glauben verstößt. Denn es war aufgrund des Rechtsverhältnisses zwischen Klägerin und Beklagter von vornherein geregelt, welche Ansprüche der Klägerin als A-Mitglied zustanden. Es ist auch kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten feststellbar (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 05.07.2007, a.a.O.). Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Sachbearbeiter der Beklagten der Klägerin Leistungen im Bewusstsein gewährten, dass sie ihr nicht zustanden. Wie der Umgang mit den Anträgen vom 12.02.2007, 07.03.2007, 10.01.2008 und 05.03.2008 zeigt, wurden Anträge der Klägerin auf Kassenleistungen abgelehnt, wenn erkannt wurde, dass sie A-Mitglied war.
43 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
44 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
45 
Beschluss vom 10. Juli 2012
46 
Der Streitwert wird nach §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 1.377,88 EUR festgesetzt.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig.
20 
Sie ist auch zum Teil begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
21 
Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als die Bescheide vom 20.08.2007, 02.05.2008, 27.06.2008, 01.07.2008, 23.09.2008, 10.10.2008, 12.11.2008 und 19.12.2008 zurückgenommen wurden. Denn bei der Rücknahme dieser Bescheide wurde die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG nicht eingehalten. Die Beklagte erhielt nach ihren Ausführungen Kenntnis von den Überzahlungen anlässlich einer Überprüfung am 06.03.2009. Diese Bescheide wurden aber nicht schon im Bescheid vom 20.03.2009, sondern erst im Widerspruchsbescheid vom 03.08.2011 zurückgenommen. Ein Fall des § 48 Abs. 4 S. 2 VwVfG lag nicht vor.
22 
Die Beklagte wollte diese Bescheide zwar schon mit Bescheid vom 20.03.2009 zurücknehmen. Die Rücknahme dieser Bescheide fand aber tatsächlich nicht statt. Die Beklagte nahm stattdessen Leistungsabrechnungen vom 25.07.2007, 10.01.2008, 26.03.2008, 12.06.2008, 13.06.2008, 04.09.2008, 27.11.2008 und 02.12.2008 - jeweils unter Beifügung einer Vorgangsnummer - zurück. Solche Bescheide existierten in dieser Form aber nicht und konnten demnach nicht zurückgenommen werden. Es ließ sich auch nicht mit hinreichender Bestimmtheit im Rahmen der Auslegung ermitteln, welche Bescheide tatsächlich gemeint waren (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 31.05.2010 - 11 A 1520/09 -; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.12.2006 - L 20 SO 20/06 -, jew. juris). Denn es war für die Klägerin eine Vielzahl von Bescheiden ergangen, und es wurde auch eine Vielzahl von Bescheiden zurückgenommen. Daran ändert nichts, dass die - jeweils tatsächlich gemeinten - Vorgangsnummern angegeben waren. Zum einen werden Bescheide grundsätzlich nach dem Datum bezeichnet (so auch VG Oldenburg, Urt. v. 31.05.2010, a.a.O.). Zum anderen erschließt sich ohne weitere Angaben nicht, welche Bescheide tatsächlich gemeint waren, insbesondere ob statt der (falschen) Daten die Vorgangsnummern gelten sollen. Vorliegend waren aber neben den (falschen) Daten der Bescheide und den Vorgangsnummern nicht die Beträge der gewährten oder zurückgeforderten Kassenleistungen angegeben.
23 
Damit konnten auch die mit diesen Bescheiden gewährten Leistungen nicht zurückgefordert werden.
24 
Im Übrigen ist die Klage nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
25 
Die Beklagte konnte von der Klägerin nach § 30 Abs. 5 Satz 1 der Satzung der Beklagten in der Fassung der 80. Satzung mit Stand 01.08.2011 (80. Satzung) in Verbindung mit § 49 a Abs. 1 VwVfG 743,15 EUR zurückfordern.
