Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Die Berufung wird zugelassen.
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| Die Kläger sind Vertrauensleute und Mitunterzeichner eines Bürgerbegehrens, mit dem durch Kündigung der Projektverträge der Ausstieg der Beklagten aus der Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 erreicht werden soll. Sie machen die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung dieses Vorhabens durch Finanzierungsbeiträge des Bundes, des Landes Baden-Württemberg und der Beklagten geltend. Diese Finanzierung verstoße gegen Art. 104 a Abs. 1 GG, wonach die Finanzierungsverantwortung der Zuständigkeit für die Aufgabenwahrnehmung folge. Der Bau von Eisenbahnen obliege jedoch alleine dem Bund. |
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| Das Projekt Stuttgart 21 steht im Zusammenhang mit dem Aus- und Neubau der Eisenbahnverbindung Neubaustrecke (NBS) Wendlingen - Ulm für den Hochgeschwindigkeitsbetrieb als Teil einer in West-Ost-Richtung verlaufenden europäischen Magistrale von Paris nach Bratislava. Die Gesamtstrecke Stuttgart - Ulm - Augsburg ist im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege, einer Anlage zum Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG), als „Vordringlicher Bedarf“ aufgelistet. Inhalt des Projekts Stuttgart 21 ist die Neugestaltung des Hauptbahnhofs der Landeshauptstadt. An die Stelle des bestehenden 16-gleisigen Kopfbahnhofs soll ein achtgleisiger, tiefer gelegter und gegenüber der bisherigen Gleisanlage um 90° aus der Tal-Längsrichtung in die Tal-Querrichtung gedrehter Durchgangsbahnhof treten. Dieser Durchgangsbahnhof soll durch unterirdische Zulaufstrecken aus dem Stadtgebiet und der Filderebene angebunden werden. Mit den neuen Tunnelstrecken entstünde eine Ringstrecke, die den Verkehrsknoten Stuttgart im Hinblick auf den Nah- und Fernverkehr leistungsfähiger machen soll. Der Flughafen Stuttgart und die Landesmesse sollen einen Anschluss an das Schienenfernverkehrsnetz erhalten. Die bisher vorhandenen Abstell- und Wartungsanlagen der Bahn am Rand des Rosensteinparks sollen verlegt werden. Auf diese Weise würden im Stuttgarter Talkessel etwa 100 ha bisherige Bahnflächen für eine andere städtebauliche Nutzung frei. Das neu entstehende Rosensteinviertel sowie das Gebiet zwischen Nordbahnhofstraße und Rosensteinstraße sollen über einen neuen S-Bahnhof „Mittnachtstraße“ erschlossen werden. Projektträger sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen DB Netz AG, DB Station&Service AG und DB Energie GmbH. |
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| Die Beteiligung der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 ergibt sich insbesondere aus folgenden, auf der Grundlage entsprechender Gemeinderatsbeschlüsse getroffener Vereinbarungen: |
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| - Am 07.11.1995 schlossen die Deutsche Bahn AG, die Bundesrepublik Deutschland, das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart sowie die Beklagte eine Rahmenvereinbarung zum Projekt Stuttgart 21. Gegenstand der Rahmenvereinbarung sind im Wesentlichen eine Beschreibung des Projekts sowie Regelungen über Investitionen und Finanzierungsfragen, zu planungsrechtlichen Festlegungen und zur Übernahme von frei werdenden Bahnflächen. |
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| - Unter dem 24.07.2001 schlossen die Deutsche Bahn AG, das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart sowie die Beklagte eine „Vereinbarung zur weiteren Zusammenarbeit zur Realisierung der Projekte Stuttgart 21 und NBS Wendlingen-Ulm“ (sog. Realisierungsvereinbarung). Gegenstand dieser Vereinbarung ist insbesondere die Verpflichtung des Landes Baden-Württemberg, die zuwendungsfähigen Kosten der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sowie den Bundesanteil für Stuttgart 21 vorzufinanzieren. Darüber hinaus werden in der Vereinbarung Regelungen über den Erwerb von frei werdenden Bahnflächen durch die Beklagte, die Finanzierung und die Übernahme von Kostenrisiken getroffen. |
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| - Am 21.12.2001 schloss die Beklagte mit der Deutschen Bahn AG bzw. der DB Netz AG einen Kaufvertrag über frei werdende Bahnflächen. |
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| - Unter dem 19.07.2007 einigten sich die Beteiligten auf ein sog. Memorandum of Understanding zur Realisierung der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm und des Projekts Stuttgart 21. Um den Baubeginn der Neubaustrecke vorziehen zu können, erklärte sich das Land Baden-Württemberg bereit, mit einem festen Zuschuss, beginnend ab 2010, die Investitionskosten einschließlich der Planungskosten bis 2016 zu finanzieren. Das Memorandum enthält darüber hinaus Absprachen zur Höhe der Beteiligung der Vertragsparteien an den Investitionskosten und am Kostensteigerungsrisiko. |
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| - Am 05.10.2007 schlossen das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart und die Beklagte eine Ergänzungsvereinbarung über ihre Beteiligung an dem Projekt Stuttgart 21. Die Ergänzungsvereinbarung soll nach ihrem Wortlaut der „verbindlichen Regelung der Beteiligung der Landeshauptstadt und des Verbandes Region Stuttgart an den im Memorandum zugesagten Leistungen“ dienen und die Rahmenvereinbarung vom 07.11.1995 und die Realisierungsvereinbarung vom 24.07.2001 ergänzen. Der Verband Region Stuttgart sowie die Beklagte ermächtigten in der Ergänzungsvereinbarung ferner das Land unwiderruflich, den Finanzierungsvertrag für das Projekt Stuttgart 21 mit der Deutschen Bahn und der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Ergänzungsvereinbarung auch in ihrem Namen abzuschließen. Der Gemeinderat der Beklagten hatte in seiner vorangegangenen Sitzung vom 04.10.2007 die Zustimmung zum Abschluss der o.g. Ergänzungsvereinbarung und zur Änderung des Kaufvertrages vom 21.12.2001 beschlossen und die Vertreter der Verwaltung ermächtigt, alle Erklärungen und Handlungen zum Abschluss der Verträge vorzunehmen. Einen Antrag der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, einen neuen Grundsatzbeschluss über die Beteiligung der Beklagten an dem Projekt Stuttgart 21 zu fassen, lehnte die Mehrheit des Gemeinderats in der Sitzung vom 04.10.2007 ab. |
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| - Am 02.04.2009 schlossen das Land Baden-Württemberg, die Beklagte (vertreten durch das Land Baden-Württemberg), der Verband Region Stuttgart, die Flughafen Stuttgart GmbH, die DB Netz AG, die DB Station&Service AG, die DB Energie GmbH und die Deutsche Bahn AG (DB AG) auf der Grundlage des Memorandum of Under-standing und einem Eckpunktepapier vom 19.07.2007 einen Finanzierungsvertrag zu dem Projekt Stuttgart 21 als Teil des Gesamtprojekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Im Finanzierungsvertrag ist die Finanzierung des Projekts durch Finanzierungsbeiträge und Risikoabsicherungen der Vertragsparteien bis zu einer Höhe von 4,526 Mrd. Euro abgesichert. Unter § 8 Abs. 4 des Vertrages heißt es: „Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die EIU und das Land Gespräche auf.“ |
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| Im Hinblick auf die Aspekte Verkehr, Ökologie, Stadtentwicklung, Denkmalschutz und Kosten wird das Projekt Stuttgart 21 seit Jahren in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Im Vorfeld, u.a. im Raumordnungsverfahren, wurden zahlreiche Alternativkonzepte untersucht. Ein Alternativkonzept unter dem Namen K 21 sieht eine Sanierung und Ertüchtigung des bisherigen Kopfbahnhofes vor. Ein 2007 initiiertes und ebenfalls auf den Ausstieg der Beklagten aus dem Projekt Stuttgart 21 gerichtetes Bürgerbegehren wurde von der Beklagten als rechtlich unzulässig abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage wies die erkennende Kammer mit rechtskräftigem Urteil vom 17.07.2009 ab (- 7 K 3229/08 -, VBlBW 2009, 432 ff.). Eine Schlichtung im Oktober/November 2010 schlug mögliche Verbesserungen unter der Bezeichnung Stuttgart 21 Plus vor. Bei einer landesweiten Volksabstimmung am 27.11.2011 wurde die Verpflichtung der Landesregierung, Kündigungsrechte bei den vertraglichen Vereinbarungen mit finanziellen Verpflichtungen des Landes Baden-Württemberg für das Bahnprojekt Stuttgart 21 auszuüben, mehrheitlich abgelehnt. Am 05.03.2013 beschloss der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG, den Finanzierungsrahmen für Stuttgart 21 von 4,526 Mrd. Euro auf 6,526 Mrd. Euro zu erhöhen und eine Beteiligung der Projektpartner an den Mehrkosten einzufordern. |
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| Am 21.03.2011 übergaben die Kläger dem Oberbürgermeister der Beklagten Listen mit mehr als 35.600 Unterschriften des Bürgerbegehrens „Ausstieg der Stadt aus dem Projekt Stuttgart 21.“ |
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| Auf den jeweiligen Unterschriftslisten heißt es: |
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| „Die unterzeichnenden wahlberechtigten Bürger/innen der Stadt Stuttgart beantragen im Wege eines Bürgerbegehrens nach § 21 GemO einen Bürgerentscheid zu der Frage: |
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| Soll die Stadt Stuttgart ihre Mitgliedschaft im „Projekt Stuttgart 21“ förmlich beenden, indem sie folgende Maßnahmen ergreift: |
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| Die Stadt Stuttgart beruft sich gegenüber den Projektpartnern auf die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung und kündigt die Projektverträge. Sie unterlässt weitere Beitragszahlungen zum Projekt. Projektverträge in diesem Sinne sind: Gemeinsame Erklärung und Finanzierungsvertrag vom 02.04.2009, Ergänzungsvereinbarung vom 05.10.2007, Memorandum of Understanding vom 19.07.2007, Eckpunktepapier vom 19.07.2007, Ergänzungsvereinbarung vom 24.07.2001, Vereinbarung zum Projekt Filderbahnhof vom 09.07.2001, Rahmenvereinbarung vom 07.11.1995. |
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| Begründung: Das Projekt Stuttgart 21 (S 21) bedeutet eine tiefgreifende Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart, bei welcher der Kopfbahnhof durch einen tief liegenden Durchgangsbahnhof ersetzt, der Abstellbahnhof nach Untertürkheim verlagert und der Flughafen an den Fern- und Regionalverkehr angebunden werden soll. Die Stadt Stuttgart ist an diesem Projekt, das im Finanzierungsvertrag definiert ist, neben anderen Partnern vertraglich beteiligt. Das vorliegende Bürgerbegehren zielt darauf, die Mitgliedschaft der Stadt an dem Projekt S 21 zu beenden. |
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| Die pauschale Mitfinanzierung des Eisenbahnprojekts S 21 durch die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg ist verfassungswidrig. Aus Art. 104 a Abs. 1 GG ergibt sich das Verbot der Finanzierung des Baus von Eisenbahnen des Bundes durch die Länder und Gemeinden, weil es eine Bundesaufgabe ist. Über ihre Projektbeteiligung finanziert die Stadt Stuttgart jedoch eine Bundesaufgabe mit. Wir wollen, dass die Stadt diese Verfassungsnorm beachtet, weil sie überragend wichtig für das solidarische und bundesstaatliche Zusammenleben der Länder ist. Daher sollen die Mitgliedschaft an dem Projekt S 21 beendet und die Beitragszahlungen eingestellt werden. Zur Klarstellung: Ob die übrigen Projektpartner das Projekt auch ohne die Beteiligung der Stadt vollenden können, wird durch den Bürgerentscheid nicht geklärt. |
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| Kostendeckungsvorschlag: Sollte der Ausstieg der Stadt zu einem Projektabbruch durch die übrigen Partner führen, ist fraglich, ob die Stadt sich an den damit verbundenen Kosten beteiligen muss. Auszuschließen ist es nicht. Die Deutsche Bahn hat bei der „Fakten-Schlichtung“ verlorene Planungs- und Baukosten sowie Kosten der Projektleitung mit 313,8 Millionen EUR beziffert, aber auch 600 Millionen EUR in den Raum gestellt. Mangels einer vertraglichen Regelung ist der jeweilige Anteil der acht Projektpartner unklar. Im Zweifel trägt jeder 1/8. Daher sollte zur Sicherheit (und unter vorsorglicher Berücksichtigung von Prozesskosten) mit ca. 40 Mio. EUR bis 76 Mio. EUR gerechnet werden. Diese Ausgaben wären zu decken durch die im Haushalt der Stadt bereits für S 21 eingestellten deutlich höheren Mittel, die infolge der Beendigung der Projektmitgliedschaft frei werden.“ |
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| Die Kläger stützen sich für ihre Rechtsauffassung vornehmlich auf ein Rechtsgutachten von Herrn Prof. Dr. Dr. hc. Hans Meyer von der Humboldt-Universität Berlin vom 03.11.2010 zum Thema „Finanzverfassungsrechtliche Fragen des Stuttgarter Bahnkonflikts“, welches dieser im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellt hat. Danach verstoße sowohl die finanzielle Beteiligung des Landes Baden-Württemberg als auch der Landeshauptstadt Stuttgart gegen Art. 104 a GG und führe zur Nichtigkeit der Finanzierungsverträge. |
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| In seiner Sitzung vom 09.06.2011 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, dass ein Bürgerentscheid über den Ausstieg der Beklagten aus dem Projekt Stuttgart 21 nicht zulässig sei. In der zugrunde liegenden Gemeinderatsvorlage vom 20.05.2011 (GRDrs. 353/211) wird im Wesentlichen Bezug genommen auf ein Rechtsgutachten der Rechtsanwälte Prof. Dr. X und Dr. Y, Stuttgart, vom 08.03.2011, in dem diese die Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 für verfassungsgemäß erachten und das Bürgerbegehren für unzulässig halten. |
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| Mit an die Kläger gerichteten Bescheide vom 11.07.2011 stellte die Beklagte auf der Grundlage des Gemeinderatsbeschlusses vom 09.06.2011 fest, dass der beantragte Bürgerentscheid über den Ausstieg der Landeshauptstadt aus dem Projekt Stuttgart 21 unzulässig sei. Der Bescheid ist wie folgt begründet: |
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| Das Bürgerbegehren werde nach Überprüfung durch das Statistische Amt von einer ausreichenden Zahl wahlberechtigter Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger unterstützt. Die Kläger seien in Stuttgart wahlberechtigt und hätten das Begehren mit unterschrieben. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens betreffe auch eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Beklagten i.S.d. § 21 Abs. 1 GemO BW. Die Stadt sei an der Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 beteiligt, und mit ihm würden u.a. kommunale Aufgaben des Stadtumbaus und der örtlichen Wirtschaftsförderung erfüllt. Das Bürgerbegehren sei aber dennoch unzulässig, weil es ein rechtswidriges Ziel verfolge. Ein Bürgerbegehren sei unter anderem dann unzulässig, wenn es gegen bestehende vertragliche Verpflichtungen verstoße und die Gemeinde sich nicht durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Bindungen lösen könne. Dies treffe hier zu. Das beantragte Bürgerbegehren würde zum Vertragsbruch führen. Eine ordentliche Kündigung des maßgeblichen Finanzierungsvertrages zu Stuttgart 21 vom 02.04.2009 sei nach dessen § 15 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich ausgeschlossen. Der Finanzierungsvertrag habe in § 2 Abs. 3 die Möglichkeit einer sog. qualifizierten Beendigung des Projekts Stuttgart 21 vorgesehen, wenn nach Abschluss der Entwurfsplanung, spätestens jedoch bis zum 31.12.2009, eine Erhöhung der Gesamtkosten über den Gesamtbetrag von 4,526 Mrd. Euro hinaus zu erwarten gewesen sei. Dieser Fall sei nicht eingetreten. Für den Fall von Kostenänderungen über diesen Betrag hinaus hätten die Eisenbahninfrastrukturunternehmen und das Land gemäß § 8 Abs. 4 des Finanzierungsvertrages Gespräche aufzunehmen; eine Kündigung der Verträge und ein qualifizierter Abschluss wie im Fall des § 2 Abs. 3 des Finanzierungsvertrages sei nicht möglich. Für die Projektverträge gebe es kein außerordentliches Kündigungsrecht und auch sonst keine Möglichkeit für einen der Vertragspartner, sich einseitig von den Verträgen zu lösen. |
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| Selbst wenn man das Bürgerbegehren dahingehend auslege, dass es trotz seines eindeutigen Wortlautes nicht auf eine Kündigung abziele, sondern es den Initiatoren auf eine Erklärung der Stadt ankomme, wegen des Verstoßes gegen das Konnexitätsprinzip in Art. 104 a Abs. 1 GG nicht mehr an die geschlossenen Verträge gebunden zu sein, sei es auf ein rechtlich unzulässiges Ziel gerichtet. Die Verträge seien nicht wegen Verstoßes gegen Art. 104 a Abs. 1 GG nichtig. Zwar gelte das Konnexitätsprinzip auch im Verhältnis zwischen Bund und Gemeinden. Es verbiete jedoch nicht, dass Bund, Länder und Gemeinden in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgaben zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten und dabei Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung nach dem Maß ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung abschließen würden. Die Finanzierungskompetenz der Beklagten folge aus ihren Zuständigkeiten für den Stadtumbau und die Verbesserung der örtlichen Wirtschaftsstruktur, die im kommunalen Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 Abs. 1 Landesverfassung begründet seien. Deshalb sei die Mitfinanzierung des Projektes Stuttgart 21 durch die Beklagte mit Art. 104 a Abs. 1 GG vereinbar. Dies gelte auch im Hinblick auf die Höhe der Mitfinanzierung. Sie müsse dem Anteil der Verpflichtung des Aufgabenträgers zur Aufgabenwahrnehmung entsprechen. Dafür gebe es allerdings keine exakten Quoten. Die verschiedenen Aufgabenträger hätten einen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die jeweiligen Interessen und deren finanzielle Bewertung. Nach diesen Maßgaben sei die Kostenbeteiligung der Beklagten nicht zu beanstanden. Selbst wenn der Risikofond vollständig benötigt werde, entspräche der städtische Anteil an den Gesamtinvestitionen in Höhe von 4,526 Mrd. Euro lediglich rund 6 % der Gesamtinvestitionen. Die Finanzierungsbeiträge der Beklagten seien im Verhältnis zu den bedeutenden Vorteilen für die Landeshauptstadt angemessen und stünden mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes im Einklang. |
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| Das beantragte Bürgerbegehren sei außerdem verfristet. Richte sich ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Gemeinderates, müsse es gemäß § 21 Abs. 3 S. 3, 2. Hs. GemO BW innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein (sog. kassatorisches Bürgerbegehren). Die Vertragsparteien der Projektverträge seien sich in Übereinstimmung mit der vorliegenden Rechtsprechung und Literatur darüber einig gewesen, dass die Verträge wirksam seien und nicht gegen die Verfassung verstießen. Davon sei auch der Gemeinderat bei seinem Beschluss vom 04.10.2007 ausgegangen, mit dem er die Zustimmung der Stadt zum Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 05.10.2007 erteilt habe. Auf Grundlage des Beschlusses vom 04.10.2007 habe das Land Baden-Württemberg die Finanzierungsverträge vom 02.04.2009 auch mit Wirkung für die Beklagte abgeschlossen. Die Nichtigkeit von Verträgen über das Projekt Stuttgart 21 habe daher spätestens innerhalb von sechs Wochen nach dem Beschluss vom 04.10.2007 geltend gemacht werden können und müssen. |
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| Das beantragte Bürgerbegehren verstoße weiter gegen die Ausschlussregelung des § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO. Danach finde ein Bürgerbegehren nicht statt über die Haushaltssatzung einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe sowie über Kommunalabgabentarife und Entgelte. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg habe daraus geschlossen, der Gesetzgeber habe der Bürgerschaft auch in grundsätzlichen finanziellen Fragen keine Sachentscheidungskompetenz an Stelle des Gemeinderates einräumen wollen. Gemeinderatsbeschlüsse, die sich allein mit den Bau- oder Folgekosten eines Vorhabens befassten, könnten nicht Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein. |
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| Das beantragte Bürgerbegehren sei schließlich auch wegen unzureichender Begründung unzulässig. Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur verstießen die Finanzierungsverträge nicht gegen Art. 104 a GG. Dies werde nicht dargestellt. Die Initiatoren legten auch nicht dar, woraus sich ein Recht zur Kündigung der Projektverträge ergeben solle. Selbst das Gutachten von Herrn Prof. Meyer gehe nicht davon aus, dass eine solche Befugnis bestehe. Weiter fehlten in der Begründung Ausführungen zur Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3, 2. Hs. GemO BW. |
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| Gegen den Bescheid vom 11.07.2011 legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 11.08.2011 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schriftsätzen vom 11.08.2011 und 14.11.2011. |
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| Mit Schriftsatz vom 24.11.2011 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Untätigkeitsklage gegen die Beklagte eingereicht und diese zusammengefasst wie folgt begründet: |
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| Es sei verfahrensfehlerhaft gewesen, sich bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens allein auf das Rechtsgutachten der Rechtsanwälte Prof. Dr. X und Dr. Y vom 20.05.2011 zu verlassen, da diese befangen gewesen seien. Rechtsanwalt Prof. X habe bereits am 13.07.2007 im Auftrag von Finanz- und Innenministerium des Landes Baden-Württemberg ein Rechtsgutachten zur „Verfassungsmäßigkeit eines verlorenen Zuschusses des Landes Baden-Württemberg zur Finanzierung des Vorhabens NBS Stuttgart-Ulm“ erstellt. Am 13.12.2010 habe er im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg zum Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010 Stellung genommen. In beiden Gutachten habe er die Auffassung vertreten, dass die gemeinsame Finanzierung von unechten Gemeinschaftsaufgaben durch verschiedene Aufgabenträger zulässig sei. Die Befangenheit eines Sachverständigen im Verwaltungsverfahren stelle einen gegen § 21 VwVfG verstoßenden Verfahrensmangel dar. |
