Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 11 K 924/12

Tenor

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bewilligt und Rechtsanwalt ..., ... beigeordnet, soweit er die Aufhebung des angegriffenen Leistungsbescheides der Beklagten vom 08.03.2012 in einer Höhe von EUR 3.048,34 begehrt. Insoweit sind Ratenzahlungen nicht zu leisten.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt.

Gründe

 
Nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 - 127 ZPO besteht ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (nur), wenn u.a. die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist derzeit nur teilweise zu erkennen. Das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Leistungsbescheides der Beklagten vom 08.03.2012, mit dem er zur Erstattung der in Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen zur Passersatzbeschaffung angefallenen Kosten der Ausländerbehörde herangezogen wurde, wird aller Voraussicht nach teilweise erfolglos bleiben.
1. Der angegriffene Leistungsbescheid ist lediglich in der sich aus dem Tenor ergebenden Höhe mutmaßlich rechtswidrig, weil die zugrunde liegende Forderung der Beklagten - jedenfalls i.H.v. EUR 3.048,34, soweit sie ein Verwaltungshandeln vom 30.10.2006 betrifft - verjährt sein dürfte.
Die Beklagte hat gegen den Kläger zu erstattende Kosten nach § 66 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 AufenthG festgesetzt, die im Rahmen der Vorbereitung seiner Abschiebung angefallen sind.
Nach der Rechtsprechung des VGH Bad.-Württ. (Urt. v. 30.07.2009 - 13 S 919/09 - ) ist hinsichtlich der Festsetzung solcher Kosten die Verjährungsvorschrift des § 20 Abs. 1 VwKostG heranzuziehen, wohingegen die Verjährungsvorschriften des § 70 Abs. 1 AufenthG nur die sogenannte Zahlungsverjährung regelt.
§ 20 Abs. 1 VwKostG enthält zwei Verjährungsalternativen, wobei das für den Kostenschuldner günstigere Ergebnis maßgebend ist (Schlabach, Gebührenrecht Ba.-Wü., VwKostG, § 20 Rz 2). Anknüpfungspunkt ist entweder die Fälligkeit des Anspruchs oder aber seine Entstehung. Zwischen beiden Voraussetzungen muss daher unterschieden werden. Eine Anknüpfung an die Fälligkeit scheidet in Fällen der vorliegenden Art aus, da § 17 VwKostG hierzu bestimmt, dass die Fälligkeit mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner eintritt. Da aber § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG anordnet, dass Kosten der Abschiebung, wie sie auch hier geltend gemacht werden, von der zuständigen Behörde durch Leistungsbescheid zu erheben sind, kann die Fälligkeit nach § 17 VwKostG insoweit überhaupt erst mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt eintreten. Eine Verjährungsvorschrift, die von diesem Fälligkeitszeitpunkt ausgeht, kann somit dem diese Fälligkeit überhaupt erst auslösenden Verwaltungsakt schon nicht entgegenstehen.
Unabhängig von der ab Fälligkeit zu bestimmenden Verjährungsfrist von drei Jahren legt § 20 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwKostG fest, dass Ansprüche auf Zahlungen von Kosten jedenfalls spätestens mit dem Ablauf des 4. Jahres nach der Entstehung des Anspruchs verjähren. Ausschlaggebend für den Fristbeginn ist, im Unterschied zur dreijährigen Verjährung in der ersten Alternative der Norm, in diesem Fall nicht das Jahresende, sondern der genaue Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs. Die ergänzende Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG bezieht sich ausschließlich auf die „normale“ dreijährige Verjährung (Schlabach, a.a.O. § 20 Rz. 8).
Gemäß § 11 Abs. 1 und 2 VwKostG entsteht ein entsprechender Anspruch der Ausländerbehörde auf solche Kosten der Abschiebung gemäß § 66 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 AufenthG mit der Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung und hinsichtlich der Verpflichtung zur Erstattung von Auslagen mit der Aufwendung des zu erstattenden Betrages. Da die Beklagte im vorliegenden Fall keine Kosten für eine gebührenpflichtige Amtshandlung ihrerseits geltend macht, vielmehr allein die Erstattung von Auslagen beansprucht, die sie zuvor an die Polizeidirektion ..., die Polizeidirektion ..., die Bundespolizeidirektion und die Deutsche Bahn AG aufwenden musste, kommt es auf den Zeitpunkt an, an dem die jeweiligen Aufwendung bei der Beklagten angefallen sind.