26 
Die Klägerin erhielt in dieser Höhe Kassenleistungen, die ihr nicht zustanden.
27 
Diese Leistungen wurden der Klägerin allerdings mit Bescheiden vom 15.08.2007 in Höhe von 28,52 EUR, vom 23.10.2007 in Höhe von 10,16 EUR, vom 20.12.2007 in Höhe von 104,20 EUR, vom 30.01.2008 in Höhe von 3,76 EUR, vom 08.09.2008 in Höhe von 468,27 EUR, vom 10.09.2008 in Höhe von 48,84 EUR, vom 05.11.2008 in Höhe von 67,86 EUR und vom 28.01.2009 in Höhe von 11,54 EUR gewährt. Diese Bescheide stellten einen Rechtsgrund für den jeweils ausgezahlten Betrag dar. Die Beklagte nahm jedoch diese Bescheide zurück.
28 
Die Rücknahme dieser Bescheide war rechtmäßig. Dabei ist Rechtsgrundlage für die Rücknahme § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden.
29 
Die genannten Bescheide waren rechtswidrig. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die mit diesen Bescheiden gewährten Kassenleistungen.
30 
Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten geregelt; dabei ist maßgebend die Satzung in der Fassung, die zu dem Zeitpunkt gegolten hat, in dem die Aufwendungen entstanden sind, für die die Kassenleistungen begehrt werden. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. A-Mitglieder erhalten Leistungen nach der Leistungsordnung A. Danach haben A-Mitglieder gemäß §§ 31 Abs. 2, 33 Abs. 7 der Satzung i.V.m. der Leistungsordnung A Ziffer 2 Nr. 1 a) und b), Nr. 3 a) nur Anspruch auf Sachleistungen. Die Klägerin erhielt jedoch - auf ihre Anträge hin - Geldleistungen.
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Der Rücknahme steht nicht § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG entgegen. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Dabei ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Die Klägerin kann sich in Bezug auf die genannten Bescheide nicht nach § 48 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG auf Vertrauensschutz berufen.
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Die Klägerin hat zwar die gewährten Leistungen verbraucht, indem sie die den Leistungen zugrundeliegenden Arztrechnungen und Medikamente bezahlt hat. Dieses Vertrauen ist aber nicht schutzwürdig. Dabei kann auf die im Zivilrecht zum Begriff der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (so schon BVerwG, Urt. v. 28.01.1993, Buchholz 239.2 § 49 SVG Nr. 4; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.02.2012 - 2 S 2983/11 - m.w.N.). Danach kann sich ein zur Herausgabe verpflichteter Empfänger einer Leistung nicht auf Entreicherung berufen, wenn er mit dem Erlangten (konkrete) Anschaffungen getätigt oder (tatsächlich bestehende) Schulden getilgt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.1993, a.a.O.). Vorliegend wurde die Klägerin durch die Zahlung der Arztrechnungen von Verbindlichkeiten befreit, die tatsächlich gegenüber den behandelnden Ärzten bestanden hatten. Als Gegenleistung für die Bezahlung der Medikamente erhielt sie die Medikamente selbst. Die Klägerin hätte die ärztlichen Leistungen und die gekauften Medikamente auch dann bezahlen müssen, wenn sie die von der Beklagten gewährten Leistungen nicht erhalten hätte.
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Soweit im Leitsatz Nr. 1 des Urteils des VGH Baden-Württemberg vom 16.02.2012 (a.a.O.) ausgeführt wird: "Das Vertrauen des Empfängers von Kassenleistungen auf den Bestand von Bewilligungsentscheidungen ist grundsätzlich schutzwürdig, wenn er mit den ihm gewährten Leistungen die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Arztrechnungen beglichen hat …", ist dies in dieser Verallgemeinerung in Ansehung der Entscheidungsgründe nicht nachvollziehbar. Zum einen wird ausdrücklich auf das zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.1993 (a.a.O.) Bezug genommen. Zum anderen wurde ein Sonderfall entschieden, dessen Besonderheiten auch zur Begründung der Entscheidung herangezogen wurden. Letzteres gilt entsprechend für den in dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 16.02.2012 (a.a.O.) zitierten Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.07.2007 (- 6 A 4961/05 -, juris).