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| Mit dem Bürgerbegehren werde kein rechtswidriges Ziel, insbesondere keine unzulässige Vertragskündigung, verfolgt. Es entspreche einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass auch ein gemeinsamer Irrtum über die Rechtslage, auf dem der Geschäftswille aufbaue, eine Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages auf der Grundlage des § 60 LVwVfG rechtfertigen könne, wenn ohne diesen Irrtum der Vertrag nicht oder nicht so geschlossen worden wäre. Sei den Vertragsparteien der Verstoß gegen Art. 104 a GG bewußt gewesen, seien die streitigen Verträge nicht geschlossen worden. Es entspreche üblicher und unentbehrlicher juristischer Praxis, für nichtig gehaltene Verträge gleichzeitig zu kündigen. |
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| Die Verträge zu Stuttgart 21 seien wegen Verstoßes gegen das in Art. 104 a Abs. 1 GG enthaltene Konnexitätsprinzip nichtig. Der von der Beklagten und ihren Rechtsgutachtern herangezogene Begriff der „unechten Gemeinschaftsaufgabe“ sei weder im Staatsorganisationsrecht allgemein gebräuchlich noch sei er, soweit er angewendet werde, der hier vorliegenden Fallkonstellation zuzuordnen. Das von den Gutachtern herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 1989 (- 7 C 42/87 -) sei nicht einschlägig, da es sich um eine Amtshilfe-Konstellation gehandelt habe. Eine solche liege hinsichtlich des Projekts Stuttgart 21 nicht vor. Die Bahn sei vielmehr allein für dieses Projekt zuständig und habe sich lediglich aus finanziellen Gründen Partner gesucht, die mit für die Finanzierung aufkommen sollen. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 a GG übe der Bund die ausschließliche Gesetzgebung aus über den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege. Die Verwaltungskompetenz leite sich aus Art. 87 e Abs. 1 S. 1 GG her. Der dort gebrauchte Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung umfasse alle hoheitlichen Ordnungs- und Steuerungsaufgaben, die das Eisenbahnwesen einschließlich des Baus und des Betriebs der Eisenbahnen betreffen. Von seiner Gesetzgebungskompetenz habe der Bund in der Weise Gebrauch gemacht, dass er im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege die Aus- und Neubaustrecke Stuttgart-Ulm-Augsburg als Maßnahme des vordringlichen Bedarfs angenommen habe. Die Entscheidung über den Erhalt und den Ausbau des Schienennetzes einschließlich der Infrastrukturanlagen wie Bahnhöfen obliege ausschließlich dem Bund. Die alleinige Zuordnung des Projekts Stuttgart 21 zur Deutschen Bahn entspreche dem allgemeinen Grundsatz des deutschen Staatsrechts, Kompetenzen aus rechtsstaatlichen Gründen nur einer Behörde einzuräumen und Doppelbeauftragungen zu vermeiden. Dies gelte insbesondere im Bereich der bundesstaatlichen Finanzverfassung, die auf einer eindeutigen Aufgabenzuweisung und Abgrenzung aufbaue. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleiste den Gemeinden zwar das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Daraus erwachse den Gemeinden aber nicht die Befugnis, sich solcher Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die bereits anderen Trägern öffentlicher Gewalt überantwortet seien, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen. Die in Stuttgart vorgesehene vollständige Veränderung des Bahnhofs betreffe den Ausbau des Schienennetzes i.S.d. Art. 87 e Abs. 4 S. 1 GG und sei deshalb i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG eine Bundesaufgabe. Für sie könne es keine zusätzliche, ergänzende Kompetenz geben. Das Interesse der Beklagten an dem Projekt betreffe lediglich rechtliche Reflexwirkungen. Diese hätten zwar faktisch erhebliche Auswirkungen auf das Leben in Stuttgart und seine Einwohner, würden die juristische Personen „Landeshauptstadt Stuttgart“ jedoch nicht betreffen. Die Beklagte sei juristisch nur insoweit betroffen, als ihr Anhörungsrechte im Rahmen des eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahrens zustünden. Spätestens die am 01.09.2006 im Zuge der Föderalismusreform I in Kraft getretenen Grundgesetzänderungen hätten Mischfinanzierungen endgültig beenden sollen. Zu der Reform gehöre auch das in Art. 84 Abs. 1 S. 7 und Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG n.F. geregelte Verbot eines „Durchgriffs“ des Bundes auf die Kommunen. |
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| Nach Auffassung der Beklagten gebiete Art. 104 a Abs. 1 GG allenfalls, dass jeder diejenigen Kosten trage, die dem Anteil seiner Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung entsprächen. Lege man diese Auffassung zugrunde, sei es für eine verfassungskonforme Finanzierungsvereinbarung erforderlich, dass zunächst die beteiligten Aufgabenträger ihre mit dem Projekt wahrgenommenen Aufgaben eindeutig und abgrenzbar identifizierten, die mit den identifizierten Aufgaben verbundenen Kosten ermittelten, die jeweiligen Kosten der beteiligten Aufgabenträger ins Verhältnis zueinander setzten und ungewisse Kostensteigerungen auf Grund von Risiken demjenigen Aufgabenträger zuwiesen, aus dessen Sphäre diese stammten. Zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, bei der Aufteilung der Kosten hätten die Parteien einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG werde ein Beurteilungsspielraum wegen des damit verbundenen Ausschlusses der gerichtlichen Kontrolle nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen anerkannt, die hier nicht vorlägen. |
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| Das Bürgerbegehren sei auch nicht wegen Verstreichens der Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3, 2. Hs GemO BW unzulässig. Diese Frist gelte nur für Bürgerbegehren, die sich gegen einen Gemeinderatsbeschluss richteten (sog. kassatorische Bürgerbegehren), nicht aber für initiierende Bürgerbegehren. Das kassatorische Bürgerbegehren greife in die auf einem Feld vom Rat getroffene Regelungen ein, sei es, dass sie sich in dem Aufheben der getroffenen Regelungen erschöpften, sei es, dass sie die durch Ratsbeschluss getroffenen Regelungen durch andere ersetzten. Demgegenüber beträfen initiierende Bürgerbegehren gleichsam ein noch „unbestelltes Feld“ und stießen gemeindliche Aktivitäten erst an. Im vorliegenden Fall bearbeite das Bürgerbegehren ein „unbestelltes Feld“, weil es auf Grund neuer rechtlicher Erkenntnisse auf eine - zukunftsgerichtete - Kündigung geschlossener Verträge abziele. Ein vom Gemeinderat einmal beschlossenes Regelungsprogramm bedeute nicht, dass damit erst später bekannt werdende Kündigungs- und Vertragsrückabwicklungsrechte nicht mehr bürgerbegehrensfähig wären. Ein Begehren, dass auf die ausnahmsweise Rückgängigmachung eines geschlossenen Vertrages ziele, könne daher über ein initiierendes Bürgerbegehren verfolgt werden. |
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| Dem streitgegenständlichen Bürgerbegehren stehe die Sechs-Wochen-Frist nach § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs. GemO auch deshalb nicht entgegen, weil die den Finanzierungsverträgen zugrunde liegenden Gemeinderatsbeschlüsse nichtig seien und keine Rechtsfolgen auslösten. Die Gemeinderatsbeschlüsse ermächtigten die Beklagte zur finanziellen und planerischen Beteiligung an dem Projekt Stuttgart 21. Dafür fehle der Beklagten die Zuständigkeit. Die Beschlüsse seien auch deshalb fehlerhaft, weil sie zum Abschluss von gegen Art. 104 a Abs. 1 GG verstoßenden und damit nichtigen Finanzierungsverträgen ermächtigten. |
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| Jedenfalls werde die Sperrwirkung des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs. GemO BW durch Eintritt einer wesentlich neuen Sachlage überwunden. Vor Abschluss der Verträge von 1995, 2001 und 2007 habe es keine eingehende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer finanziellen Beteiligung der Beklagten in dem Sinn gegeben, die Grundlage des Gutachtens von Prof. Meyer sei. Es sei daher ausgeschlossen, dass deren mögliche Nichtigkeit wegen eines Verstoßes gegen Art. 104 a GG den Mitgliedern des Gemeinderates bei Beschlussfassung bekannt gewesen sei. Gegenüber dem Gemeinderat seien seinerzeit verfassungsrechtliche Bedenken durch den damaligen Oberbürgermeister sogar ausdrücklich in Abrede gestellt worden. Das Bürgerbegehren solle den Bürgern Stuttgarts erstmals die Möglichkeit geben, die Notwendigkeit des Projekts Stuttgart 21 unter Einbeziehung des vorher unbekannten verfassungsrechtlichen Risikos zu beurteilen. |
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| Eine wesentlich neue Sachlage ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Finanzierungsvereinbarung nicht vom Beschluss des Gemeinderates vom 04.10.2007 gedeckt sei. Der Gemeinderat habe einem Bauvorhaben mit kalkulierten Baukosten von 2,8 Mrd. Euro und ungewissen Kostensteigerungen von 1,3 Mrd. Euro zugestimmt. Das Land habe in § 2 Abs. 2 des Finanzierungsvertrages eine von der Vollmacht in Ziffer V der Ergänzungsvereinbarung vom 05.10.2007 nicht gedeckte „Ausstiegsklausel“ vereinbart. Dies erlaube der Bahn faktisch die Durchführung des Projekts zu nachkalkulierten Baukosten bis 4,526 Mrd. Euro unter vollständiger Aufzehrung des Risikopuffers und somit ohne Risikopuffer für die Bauzeit. Maßgeblich sei der Planungsstand am 31.12.2009 gewesen. Seit der Pressekonferenz des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg vom 14.07.2011 und den dabei vorgelegten Dokumenten sehe es danach aus, dass die Deutsche Bahn AG vor Abschluss des Finanzierungsvertrages am 02.04.2009 die ihr bekannten und absehbaren Kostensteigerungen ihren Vertragspartnern und damit auch der Beklagten verschwiegen und insoweit ihre Aufklärungspflicht verletzt habe mit der Folge, dass der Beklagten ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages zustehen dürfte. Diese Tatsachen seien dem Gemeinderat am 04.10.2007 nicht bekannt gewesen. |
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| Die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ergebe sich auch nicht aus der Ausschlussregelung in § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO, wonach ein Bürgerbegehren unter anderem über die Haushaltssatzung nicht stattfinde. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg habe mittlerweile in seinem Beschluss vom 08.04.2011 (- 1 S 303/11 -, VBlBW 2011, 388 ff.) klargestellt, dass lediglich die unmittelbare Betroffenheit der Haushaltssatzung den Ausschlusstatbestand erfülle. |
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| Schließlich sei das Bürgerbegehren auch nicht wegen unzureichender Begründung unzulässig. Das Rechtsinstitut des Bürgerbegehrens müsse so angelegt sein, dass die Fragestellung und die Begründung von Gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtliche Kenntnisse formuliert werden könnten. Dass die Begründung des Bürgerbegehrens eine entgegenstehende Rechtsauffassung zur Verfassungsmäßigkeit der Finanzierungsverträge nicht erwähne, mache die Begründung nicht mangelhaft. Solche Gegenauffassungen seien den Bürgern im Rahmen der Meinungsbildung bis zum Bürgerentscheid durch die Kommune darzustellen. |
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| Mit Beschluss vom 27.03.2012 hat die Kammer das Verfahren gemäß § 75 S. 2 VwGO zur Durchführung des Vorverfahrens für die Dauer von sechs Monaten ausgesetzt. Mit Gemeinderatsbeschluss vom 29.03.2012 entschied der Gemeinderat der Beklagten, den Widersprüchen nicht abzuhelfen, und legte sie dem Regierungspräsidium Stuttgart zur Entscheidung vor. Mit Beschluss vom 14.06.2012 (- 1 S 840/12 -) änderte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auf die Beschwerde der Kläger den Beschluss der Kammer vom 27.03.2012 insoweit ab, als das Verfahren zur Durchführung des Vorverfahrens für die Dauer von drei Monaten ab Zustellung ausgesetzt wurde, und wies im Übrigen die Beschwerde zurück. |
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| Mit Bescheid vom 15.08.2012 wies das Regierungspräsidium Stuttgart die Widersprüche der Kläger gegen die Bescheide der Stadt Stuttgart vom 11.07.2011 zurück und führte zur Begründung aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Sachverständigen Prof. Dr. X und Dr. Y, wie von den Klägern vorgetragen, im Ausgangsverfahren nach § 20 oder 21 LVwVfG befangen gewesen seien. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens handle es sich um eine gebundene Entscheidung, bei der der Beklagten weder ein Beurteilungsspielraum noch Ermessen zustehe. Selbst wenn ein Verfahrensfehler vorgelegen haben sollte, sei er gemäß § 46 LVwVfG unbeachtlich, denn es sei offensichtlich, dass die Verletzung die gesetzlich vorgegebene Entscheidung in der Sache nicht beeinflusse. |
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| Das Bürgerbegehren verstoße gegen § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs. GemO BW, wonach ein Bürgerbegehren, welches sich gegen einen Beschluss des Gemeinderates richte, innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein müsse. Es handele sich um ein fristgebundenes sog. kassatorisches Bürgerbegehren und nicht um ein sog. initiierendes Bürgerbegehren. Die Ausschlussfrist greife ein, wenn das Bürgerbegehren seinem Inhalt nach auf die Korrektur eines Gemeinderatsbeschlusses gerichtet sei. Mit der Ausschlussfrist solle der Gefahr begegnet werden, dass bereits in Ausführung begriffene Beschlüsse wieder rückgängig gemacht werden müssten oder längere Zeit überhaupt nicht an die Ausführung gegangen werden könne. Die vom Bürgerbegehren geforderte „Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung“ sei ihrem Inhalt nach auf eine Korrektur eines Gemeinderatsbeschlusses gerichtet und habe deshalb innerhalb der Sechswochenfrist geltend gemacht werden müssen. Dabei könne dahingestellt bleiben, gegen welchen der mehreren zum Projekt Stuttgart 21 ergangenen Gemeinderatsbeschlüsse das Bürgerbegehren sich richte, da es selbst dann, wenn man auf den letzten hierzu ergangenen Beschluss vom 04.10.2007 abstelle, längst verfristet sei. Stelle man auf die vom Bürgerbegehren ebenfalls genannte „Kündigung der Projektverträge“ ab, so könne zwar das Verstreichen der Sechswochenfrist nicht dazu führen, dass die Ausübung von Kündigungsrechten nicht mehr bürgerentscheidsfähig sei. Durchbrochen werde die Sperrwirkung des § 21 Abs. 3 S. 3, 2. Hs. GemO aber nur durch Eintritt einer wesentlichen neuen Sachlage oder durch eine erneute Befassung des Gemeinderates, die die Frist für ein Bürgerbegehren wieder in Gang setze. Bei unveränderter Rechtslage könne aber nicht bloß eine andere Rechtsmeinung die Durchbrechung der Sperrwirkung bewirken. |
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| Die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ergebe sich auch aus § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO, wonach ein Bürgerentscheid nicht über die Haushaltssatzung stattfinde. Das vorliegende Bürgerbegehren sei allein auf eine Entscheidung über die Kostentragung und damit über Ausgaben im Vollzug des Haushaltsplanes der Stadt gerichtet. |
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| Das Bürgerbegehren sei schließlich auch deshalb unzulässig, weil der Kostendeckungsvorschlag irreführende Ausführungen enthalte. Es halte Schadensersatzansprüche nur für den Fall eines Projektabbruchs durch die übrigen Partner für nicht ausgeschlossen. Dies sei unvollständig, da im Falle einer Loslösung der Stadt von den Verträgen Schadensersatzansprüche auch dann in Betracht kämen, wenn das Projekt ohne finanzielle Beteiligung der Stadt verwirklicht werde. Wenn nach der Begründung Schadensersatzansprüche nur als im Fall eines Projektabbruchs in Betracht kommend und ein Projektabbruch zudem als ungewiss dargestellt werde, werde das Risiko von Schadensersatzansprüchen auch als geringer dargestellt als es in Wirklichkeit sei. |
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| Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 27.08.2012 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 31.01.2013 teilte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit, er beziehe namens der Kläger den Widerspruchsbescheid vom 15.08.2012 in das laufende Klageverfahren ein und nehme dazu ergänzend wie folgt Stellung: |
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| Es sei keineswegs offensichtlich, dass die Mitwirkung befangener Sachverständiger die Entscheidung in der Sache i.S.v. von § 46 LVwVfG nicht beeinflusst habe. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens handle es sich nicht um eine gebundene Entscheidung. Der Gemeinderat könne nach § 21 Abs. 1 GemO BW in jedem Fall mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen beschließen, dass ein Bürgerentscheid durchgeführt werde. Der Gemeinderat sei also kraft seines ihm auf diese Weise eingeräumten Ermessens in der Lage, das Bürgerbegehren für zulässig zu erklären. Außerdem könne er nach § 21 Abs. 4 GemO BW einen Bürgerentscheid dadurch entbehrlich machen, dass er die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließe. Insoweit komme dem Bürgerbegehren auch unabhängig von der Frage seiner Zulässigkeit eine politische Anstoßfunktion zu. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das vorliegende Bürgerbegehren in diesem Sinne eine Anstoßfunktion entfaltet hätte, wenn die eingeschalteten Sachverständigen nicht befangen gewesen seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse im Anwendungsbereich des § 46 LVwVfG jeglicher Zweifel ausgeschlossen sein, dass die betreffende öffentliche Stelle ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte. Hätte sich die Beklagte aber von neutralen und im Finanzverfassungsrecht sachkundigen Gutachtern beraten lassen, wäre sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen rechtlichen Ergebnis gekommen. |
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| Das Regierungspräsidium verkenne auch, dass der Beginn der Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW einen rechtmäßigen Gemeinderatsbeschluss voraussetze. Der Verstoß der in Rede stehenden Gemeinderatsbeschlüsse gegen Art. 104 a Abs. 1 GG habe aber ihre Nichtigkeit zur Folge. Mit der Ausschlussfrist solle der Gefahr begegnet werden, dass bereits in Ausführung begriffene Beschlüsse wieder rückgängig gemacht werden müssten oder längere Zeit überhaupt nicht an die Ausführung gegangen werden könne. Dieser Zweck komme für nichtige Beschlüsse nicht in Betracht, da sie nicht ausgeführt werden dürften. |
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| Der Beschluss des Gemeinderates zur Ergänzungsvereinbarung sei auch deshalb unwirksam, weil es an der gemäß § 88 Abs. 2 und 3 GemO BW erforderlichen Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde fehle. Die Übernahme der Risikobeteiligung nach Ziffer 2 Nrn. 2 und 3 der Ergänzungsvereinbarung entspreche einem Rechtsgeschäft, das einer Bürgschaft oder einem Gewährvertrag gleichkomme. |
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| Die Nichtigkeit des Beschlusses des Gemeinderates ergebe sich auch daraus, dass die Gemeinderäte vor ihrer grundsätzlichen Beschlussfassung am 04.10.2007 vom Oberbürgermeister über die verfassungsrechtliche Situation falsch informiert, also objektiv getäuscht, worden seien. Auf eine entsprechende Frage des Gemeinderates Z vom 27.09.2007 habe der Oberbürgermeister in der Gemeinderatssitzung vom 04.10.2010 die Auskunft gegeben, bei Stuttgart 21 handele es sich nicht um ein Bedarfsplanvorhaben des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG. Insofern sei es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass neben dem Bund auch das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart Finanzierungspartner der Deutschen Bahn AG seien. Diese Aussage sei rechtlich unzutreffend und werde auch vom Beklagten, der sich nunmehr auf die Argumentationsfigur der „unechten Gemeinschaftsaufgabe“ berufe, nicht mehr vertreten. |
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| Zu Unrecht meine das Regierungspräsidium auch, eine andere Rechtsmeinung zur Frage der Zulässigkeit einer Mischfinanzierung von Stuttgart 21 begründe noch keine wesentlich neue Sachlage. Die wesentlich neue Sachlage bestehe darin, dass der Gemeinderat bei seiner Beschlussfassung von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei als er später - nunmehr gestützt auf die Stellungnahme der Sachverständigen Prof. Dr. X und Dr. Y - als maßgeblich anführe und diese Auswechslung des rechtlichen Maßstabes den ursprünglichen Beschlüssen die Grundlage entziehe. Inzwischen wisse die Beklagte, dass das Verbot der Mischfinanzierung auch freiwillige Zuweisungen ausschließe und dass die Deutsche Bahn AG hinsichtlich Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes dem Bund zuzurechnen sei. Stattdessen stütze sich die Beklagte nunmehr unzutreffend auf die missverstandene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.1989 (- 7 C 42/87 -, BVerwGE 81, 312 ff.) und nehme bei der Anwendung dieses Urteils für die Frage der Bemessung des städtischen Beitrages zusätzlich einen Beurteilungsspielraum in Anspruch, dessen sich der Gemeinderat im Zeitpunkt der Beschlussfassung weder bewusst gewesen sei noch den er in nachvollziehbarer Weise ausgeübt habe. Hielte man die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für einschlägig, müsse der Finanzierungsanteil der Beklagten dem Anteil ihrer miterledigten Aufgaben entsprechen. An der erforderlichen Identifizierung und Bewertung der städtischen Aufgabe, die durch das Projekt verwirklicht werden solle, fehle es. Obwohl das Projekt sich bezüglich der Interessenlage der Stadt nicht wesentlich verändert habe, seien im Laufe der Zeit vollkommen verschiedene Finanzierungsanteile vereinbart worden, ohne dass je ein sachlicher Bezug hergestellt worden sei. Die Festlegung der Finanzierungsanteile sei vielmehr willkürlich bzw. nach sachfremden Kriterien erfolgt, weil es darum gegangen sei, die Kriterien der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Deutschen Bahn AG zu erfüllen. Der Gemeinderat sei sich zu keinem Zeitpunkt während seiner Beschlussfassung der verfassungsrechtlichen Problematik bewusst gewesen. Damals sei der Gemeinderat von einer rechtlich ungebundenen, rein politisch motivierten Entscheidung ausgegangen, bei der es verfassungsrechtliche Bindungen nicht gebe. |