Bezüglich der Kosten anlässlich der Vorführung des Klägers zur Botschaft der Republik Sudan in Berlin am 30.10.2006 sind die mit dem angegriffenen Bescheid geltend gemachten Aufwendungen in einer Gesamthöhe von EUR 3.048,34 im Oktober 2006 (Bahnticket im Abonnement-Verfahren), im November 2006 (Kosten der Polizeidirektion ... und der Polizeidirektion ...) bzw. im Januar 2007 (Kosten der Bundespolizeidirektion) bei der Beklagten als Aufwendung entstanden. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwKostG hätten diese Kosten daher, und zwar entsprechend der Vorschrift des § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, innerhalb von vier Jahren durch Leistungsbescheid erhoben werden müssen. Das ist nicht geschehen. Der angegriffene Bescheid datiert vom 24.02.2012. Zu diesem Zeitpunkt war, bezogen auf sämtliche einzelne Aufwendungen, die anlässlich der Vorführung am 30.10.2006 überhaupt angefallen sind, die Vierjahresfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwKostG bereits - deutlich - abgelaufen. Der Anspruch der Beklagten in dieser Höhe war verjährt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht den Erfolgsaussichten der Klage des Klägers insoweit nicht entgegen, dass bereits am 09.09.2010 dem Kläger schriftlich, per Zustellungsurkunde zugestellt, mitgeteilt wurde, welche Abschiebekosten bisher entstanden seien, dass er gemäß § 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 AufenthG verpflichtet sei, diese zu tragen und er um Überweisung auf ein angegebenes Konto gebeten werde. Denn diese Mitteilung war nicht geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. Nach § 20 Abs. 3 VwKostG unterbrechen eine ganze Reihe behördlicher Handlungen den Lauf der Verjährungsfrist. Gemäß § 20 Abs. 4 VwKostG beginnt in einem solchen Fall mit Ablauf des Kalenderjahres, mit dem die Unterbrechung endet, eine neue Verjährung. Ergänzt wird diese Regelung um die Vorschrift des § 70 Abs. 2 AufenthG, wonach eine Unterbrechung auch eintritt, solange sich der Kostenschuldner nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthalt im Bundesgebiet wegen eines Meldeverstoßes nicht feststellbar ist.
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Zwar hat der VGH Bad.-Württ. (Urt. v. 30.07.2009, a.a.O., Rdnr. 31) auf die Möglichkeit einer Verjährungsunterbrechung durch schriftliche Zahlungsaufforderung hingewiesen. Nach Auffassung des Berichterstatters kann gleichwohl die Erfolgsaussicht der Klage des Klägers insoweit nicht verneint werden, da diese Form der Unterbrechung der Verjährung in der gegebenen Konstellation nicht möglich ist.
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Wie oben dargestellt, war die Verpflichtung zur Erstattung der maßgeblichen Kosten zwar mit der Aufwendung der Beträge seitens der Beklagten gemäß § 11 Abs. 2 VwKostG entstanden. Die Forderung war aber noch nicht fällig, da § 17 VwKostG insoweit eine Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner verlangt und § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hierfür allein die Form des Leistungsbescheides durch die zuständige Behörde bestimmt. Für eine „isolierte“ Zahlungsaufforderung, also einer Aufforderung an einen Kostenschuldner, eine zwar entstandene aber noch nicht fällige Schuld zu begleichen, ist kein Raum. Hätte die Beklagte daher tatsächlich die Verjährung ihres Kostenanspruchs bezüglich der Vorführung des Klägers am 30.10.2006 zur Botschaft der Republik Sudan in Berlin verhindern wollen, so hätte sie anstelle der Zahlungsaufforderung zu eben diesem Zeitpunkt den von § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vorgeschriebenen Leistungsbescheid erlassen müssen. Die von ihr gewählte schriftliche Nachricht an den Kläger, man bitte um Überweisung entstandener Kosten, konnte die konkrete Festsetzungsverjährung jedenfalls nicht unterbrechen.
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Damit dürfte sich die Klage des Klägers in der sich aus dem Tenor ergebenden Höhe und in Bezug auf die Kosten seiner Vorführung am 30.10.2006 als erfolgsversprechend darstellen, so dass jedenfalls insoweit Prozesskostenhilfe zu gewähren war.
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2. Anders stellt es sich mit Blick auf die Kosten dar, die die Beklagte in dem angegriffenen Leistungsbescheid vom 24.02.2012 bezüglich der Kosten festgesetzt hat, die anlässlich der Vorführung des Klägers am 07.01.2010 zur Botschaft der Republik Tschad in Berlin entstanden sind. Eine Verjährung insoweit scheidet aus.