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Ein Vertrauensschutz lässt sich nicht aus den Umständen herleiten, die dazu führten, dass die Klägerin privatärztliche Behandlung in Anspruch nahm und sich Privatrezepte ausstellen ließ. Denn diese Umstände ließen sich - auch mittels Befragung der Klägerin und des Ehemannes in der mündlichen Verhandlung - nur ansatzweise aufklären Die Klägerin hat - unterstützt von ihrem anwesenden Ehemann - dort in etwa vorgetragen: Zur Vorlage von privatärztlichen Rechnungen und Rezepten sei es gekommen, weil ihr Sohn Störungen gehabt habe, bei denen sämtliche ausprobierten Mittel nicht zum Erfolg geführt hätten. Sie habe dann im Internet einen Privatarzt gefunden, der ihn erfolgreich behandelt habe. Später sei auch ihr Ehemann so behandelt worden. Sie habe sich vor Aufnahme der Behandlungen bei der Beklagten telefonisch erkundigt. Dort sei ihr gesagt worden, sie solle die Rechnungen einreichen. Im Jahr 2007 habe sie selbst bei der Beklagten angerufen. Den Anruf im Jahr 2008 habe der Ehemann gemacht; es sei aber das Telefon laut gestellt worden, so dass sie habe mithören können. Ihr sei weder früher noch heute klar gewesen, welche konkreten Ansprüche sie als A-Mitglied gehabt habe. Insbesondere sei ihr nicht klar gewesen, dass sie keine Ansprüche auf Geldleistungen gehabt habe. Sie sei Briefträgerin.
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Die Tatsache, dass die Klägerin - mehrmals - bei der Beklagten anrief, um zu klären, ob sie für privatärztliche Behandlungen Leistungen erhalte, zeigt, dass sie sich durchaus darüber im klaren war, dass ihr aufgrund ihrer A-Mitgliedschaft solche Leistungen nicht selbstverständlich zustanden. Wie sie dabei ihre Anliegen im Einzelnen darlegte, steht aber genauso wenig konkret fest wie die Antworten darauf. Die Angaben hierzu sind vorliegend vage. Außerdem sind Missverständnisse systemimmanent; es kommt leicht dazu, dass man das versteht, was man verstehen will. Der Inhalt derartiger Telefongespräche lässt sich ohnehin, insbesondere nach längerer Zeit, kaum noch zuverlässig ermitteln. Auffallend ist, dass im Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2011 das Telefongespräch vom 26.02.2008 so dargestellt wird, als ob es die Klägerin selbst geführt hätte. In der mündlichen Verhandlung ist dann aber die Rede davon gewesen, dass der Ehemann das Telefongespräch führte und die Klägerin bloß mithörte. Unklar bleibt auch, aufgrund welcher Informationen der Beklagten es dazu kam, dass sich neben dem Sohn der Klägerin später auch deren Ehemann privatärztlich behandeln ließ.
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Es kann auch kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin aus dem Gedanken hergeleitet werden, die Klägerin hätte die privatärztlichen Behandlungen nicht fortgeführt, wenn ihr klar gewesen wäre, dass die Beklagte deren Kosten nicht erstatten würde, und der Klägerin hätte dies klar werden können, wenn die Beklagte von vornherein oder ab einem späteren Zeitpunkt keine Leistungen für privatärztliche Aufwendungen erbracht hätte. Denn die Klägerin führte die Behandlungen fort, obwohl ihr auf die Anträge vom 12.02.2007, 07.03.2007, 10.01.2008 und 05.03.2008 ganz erhebliche Kosten verblieben, weil die Beklagte eine Kostenerstattung ablehnte und die Klägerin auf vertragsärztliche Behandlungen verwies.