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| Die Sachlage habe sich auch wegen der zwischenzeitlich bekanntgewordenen Kostenerhöhungen verändert. Diese entzögen dem Gemeinderatsbeschluss vom 04.10.2007 die Grundlage, so dass dieser dem beantragten Bürgerbegehren nicht mehr entgegenstehen könne. Nachdem die Deutsche Bahn AG inzwischen erhebliche Kostenüberschreitungen von 1,1 bis 2,3 Mrd. Euro für das Projekt bekanntgegeben habe, bilde der Finanzierungsvertrag vom 02.04.2009 keine Grundlage mehr, um das Projekt fortzuführen, weil er nur Baukosten bis zur Grenze von 4,526 Milliarden Euro abdecke. Da im Finanzierungsvertrag nicht geregelt sei, wer die Verantwortung für Mehrkosten trage, hänge eine Fortsetzung des Projekts davon ab, ob die Vertragsparteien eine Einigung über die Finanzierung sämtlicher Mehrkosten und Risiken verbindlich erzielten. Diese Einigung werde aber an der fehlenden Finanzierungsbereitschaft der Vertragsparteien scheitern. Im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung sei vereinbart, dass sich das Land nicht an Mehrkosten beteilige. Auch die Beklagte habe wiederholt erklärt, sich an Mehrkosten nicht beteiligen zu wollen. Es bestehe damit keine gemeinsame Finanzierungsgrundlage mehr, mit der das Projektziel erreicht werden könne. Die Folge sei, dass keine Seite für den unmöglich gewordenen Vertragszweck noch Maßnahmen verlangen könne. |
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| Das von der Beklagten verfolge Ziel, durch die Stilllegung und Entwidmung von Bahnanlagen in Folge der Verlegung des Hauptbahnhofs unter die Erde städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten zu erschließen, sei schließlich durch die beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängige Klage der S AG, den Rückbau der Gleisanlagen im Bereich des Stuttgarter Hauptbahnhofs zu untersagen (13 K 2947/12), unmöglich geworden. Diese Klage werde Erfolg haben, wie das Gutachten des renommierten Eisenbahnrechtlers Prof. Dr. Urs Kramer von der Universität Passau vom 12.12.2011 belege. |
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| Der Kostendeckungsvorschlag sei nicht zu beanstanden, weil im Falle der Nichtigkeit des Finanzierungsvertrages wegen Verstoßes gegen Art. 104 a Abs. 1 GG von vornherein kein Schadensersatz gegenüber der Beklagten in Betracht komme. |
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| Im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 104 a GG folge eine andere rechtliche Beurteilung auch nicht daraus, dass nach der Eisenbahnstrukturreform von 1993 die in Art. 87 e Abs. 3 S. 2 GG aufgeführten Aufgaben, nämlich der Bau, die Unterhaltung und der Betrieb von Schienenwegen, privatwirtschaftlichen Unternehmen überlassen seien. Durch die Privatisierung der Eisenbahnen sei die staatliche Verantwortung für die ehedem aus der Daseinsvorsorge entstandenen Aufgaben nicht aufgegeben worden. Die privatisierten Unternehmen seien als „verlängerter Arm“ des Staates nach wie vor gemeinwohlverpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 09.12.2009 - 3 StR 312/10 -, juris) nehme die DB Netz AG Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Art. 104 a GG gelte daher auch für den Bereich der Eisenbahn. |
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| 1. den Bescheid der Beklagten vom 11.07.2011 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, einen Bürgerentscheid mit folgendem Gegenstand zuzulassen: |
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| „Soll die Stadt Stuttgart ihre Mitgliedschaft im Projekt Stuttgart 21 förmlich beenden, indem sie folgende Maßnahmen ergreift: Die Stadt Stuttgart beruft sich gegenüber den Projektpartnern auf die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung und kündigt die Projektverträge. Sie unterlässt weitere Beitragszahlungen zum Projekt. Projektverträge in diesem Sinne sind: Gemeinsame Erklärung und Finanzierungsvertrag vom 2. April 2009, Ergänzungsvereinbarung vom 5. Oktober 2007, Memorandum of Understanding vom 19.07.2007, Eckpunktepapier vom 19.07.2007, Ergänzungsvereinbarung vom 24.07.2001, Vereinbarung zum Projekt Filderbahnhof vom 9. Juli 2001, Rahmenvereinbarung vom 7. November 1995.“ |
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| 2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. |
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| Ihr Prozessbevollmächtigter trägt ergänzend zur Begründung der angefochtenen Bescheide zusammengefasst Folgendes vor: |
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| Die Rechtsanwälte Prof. Dr. X und Dr. Y hätten an dem Verfahren über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht als „Sachverständige“ mitgewirkt. Sie hätten die Beklagte nur zu einer Rechtsfrage des innerdeutschen Rechts, die einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich sei, nach Maßgabe ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 08.03.2011 beraten. Dass sie dabei im Hinblick auf die anteilige Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch die Beklagte im Ergebnis die Rechtsauffassung bestätigt hätten, die sie bezüglich des Landesanteils der Finanzierung in ihrer rechtsgutachterlichen Stellungnahme vom 13.07.2007 bereits gegenüber dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg vertreten hätten, mache sie im vorliegenden Verfahren nicht befangen. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens handele es sich darüber hinaus um eine gebundene Entscheidung. Der Umstand, dass der Gemeinderat seinerseits einen Bürgerentscheid initiieren könne, stehe dieser Annahme nicht entgegen. Selbst wenn die Rechtsanwälte Prof. Dr. X und Dr. Y nach Maßgabe des § 21 LVwVfG als befangen anzusehen gewesen wären, könne von den Klägern die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vom 11.07.2011 nicht beansprucht werden, denn es sei i.S.v. § 46 LVwVfG offensichtlich, dass eine Befangenheit der Vorgenannten die Entscheidung in der Sache nicht beeinflussen könne. |
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| Die Durchführung eines kassatorischen Bürgerbegehrens unterliege der Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs. GemO BW unabhängig davon, ob der entsprechende Gemeinderatsbeschluss rechtens sei und nach Vorstellung der Initiatoren des Bürgerbegehrens lediglich aus politischen Gründen revidiert werden solle oder ob das Bürgerbegehren mit der Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit des Gemeinderatsbeschlusses begründet werde. Gerade weil das Bürgerbegehren dazu diene, die Frage der Aufrechterhaltung des vom Gemeinderat getroffenen Beschlusses relativ zeitnah einer Entscheidung zuzuführen und damit zu vermeiden, dass bereits in Ausführung begriffene Beschlüsse wieder rückgängig gemacht werden müssten oder aber längere Zeit überhaupt nicht zur Ausführung gelangten, sei die Sechswochenfrist auch dann zu beachten, wenn es um den Vorwurf gehe, der Gemeinderat habe einen rechtswidrigen oder sogar einen nichtigen Beschluss gefasst. |
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| Die Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch das Land Baden-Württemberg und durch die beklagte Landeshauptstadt sei im Hinblick auf Art. 104 a Abs. 1 GG verfassungsgemäß. Eine aktuelle Veröffentlichung von Prof. Dr. Walter Pauly/Becker von der Universität Jena zum Thema „Aufgabenakzessorische Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten“ (NVwZ 2013/334 ff.) halte sogar dafür, dass weder der Bund noch die Deutsche Bahn AG oder ihre Töchter Bundesaufgaben im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG im Bereich der Eisenbahnverkehrsdienstleistung und des Netzbetriebes erfüllten. Vielmehr sei es zu einer Privatisierung der ehemaligen Erfüllungsaufgabe gekommen, welche folglich nicht mehr als staatliche Aufgabe existiere. Dem Bund verbleibe lediglich eine Gewährleistungs- und Regulierungsverantwortung sowie eine begrenzte Aufgabe zur Eisenbahnverkehrsverwaltung, um für ordnungsgemäße Rahmenbedingungen im Bereich der Bundeseisenbahnen zu sorgen. Dementsprechend kämen die Autoren zu dem Ergebnis, dass angesichts der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Mischfinanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten unter Einbeziehung von Kommunen und Bundesländern entsprechende Finanzierungsverträge nicht dem Nichtigkeitsverdikt der §§ 59 LVwVfG, 134 BGB unterfielen. |
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| Die Risikoabsicherung nach Ziffer 2 Nrn. 2 und 3 der Ergänzungsvereinbarung vom 05.10.2007 könne nicht entsprechend § 88 Abs. 3 GemO einer Bürgschaft oder einem Gewährvertrag gemäß § 88 Abs. 2 GemO gleichgestellt werden. Es handele sich vielmehr um bedingte Zahlungsverpflichtungen der Beklagten. Im Übrigen könne aus dem Umstand, dass das Land sowohl die Ergänzungsvereinbarung vom 05.10.2007 als auch - in Vollmacht für die Beklagte - den Finanzierungsvertrag vom 02.04.2009 abgeschlossen habe, auf die stillschweigende Erteilung einer Genehmigung nach § 88 Abs. 2 GemO geschlossen werden. |
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| Die Gemeinderäte seien bei der Beschlussfassung am 04.10.2007 auch nicht mit der Folge einer rechtswidrigen Beeinträchtigung ihrer Abstimmungsfreiheit über die verfassungsrechtliche Situation falsch informiert, also objektiv getäuscht, worden. Die ihnen seinerzeit vom Oberbürgermeister der Beklagten vorgetragene Auffassung, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die anteilige Finanzierung des Vorhabens Stuttgart 21 durch die Beklagte bestünden nicht, habe sich im Ergebnis als zutreffend erwiesen. |
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| Der Finanzierungsanteil der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 sei seinerzeit vom Gemeinderat im Rahmen des ihm zukommenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums zutreffend für angemessen erachtet worden. Von einer Überschreitung dieses Spielraums könne angesichts der kommunalen Interessen der Beklagten an der Verwirklichung des Projekts keine Rede sein. |
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| Eine Überschreitung der dem Land in Ziffer V der Ergänzungsvereinbarung vom 05.10.2007 erteilten Vollmacht zum Abschluss des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009 liege ebenfalls nicht vor. |
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| Auch die nach den neuesten Veröffentlichungen der Bahn absehbare Überschreitung des vertraglich festgelegten Kostenrahmens machten die insoweit getroffenen Gemeinderatsbeschlüsse der Beklagten, insbesondere denjenigen vom 04.10.2007, nicht gegenstandslos. Im Übrigen löse die von der Bahn prognostizierte Überschreitung des vertraglich vereinbarten Kostenrahmens gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009 zunächst nur die Pflicht aus, über die Tragung bzw. Verteilung der höheren Kosten zu sprechen. Außerdem habe der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG am 05.03.2013 beschlossen, das Vorhaben Stuttgart 21 unbeachtlich der prognostizierten Kostensteigerungen weiter durchzuführen, und sich lediglich vorbehalten, die öffentlich-rechtlichen Vertragspartner der Vereinbarung vom 02.04.2009 gegebenenfalls gerichtlich auf Beteiligung an diesen Mehrkosten in Anspruch zu nehmen. Das Projekt Stuttgart 21 werde also aller Voraussicht nach nicht an den Kostensteigerungen scheitern, und solange nicht eine Beteiligung der Beklagten an diese Mehrkosten entweder auf Grund des Abschlusses einer neuen Finanzierungsvereinbarung oder aber auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung zur Debatte stehe, bleibe es unverändert bei dem Gemeinderatsbeschluss vom 04.10.2007. |
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| Unzutreffend sei auch, dass die Verwirklichung des städtebaulichen Entwicklungspotenzials im Hinblick auf die Klage der S AG gegen das Eisenbahnbundesamt, mit der der DB Netz AG der Rückbau der Gleisanlagen im Bereich des Stuttgarter Hauptbahnhofs untersagt werden solle, unmöglich geworden sei bzw. diese Klage Erfolg habe. |
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| In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter Beweis dafür angetreten, dass die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21, wie sich aus neu aufgetauchten Dokumenten und aus Presseveröffentlichungen ergebe, wegen der Erhöhung der Gesamtkosten insgesamt nicht gesichert sei (Beweisanträge 1 bis 4 und 10 bis 12) und – wie sich jetzt herausstelle – nie gesichert gewesen sei (Beweisanträge 5 - 9). Dadurch seien zeitlich nach den für die Projektverträge maßgeblichen Gemeinderatsbeschlüssen eine oder mehrere Änderungen eingetreten, die so wesentlich seien, dass sie den Beschlüssen die Grundlage entzögen. Darüber hinaus hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst Beweis dafür angetreten, dass der Gemeinderat der Beklagten vor der Beschlussfassung über die Finanzierungsverträge nicht oder unzureichend über die verfassungsrechtliche Problematik informiert worden sei (Beweisanträge 13 und 14). Die Kammer hat die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. |
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| Wegen weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17.07.2013 samt Anlagen sowie den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Behördenakten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart verwiesen. |
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| Die Klage ist zulässig (I.), aber nicht begründet (II.) |
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| Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO unter Einbeziehung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.08.2012 zulässig. |
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| 1. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 24.11.2011 eine gemäß § 75 S. 2 VwGO zu-lässige Untätigkeitsklage erhoben, da nicht innerhalb von drei Monaten über die Widersprüche der Kläger vom 11.08.2011 gegen die Bescheide der Beklagten vom 11.07.2011 entschieden worden ist. Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart innerhalb der gemäß § 75 S. 3 VwGO dreimonatigen gerichtlichen Nachfrist zur Durchführung des Vorverfahrens (vgl. Kammerbeschluss vom 27.03.2012 und Beschlusse des VGH Bad.-Württ. vom 14.06.2012 - 1 S 840/12 -) über die Widersprüche der Kläger entschieden hat, ist eine Einbeziehung der Widerspruchsbescheide in das Klageverfahren auch ohne Einhaltung der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 und 2 VwGO zulässig (ebenso Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 75 Rn. 15; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl., § 75 Rn. 8; jeweils m.w.N.). |
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| 2. Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. |
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| Gegen die Zurückweisung eines Bürgerbegehrens kann jeder Unterzeichner Ver-pflichtungsklage auf Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erheben (vgl. § 21 Abs. 4 und 8 GemO BW i.V.m. § 41 Abs. 2 KomWG). Die Kläger haben nach ihrem Vortrag im Klageverfahren und den Feststellungen der Beklagten in den jeweiligen Bescheiden vom 11.07.2011 das Bürgerbegehren selbst unterschrieben. Sie sind auch in Stuttgart wahlberechtigt (vgl. § 41 Abs. 1 KomWG). Durch die Nicht-zulassung des Bürgerentscheids ist daher eine Verletzung des den Klägern durch § 21 Abs. 3 GemO BW eingeräumten Rechts, als Bürger mittels Bürgerentscheid unmittelbar über eine Angelegenheit aus dem Wirkungskreis der Beklagten mitzubestimmen, möglich. |
|
| Die Klage ist jedoch nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 17.07.2009 - 7 K 3229/08 -, VBlBW 2009, 432 ff.) nicht begründet. Der von den Klägern erstrebte Bürgerentscheid, mit dem ein Ausstieg der Beklagten aus den Projekt- und Finanzierungsverträgen zu Stuttgart 21 wegen einer gegen Art. 104 a GG verstoßenden und damit verfassungswidrigen Mischfinanzierung erreicht werden soll, ist nicht zulässig. Durch die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 11.07.2011 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.08.2012 werden die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt. |
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| Die angefochtenen Bescheide leiden nicht unter einem Verfahrensmangel. Das Bürgerbegehren betrifft zwar eine Angelegenheit des gemeindlichen Wirkungskreises i.S.v. § 21 Abs. 3 S. 1 GemO BW, und auch der Ausschlussgrund des § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO BW liegt nicht vor. Die Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW für sog. kassatorische Bürgerbegehren dürfte der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ebenfalls nicht entgegenstehen, denn die Initiatoren machen mit der Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Projektverträge eine Rechtslage geltend, die im Falle ihres Bestehens den Projektverträgen die Geschäftsgrundlage entziehen und die Vertragspartner zu einem nachträglichen „Ausstieg“ aus den Verträgen berechtigen würde. Die Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch die Beklagte verstößt jedoch nicht gegen Art. 104 a GG. Ein darauf gestützter Kündigungsgrund liegt nicht vor. Das Bürgerbegehren ist daher auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und unzulässig. |
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| Im einzelnen gilt Folgendes: |
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| 1. Der Einwand der Kläger, im Verwaltungsverfahren hätten mit Prof. X und Dr. Y befangene Sachverständige mitgewirkt, weil diese bereits zuvor in vom Land Baden-Württemberg eingeholten Gutachten die Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 für zulässig erachtet hätten, bleibt ohne Erfolg. Die genannten Rechtsanwälte waren im Verwaltungsverfahren zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht als Sachverständige tätig. Darüber hinaus wäre ein diesbezüglicher Verfahrensfehler gemäß § 46 LVwVfG unbeachtlich. |
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| §§ 20, 21 LVwVfG regeln den Ausschluss von Personen wegen Befangenheit bzw. Besorgnis der Befangenheit der am Verfahren mitwirkenden Amtsträger. Soweit ein Sachverständiger als Gehilfe der Behörde tätig ist, gelten für ihn die Regelungen in §§ 21 f. LVwVfG entsprechend (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 26 Rn. 27 u. 31 a). Sachverständige sind Personen, die der Behörde das ihr fehlende Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen vermitteln. Rechtsgutachten, soweit sie nicht der Feststellung von Gewohnheitsrecht und ausländischem Recht dienen (vgl. § 293 ZPO), sind keine Sachverständigengutachten i.S.v. § 26 Nr. 2 LVwVfG (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 26 Rn. 27 f.). Aus der vom Prozessbevollmäch-tigten der Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 18.06.2007 - 9 VR 13/06 -, Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 2), in der es um die mögliche Befangenheit eines Planungsbüros bei der Beurteilung von Planvarianten in einem Planfeststellungsverfahren ging, folgt nichts anderes. Darüber hinaus lässt allein das Vertreten einer abweichenden Rechtsauffassung ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Schluss auf eine Befangenheit zu. Schließlich wäre ein Verfahrensfehler auch deshalb unbeachtlich, weil es sich bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines gemäß § 23 Abs. 3 GemO BW aus der Bürgerschaft an den Gemeinderat herangetragenen Bürgerbegehrens um eine rechtlich gebundene, gerichtlich voll überprüfbare Entscheidung handelt. Sind die an das Zustandekommen eines Bürgerbegehrens gestellten Anforderungen erfüllt, muss der Gemeinderat das Bürgerbegehren für zulässig erklären und das im Kommunalwahlgesetz geregelte Verfahren für die Durchführung des Bürgerentscheids einleiten. Bei der Entscheidung handelt es sich um die Beantwortung reiner Rechtsfragen, so dass dem Gemeinderat hierbei kein Ermessen zusteht (vgl. Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 21 Rn. 23). Daran ändert die Tatsache nichts, dass der Gemeinderat gemäß § 21 Abs. 1 GemO BW auch unabhängig von einem aus der Bürgerschaft gestellten Antrag mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Angelegenheit des gemeindlichen Wirkungskreises der Entscheidung der Bürger unterstellen kann. Ergibt sich der Inhalt des Verwaltungsaktes zwingend aus Rechtsvorschriften und kann keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden, vermögen nach § 46 LVwVfG auch etwaige im Verfahren unterlaufene Verfahrensfehler an dem Ergebnis nichts zu ändern. |
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| 2. Die Voraussetzungen, unter denen die Gemeindeordnung Baden-Württemberg einen Bürgerentscheid zulässt, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. |