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Die Kostentragungspflicht des Ausländers nach § 66 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 AufenthG setzt auch nicht voraus, dass die Abschiebung abgeschlossen und der Aufenthalt des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich beendet worden ist (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 02.08.2012 - 2 O 48/12 -, zit. n. ; OVG Lüneburg, Beschl. v. 31. März 2010 – 8 PA 28/10 –, zit. nach juris Rn. 10; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27. Juli 2006 – 7 A 11671/05 –, zit. nach juris Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. Oktober 2005 – 11 S 646/04 –, zit. nach juris Rn. 46; Hailbronner, AuslR, Stand März 2012, § 66 Rn. 5; Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, § 66 Rn. 2).
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Die von der Beklagten insoweit erhobenen Kosten waren dem Grunde nach auch erforderlich. Insgesamt kann der Kläger nicht damit gehört werden, eine begleitete Vorsprache unter Beteiligung von Polizeibeamten sei nicht notwendig gewesen, man hätte ihm auch aufgeben können, selbständig zu dem vereinbarten Termin am 07.01.2010 zur Botschaft der Republik Tschad nach Berlin zu reisen. Zum einen übersieht der Kläger, dass mit bestandskräftiger Verfügung vom 16.12.2009 eine solche begleitete Vorsprache ausdrücklich von der Beklagten angeordnet worden war unter Hinweis darauf, der Kläger werde von Polizeibeamten unter seiner Wohnanschrift abgeholt und zur Botschaft begleitet. Der Kläger hat gegen diese Anordnung keinen Rechtsbehelf eingelegt. Im Übrigen ist der Vortrag des Klägers über seine angebliche Rechtstreue abwegig. Der Kläger hat über Jahre hinweg die Behörden der Bundesrepublik Deutschland über seine Staatsangehörigkeit getäuscht. Er hat der Wahrheit zuwider im Asylverfahren angegeben, sudanesischer Staatsangehöriger zu sein und hat sich auch nach Abschluss des Asylverfahrens nicht offenbart - im Gegenteil. Sein Beharren, sudanesischer Staatsangehöriger zu sein, obwohl das von der Beklagten angeordnete Sprachgutachten hier erhebliche Zweifel erbrachte und auch seine zweimalige Vorführung zur Botschaft der Republik Sudan in Berlin jeweils zu dem Ergebnis führte, dass der Kläger entgegen seinen Angaben nicht sudanesischer Staatsangehöriger ist, gaben hinreichen Anlass für eine Anordnung einer begleiteten Vorführung. Nur so konnte ausgeschlossen werden, dass der Kläger mit allerlei Ausflüchten (Zug versäumt; Straße nicht gefunden) weiterhin die Behörden „an der Nase herumgeführt“ hätte. Auch war nur so ein verlässliches Ergebnis über den Inhalt des innerhalb der Botschaft geführten Gesprächs zwischen dem Kläger und den dortigen Botschaftsmitarbeitern zu erlangen.
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Aber auch, dass die Beklagte überhaupt eine Vorführung bei der Botschaft der Republik Tschad angeordnet hat, war hier - ungeachtet der Bestandskraft der zugrundeliegenden Verfügung - nicht zu beanstanden. Nachdem auf der Hand lag, dass der Kläger bezüglich seiner Staatsangehörigkeit seit Jahren bewusst die Unwahrheit sagt, bestand Anlass, sämtlichen entsprechenden anderweitigen Hinweisen insoweit nachzugehen. Nachdem sowohl die Sprachanalyse als auch eine vorherige Vorführung Anhaltspunkte dafür ergaben, dass der Kläger aus dem Tschad stammen könnte, er selbst im Übrigen im Asylverfahren angegeben hat, vom Tschad aus nach Europa gelangt zu sein, war die Anordnung einer entsprechenden Vorführung nicht zu beanstanden.
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Zuletzt mag der Berichterstatter eine Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs des Klägers auch insoweit nicht zu erkennen, als er die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen angreift. Die entsprechenden Kosten sind in den Verwaltungsakten der Beklagten durch die Polizeidirektion ... und die Deutsche Bahn AG im einzelnen aufgeführt. Welche Möglichkeit bestanden hätte, den Kläger zu einer begleiteten Vorsprache auf kostengünstigere Weise nach Berlin zu verbringen, ist nicht zu erkennen und wird vom Kläger auch nicht substantiiert dargetan.
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In Bezug auf diese Kosten (EUR 3.041,43) kam die Gewährung von Prozesskostenhilfe daher nicht in Betracht.

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