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Die Beklagte übte in Bezug auf die Rücknahme der Bescheide auch das ihr nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zustehende Ermessen fehlerfrei aus. Zwar kommt grundsätzlich in Betracht, dass es bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt wird, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.04.2012 - 2 C 15.10 - zur Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Es war vorliegend aber nicht ausgeschlossen, das Ermessen zu Ungunsten der Klägerin auszuüben, auch wenn die Ursache für die Überzahlungen im Verantwortungsbereich der Beklagten lag.
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Die Beklagte hielt für diese Bescheide auch die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ein. Sie erhielt nach ihren Ausführungen Kenntnis von den Überzahlungen erst anlässlich einer Überprüfung am 06.03.2009. Mit dem Erlass des Bescheids vom 20.03.2009 hielt sie demnach die Jahresfrist ein. Diese Bescheide waren im Bescheid der Beklagten vom 20.03.2009 auch korrekt bezeichnet worden. Dem steht nicht entgegen, dass sich aus den Bescheiden der Beklagten vom 08.03.2007, 02.04.2007, 11.02.2008 und 28.03.2008 ergab, dass die Beklagte Kenntnis von der A-Mitgliedschaft der Klägerin hatte. Denn diese Mitgliedschaft war der Beklagten selbstverständlich bekannt. Es kommt allein auf die Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Bescheide an.
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Die Rückforderung der rechtswidrig gewährten Leistungen war nach § 30 Abs. 5 Satz 1 der 80. Satzung i.V.m. § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zwingend vorgeschrieben. Insoweit bestand für die Beklagte kein Ermessen, anders zu entscheiden.
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Nach § 49 a Abs. 2 Satz 1 VwVfG gelten für den Umfang der Erstattung die Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Diese Vorschrift gilt auch für die Beklagte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Dabei stellt § 49 a Abs. 2 Satz 1 VwVfG eine Rechtsfolgeverweisung auf die Vorschriften des BGB dar, die den Umfang des Anspruchs betrifft (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. [2011], § 49 a RdNr. 12).
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Die Klägerin kann sich nicht auf Entreicherung berufen. Denn sie hat - wie oben ausgeführt - durch die Begleichung von Arztrechnung und der Medikamentenkosten tatsächlich bestehende Schulden getilgt (vgl. auch BGH, Urt. v. 17.01.2003, NJW 2003, 3271, und vom 17.06.1992, NJW 1992, 2415).
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Es liegen auch keine besonderen Umstände vor, deren Berücksichtigung nach Treu und Glauben verbieten würde, von einer Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen, obwohl keine Entreicherung vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1982, NJW 1983, 2042). Das Verfahren der Beklagten, der Klägerin über einen so langen Zeitraum hinweg regelmäßig Kassenleistungen zu gewähren, die ihr als A-Mitglied nicht zustanden, ist zwar nicht nachvollziehbar, und die Umstände sind nach den Ausführungen der Beklagten auch nicht aufzuklären. Dieses Fehlverhalten der Beklagten ist aber nicht so gravierend, dass eine Rückforderung gegen Treu und Glauben verstößt. Denn es war aufgrund des Rechtsverhältnisses zwischen Klägerin und Beklagter von vornherein geregelt, welche Ansprüche der Klägerin als A-Mitglied zustanden. Es ist auch kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten feststellbar (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 05.07.2007, a.a.O.). Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Sachbearbeiter der Beklagten der Klägerin Leistungen im Bewusstsein gewährten, dass sie ihr nicht zustanden. Wie der Umgang mit den Anträgen vom 12.02.2007, 07.03.2007, 10.01.2008 und 05.03.2008 zeigt, wurden Anträge der Klägerin auf Kassenleistungen abgelehnt, wenn erkannt wurde, dass sie A-Mitglied war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
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Beschluss vom 10. Juli 2012
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Der Streitwert wird nach §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 1.377,88 EUR festgesetzt.

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