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| Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist § 21 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg - GemO BW - in der seit dem 06.08.2005 gültigen Fassung maßgebend (vgl. Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 28.07.2005, GBl. S. 578 ff.). Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 GemO BW kann die Bürgerschaft über eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Seit der Gesetzesnovellierung von 2005 können alle Angelegenheiten des Wirkungskreises der Gemeinde, die in die Zuständigkeit des Gemeinderats fallen, Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein. Beschränkt wird der Umfang der Bürgerbeteiligung nur durch den sog. Negativkatalog des § 21 Abs. 2 GemO BW. |
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| a) Wie in den angefochtenen Bescheiden zu Recht festgestellt, wird im vorliegenden Fall das Bürgerbegehren von einer nach Maßgabe des § 21 Abs. 3 S. 5 GemO BW ausreichenden Zahl wahlberechtigter Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger unterstützt. Auch die zur Entscheidung zu bringende Frage (vgl. § 21 Abs. 3 S. 4 GemO BW) wird in dem Bürgerbegehren konkret bezeichnet. |
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| b) Das Bürgerbegehren betrifft auch eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde i.S.v. § 21 Abs. 3 S. 1 GemO BW. |
|
| Der Wirkungskreis der Gemeinde wird in §§ 1, 2 GemO BW beschrieben. Es sind darunter Angelegenheiten zu verstehen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder einen spezifischen Bezug zur Gemeinde haben und die der Gemeinde im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 GG garantiert sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.04.2004 - 1 S 303/11 -, VBlBW 2011, 388 ff.) Damit sind einem Bürgerentscheid überörtliche Angelegenheiten bzw. Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hoheitsträgers (Bund, Land, Landkreis etc.) fallen, grundsätzlich nicht zugänglich. Für die Zulässigkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid stellt sich im Einzelfall jedoch die Frage, welche Maßnahmen dem eigenen (gemeindlichen) Wirkungskreis und welche dem Wirkungskreis eines anderen Rechtsträgers zuzurechnen sind. Insbesondere bei mehrstufigen Verwaltungs- und Planungsverfahren kann der Wirkungskreis der Gemeinde in einer Stufe angesprochen sein, obwohl die endgültige Entscheidung auf einer anderen Ebene getroffen wird (vgl. dazu etwa Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 21 Rn. 3). |
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| Im vorliegenden Fall ist Gegenstand des Bürgerbegehrens „der Ausstieg der Be-klagten aus dem Projekt Stuttgart 21“. Die Beklagte soll sich gegenüber den Projektpartnern auf die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung des Projekts berufen und die im einzelnen aufgelisteten, zwischen 1995 und 2009 geschlossenen Verträge zu dem Projekt kündigen. |
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| Zwar ist die Beklagte nicht Trägerin des Projekts Stuttgart 21. Projektträger sind vielmehr die - privatrechtlich organisierten - sog. Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), nämlich die DB Netz AG, die DB Station&Service AG und die DB Energie GmbH (vgl. § 4 des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009). Die Kläger haben im Zusammenhang mit der umstrittenen Mischfinanzierung vorgetragen, kraft der Zuständigkeit eines anderen Hoheitsträgers bestehe keine eigene gemeindliche Zuständigkeit für die durch die streitgegenständlichen Verträge festgelegten Eisenbahnprojekte des Bundes. Die Beklagte ist der Auffassung, sie erfülle mit dem Projekt kommunale Aufgaben der Stadtentwicklung, der örtlichen Wirtschaftsförderung und der gemeindlichen Verkehrspolitik. Dies bedarf an dieser Stelle jedoch keiner Vertiefung. Durch die Finanzierungsbeiträge der Beklagten gemäß den im Bürgerbegehren genannten Projektverträgen ist jedenfalls unstreitig deren kommunale Finanzhoheit und damit der gemeindliche Wirkungskreis betroffen. Dass die Beteiligung der Beklagten an dem Projekt Stuttgart 21 grundsätzlich einem Bürgerbegehren zugänglich ist, hat die Kammer auch bereits in ihrem Urteil vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) angenommen. |
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| c) Der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens steht auch nicht der Ausschlussgrund des § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO BW entgegen, wonach ein Bürgerbegehren nicht stattfindet über die Haushaltssatzung einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe sowie die Kommunalabgaben, Tarife und Entgelte. |
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| Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte daraus in der Vergangenheit geschlossen, der Gesetzgeber habe der Bürgerschaft auch in grundsätzlichen finanziellen Fragen keine Sachentscheidungskompetenz anstelle des Gemeinderates einräumen wollen, so dass Gemeinderatsbeschlüsse, die sich allein mit den Bau- oder Folgekosten eines Vorhabens befassten, nicht Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein könnten (vgl. Beschluss vom 27.04.2010 - 1 S 2810/09 -, juris; Urteil vom 06.04.1992 - 1 S 333/92 -, VBlBW 1992, 421 ff.). In einer neueren (Eil-)Entscheidung, die die grundsätzliche Entscheidung über die finanzielle Beteiligung der Gemeinde an einem Projekt eines privaten Investors betraf, hat der Verwaltungsgerichtshof demgegenüber ausgeführt, der Ausschlusstatbestand dürfte nicht greifen, da nicht unmittelbar die Haushaltssatzung, der Wirtschaftsplan eines Eigenbetriebes oder Kommunalabgaben, Tarife oder Entgelte betroffen seien (Beschluss vom 08.04.2011 - 1 S 303/11 -, VBlBW 2011, 388 ff.). |
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| Nach Auffassung der Kammer kann der Ausschlussgrund in § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO BW nicht bewirken, dass alle Bürgerentscheide mit haushaltswirksamen Auswirkungen unzulässig sind, da ansonsten das plebiszitäre Instrument des Bürgerentscheids zur Bedeutungslosigkeit degradiert würde. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift können über die rein wörtliche Interpretation hinaus nur Maßnahmen gemeint sein, die das Budgetrecht des Gemeinderates substantiell beeinträchtigen (vgl. dazu auch Wessels, „Rechtliche Beurteilung der Ausnahmetatbestände und deren Umgehungsgefahr bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid“, 1. Aufl. 2013, S. 311 ff., S. 333, 340). Dies ist bei dem vorliegenden Bürgerbegehren, welches finanzielle Belastungen von der Beklagten abwenden will, nicht der Fall. Darüber hinaus wendet sich das Bürgerbegehren nicht gegen die Erhöhung von Bau- oder Folgekosten eines beschlossenen Vorhabens, sondern betrifft die grundsätzliche Beteiligung der Beklagten an einem Infrastrukturprojekt. |
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| d) Der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens dürfte auch die Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 Satz 3, 2. Hs GemO BW für sog. kassatorische Bürgerbegehren nicht entgegenstehen, denn die Initiatoren des Bürgerbegehrens berufen sich mit der Verfassungswidrigkeit der Projektverträge auf eine Rechtslage, die im Falle ihres Bestehens den Verträgen die Geschäftsgrundlage entziehen und die Vertragspartner zur nachträglichen Kündigung berechtigen würde. |
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| aa) Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Gemeinderats (sog. kassatorisches Bürgerbegehren), muss es gemäß § 21 Abs. 3 Satz 3, 2. Hs GemO BW innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein. Die gesetzliche Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 Satz 3 Hs 2 GemO BW soll im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit vermeiden, dass die Ausführung von Gemeinderatsbeschlüssen in wichtigen Gemeindeangelegenheiten längere Zeit nicht in Angriff genommen werden kann oder gar mit besonderem Aufwand rückgängig gemacht werden muss. Die Ausschlussfrist greift dann ein, wenn das Bürgerbegehren seinem Inhalt nach auf die Korrektur eines Gemeinderatsbeschlusses gerichtet ist. Nicht erforderlich ist, dass der Gemeinderatsbeschluss in der Fragestellung oder Begründung des Bürgerbegehrens ausdrücklich genannt ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.06.1990 - 1 S 657/90 -, BWGZ 1992, 599 ff. m.w.N.). |
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| Im vorliegenden Fall wendet sich das Bürgerbegehren nach seiner Begründung gegen die „pauschale Mitfinanzierung des Eisenbahnprojekts S 21“ durch die Beklagte und ist damit mittelbar auch auf die Korrektur der Gemeinderatsbeschlüsse gerichtet, mit denen eine finanzielle Beteiligung der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 beschlossen worden ist. Die im Bürgerbegehren aufgeführten Projektverträge beruhen jeweils auf Beschlüssen des Gemeinderats der Beklagten und darin erteilter Vollmachten zum Vertragsabschluss. So hat der Gemeinderat mit Gemeinderatsbeschluss vom 04.10.2007 (GRDrs. 790/2007) dem Abschluss der Ergänzungsvereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg, der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Verband Region Stuttgart, in dem die Finanzierungbeiträge und abzusichernden Risiken der Beteiligten geregelt worden sind, zugestimmt und die Verwaltung zum Vertragsabschluss ermächtigt. Dieser ist dann am 05.10.2007 erfolgt. Unter dem 02.04.2009 hat das Land Baden-Württemberg - auch für die Beklagte - die Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen. Wie die Kammer in ihrem Urteil vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) ausgeführt hat, ist die grundsätzliche Entscheidung über die Beteiligung der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 allerdings bereits vor dem 04.10.2007, insbesondere durch die Realisierungsvereinbarung vom 24.07.2001, verbindlich gefallen. Die Kammer hat in dem o.g. Urteil ebenfalls entschieden, dass ein Bürgerbegehren gegen einen Gemeinderatsbeschluss nicht mehr zulässig ist, wenn der Gemeinderat in diesem Beschluss einem die Gemeinde verpflichtenden Vertrag zugestimmt und der Bürgermeister auf der Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung den Gemeinderatsbeschluss durch Abschluss des Vertrages vollzogen hat. Schließlich hat die Kammer in dem o.g. Urteil entschieden, dass ein Bürgerbegehren auch dann unzulässig ist, wenn es mit bestehenden vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde nicht in Einklang steht und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Gemeinde z.B. durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Bindungen lösen kann. |
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| bb) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger sind die den Finanzierungsverträgen zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlüsse auch nicht rechtlich irrelevant. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger geht davon aus, dass die maßgeblichen Gemeinderatsbeschlüsse die Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW nicht in Gang hätten setzten können, da sie wegen des Verstoßes gegen Art. 104a Abs. 1 GG nichtig, also nicht existent seien. Die Nichtigkeit des Beschlusses des Gemeinderates vom 04.10.2007 ergebe sich auch daraus, dass der Gemeinderat vom Oberbürgermeister über die verfassungsrechtliche Situation falsch informiert, also objektiv getäuscht worden sei. Der o.g. Beschluss des Gemeinderates zur Ergänzungsvereinbarung sei auch deshalb unwirksam, weil es an seiner erforderlichen Genehmigung fehle. Die Übernahme der Risikobeteiligung nach Ziffer 2 Nr. 2 und 3 der Ergänzungsvereinbarung entspreche einem Rechtgeschäft, das einer Bürgschaft oder einem Gewährvertrag gemäß 88 Abs. 2 GemO gleichkomme (§ 88 Abs. 3 GemO). |
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| Die behaupteten Rechtsverstöße dürften nicht vorliegen, was aber keiner Entscheidung bedarf. Zu Recht geht die Beklagte nämlich davon aus, dass die Durchführung eines kassatorischen Bürgerbegehrens der Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW unabhängig davon unterliegt, ob der entsprechende Gemeinderatsbeschluss rechtens ist und nach Vorstellung der Initiatoren des Bürgerbegehrens lediglich aus politischen Gründen revidiert werden soll oder ob das Bürgerbegehren mit der Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit des Gemeinderatsbeschlusses begründet wird. Die Ausschlussfrist in § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW knüpft nach ihrem Sinn und Zweck allein daran an, dass ein Gemeinderatsbeschluss faktisch ergangen ist und sich das Bürgerbegehren inhaltlich gegen diesen Beschluss richtet, setzt aber nicht dessen Rechtmäßigkeit oder dessen Übereinstimmung mit Verfassungsrecht voraus. Maßgeblich für den Lauf der Frist ist die Bekanntgabe des Gemeinderatsbeschlusses |
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| Ein Bürgerbegehren ist kein Instrument der Rechtmäßigkeitskontrolle des Gemeinderats und eröffnet nicht die Möglichkeit, zeitlich unbegrenzt die Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses geltend zu machen. Geschützt ist vielmehr das Recht auf politische Partizipation. Bürgerbegehren als Gestaltungsmittel unmittelbarer Demokratie dienen dazu, die aktive Mitwirkung der Gemeindebürger an der politischen Willensbildung in gemeindlichen Angelegenheiten im staatspolitischen Interesse zu fördern. Im Hinblick auf die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die gewählten verfassungsmäßigen Organe ist es an eine Reihe erschwerender Voraussetzungen - auch in zeitlicher Hinsicht - geknüpft (vgl. grundsätzlich etwa Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 21 Rn. 1). Das kassatorische Bürgerbegehren zielt darauf ab, eine getroffene Ratsentscheidung aufgrund einer anderen politischen Willensbildung der Bürgerschaft für die Zukunft zu ändern (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 17.07.2009 - 7 K 3229/08 -, a.a.O.) Insoweit gilt nichts anderes als bei einem geänderten politischen Willen im Rat selbst. Ob ein Beschluss des Gemeinderates der Entscheidung der Bürger unterstellt werden soll, soll innerhalb der Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW geklärt werden. Für die Rechtmäßigkeitskontrolle und die rückwirkende Beseitigung von Beschlüssen des Gemeinderats, die das Gesetz verletzen, sieht die Gemeindeordnung demgegenüber das Instrumentarium der Kommunalaufsicht, §§ 118 ff., insbesondere das Beanstandungsrecht in § 121 GemO BW, vor. Die Folgen einer unzureichenden oder falschen Information von Gemeinderäten, die ggf. eine Verletzung ihrer organschaftlichen Rechte darstellen, können darüber hinaus in einem Kommunalverfassungsstreit geklärt werden. |
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| Dass die Rechtmäßigkeit des Gemeinderatsbeschlusses Voraussetzung für der Lauf der Ausschlussfrist sei, folgt auch nicht aus dem vom Prozessbevollmächtigten zitierten (Eil-)Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.10.2012 (- 5 K 1969/12 -, juris), wonach ein unter Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit von Sitzungen des Gemeinderates nach § 35 Abs. 1 GemO BW zustande gekommener Gemeinderatsbeschluss die für ein dagegen gerichtetes kassatorisches Bürgerbegehren geltende Frist nach § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW nicht in Gang setze. Die Entscheidung ist zwischenzeitlich durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25.02.2013 (- 1 S 2155/12 -, juris) geändert worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht darauf abgestellt, ob der Gemeinderatsbeschluss zu Recht in nichtöffentlicher Sitzung ergangen ist. Er hat vielmehr unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Ausschlussfrist entscheidungserheblich darauf abgestellt, ob mit der Bekanntgabe des in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses nach § 35 Abs. 1 S. 4 GemO BW der Anstoßfunktion genüge getan worden ist, d.h. ob der einzelne Gemeindeeinwohner hinreichenden Anlass und die Möglichkeit hatte, sich über den Inhalt des in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses zu unterrichten und eine eigene Entscheidung im Hinblick auf ein Bürgerbegehren zu treffen. |
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| e) Der Gesetzgeber hat für die Bindungswirkung von Gemeinderatsbeschlüssen keine zeitliche Komponente vorgesehen. Nach Ablauf der Frist in § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW kann die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens - unabhängig von einer erneuten sachlichen Befassung und Beschlussfassung des Gemeinderates - daher nur wieder eröffnet werden, wenn sich die entscheidungserheblichen Tatsachen und/oder rechtlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben und dadurch eine neue Sachlage entstanden ist, so dass ein früherer Beschluss der Gemeindevertretung nicht mehr als eine von deren Willen getragene Regelung des sich nunmehr verändert darstellenden Problembereichs angesehen werden kann. Dann ist die Initiative wieder als ein initiierendes Begehren zu bewerten (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 13.07.2004 - 8 TG 1067/04 -; OVG NW, Urteil vom 28.01.2003 - 15 A 203/02 -, jeweils juris; vgl. zum Ganzen auch Wessels, a.a.O., S. 431 ff. m.w.N.). |
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| aa) Im vorliegenden Fall kann entgegen der Auffassung der Kläger eine veränderte Sachlage zwar nicht daraus hergeleitet werden, dass die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 nicht vom Beschluss des Gemeinderates vom 04.10.2007 gedeckt sei bzw. die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21, wie sich aus neu aufgetauchten Dokumenten und aus Presseveröffentlichungen ergebe, wegen der Erhöhung der Gesamtkosten insgesamt nicht gesichert sei und – wie sich jetzt herausstelle – nie gesichert gewesen sei. Die dazu in der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2013 gestellten Beweisanträge 1 - 12 waren daher mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen. Eine veränderte Sach- und Rechtslage ergibt sich auch nicht aus der beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängigen Klage der S AG, die sich gegen den Rückbau der Gleisanlagen im Bereich des Hauptbahnhofs Stuttgart richtet (13 K 2947/12). Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens, welches auf die Verfassungswidrigkeit der Projektverträge wegen Verstoßes gegen Art. 104 a GG gestützt ist und daraus ein Recht auf Kündigung dieser Verträge herleitet. Im Klageverfahren kann es daher nur darauf ankommen, ob aus den in der Begründung des Bürgerbegehrens genannten Gesichtspunkten ein nachträgliches Kündigungsrecht und damit eine Änderung der Sach- und Rechtslage folgt, dessen Ausübung § 21 Abs. 3 Satz 3 2. Hs GemO BW nicht entgegensteht. Nur ergänzend sei bemerkt, dass für den Fall von Kostensteigerungen über das vereinbarte Risikoabsicherungsmodell hinaus die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 in § 8 Abs. 4 zunächst Nachverhandlungen vorsieht (sog. „Sprechklausel“). |
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| bb) Eine Änderung der Sach- und Rechtslage kann sich aber durch das Be- oder Entstehen eines Kündigungsrechts für die Projektverträge ergeben. Auf ein solches haben die Initiatoren das streitgegenständliche Bürgerbegehren folgerichtig gestützt. Sie machen mit der Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Verträge einen Grund geltend, dessen Bestehen den Projektverträgen die Geschäftsgrundlage entziehen und die Vertragspartner zu einem nachträglichen „Ausstieg“ aus den Verträgen berechtigen würde. |
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| Das Verstreichen der Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW schließt ein Bürgerbegehren über die Ausübung von nachträglich entstandenen Kündigungsrechten durch den Gemeinderat nicht aus. Wie sich aus dem Urteil der Kammer vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) ergibt, ist im Hinblick auf die vertraglichen Bindungen der Beklagten ein auf den Ausstieg gerichtetes Bürgerbegehren nur solange unzulässig, wie die Beklagte sich nicht durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen lösen kann. |
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| Auf ein solches Kündigungsrecht berufen sich im vorliegenden Fall die Kläger. Nach dem Inhalt und der Begründung des Bürgerbegehrens soll die Beklagte veranlasst werden, die Projektverträge unter Berufung auf deren Verfassungswidrigkeit zu kündigen. Nach Auffassung der Kläger handelt es sich damit um ein sog. initiierendes Bürgerbegehren, welches gleichsam ein noch „unbestelltes Feld“ bearbeite (vgl. OVG NW, Urteil vom 28.01.2003 - 15 A 203/02 -, a.a.O.) und für welches die Frist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW nicht gelte. Das geltend gemachte Kündigungsrecht sei erst nach den maßgeblichen Gemeinderatsbeschlüssen und nach Abschluss der Projekt- und Finanzierungsverträge zutage getreten. Die Kündigung der Verträge sei eine zulässige rechtliche Reaktion auf das Rechtsgutachten von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Meyer von der Humboldt-Universität Berlin „Finanzverfassungsrechtliche Fragen des Stuttgarter Bahnkonflikts“ vom 03.11.2010, welches dieser im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellt hat und in dem er u.a. zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Beteiligung der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 gegen Art. 104 a GG verstoße. Die Finanzierungsverträge seien daher wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Den Gemeinderäten sei bei der Beschlussfassung über die Projektverträge die verfassungsrechtliche Problematik nicht bewusst gewesen (vgl. dazu die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge 13 und 14). Die Kündigung der Projektverträge sei nach Bekanntwerden des o.g. Gutachtens gemäß § 60 LVwVfG wegen nachträglicher Aufdeckung eines gemeinsamen Irrtums über die Verfassungsmäßigkeit der Projektverträge zulässig. Es entspreche üblicher und unentbehrlicher juristischer Praxis, bereits für nichtig gehaltene Verträge gleichzeitig zu kündigen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96 -, NJW 1998, 2531 ff. ). |
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| cc) Zwar bestand die von den Klägern problematisierte Mischfinanzierung in den Projektverträgen von Anfang an (vgl. dazu und zu den Auswirkungen auf die Rechtskraft des Urteils über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.08.2012 - 5 S 1200/12 -, juris). Die Kläger berufen sich in der Klagebegründung aber darauf, dass die von den Beteiligten angenommene Geschäftsgrundlage für die Gemeinderatsbeschlüsse und die abgeschlossenen Verträge, nämlich die Verfassungsmäßigkeit dieser Mischfinanzierung, gefehlt habe und sehen darin - die Richtigkeit dieser Annahme unterstellt - einen Kündigungsgrund. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württembergs, dass ein gemeinsamer Irrtum über die Rechtslage, auf dem der Geschäftswille aufbaut, eine Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages entsprechend § 60 LVwVfG rechtfertigen kann, wenn ohne diesen Irrtum der öffentlich-rechtliche Vertrag nicht oder nicht so geschlossen worden wäre (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 08.10.1996 - 10 S 3/96 -, NVwZ-RR 1998, 351 ff.; vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs,VwVfG, 7. Aufl., § 60, Rn. 16). |
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| Bei den im streitgegenständlichen Bürgerbegehren aufgelisteten Projektverträgen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verträge i.S.d. §§ 54 ff. LVwVfG. An den Verträgen sind zwar auch privatrechtlich organisierte Rechtsträger beteiligt. Der Vertragsgegenstand, nämlich die Durchführung und Finanzierung eines dem öffentlichen Schienenverkehr dienenden Infrastrukturprojektes, ist aber dem öffentlichen Recht zuzuordnen (zu den verkehrlichen Zielsetzungen vgl. insbesondere Anlage 1 zur Gemeinsamen Erklärung der Projektpartner vom 02.04.2009). |
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| Eine Kündigungsmöglichkeit nach § 60 Abs. 1 S. 1 LVwVfG setzt voraus, dass sich die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblich gewesenen rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse seit Abschluss des Vertrages wesentlich geändert haben. Die damit gemeinte Geschäftsgrundlage ist von dem konkret vereinbarten Vertragsinhalt zu unterscheiden. Die Geschäftsgrundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien - oder durch die dem Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei - über das Vorhandensein bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille sich aufbaut. Als Gegenstand dieser Vorstellungen kommen neben tatsächlichen auch rechtliche Verhältnisse in Betracht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 60 Rn. 9 ff.; Rn. 14 m.w.N.). |
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| § 60 Abs. 1 S. 1 LVwVfG kommt nach seinem Wortlaut unmittelbar zur Anwendung, wenn sich wesentliche tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse nach Vertragsschluss („… seit Abschluss des Vertrages“) ändern (sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage). Tatsächliche oder rechtliche Umstände, von deren Vorhandensein die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss ausgingen, können sich aber nicht nur nachträglich ändern, sondern objektiv bereits von Anfang an gefehlt haben. Auch ein solches Fehlen der Geschäftsgrundlage von Anfang an, etwa ein gemeinsamer dem Vertrag zugrundeliegender Tatsachen- oder Rechtsirrtum unterfällt - jedenfalls in sinngemäßer Anwendung - der Regelung des Satzes 1 (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, a.a.O., § 60 Rn. 13 m.w.N.). Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg kann daher auch ein gemeinsamer Irrtum über die Rechtslage, auf dem der Geschäftswille aufbaut, eine Kündigung des Vertrages entsprechend § 60 LVwVfG rechtfertigen, wenn ohne diesen Irrtum der öffentlich-rechtliche Vertrag nicht oder nicht so geschlossen worden wäre. |
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| Dass im vorliegenden Fall die Parteien die Projektverträge nicht abgeschlossen hätten, wenn sie deren Verfassungswidrigkeit gekannt hätten, kann unterstellt werden. Fraglich ist allerdings, ob sich die Unterzeichner eines Bürgerbegehrens Vorstellungen der Vertragsparteien zu eigen machen können, die von diesen selbst nicht vertreten werden. Weder das Land Baden-Württemberg noch die Beklagte haben bisher die Auffassung vertreten, einem gemeinsamen Irrtum über die Rechtslage unterlegen zu sein. Darüber hinaus setzen die Initiatoren des Bürgerbegehrens für den Zeitpunkt der Unterschriftsleistung die Verfassungswidrigkeit der Verträge als feststehend voraus, ohne dass diese Frage zuvor - etwa im Wege der Nichtigkeitsfeststellungsklage einer Vertragspartei - gerichtlich verbindlich geklärt worden ist. All dies bedarf jedoch letztlich keiner Vertiefung, da jedenfalls der von den Klägern angenommene Kündigungsgrund, nämlich die Verfassungswidrigkeit der Projektverträge zum Projekt Stuttgart 21, nicht vorliegt. Auch den Beweisanträgen 13 und 14 war daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzugehen. |
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| f) Die Berufung auf die pauschale Mitfinanzierung des Projekts durch die Beklagte rechtfertigt entgegen der Begründung des Bürgerbegehrens keine Kündigung der Projektverträge. Die Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch die Beklagte verstößt nicht gegen Art. 104 a GG. Die Finanzierungsverträge sind daher nicht wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Ein darauf gestütztes Kündigungsrecht besteht nicht. Das Bürgerbegehren ist daher auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und unzulässig. |
|
| Wie die Kammer bereits in ihrem das erste Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 betreffenden Urteil vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) entschieden hat, darf ein Bürgerbegehren nicht auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sein, wobei sich die Rechtswidrigkeit auch aus einem Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen ergeben kann. Im Hinblick auf die bestehenden vertraglichen Bindungen der Beklagten wäre ein auf den Ausstieg gerichtetes Bürgerbegehren daher nur zulässig, wenn die Beklagte sich z.B. durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen lösen kann. Der von den Klägern angenommene Kündigungsgrund einer verfassungswidrigen Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 liegt jedoch nicht vor. |
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| aa) Gemäß Art. 104 a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. |
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| Art. 104 a GG wurde durch das Finanzreformgesetz von 1969 als allgemeiner Lastenverteilungsgrundsatz neu geschaffen. Hintergrund war insbesondere, dass der Bund zunehmend dazu überging, durch Finanzierungsangebote in die Aufgabenerfüllung durch die Länder einzuwirken und deren Gestaltungsspielraum einzuengen. Der Lastenverteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG vereinigt die Aufgabenzuständigkeit einerseits mit der Finanzierungsverantwortlichkeit - der Ausgabenlast - andererseits. Der Aufgabenbestand einer Gebietskörperschaft bestimmt damit die Finanzverantwortung und darüber hinaus die verfassungsmäßige Finanzausstattung. In der Formulierung, dass die Ausgaben „gesondert“ zu tragen sind, liegt das grundsätzliche verfassungsrechtliche Verbot für Bund und Länder, Aufgaben einer anderen Gebietskörperschaft zu finanzieren (vgl. zum Ganzen etwa Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, GG, 12. Aufl., Art. 104 a Rn. 1 ff. m.w.N.). |
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| Art. 104 a Abs. 1 GG enthält ein Konnexitätsprinzip im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Das Konnexitätsprinzip bedeutet, dass die Ausgabenkompetenz der Aufgabenkompetenz folgt. Die Gebietskörperschaft, die für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich ist, soll auch für deren Finanzierung einstehen müssen. Das Konnexitätsprinzip gilt aber auch im Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden. Die Gemeinden stehen im zweistufigen Gesamtstaatsaufbau, von dem das Grundgesetz ausgeht, auf Seiten der Länder. Art. 104 a Abs. 1 GG regelt damit auch das Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.05.1992 - 2 BvF 1/88, 2 BvF 2/88, 2 BvF 1/89, 2 BvF 1/90 -, juris, Rn. 263). Art. 104 a Abs. 1 GG knüpft an die Wahrnehmung der Aufgaben durch Bund und Länder einschließlich der Gemeinden an. Gemeint ist damit die Wahrnehmung der Verwaltungskompetenz. Die Ausgabenlast richtet sich deshalb nach der Verteilung der Verwaltungskompetenz. Die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes begründen deshalb zugleich die jeweilige Finanzierungsverantwortung. Zu den Ausgaben i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG gehören zum einen die Verwaltungsausgaben, zum anderen die Zweckausgaben, d.h. die Kosten, die bei der Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe anfallen. Art. 104 a Abs. 1 GG gilt nicht nur für eine zwangsweise Heranziehung zur Mitfinanzierung, sondern schließt in seinem Anwendungsbereich auch freiwillige Zuweisungen aus. Art. 104 a Abs. 1 GG verbietet, dass der Bund in ausschließlich den Ländern und den Gemeinden zugewiesenen Kompetenzbereichen die Erfüllung von Aufgaben mitfinanziert und dass umgekehrt die Länder und die Gemeinden in Bereichen ausschließlicher Verwaltungskompetenz des Bundes die Aufgabenwahrnehmung mitfinanzieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.1989 - 7 C 42/87 - , BVerwGE 81, 312 ff.). |
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| bb) Aus den in der Widerspruchs- und in der Klagebegründung im einzelnen dargestellten Gründen gehen die Kläger zusammengefasst davon aus, dass das Projekt Stuttgart 21 eine reine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 104 a Abs. 1 GG sei. Es sei trotz der erheblichen städtebaulichen Auswirkungen ein genuines Eisenbahnprojekt, wofür gemäß Art. 87 e Abs. 3 und 4 GG der Bund zuständig sei. Die Entscheidung über den Erhalt und den Ausbau des Schienennetzes einschließlich der Infrastrukturanlagen wie Bahnhöfen obliege ausschließlich dem Bund. Für diese Aufgabe könne es keine zusätzliche, ergänzende Kompetenz geben. Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 71 Abs. 1 und 2 GG gewährleiste den Gemeinden zwar das Recht, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen seien. Kraft der Zuständigkeit eines anderen Hoheitsträgers bestehe aber gerade keine eigene gemeindliche Zuständigkeit für die durch die streitgegenständlichen Verträge festgelegten Eisenbahnprojekte des Bundes, auch dann nicht, wenn der städtische Bahnhof betroffen sei. Das Interesse der Beklagten an dem Projekt betreffe somit lediglich rechtliche Reflexwirkungen. Prof. Meyer spricht in seinem Rechtsgutachten (S. 42 f., 25) davon, dass die Wirkung des mit dem Projekt verbundenen „Stadtumbaus“ an einer zentralen Stelle der Landeshauptstadt sich als Konsequenz der Planungen der Bahn ergebe; solche „Kollateralnutzen“ seien mit vielen Investitionen des Bundes verbunden. |
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| Nach Auffassung der Beklagten ist demgegenüber eine gemeinsame Finanzierung eines Projekts durch mehrere Aufgabenträger zulässig, wenn sich verschiedene Aufgaben faktisch überschneiden. Soweit für eine kostenverursachende Maßnahme allein der Bund oder allein das Land zuständig ist, schließe Art. 104 a Abs. 1 GG eine Kostenbeteiligung des Landes bzw. des Bundes aus. Eine eindeutige Aufgabentrennung und damit auch Aufgabenzuweisung mit einem strikten Verbot der Mischfinanzierung besteht regelmäßig dort, wo eine klare und überschneidungsfreie Abgrenzung der Zuständigkeiten durch den Gesetzgeber vorliege, insbes. etwa bei Aufgaben der Gefahrenabwehr. Davon sei der Fall zu unterscheiden, dass sich Bundes- und Landesaufgaben faktisch verschränken und überschneiden. Insbesondere bei Errichtung und Betrieb öffentlicher Einrichtungen oder bei großen, komplexen Infrastrukturprojekten könnten sich die Verwaltungszuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen faktisch so überschneiden, dass ein und dieselbe Maßnahme im Aufgabenbereich beider Ebenen liege. Für eine solche Konstellation stehe Art. 104 a Abs. 1 GG gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen über eine Aufgabenteilung nach Maßgabe des Anteils der verschiedenen staatlichen Ebenen an der Aufgabenverantwortung nicht entgegen. |
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| cc) Art. 104 a GG regelt die Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Fraglich ist daher bereits, ob nach der Bahnstrukturreform 1993 und der Privatisierung der Bahn durch Art. 87e Abs. 3 GG im Bereich der Eisenbahnen überhaupt Bundesaufgaben i.S.d. Art. 104 a GG erfüllt werden. |
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| In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass seit der Bahnstrukturreform 1993 und der Aufgabenprivatisierung durch Art. 87 e Abs. 3 GG die Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG im Bereich der Eisenbahnverkehrsdienstleistung und des Netzbetriebes keine Bundesaufgaben i.S.v. Art. 104 a Abs. 1 GG erfüllen. Es sei zu einer Privatisierung der ehemaligen Erfüllungsaufgabe gekommen, welche folglich nicht mehr als staatliche Aufgabe existiere. Die Tochtergesellschaften der Deutschen Bahn AG würden als kaufmännisch geführte Wirtschaftsunternehmen (Art 87 e Abs. 3 S 1 GG) nicht den Vorgaben des Art 104 a Abs. 1 GG unterliegen; mit Blick auf Art 104 a Abs. 1 GG bestünden deshalb keine Bedenken bezüglich des Abschlusses entsprechender Finanzierungsvereinbarungen, durch die sich einzelne Bundesländer bzw. Kommunen gegenüber Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur anteiligen Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten verpflichtet haben (vgl. Prof. Dr. Walter Pauly/Marcus Becker, „Aufgabenakzessorische Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten“, NVwZ 2013, 334 ff.; Hubertus Gersdorf, „Kofinanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten am Beispiel von Stuttgart 21“, Zeitschrift für Gesetzgebung, 2011, 248 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22.11.11 - 2 BvE 3/08 -, BVerfGE 129, 356 ff.). Die Kläger wenden dagegen ein, durch die Privatisierung der Eisenbahnen sei die staatliche Verantwortung für die ehedem aus der Daseinsvorsorge entstandenen Aufgaben nicht aufgegeben worden. Die privatisierten Unternehmen seien als „verlängerter Arm“ des Staates nach wie vor gemeinwohlverpflichtet und nähmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Art. 104 a GG gelte daher auch für den Bereich der Eisenbahn. |
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| Ebenfalls aufgeworfen wird in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Bund jedenfalls dann Aufgaben i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG wahrnehme, wenn er in Ausübung seiner ihm nach Art. 87 e Abs. 4 GG zukommenden Gewährleistungsverpflichtung Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes finanziere (vgl. Art. 8 Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG -). Auch insoweit begegneten der Anwendbarkeit des Art. 104 a GG Bedenken, weil die Ausgabe nicht, wie von der Vorschrift voraussetze, der Wahrnehmung der Aufgabe folge, sondern die Kostenübernahme die eigentliche Aufgabe sei. Diese folge bereits unmittelbar aus Art. 87 e Abs. 4 GG, der insoweit Art. 104 a Abs. 1 GG verdränge (vgl. Gersdorf, a.a.O., S. 266 f.). In diesem Zusammenhang berufen sich die Kläger darauf, dass im Bedarfsplan für die Schienenwege die Gesamtstrecke „Ausbau- und Neubaustrecke Stuttgart-Ulm-Augsburg“ als „Vordringlicher Bedarf“ aufgelistet sei und nach § 8 BSWAG primär vom Bund zu finanzieren sei. Bahnhöfe als notwendige Nebenanlagen seien essentieller Bestandteil des Schienennetzes. Die in Stuttgart vorgesehene vollständige Veränderung des Bahnhofs gehöre also i.S.d. Art. 87 e Abs. 4 S. 1 GG zum „Ausbau des Schienennetzes“ und sei auch i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG eine Bundesaufgabe. Demgegenüber hat die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage (BT-Drucks. 17/955 vom 08.03.2010) zur Neubaustrecke Wendlingen - Ulm mitgeteilt, dass es sich bei Stuttgart 21 nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG handele. |
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| dd) Die Kammer kann letztlich offen lassen, ob die mit den Eisenbahnen des Bundes in Zusammenhang stehenden Aufgaben trotz Privatisierung weiterhin als Bundesaufgaben i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG anzusehen sind. Selbst wenn man dies im Hinblick auf die Vorbehalte in Art. 87 e Abs. 2 - 4 GG annimmt, verstößt die Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch die Beklagte nicht gegen Art. 104 a GG. Die Finanzierungsverträge sind daher nicht wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Ein darauf gestütztes Kündigungsrecht besteht nicht. |
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| Nach Auffassung der Kammer verbietet das Konnexitätsprinzip in Art. 104 a GG nicht, dass Bund, Länder und Gemeinden in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten. Die Kammer hält dabei die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 15.03.1989 (- 7 C 42/87 -, BVerwGE 81, 312 ff.), in dem es um die Wirksamkeit eines Vertrages zwischen der Deutschen Bundesbahn und einer Gemeinde über die Kostenerstattung für den Betrieb von Schülerzügen und die Einrichtung eines Haltepunktes ging, auch im vorliegenden Fall für zutreffend. In den Entscheidungsgründen des Bundesverwaltungsgerichts heißt es: |
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| „Art. 104 a Abs. 1 GG hat die Bedeutung einer allgemeinen, das Bund/Länder-Verhältnis im ganzen bestimmenden Lastenverteilungsregel (BVerfGE 26, 338 <390> für Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG in der bis zum 31. Dezember 1969 geltenden Fassung). Er verbietet, dass eine Gebietskörperschaft sich außerhalb ihrer Aufgabenzuständigkeit an den Kosten beteiligt, die einer Gebietskörperschaft der anderen Ebene bei Erfüllung von allein von dieser nach der verfassungsmäßigen Zuständigkeitsordnung wahrzunehmenden und wahrgenommenen Aufgaben entstehen. Er verbietet hinge-gen nicht, dass Bund und Länder einschließlich der Gemeinden in einem Aufgabenbereich der Leistungsverwaltung (Daseinsvorsorge) zusammenarbeiten, in dem sich - wie im öffentlichen Personenverkehr - die Kompetenzen zur Aufgabenwahrnehmung überschneiden. Das darf auch in der Weise geschehen, dass im Bereich der sich überschneidenden Wahrnehmungszuständigkeiten nach Gesichtspunkten der Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit im Einzelfall und in Abstimmung miteinander der eine Aufgabenträger Aufgaben wahrnimmt oder mit wahrnimmt, die wahrzunehmen zwar grundsätzlich im Rahmen seiner Zuständigkeit liegt, die aber auch - als Pflichtaufgabe - dem anderen Aufgabenträger obliegen, und dass insoweit eine Kostenerstattung stattfindet. Art. 104 a Abs. 1 GG verbietet, dass der Bund in ausschließlich den Ländern (und den Gemeinden) zugewiesenen Kompetenzbereichen die Erfüllung von Aufgaben mitfinanziert (so auch BGH, Urteil vom 18. September 1986 - III ZR 80/85 - NJW 1987, 1625 <1627>), und dass umgekehrt die Länder (und die Gemeinden) in Bereichen ausschließlicher Verwaltungskompetenz des Bundes die Aufgabenwahrnehmung mitfinanzieren. Er verbietet hingegen nicht, dass Bund und Länder oder Gemeinden in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten und dabei Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung nach dem Maß ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung der Aufgabe abschließen; er gebietet insofern allenfalls, dass jeder diejenigen Kosten trägt, die dem Anteil seiner Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung entspricht.“ |
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| Der dagegen vom Klägervertreter erhobene Einwand, es habe sich in Wahrheit um eine Amtshilfekonstellation gehandelt, ändert nichts an den rechtlichen Ausführungen, die das Bundesverwaltungsgericht zur Auslegung des Art. 104 a GG gemacht hat. |
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| Die verfassungsrechtliche Literatur zu Art. 104 a GG folgt ebenfalls überwiegend der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Hellermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 a, Rn. 54 f. mit dem Hinweis, dass in den Konstellationen, in denen verschiedene Aufgabenbereiche sich faktisch überschneiden, so dass die Ausgabenlast nach Maßgabe der Aufgabenverantwortung zu verteilen ist, im rechtlichen Sinne keine Mischfinanzierung einer Aufgabe vorliegt; Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl., Art. 104 a, Rn. 19; Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 104 a, Rn. 3; Schuppert in Umbach/Clemens, GG., 1. Aufl. 2002, Art. 104 a Rn. 19; Schenke in Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 104 a GG, Rn. 3; differenzierend Fischer-Menshausen in von Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 104 a Rn. 5a; kritisch Siekmann in Sachs, GG, 4. Aufl., Art. 104 a, Rn. 18; Morlock, DVBl 1989, 1147 ff.; Fromm, NVwZ 1992, 536 ff.). |
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| Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass Art. 104 a Abs. 1 GG der gemeinsamen Finanzierung einer Maßnahme durch mehrere Aufgabenträger nicht entgegensteht. Dies gilt gerade im Bereich der Schienenwege des Bundes (vgl. §§ 8, 9 BSWAG). Wichtige Anwendungsfälle sind auch die gesetzlichen Bestimmungen über die Beteiligung verschiedener Baulastträger an den Ausgaben für den Bau von Verkehrswegekreuzungen (§§ 11 Abs. 2 EKrG, 12 Nr. 2 EKrG, § 13 Abs. 1 EKrG) sowie die Regelung in § 12 Abs. 3 WaStrG (vgl. dazu auch Hellermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 a, Rn. 54). |
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| Maßgeblich für die Zulässigkeit solcher „Mit-Finanzierungen“ ist, dass sich bei der Verwirklichung eines Projekts die gesetzlichen Zuständigkeiten verschiedener Hoheitsträger überschneiden, mithin jeder Hoheitsträger eigene, definierbare Aufgaben erfüllt, und nicht ein Hoheitsträger außerhalb seiner Zuständigkeiten alleinige Aufgaben eines anderen Hoheitsträgers (mit-)finanziert, weil deren Erfüllung - aus welchen Gründen auch immer - auch in seinem Interesse liegt. Solche finanziellen Zuwendungen würden der in Art. 104 a vorgesehenen Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenkompetenz widersprechen und das Gefüge der verfassungsmäßigen Finanzausstattung tangieren. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters ergibt sich daher eine Finanzierungskompetenz von Kommunen nicht alleine daraus, dass Großprojekte des Bundes wie Ministeriums- oder Kasernenneubauten vielfältige tatsächliche Auswirkungen auf die Kommune und ihre Bürger im Sinne eines „Kollateralnutzens“ haben. Vielmehr muss es sich um - gerade bei komplexen Infrastrukturprojekten anzutreffende - Fallkonstellationen handeln, bei denen die Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche verschiedener staatlicher Ebenen aufeinandertreffen. Ein solches Verständnis stärkt im Ergebnis auch die in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistete kommunale Selbstverwaltung und gibt den Kommunen die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bei Großprojekten eigene Zielvorstellungen zu verwirklichen, die die Aufgabenerfüllung des anderen Hoheitsträgers nicht zwingend erfordern würden. |
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| ee) Bei der finanziellen Beteiligung der Beklagten an dem Projekt Stuttgart 21 handelt es sich um einen solchen Fall zulässiger Mit-Finanzierung eines Infrastrukturprojekts durch verschiedene Hoheitsträger. |
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| Dem Projekt Stuttgart 21 ging bei Baubeginn im Jahr 2010 eine über 15-jährige Planungsphase voraus. Stuttgart 21 geht auf Diskussionen um die Schaffung einer schnellen Verbindung zwischen Stuttgart und Ulm, als Fortsetzung der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart, in den 1980er Jahren zurück. Aufbauend auf einem Vorschlag von Gerhard Heimerl von 1988 und verschiedenen Forderungen der Beteiligten wurde in einem mehrjährigen Diskussionsprozess das Konzept Stuttgart 21 entwickelt und 1994 der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach weiteren Studien wurden 1997 das Raumordnungsverfahren abgeschlossen und ab 2001 die Planfeststellungsverfahren für die einzelnen Planfeststellungsabschnitte durchgeführt. Der Kernbereich - Umbau des Hauptbahnhofs mit Talquerung sowie Innenring samt Zuführungen, Planfeststellungsabschnitt 1.1 - wurde mit Beschluss des Eisenbahnbundesamtes vom 28.01.2005 planfestgestellt. |
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| Für die aus eisenbahnverkehrlicher Sicht notwendige Ertüchtigung des Hauptbahnhofs und die Anbindung der Landeshauptstadt an die Schnellbahnstrecke Stuttgart - Ulm - Augsburg standen im Vorfeld diverse Varianten zur Diskussion, so z.B. die Beibehaltung des Kopfbahnhofs, die Führung von Fernzügen über Stuttgart-Untertürkheim oder Stuttgart-Bad-Cannstatt anstatt über den bisherigen Hauptbahnhof etc. (vgl. im einzelnen Wikipedia, Geschichte von Stuttgart 21). Am 07.11.1995 schlossen die Deutsche Bahn AG, die Bundesrepublik Deutschland, das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart sowie die Beklagte eine Rahmenvereinbarung zum Projekt Stuttgart 21, in dem sich die Beteiligten auf ein gemeinsames Konzept für die Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart einigten. Dieses Konzept legt als wesentliches Element die Ersetzung des Kopfbahnhofs durch einen tiefliegenden Durchgangsbahnhof und die Verlagerung des Abstellbahnhofs fest mit der Folge, dass Grundstücksflächen von ca. 100 ha für eine städtebauliche Entwicklung der Beklagten nutzbar werden. Es sieht weiter den Erhalt und den weiteren Ausbau einer systematischen Vernetzung aller Verkehrsträger, insbesondere des öffentlichen Verkehrs, in der Region Stuttgart vor (zur Beschreibung des Projekts im einzelnen s. § 2, zu Investitionen und Finanzierungsfragen s. § 3 der Rahmenvereinbarung). Bereits aus der Rahmenvereinbarung wird deutlich, dass die Beteiligten das Projekt Stuttgart 21 als gemeinsames Verkehrs- und Städtebauprojekt verstanden haben. Die Entscheidung des Vorhabenträgers für einen Durchgangsbahnhof am bisherigen Standort ist nicht nur der ohnehin erforderlichen Anbindung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm an den Knoten Stuttgart geschuldet und begründet für die Beklagte damit auch nicht nur einen mit nahezu jeder Eisenbahnplanung verbundenen unspezifischen „Kollateralnutzen“. Das Projekt Stuttgart 21 ist vielmehr auch ein städtebauliches und (nah-)verkehrliches Projekt, so dass es gerechtfertigt ist, dass sich die Beklagte zur Erfüllung genuin kommunaler Aufgaben an den Projektkosten beteiligt. Diese Sichtweise lag im Übrigen auch der finanziellen Beteiligung des Bundes an den Projektkosten zu Grunde. Der Baukostenzuschuss des Bundes, ein Festbetrag aus Mitteln nach § 8 Abs. 1 BSWAG i.H.v. 500 Mio. EUR (Preis- und Planungsstand 2004) ergibt sich aus den „Sowieso-Kosten“ der ursprünglich geplanten Anbindung der NBS Wendlingen-Ulm in den Knoten Stuttgart (vgl. § 5 Abs. 2 der Gemeinsamen Erklärung zur Realisierung der Projekte „Stuttgart 21“ und „NBS Wendlingen - Ulm“ vom 02.04.2009). Entsprechend dem Grundgedanken, dass es sich der Sache nach bei Stuttgart 21 um ein gemeinsames Projekt verschiedener Hoheitsträger handelt, wurde auch zeitgleich mit dem Abschluss des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009 ein sog. Lenkungskreis eingerichtet. In diesem sollen Vertreter des Landes, des Verbandes Region Stuttgart, der Eisenbahninfrastrukturunternehmen und auch der Beklagten zusammenarbeiten, um die zeit-, kosten- und qualitätsgerechte Realisierung des Projekts sicherzustellen (vgl. Geschäftsordnung Lenkungskreis, Anlage 13.5 des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009). Zu Unrecht geht daher Prof. Meyer in seinem Gutachten vom 03.11.2010 (S. 43 f; Fn. 59) davon aus, das Projekt Stuttgart 21 sei „vom Ursprung, der Zielsetzung und der Durchführung her“ ein reines Bahnprojekt, die Wirkungen des „Stadtumbaus“ ergäben sich als bloße Konsequenz der Planungen der Bahn und die konkrete Ausgestaltung des Projekts sei für die zu untersuchende Rechtsfrage nicht relevant. |
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| Im Ergebnis handelt es sich bei dem Projekt Stuttgart 21 um ein Verkehrs- und Städtebauprojekt, bei dem sich die Aufgaben verschiedener Hoheitsträger mit entsprechenden Finanzierungskompetenzen überschneiden. Die Aufgaben des Bundes im Bereich der Eisenbahnen ergeben sich im einzelnen aus Art. 87 e GG, wobei die Kammer wie dargelegt offen lässt, welche Folgen die Aufgabenprivatisierung durch Art. 87 e Abs. 3 GG im Bereich der Eisenbahnverkehrsdienstleistung und des Netzbetriebs hat. Das Land ist nach dem Vorbehalt in Art. 87 e Abs. 4 GG für das Verkehrsangebot im Schienenpersonennahverkehr zuständig. Die Beklagte kann sich für ihre Aufgaben- und Ausgabenkompetenz auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 71 Abs. 1 LV BW berufen, wonach die Gemeinden im Rahmen der Gesetze für alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuständig sind. Die Garantie umfasst die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen (sog. „Allzuständigkeit“ der Gemeinden; vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.11.1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 -, BVerfGE 79, 127 ff.). Die Beklagte kann sich wegen ihrer Finanzierungsbeiträge zum Projekt Stuttgart 21 auf ihre Zuständigkeit für die städtebauliche Entwicklung, die gemeindliche Verkehrspolitik und die örtliche Wirtschaftsförderung berufen: |
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| Zum anerkannten Aufgabenbereich der Gemeinden zählt die Planungshoheit, d.h. die Befugnis, gestalterische Konzepte zu entwickeln und die städtebauliche Entwicklung durch Bauleitpläne einschließlich der damit verbundenen finanziellen Entscheidungen zu ordnen (vgl. § 2 Abs. 1 BauGB; Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 8. Aufl., Rn. 89). Die Entwicklung und Umsetzung von Konzepten für den „Stadtumbau“ gehört damit zum Aufgabenbereich einer Gemeinde. Nach der Verwirklichung des Projekts S 21 sollen Gleisflächen in einer Größenordnung von ca. 100 ha frei werden, die künftig für die städtebauliche Entwicklung im Zentrum der Landeshauptstadt zur Verfügung stehen. Daneben sollen der Schlossgarten und der Rosensteinpark erweitert und von allen Seiten zugänglich gemacht werden. Die Gemeinden sind auch befugt, im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie eine gemeindliche Verkehrspolitik zu betreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.06.2001 - 4 CN 1/01 -, BWGZ 2002, 84 f.). Durch den Umbau des Verkehrsknotens Stuttgart sollen Fern-, Regional- und Nahverkehr besser miteinander vernetzt werden. Es soll eine zusätzliche S-Bahn-Haltestelle zur Anbindung der neu entstehenden Stadtteile eingerichtet werden. Im Hinblick auf die Feinstaubproblematik will die Beklagte mehr Verkehr auf die Schiene verlagern. Die Förderung der örtlichen Wirtschaft gehört schließlich ebenfalls zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinde (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 7 C 6/88 -, BVerwGE 84, 236 ff.). Die Beklagte sieht in der Qualität der Verkehrsinfrastruktur nachvollziehbar einen Schlüsselfaktor im internationalen Standortwettbewerb. Das Projekt soll die Erreichbarkeit der Landesmesse und des Flughafens verbessern und die Fahrzeit zwischen Stuttgart und anderen Großstädten verkürzen. Die Investitionen sollen sich - mittelbar - durch höhere Einnahmen aus Gewerbesteuer, Einkommenssteuer, Grundsteuer und Grunderwerbssteuer auszahlen. |
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| ff) Eine andere rechtliche Beurteilung der Mischfinanzierung ergibt sich für die Kammer auch nicht als Auswirkung von Grundgesetzänderungen im Zusammenhang mit der Föderalismusreform I von 2006. |
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| Der Klägervertreter hat unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. Huber (http://epub.ub.uni-muenchen.de/13870/1/foederalismus.pdf.) von der Universität München vorgetragen, die am 01.09.2006 im Zuge der Föderalismusreform I in Kraft getretenen Grundgesetzänderungen hätten Mischfinanzierungen endgültig beenden sollen. Er beruft sich für diese Auffassung insbesondere auf das in Art. 84 Abs. 1 S. 7 und Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG n.F. geregelte Verbot eines „Durchgriffs“ des Bundes auf die Kommunen. |
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| Nach diesen mit der Föderalismusreform I in das Grundgesetz eingefügten Bestimmungen dürfen durch Bundesgesetz Gemeinden und Gemeindeverbänden keine Aufgaben übertragen werden. Die Vorschriften dienen zwar einer Entflechtung in der Finanzverfassung, betreffen aber den Schutz der Organisationshoheit der Länder und den Schutz der verfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten kommunalen Selbstverwaltung insbesondere vor den finanziellen Folgen von Aufgabenübertragungen durch den Bund (vgl. etwa Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, GG, 11. Aufl., Art. 84 Rn. 29, Art. 85 Rn. 5). Das „Durchgriffsverbot“ hat die Gemeinden aus der Zwangslage befreit, vom Bund ohne Kostenausgleich mit finanzwirksamen Aufgaben betraut zu werden, und es allein den Ländern vorbehalten, den Kommunen (materiell) staatliche Aufgaben zu übertragen. Dann aber greifen die landesverfassungsrechtlichen Garantien, namentlich das Konnexitätsgebot (ebenso Huber, a.a.O., S. 13 f.). |
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| gg) Der Einwand der Kläger, der Finanzierungsanteil der Beklagten sei entgegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.1989 (a.a.O.) nicht entsprechend ihrem Anteil an der Aufgabenerfüllung, sondern willkürlich gewählt, führt ebenfalls nicht zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. |
|
| Die mit dem Bürgerbegehren verfolgte Kündigung ist nach der Begründung maßgeblich darauf gestützt, dass eine Mitfinanzierung des „Baus von Eisenbahnen des Bundes“ durch die Beklagte grundsätzlich verfassungswidrig sei und daher die Beklagte aus dem Projekt „aussteigen“ solle. An keiner Stelle ist davon die Rede, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden soll, weil der Finanzierungsbeitrag der Beklagten falsch - etwa zu hoch - berechnet worden sei. Im Übrigen würde dies nach Auffassung der Kammer allenfalls eine Vertragsanpassung entsprechend § 60 LVwVfG zur Herstellung „aufgabenadäquater Finanzierungsbeiträge“, nicht jedoch eine Kündigung der Verträge rechtfertigen. Ob der Beklagten in diesem Rahmen ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zusteht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht geklärt zu werden. |
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| hh) Nachdem das Bürgerbegehren bereits aus anderen Gründen unzulässig ist, kann die Kammer auch offen lassen, ob die Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 Satz 4 GemO BW erfüllt sind, d.h. die Begründung ausreichend ist (zu den Anforderungen vgl. Kammerurteil vom 17.07.2009 - 7 K 3229/08 -, a.a.O.) und der Kostendeckungsvorschlag einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der mit einer Kündigung der Beklagten verbundenen Kosten enthält. |
|
| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO. |
|
| Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. |
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| Die Klage ist zulässig (I.), aber nicht begründet (II.) |
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| Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO unter Einbeziehung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.08.2012 zulässig. |
|
| 1. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 24.11.2011 eine gemäß § 75 S. 2 VwGO zu-lässige Untätigkeitsklage erhoben, da nicht innerhalb von drei Monaten über die Widersprüche der Kläger vom 11.08.2011 gegen die Bescheide der Beklagten vom 11.07.2011 entschieden worden ist. Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart innerhalb der gemäß § 75 S. 3 VwGO dreimonatigen gerichtlichen Nachfrist zur Durchführung des Vorverfahrens (vgl. Kammerbeschluss vom 27.03.2012 und Beschlusse des VGH Bad.-Württ. vom 14.06.2012 - 1 S 840/12 -) über die Widersprüche der Kläger entschieden hat, ist eine Einbeziehung der Widerspruchsbescheide in das Klageverfahren auch ohne Einhaltung der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 und 2 VwGO zulässig (ebenso Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 75 Rn. 15; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl., § 75 Rn. 8; jeweils m.w.N.). |
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| 2. Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. |
|
| Gegen die Zurückweisung eines Bürgerbegehrens kann jeder Unterzeichner Ver-pflichtungsklage auf Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erheben (vgl. § 21 Abs. 4 und 8 GemO BW i.V.m. § 41 Abs. 2 KomWG). Die Kläger haben nach ihrem Vortrag im Klageverfahren und den Feststellungen der Beklagten in den jeweiligen Bescheiden vom 11.07.2011 das Bürgerbegehren selbst unterschrieben. Sie sind auch in Stuttgart wahlberechtigt (vgl. § 41 Abs. 1 KomWG). Durch die Nicht-zulassung des Bürgerentscheids ist daher eine Verletzung des den Klägern durch § 21 Abs. 3 GemO BW eingeräumten Rechts, als Bürger mittels Bürgerentscheid unmittelbar über eine Angelegenheit aus dem Wirkungskreis der Beklagten mitzubestimmen, möglich. |
|
| Die Klage ist jedoch nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 17.07.2009 - 7 K 3229/08 -, VBlBW 2009, 432 ff.) nicht begründet. Der von den Klägern erstrebte Bürgerentscheid, mit dem ein Ausstieg der Beklagten aus den Projekt- und Finanzierungsverträgen zu Stuttgart 21 wegen einer gegen Art. 104 a GG verstoßenden und damit verfassungswidrigen Mischfinanzierung erreicht werden soll, ist nicht zulässig. Durch die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 11.07.2011 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.08.2012 werden die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt. |
|
| Die angefochtenen Bescheide leiden nicht unter einem Verfahrensmangel. Das Bürgerbegehren betrifft zwar eine Angelegenheit des gemeindlichen Wirkungskreises i.S.v. § 21 Abs. 3 S. 1 GemO BW, und auch der Ausschlussgrund des § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO BW liegt nicht vor. Die Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW für sog. kassatorische Bürgerbegehren dürfte der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ebenfalls nicht entgegenstehen, denn die Initiatoren machen mit der Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Projektverträge eine Rechtslage geltend, die im Falle ihres Bestehens den Projektverträgen die Geschäftsgrundlage entziehen und die Vertragspartner zu einem nachträglichen „Ausstieg“ aus den Verträgen berechtigen würde. Die Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch die Beklagte verstößt jedoch nicht gegen Art. 104 a GG. Ein darauf gestützter Kündigungsgrund liegt nicht vor. Das Bürgerbegehren ist daher auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und unzulässig. |
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| Im einzelnen gilt Folgendes: |
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| 1. Der Einwand der Kläger, im Verwaltungsverfahren hätten mit Prof. X und Dr. Y befangene Sachverständige mitgewirkt, weil diese bereits zuvor in vom Land Baden-Württemberg eingeholten Gutachten die Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 für zulässig erachtet hätten, bleibt ohne Erfolg. Die genannten Rechtsanwälte waren im Verwaltungsverfahren zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht als Sachverständige tätig. Darüber hinaus wäre ein diesbezüglicher Verfahrensfehler gemäß § 46 LVwVfG unbeachtlich. |
|
| §§ 20, 21 LVwVfG regeln den Ausschluss von Personen wegen Befangenheit bzw. Besorgnis der Befangenheit der am Verfahren mitwirkenden Amtsträger. Soweit ein Sachverständiger als Gehilfe der Behörde tätig ist, gelten für ihn die Regelungen in §§ 21 f. LVwVfG entsprechend (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 26 Rn. 27 u. 31 a). Sachverständige sind Personen, die der Behörde das ihr fehlende Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen vermitteln. Rechtsgutachten, soweit sie nicht der Feststellung von Gewohnheitsrecht und ausländischem Recht dienen (vgl. § 293 ZPO), sind keine Sachverständigengutachten i.S.v. § 26 Nr. 2 LVwVfG (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 26 Rn. 27 f.). Aus der vom Prozessbevollmäch-tigten der Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 18.06.2007 - 9 VR 13/06 -, Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 2), in der es um die mögliche Befangenheit eines Planungsbüros bei der Beurteilung von Planvarianten in einem Planfeststellungsverfahren ging, folgt nichts anderes. Darüber hinaus lässt allein das Vertreten einer abweichenden Rechtsauffassung ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Schluss auf eine Befangenheit zu. Schließlich wäre ein Verfahrensfehler auch deshalb unbeachtlich, weil es sich bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines gemäß § 23 Abs. 3 GemO BW aus der Bürgerschaft an den Gemeinderat herangetragenen Bürgerbegehrens um eine rechtlich gebundene, gerichtlich voll überprüfbare Entscheidung handelt. Sind die an das Zustandekommen eines Bürgerbegehrens gestellten Anforderungen erfüllt, muss der Gemeinderat das Bürgerbegehren für zulässig erklären und das im Kommunalwahlgesetz geregelte Verfahren für die Durchführung des Bürgerentscheids einleiten. Bei der Entscheidung handelt es sich um die Beantwortung reiner Rechtsfragen, so dass dem Gemeinderat hierbei kein Ermessen zusteht (vgl. Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 21 Rn. 23). Daran ändert die Tatsache nichts, dass der Gemeinderat gemäß § 21 Abs. 1 GemO BW auch unabhängig von einem aus der Bürgerschaft gestellten Antrag mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Angelegenheit des gemeindlichen Wirkungskreises der Entscheidung der Bürger unterstellen kann. Ergibt sich der Inhalt des Verwaltungsaktes zwingend aus Rechtsvorschriften und kann keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden, vermögen nach § 46 LVwVfG auch etwaige im Verfahren unterlaufene Verfahrensfehler an dem Ergebnis nichts zu ändern. |
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| 2. Die Voraussetzungen, unter denen die Gemeindeordnung Baden-Württemberg einen Bürgerentscheid zulässt, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. |
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| Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist § 21 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg - GemO BW - in der seit dem 06.08.2005 gültigen Fassung maßgebend (vgl. Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 28.07.2005, GBl. S. 578 ff.). Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 GemO BW kann die Bürgerschaft über eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Seit der Gesetzesnovellierung von 2005 können alle Angelegenheiten des Wirkungskreises der Gemeinde, die in die Zuständigkeit des Gemeinderats fallen, Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein. Beschränkt wird der Umfang der Bürgerbeteiligung nur durch den sog. Negativkatalog des § 21 Abs. 2 GemO BW. |
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| a) Wie in den angefochtenen Bescheiden zu Recht festgestellt, wird im vorliegenden Fall das Bürgerbegehren von einer nach Maßgabe des § 21 Abs. 3 S. 5 GemO BW ausreichenden Zahl wahlberechtigter Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger unterstützt. Auch die zur Entscheidung zu bringende Frage (vgl. § 21 Abs. 3 S. 4 GemO BW) wird in dem Bürgerbegehren konkret bezeichnet. |
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| b) Das Bürgerbegehren betrifft auch eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde i.S.v. § 21 Abs. 3 S. 1 GemO BW. |
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| Der Wirkungskreis der Gemeinde wird in §§ 1, 2 GemO BW beschrieben. Es sind darunter Angelegenheiten zu verstehen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder einen spezifischen Bezug zur Gemeinde haben und die der Gemeinde im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 GG garantiert sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.04.2004 - 1 S 303/11 -, VBlBW 2011, 388 ff.) Damit sind einem Bürgerentscheid überörtliche Angelegenheiten bzw. Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hoheitsträgers (Bund, Land, Landkreis etc.) fallen, grundsätzlich nicht zugänglich. Für die Zulässigkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid stellt sich im Einzelfall jedoch die Frage, welche Maßnahmen dem eigenen (gemeindlichen) Wirkungskreis und welche dem Wirkungskreis eines anderen Rechtsträgers zuzurechnen sind. Insbesondere bei mehrstufigen Verwaltungs- und Planungsverfahren kann der Wirkungskreis der Gemeinde in einer Stufe angesprochen sein, obwohl die endgültige Entscheidung auf einer anderen Ebene getroffen wird (vgl. dazu etwa Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 21 Rn. 3). |
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| Im vorliegenden Fall ist Gegenstand des Bürgerbegehrens „der Ausstieg der Be-klagten aus dem Projekt Stuttgart 21“. Die Beklagte soll sich gegenüber den Projektpartnern auf die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung des Projekts berufen und die im einzelnen aufgelisteten, zwischen 1995 und 2009 geschlossenen Verträge zu dem Projekt kündigen. |
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| Zwar ist die Beklagte nicht Trägerin des Projekts Stuttgart 21. Projektträger sind vielmehr die - privatrechtlich organisierten - sog. Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), nämlich die DB Netz AG, die DB Station&Service AG und die DB Energie GmbH (vgl. § 4 des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009). Die Kläger haben im Zusammenhang mit der umstrittenen Mischfinanzierung vorgetragen, kraft der Zuständigkeit eines anderen Hoheitsträgers bestehe keine eigene gemeindliche Zuständigkeit für die durch die streitgegenständlichen Verträge festgelegten Eisenbahnprojekte des Bundes. Die Beklagte ist der Auffassung, sie erfülle mit dem Projekt kommunale Aufgaben der Stadtentwicklung, der örtlichen Wirtschaftsförderung und der gemeindlichen Verkehrspolitik. Dies bedarf an dieser Stelle jedoch keiner Vertiefung. Durch die Finanzierungsbeiträge der Beklagten gemäß den im Bürgerbegehren genannten Projektverträgen ist jedenfalls unstreitig deren kommunale Finanzhoheit und damit der gemeindliche Wirkungskreis betroffen. Dass die Beteiligung der Beklagten an dem Projekt Stuttgart 21 grundsätzlich einem Bürgerbegehren zugänglich ist, hat die Kammer auch bereits in ihrem Urteil vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) angenommen. |
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| c) Der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens steht auch nicht der Ausschlussgrund des § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO BW entgegen, wonach ein Bürgerbegehren nicht stattfindet über die Haushaltssatzung einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe sowie die Kommunalabgaben, Tarife und Entgelte. |
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| Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte daraus in der Vergangenheit geschlossen, der Gesetzgeber habe der Bürgerschaft auch in grundsätzlichen finanziellen Fragen keine Sachentscheidungskompetenz anstelle des Gemeinderates einräumen wollen, so dass Gemeinderatsbeschlüsse, die sich allein mit den Bau- oder Folgekosten eines Vorhabens befassten, nicht Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein könnten (vgl. Beschluss vom 27.04.2010 - 1 S 2810/09 -, juris; Urteil vom 06.04.1992 - 1 S 333/92 -, VBlBW 1992, 421 ff.). In einer neueren (Eil-)Entscheidung, die die grundsätzliche Entscheidung über die finanzielle Beteiligung der Gemeinde an einem Projekt eines privaten Investors betraf, hat der Verwaltungsgerichtshof demgegenüber ausgeführt, der Ausschlusstatbestand dürfte nicht greifen, da nicht unmittelbar die Haushaltssatzung, der Wirtschaftsplan eines Eigenbetriebes oder Kommunalabgaben, Tarife oder Entgelte betroffen seien (Beschluss vom 08.04.2011 - 1 S 303/11 -, VBlBW 2011, 388 ff.). |
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| Nach Auffassung der Kammer kann der Ausschlussgrund in § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO BW nicht bewirken, dass alle Bürgerentscheide mit haushaltswirksamen Auswirkungen unzulässig sind, da ansonsten das plebiszitäre Instrument des Bürgerentscheids zur Bedeutungslosigkeit degradiert würde. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift können über die rein wörtliche Interpretation hinaus nur Maßnahmen gemeint sein, die das Budgetrecht des Gemeinderates substantiell beeinträchtigen (vgl. dazu auch Wessels, „Rechtliche Beurteilung der Ausnahmetatbestände und deren Umgehungsgefahr bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid“, 1. Aufl. 2013, S. 311 ff., S. 333, 340). Dies ist bei dem vorliegenden Bürgerbegehren, welches finanzielle Belastungen von der Beklagten abwenden will, nicht der Fall. Darüber hinaus wendet sich das Bürgerbegehren nicht gegen die Erhöhung von Bau- oder Folgekosten eines beschlossenen Vorhabens, sondern betrifft die grundsätzliche Beteiligung der Beklagten an einem Infrastrukturprojekt. |
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| d) Der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens dürfte auch die Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 Satz 3, 2. Hs GemO BW für sog. kassatorische Bürgerbegehren nicht entgegenstehen, denn die Initiatoren des Bürgerbegehrens berufen sich mit der Verfassungswidrigkeit der Projektverträge auf eine Rechtslage, die im Falle ihres Bestehens den Verträgen die Geschäftsgrundlage entziehen und die Vertragspartner zur nachträglichen Kündigung berechtigen würde. |
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| aa) Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Gemeinderats (sog. kassatorisches Bürgerbegehren), muss es gemäß § 21 Abs. 3 Satz 3, 2. Hs GemO BW innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein. Die gesetzliche Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 Satz 3 Hs 2 GemO BW soll im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit vermeiden, dass die Ausführung von Gemeinderatsbeschlüssen in wichtigen Gemeindeangelegenheiten längere Zeit nicht in Angriff genommen werden kann oder gar mit besonderem Aufwand rückgängig gemacht werden muss. Die Ausschlussfrist greift dann ein, wenn das Bürgerbegehren seinem Inhalt nach auf die Korrektur eines Gemeinderatsbeschlusses gerichtet ist. Nicht erforderlich ist, dass der Gemeinderatsbeschluss in der Fragestellung oder Begründung des Bürgerbegehrens ausdrücklich genannt ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.06.1990 - 1 S 657/90 -, BWGZ 1992, 599 ff. m.w.N.). |
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| Im vorliegenden Fall wendet sich das Bürgerbegehren nach seiner Begründung gegen die „pauschale Mitfinanzierung des Eisenbahnprojekts S 21“ durch die Beklagte und ist damit mittelbar auch auf die Korrektur der Gemeinderatsbeschlüsse gerichtet, mit denen eine finanzielle Beteiligung der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 beschlossen worden ist. Die im Bürgerbegehren aufgeführten Projektverträge beruhen jeweils auf Beschlüssen des Gemeinderats der Beklagten und darin erteilter Vollmachten zum Vertragsabschluss. So hat der Gemeinderat mit Gemeinderatsbeschluss vom 04.10.2007 (GRDrs. 790/2007) dem Abschluss der Ergänzungsvereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg, der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Verband Region Stuttgart, in dem die Finanzierungbeiträge und abzusichernden Risiken der Beteiligten geregelt worden sind, zugestimmt und die Verwaltung zum Vertragsabschluss ermächtigt. Dieser ist dann am 05.10.2007 erfolgt. Unter dem 02.04.2009 hat das Land Baden-Württemberg - auch für die Beklagte - die Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen. Wie die Kammer in ihrem Urteil vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) ausgeführt hat, ist die grundsätzliche Entscheidung über die Beteiligung der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 allerdings bereits vor dem 04.10.2007, insbesondere durch die Realisierungsvereinbarung vom 24.07.2001, verbindlich gefallen. Die Kammer hat in dem o.g. Urteil ebenfalls entschieden, dass ein Bürgerbegehren gegen einen Gemeinderatsbeschluss nicht mehr zulässig ist, wenn der Gemeinderat in diesem Beschluss einem die Gemeinde verpflichtenden Vertrag zugestimmt und der Bürgermeister auf der Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung den Gemeinderatsbeschluss durch Abschluss des Vertrages vollzogen hat. Schließlich hat die Kammer in dem o.g. Urteil entschieden, dass ein Bürgerbegehren auch dann unzulässig ist, wenn es mit bestehenden vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde nicht in Einklang steht und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Gemeinde z.B. durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Bindungen lösen kann. |
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| bb) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger sind die den Finanzierungsverträgen zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlüsse auch nicht rechtlich irrelevant. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger geht davon aus, dass die maßgeblichen Gemeinderatsbeschlüsse die Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW nicht in Gang hätten setzten können, da sie wegen des Verstoßes gegen Art. 104a Abs. 1 GG nichtig, also nicht existent seien. Die Nichtigkeit des Beschlusses des Gemeinderates vom 04.10.2007 ergebe sich auch daraus, dass der Gemeinderat vom Oberbürgermeister über die verfassungsrechtliche Situation falsch informiert, also objektiv getäuscht worden sei. Der o.g. Beschluss des Gemeinderates zur Ergänzungsvereinbarung sei auch deshalb unwirksam, weil es an seiner erforderlichen Genehmigung fehle. Die Übernahme der Risikobeteiligung nach Ziffer 2 Nr. 2 und 3 der Ergänzungsvereinbarung entspreche einem Rechtgeschäft, das einer Bürgschaft oder einem Gewährvertrag gemäß 88 Abs. 2 GemO gleichkomme (§ 88 Abs. 3 GemO). |
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| Die behaupteten Rechtsverstöße dürften nicht vorliegen, was aber keiner Entscheidung bedarf. Zu Recht geht die Beklagte nämlich davon aus, dass die Durchführung eines kassatorischen Bürgerbegehrens der Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW unabhängig davon unterliegt, ob der entsprechende Gemeinderatsbeschluss rechtens ist und nach Vorstellung der Initiatoren des Bürgerbegehrens lediglich aus politischen Gründen revidiert werden soll oder ob das Bürgerbegehren mit der Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit des Gemeinderatsbeschlusses begründet wird. Die Ausschlussfrist in § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW knüpft nach ihrem Sinn und Zweck allein daran an, dass ein Gemeinderatsbeschluss faktisch ergangen ist und sich das Bürgerbegehren inhaltlich gegen diesen Beschluss richtet, setzt aber nicht dessen Rechtmäßigkeit oder dessen Übereinstimmung mit Verfassungsrecht voraus. Maßgeblich für den Lauf der Frist ist die Bekanntgabe des Gemeinderatsbeschlusses |
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| Ein Bürgerbegehren ist kein Instrument der Rechtmäßigkeitskontrolle des Gemeinderats und eröffnet nicht die Möglichkeit, zeitlich unbegrenzt die Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses geltend zu machen. Geschützt ist vielmehr das Recht auf politische Partizipation. Bürgerbegehren als Gestaltungsmittel unmittelbarer Demokratie dienen dazu, die aktive Mitwirkung der Gemeindebürger an der politischen Willensbildung in gemeindlichen Angelegenheiten im staatspolitischen Interesse zu fördern. Im Hinblick auf die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die gewählten verfassungsmäßigen Organe ist es an eine Reihe erschwerender Voraussetzungen - auch in zeitlicher Hinsicht - geknüpft (vgl. grundsätzlich etwa Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 21 Rn. 1). Das kassatorische Bürgerbegehren zielt darauf ab, eine getroffene Ratsentscheidung aufgrund einer anderen politischen Willensbildung der Bürgerschaft für die Zukunft zu ändern (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 17.07.2009 - 7 K 3229/08 -, a.a.O.) Insoweit gilt nichts anderes als bei einem geänderten politischen Willen im Rat selbst. Ob ein Beschluss des Gemeinderates der Entscheidung der Bürger unterstellt werden soll, soll innerhalb der Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW geklärt werden. Für die Rechtmäßigkeitskontrolle und die rückwirkende Beseitigung von Beschlüssen des Gemeinderats, die das Gesetz verletzen, sieht die Gemeindeordnung demgegenüber das Instrumentarium der Kommunalaufsicht, §§ 118 ff., insbesondere das Beanstandungsrecht in § 121 GemO BW, vor. Die Folgen einer unzureichenden oder falschen Information von Gemeinderäten, die ggf. eine Verletzung ihrer organschaftlichen Rechte darstellen, können darüber hinaus in einem Kommunalverfassungsstreit geklärt werden. |
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| Dass die Rechtmäßigkeit des Gemeinderatsbeschlusses Voraussetzung für der Lauf der Ausschlussfrist sei, folgt auch nicht aus dem vom Prozessbevollmächtigten zitierten (Eil-)Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.10.2012 (- 5 K 1969/12 -, juris), wonach ein unter Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit von Sitzungen des Gemeinderates nach § 35 Abs. 1 GemO BW zustande gekommener Gemeinderatsbeschluss die für ein dagegen gerichtetes kassatorisches Bürgerbegehren geltende Frist nach § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW nicht in Gang setze. Die Entscheidung ist zwischenzeitlich durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25.02.2013 (- 1 S 2155/12 -, juris) geändert worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht darauf abgestellt, ob der Gemeinderatsbeschluss zu Recht in nichtöffentlicher Sitzung ergangen ist. Er hat vielmehr unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Ausschlussfrist entscheidungserheblich darauf abgestellt, ob mit der Bekanntgabe des in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses nach § 35 Abs. 1 S. 4 GemO BW der Anstoßfunktion genüge getan worden ist, d.h. ob der einzelne Gemeindeeinwohner hinreichenden Anlass und die Möglichkeit hatte, sich über den Inhalt des in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses zu unterrichten und eine eigene Entscheidung im Hinblick auf ein Bürgerbegehren zu treffen. |
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| e) Der Gesetzgeber hat für die Bindungswirkung von Gemeinderatsbeschlüssen keine zeitliche Komponente vorgesehen. Nach Ablauf der Frist in § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW kann die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens - unabhängig von einer erneuten sachlichen Befassung und Beschlussfassung des Gemeinderates - daher nur wieder eröffnet werden, wenn sich die entscheidungserheblichen Tatsachen und/oder rechtlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben und dadurch eine neue Sachlage entstanden ist, so dass ein früherer Beschluss der Gemeindevertretung nicht mehr als eine von deren Willen getragene Regelung des sich nunmehr verändert darstellenden Problembereichs angesehen werden kann. Dann ist die Initiative wieder als ein initiierendes Begehren zu bewerten (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 13.07.2004 - 8 TG 1067/04 -; OVG NW, Urteil vom 28.01.2003 - 15 A 203/02 -, jeweils juris; vgl. zum Ganzen auch Wessels, a.a.O., S. 431 ff. m.w.N.). |
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| aa) Im vorliegenden Fall kann entgegen der Auffassung der Kläger eine veränderte Sachlage zwar nicht daraus hergeleitet werden, dass die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 nicht vom Beschluss des Gemeinderates vom 04.10.2007 gedeckt sei bzw. die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21, wie sich aus neu aufgetauchten Dokumenten und aus Presseveröffentlichungen ergebe, wegen der Erhöhung der Gesamtkosten insgesamt nicht gesichert sei und – wie sich jetzt herausstelle – nie gesichert gewesen sei. Die dazu in der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2013 gestellten Beweisanträge 1 - 12 waren daher mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen. Eine veränderte Sach- und Rechtslage ergibt sich auch nicht aus der beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängigen Klage der S AG, die sich gegen den Rückbau der Gleisanlagen im Bereich des Hauptbahnhofs Stuttgart richtet (13 K 2947/12). Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens, welches auf die Verfassungswidrigkeit der Projektverträge wegen Verstoßes gegen Art. 104 a GG gestützt ist und daraus ein Recht auf Kündigung dieser Verträge herleitet. Im Klageverfahren kann es daher nur darauf ankommen, ob aus den in der Begründung des Bürgerbegehrens genannten Gesichtspunkten ein nachträgliches Kündigungsrecht und damit eine Änderung der Sach- und Rechtslage folgt, dessen Ausübung § 21 Abs. 3 Satz 3 2. Hs GemO BW nicht entgegensteht. Nur ergänzend sei bemerkt, dass für den Fall von Kostensteigerungen über das vereinbarte Risikoabsicherungsmodell hinaus die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 in § 8 Abs. 4 zunächst Nachverhandlungen vorsieht (sog. „Sprechklausel“). |
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| bb) Eine Änderung der Sach- und Rechtslage kann sich aber durch das Be- oder Entstehen eines Kündigungsrechts für die Projektverträge ergeben. Auf ein solches haben die Initiatoren das streitgegenständliche Bürgerbegehren folgerichtig gestützt. Sie machen mit der Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Verträge einen Grund geltend, dessen Bestehen den Projektverträgen die Geschäftsgrundlage entziehen und die Vertragspartner zu einem nachträglichen „Ausstieg“ aus den Verträgen berechtigen würde. |
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| Das Verstreichen der Sechswochenfrist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW schließt ein Bürgerbegehren über die Ausübung von nachträglich entstandenen Kündigungsrechten durch den Gemeinderat nicht aus. Wie sich aus dem Urteil der Kammer vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) ergibt, ist im Hinblick auf die vertraglichen Bindungen der Beklagten ein auf den Ausstieg gerichtetes Bürgerbegehren nur solange unzulässig, wie die Beklagte sich nicht durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen lösen kann. |
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| Auf ein solches Kündigungsrecht berufen sich im vorliegenden Fall die Kläger. Nach dem Inhalt und der Begründung des Bürgerbegehrens soll die Beklagte veranlasst werden, die Projektverträge unter Berufung auf deren Verfassungswidrigkeit zu kündigen. Nach Auffassung der Kläger handelt es sich damit um ein sog. initiierendes Bürgerbegehren, welches gleichsam ein noch „unbestelltes Feld“ bearbeite (vgl. OVG NW, Urteil vom 28.01.2003 - 15 A 203/02 -, a.a.O.) und für welches die Frist des § 21 Abs. 3 S. 3 2. Hs GemO BW nicht gelte. Das geltend gemachte Kündigungsrecht sei erst nach den maßgeblichen Gemeinderatsbeschlüssen und nach Abschluss der Projekt- und Finanzierungsverträge zutage getreten. Die Kündigung der Verträge sei eine zulässige rechtliche Reaktion auf das Rechtsgutachten von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Meyer von der Humboldt-Universität Berlin „Finanzverfassungsrechtliche Fragen des Stuttgarter Bahnkonflikts“ vom 03.11.2010, welches dieser im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellt hat und in dem er u.a. zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Beteiligung der Beklagten am Projekt Stuttgart 21 gegen Art. 104 a GG verstoße. Die Finanzierungsverträge seien daher wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Den Gemeinderäten sei bei der Beschlussfassung über die Projektverträge die verfassungsrechtliche Problematik nicht bewusst gewesen (vgl. dazu die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge 13 und 14). Die Kündigung der Projektverträge sei nach Bekanntwerden des o.g. Gutachtens gemäß § 60 LVwVfG wegen nachträglicher Aufdeckung eines gemeinsamen Irrtums über die Verfassungsmäßigkeit der Projektverträge zulässig. Es entspreche üblicher und unentbehrlicher juristischer Praxis, bereits für nichtig gehaltene Verträge gleichzeitig zu kündigen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96 -, NJW 1998, 2531 ff. ). |
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| cc) Zwar bestand die von den Klägern problematisierte Mischfinanzierung in den Projektverträgen von Anfang an (vgl. dazu und zu den Auswirkungen auf die Rechtskraft des Urteils über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.08.2012 - 5 S 1200/12 -, juris). Die Kläger berufen sich in der Klagebegründung aber darauf, dass die von den Beteiligten angenommene Geschäftsgrundlage für die Gemeinderatsbeschlüsse und die abgeschlossenen Verträge, nämlich die Verfassungsmäßigkeit dieser Mischfinanzierung, gefehlt habe und sehen darin - die Richtigkeit dieser Annahme unterstellt - einen Kündigungsgrund. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württembergs, dass ein gemeinsamer Irrtum über die Rechtslage, auf dem der Geschäftswille aufbaut, eine Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages entsprechend § 60 LVwVfG rechtfertigen kann, wenn ohne diesen Irrtum der öffentlich-rechtliche Vertrag nicht oder nicht so geschlossen worden wäre (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 08.10.1996 - 10 S 3/96 -, NVwZ-RR 1998, 351 ff.; vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs,VwVfG, 7. Aufl., § 60, Rn. 16). |
|
| Bei den im streitgegenständlichen Bürgerbegehren aufgelisteten Projektverträgen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verträge i.S.d. §§ 54 ff. LVwVfG. An den Verträgen sind zwar auch privatrechtlich organisierte Rechtsträger beteiligt. Der Vertragsgegenstand, nämlich die Durchführung und Finanzierung eines dem öffentlichen Schienenverkehr dienenden Infrastrukturprojektes, ist aber dem öffentlichen Recht zuzuordnen (zu den verkehrlichen Zielsetzungen vgl. insbesondere Anlage 1 zur Gemeinsamen Erklärung der Projektpartner vom 02.04.2009). |
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| Eine Kündigungsmöglichkeit nach § 60 Abs. 1 S. 1 LVwVfG setzt voraus, dass sich die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblich gewesenen rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse seit Abschluss des Vertrages wesentlich geändert haben. Die damit gemeinte Geschäftsgrundlage ist von dem konkret vereinbarten Vertragsinhalt zu unterscheiden. Die Geschäftsgrundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien - oder durch die dem Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei - über das Vorhandensein bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille sich aufbaut. Als Gegenstand dieser Vorstellungen kommen neben tatsächlichen auch rechtliche Verhältnisse in Betracht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 60 Rn. 9 ff.; Rn. 14 m.w.N.). |
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| § 60 Abs. 1 S. 1 LVwVfG kommt nach seinem Wortlaut unmittelbar zur Anwendung, wenn sich wesentliche tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse nach Vertragsschluss („… seit Abschluss des Vertrages“) ändern (sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage). Tatsächliche oder rechtliche Umstände, von deren Vorhandensein die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss ausgingen, können sich aber nicht nur nachträglich ändern, sondern objektiv bereits von Anfang an gefehlt haben. Auch ein solches Fehlen der Geschäftsgrundlage von Anfang an, etwa ein gemeinsamer dem Vertrag zugrundeliegender Tatsachen- oder Rechtsirrtum unterfällt - jedenfalls in sinngemäßer Anwendung - der Regelung des Satzes 1 (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, a.a.O., § 60 Rn. 13 m.w.N.). Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg kann daher auch ein gemeinsamer Irrtum über die Rechtslage, auf dem der Geschäftswille aufbaut, eine Kündigung des Vertrages entsprechend § 60 LVwVfG rechtfertigen, wenn ohne diesen Irrtum der öffentlich-rechtliche Vertrag nicht oder nicht so geschlossen worden wäre. |
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| Dass im vorliegenden Fall die Parteien die Projektverträge nicht abgeschlossen hätten, wenn sie deren Verfassungswidrigkeit gekannt hätten, kann unterstellt werden. Fraglich ist allerdings, ob sich die Unterzeichner eines Bürgerbegehrens Vorstellungen der Vertragsparteien zu eigen machen können, die von diesen selbst nicht vertreten werden. Weder das Land Baden-Württemberg noch die Beklagte haben bisher die Auffassung vertreten, einem gemeinsamen Irrtum über die Rechtslage unterlegen zu sein. Darüber hinaus setzen die Initiatoren des Bürgerbegehrens für den Zeitpunkt der Unterschriftsleistung die Verfassungswidrigkeit der Verträge als feststehend voraus, ohne dass diese Frage zuvor - etwa im Wege der Nichtigkeitsfeststellungsklage einer Vertragspartei - gerichtlich verbindlich geklärt worden ist. All dies bedarf jedoch letztlich keiner Vertiefung, da jedenfalls der von den Klägern angenommene Kündigungsgrund, nämlich die Verfassungswidrigkeit der Projektverträge zum Projekt Stuttgart 21, nicht vorliegt. Auch den Beweisanträgen 13 und 14 war daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzugehen. |
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| f) Die Berufung auf die pauschale Mitfinanzierung des Projekts durch die Beklagte rechtfertigt entgegen der Begründung des Bürgerbegehrens keine Kündigung der Projektverträge. Die Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch die Beklagte verstößt nicht gegen Art. 104 a GG. Die Finanzierungsverträge sind daher nicht wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Ein darauf gestütztes Kündigungsrecht besteht nicht. Das Bürgerbegehren ist daher auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und unzulässig. |
|
| Wie die Kammer bereits in ihrem das erste Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 betreffenden Urteil vom 17.07.2009 (- 7 K 3229/08 -, a.a.O.) entschieden hat, darf ein Bürgerbegehren nicht auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sein, wobei sich die Rechtswidrigkeit auch aus einem Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen ergeben kann. Im Hinblick auf die bestehenden vertraglichen Bindungen der Beklagten wäre ein auf den Ausstieg gerichtetes Bürgerbegehren daher nur zulässig, wenn die Beklagte sich z.B. durch ein einseitiges Rücktritts- oder Kündigungsrecht oder durch einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. -aufhebung von den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen lösen kann. Der von den Klägern angenommene Kündigungsgrund einer verfassungswidrigen Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 liegt jedoch nicht vor. |
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| aa) Gemäß Art. 104 a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. |
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| Art. 104 a GG wurde durch das Finanzreformgesetz von 1969 als allgemeiner Lastenverteilungsgrundsatz neu geschaffen. Hintergrund war insbesondere, dass der Bund zunehmend dazu überging, durch Finanzierungsangebote in die Aufgabenerfüllung durch die Länder einzuwirken und deren Gestaltungsspielraum einzuengen. Der Lastenverteilungsgrundsatz in Art. 104 a Abs. 1 GG vereinigt die Aufgabenzuständigkeit einerseits mit der Finanzierungsverantwortlichkeit - der Ausgabenlast - andererseits. Der Aufgabenbestand einer Gebietskörperschaft bestimmt damit die Finanzverantwortung und darüber hinaus die verfassungsmäßige Finanzausstattung. In der Formulierung, dass die Ausgaben „gesondert“ zu tragen sind, liegt das grundsätzliche verfassungsrechtliche Verbot für Bund und Länder, Aufgaben einer anderen Gebietskörperschaft zu finanzieren (vgl. zum Ganzen etwa Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, GG, 12. Aufl., Art. 104 a Rn. 1 ff. m.w.N.). |
|
| Art. 104 a Abs. 1 GG enthält ein Konnexitätsprinzip im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Das Konnexitätsprinzip bedeutet, dass die Ausgabenkompetenz der Aufgabenkompetenz folgt. Die Gebietskörperschaft, die für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich ist, soll auch für deren Finanzierung einstehen müssen. Das Konnexitätsprinzip gilt aber auch im Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden. Die Gemeinden stehen im zweistufigen Gesamtstaatsaufbau, von dem das Grundgesetz ausgeht, auf Seiten der Länder. Art. 104 a Abs. 1 GG regelt damit auch das Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.05.1992 - 2 BvF 1/88, 2 BvF 2/88, 2 BvF 1/89, 2 BvF 1/90 -, juris, Rn. 263). Art. 104 a Abs. 1 GG knüpft an die Wahrnehmung der Aufgaben durch Bund und Länder einschließlich der Gemeinden an. Gemeint ist damit die Wahrnehmung der Verwaltungskompetenz. Die Ausgabenlast richtet sich deshalb nach der Verteilung der Verwaltungskompetenz. Die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes begründen deshalb zugleich die jeweilige Finanzierungsverantwortung. Zu den Ausgaben i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG gehören zum einen die Verwaltungsausgaben, zum anderen die Zweckausgaben, d.h. die Kosten, die bei der Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe anfallen. Art. 104 a Abs. 1 GG gilt nicht nur für eine zwangsweise Heranziehung zur Mitfinanzierung, sondern schließt in seinem Anwendungsbereich auch freiwillige Zuweisungen aus. Art. 104 a Abs. 1 GG verbietet, dass der Bund in ausschließlich den Ländern und den Gemeinden zugewiesenen Kompetenzbereichen die Erfüllung von Aufgaben mitfinanziert und dass umgekehrt die Länder und die Gemeinden in Bereichen ausschließlicher Verwaltungskompetenz des Bundes die Aufgabenwahrnehmung mitfinanzieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.1989 - 7 C 42/87 - , BVerwGE 81, 312 ff.). |
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| bb) Aus den in der Widerspruchs- und in der Klagebegründung im einzelnen dargestellten Gründen gehen die Kläger zusammengefasst davon aus, dass das Projekt Stuttgart 21 eine reine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 104 a Abs. 1 GG sei. Es sei trotz der erheblichen städtebaulichen Auswirkungen ein genuines Eisenbahnprojekt, wofür gemäß Art. 87 e Abs. 3 und 4 GG der Bund zuständig sei. Die Entscheidung über den Erhalt und den Ausbau des Schienennetzes einschließlich der Infrastrukturanlagen wie Bahnhöfen obliege ausschließlich dem Bund. Für diese Aufgabe könne es keine zusätzliche, ergänzende Kompetenz geben. Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 71 Abs. 1 und 2 GG gewährleiste den Gemeinden zwar das Recht, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen seien. Kraft der Zuständigkeit eines anderen Hoheitsträgers bestehe aber gerade keine eigene gemeindliche Zuständigkeit für die durch die streitgegenständlichen Verträge festgelegten Eisenbahnprojekte des Bundes, auch dann nicht, wenn der städtische Bahnhof betroffen sei. Das Interesse der Beklagten an dem Projekt betreffe somit lediglich rechtliche Reflexwirkungen. Prof. Meyer spricht in seinem Rechtsgutachten (S. 42 f., 25) davon, dass die Wirkung des mit dem Projekt verbundenen „Stadtumbaus“ an einer zentralen Stelle der Landeshauptstadt sich als Konsequenz der Planungen der Bahn ergebe; solche „Kollateralnutzen“ seien mit vielen Investitionen des Bundes verbunden. |
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| Nach Auffassung der Beklagten ist demgegenüber eine gemeinsame Finanzierung eines Projekts durch mehrere Aufgabenträger zulässig, wenn sich verschiedene Aufgaben faktisch überschneiden. Soweit für eine kostenverursachende Maßnahme allein der Bund oder allein das Land zuständig ist, schließe Art. 104 a Abs. 1 GG eine Kostenbeteiligung des Landes bzw. des Bundes aus. Eine eindeutige Aufgabentrennung und damit auch Aufgabenzuweisung mit einem strikten Verbot der Mischfinanzierung besteht regelmäßig dort, wo eine klare und überschneidungsfreie Abgrenzung der Zuständigkeiten durch den Gesetzgeber vorliege, insbes. etwa bei Aufgaben der Gefahrenabwehr. Davon sei der Fall zu unterscheiden, dass sich Bundes- und Landesaufgaben faktisch verschränken und überschneiden. Insbesondere bei Errichtung und Betrieb öffentlicher Einrichtungen oder bei großen, komplexen Infrastrukturprojekten könnten sich die Verwaltungszuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen faktisch so überschneiden, dass ein und dieselbe Maßnahme im Aufgabenbereich beider Ebenen liege. Für eine solche Konstellation stehe Art. 104 a Abs. 1 GG gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen über eine Aufgabenteilung nach Maßgabe des Anteils der verschiedenen staatlichen Ebenen an der Aufgabenverantwortung nicht entgegen. |
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| cc) Art. 104 a GG regelt die Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Fraglich ist daher bereits, ob nach der Bahnstrukturreform 1993 und der Privatisierung der Bahn durch Art. 87e Abs. 3 GG im Bereich der Eisenbahnen überhaupt Bundesaufgaben i.S.d. Art. 104 a GG erfüllt werden. |
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| In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass seit der Bahnstrukturreform 1993 und der Aufgabenprivatisierung durch Art. 87 e Abs. 3 GG die Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG im Bereich der Eisenbahnverkehrsdienstleistung und des Netzbetriebes keine Bundesaufgaben i.S.v. Art. 104 a Abs. 1 GG erfüllen. Es sei zu einer Privatisierung der ehemaligen Erfüllungsaufgabe gekommen, welche folglich nicht mehr als staatliche Aufgabe existiere. Die Tochtergesellschaften der Deutschen Bahn AG würden als kaufmännisch geführte Wirtschaftsunternehmen (Art 87 e Abs. 3 S 1 GG) nicht den Vorgaben des Art 104 a Abs. 1 GG unterliegen; mit Blick auf Art 104 a Abs. 1 GG bestünden deshalb keine Bedenken bezüglich des Abschlusses entsprechender Finanzierungsvereinbarungen, durch die sich einzelne Bundesländer bzw. Kommunen gegenüber Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur anteiligen Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten verpflichtet haben (vgl. Prof. Dr. Walter Pauly/Marcus Becker, „Aufgabenakzessorische Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten“, NVwZ 2013, 334 ff.; Hubertus Gersdorf, „Kofinanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten am Beispiel von Stuttgart 21“, Zeitschrift für Gesetzgebung, 2011, 248 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22.11.11 - 2 BvE 3/08 -, BVerfGE 129, 356 ff.). Die Kläger wenden dagegen ein, durch die Privatisierung der Eisenbahnen sei die staatliche Verantwortung für die ehedem aus der Daseinsvorsorge entstandenen Aufgaben nicht aufgegeben worden. Die privatisierten Unternehmen seien als „verlängerter Arm“ des Staates nach wie vor gemeinwohlverpflichtet und nähmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Art. 104 a GG gelte daher auch für den Bereich der Eisenbahn. |
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| Ebenfalls aufgeworfen wird in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Bund jedenfalls dann Aufgaben i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG wahrnehme, wenn er in Ausübung seiner ihm nach Art. 87 e Abs. 4 GG zukommenden Gewährleistungsverpflichtung Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes finanziere (vgl. Art. 8 Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG -). Auch insoweit begegneten der Anwendbarkeit des Art. 104 a GG Bedenken, weil die Ausgabe nicht, wie von der Vorschrift voraussetze, der Wahrnehmung der Aufgabe folge, sondern die Kostenübernahme die eigentliche Aufgabe sei. Diese folge bereits unmittelbar aus Art. 87 e Abs. 4 GG, der insoweit Art. 104 a Abs. 1 GG verdränge (vgl. Gersdorf, a.a.O., S. 266 f.). In diesem Zusammenhang berufen sich die Kläger darauf, dass im Bedarfsplan für die Schienenwege die Gesamtstrecke „Ausbau- und Neubaustrecke Stuttgart-Ulm-Augsburg“ als „Vordringlicher Bedarf“ aufgelistet sei und nach § 8 BSWAG primär vom Bund zu finanzieren sei. Bahnhöfe als notwendige Nebenanlagen seien essentieller Bestandteil des Schienennetzes. Die in Stuttgart vorgesehene vollständige Veränderung des Bahnhofs gehöre also i.S.d. Art. 87 e Abs. 4 S. 1 GG zum „Ausbau des Schienennetzes“ und sei auch i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG eine Bundesaufgabe. Demgegenüber hat die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage (BT-Drucks. 17/955 vom 08.03.2010) zur Neubaustrecke Wendlingen - Ulm mitgeteilt, dass es sich bei Stuttgart 21 nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG handele. |
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| dd) Die Kammer kann letztlich offen lassen, ob die mit den Eisenbahnen des Bundes in Zusammenhang stehenden Aufgaben trotz Privatisierung weiterhin als Bundesaufgaben i.S.d. Art. 104 a Abs. 1 GG anzusehen sind. Selbst wenn man dies im Hinblick auf die Vorbehalte in Art. 87 e Abs. 2 - 4 GG annimmt, verstößt die Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 durch die Beklagte nicht gegen Art. 104 a GG. Die Finanzierungsverträge sind daher nicht wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Ein darauf gestütztes Kündigungsrecht besteht nicht. |
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| Nach Auffassung der Kammer verbietet das Konnexitätsprinzip in Art. 104 a GG nicht, dass Bund, Länder und Gemeinden in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten. Die Kammer hält dabei die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 15.03.1989 (- 7 C 42/87 -, BVerwGE 81, 312 ff.), in dem es um die Wirksamkeit eines Vertrages zwischen der Deutschen Bundesbahn und einer Gemeinde über die Kostenerstattung für den Betrieb von Schülerzügen und die Einrichtung eines Haltepunktes ging, auch im vorliegenden Fall für zutreffend. In den Entscheidungsgründen des Bundesverwaltungsgerichts heißt es: |
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| „Art. 104 a Abs. 1 GG hat die Bedeutung einer allgemeinen, das Bund/Länder-Verhältnis im ganzen bestimmenden Lastenverteilungsregel (BVerfGE 26, 338 <390> für Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG in der bis zum 31. Dezember 1969 geltenden Fassung). Er verbietet, dass eine Gebietskörperschaft sich außerhalb ihrer Aufgabenzuständigkeit an den Kosten beteiligt, die einer Gebietskörperschaft der anderen Ebene bei Erfüllung von allein von dieser nach der verfassungsmäßigen Zuständigkeitsordnung wahrzunehmenden und wahrgenommenen Aufgaben entstehen. Er verbietet hinge-gen nicht, dass Bund und Länder einschließlich der Gemeinden in einem Aufgabenbereich der Leistungsverwaltung (Daseinsvorsorge) zusammenarbeiten, in dem sich - wie im öffentlichen Personenverkehr - die Kompetenzen zur Aufgabenwahrnehmung überschneiden. Das darf auch in der Weise geschehen, dass im Bereich der sich überschneidenden Wahrnehmungszuständigkeiten nach Gesichtspunkten der Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit im Einzelfall und in Abstimmung miteinander der eine Aufgabenträger Aufgaben wahrnimmt oder mit wahrnimmt, die wahrzunehmen zwar grundsätzlich im Rahmen seiner Zuständigkeit liegt, die aber auch - als Pflichtaufgabe - dem anderen Aufgabenträger obliegen, und dass insoweit eine Kostenerstattung stattfindet. Art. 104 a Abs. 1 GG verbietet, dass der Bund in ausschließlich den Ländern (und den Gemeinden) zugewiesenen Kompetenzbereichen die Erfüllung von Aufgaben mitfinanziert (so auch BGH, Urteil vom 18. September 1986 - III ZR 80/85 - NJW 1987, 1625 <1627>), und dass umgekehrt die Länder (und die Gemeinden) in Bereichen ausschließlicher Verwaltungskompetenz des Bundes die Aufgabenwahrnehmung mitfinanzieren. Er verbietet hingegen nicht, dass Bund und Länder oder Gemeinden in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten und dabei Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung nach dem Maß ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung der Aufgabe abschließen; er gebietet insofern allenfalls, dass jeder diejenigen Kosten trägt, die dem Anteil seiner Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung entspricht.“ |
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| Der dagegen vom Klägervertreter erhobene Einwand, es habe sich in Wahrheit um eine Amtshilfekonstellation gehandelt, ändert nichts an den rechtlichen Ausführungen, die das Bundesverwaltungsgericht zur Auslegung des Art. 104 a GG gemacht hat. |
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| Die verfassungsrechtliche Literatur zu Art. 104 a GG folgt ebenfalls überwiegend der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Hellermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 a, Rn. 54 f. mit dem Hinweis, dass in den Konstellationen, in denen verschiedene Aufgabenbereiche sich faktisch überschneiden, so dass die Ausgabenlast nach Maßgabe der Aufgabenverantwortung zu verteilen ist, im rechtlichen Sinne keine Mischfinanzierung einer Aufgabe vorliegt; Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl., Art. 104 a, Rn. 19; Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 104 a, Rn. 3; Schuppert in Umbach/Clemens, GG., 1. Aufl. 2002, Art. 104 a Rn. 19; Schenke in Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 104 a GG, Rn. 3; differenzierend Fischer-Menshausen in von Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 104 a Rn. 5a; kritisch Siekmann in Sachs, GG, 4. Aufl., Art. 104 a, Rn. 18; Morlock, DVBl 1989, 1147 ff.; Fromm, NVwZ 1992, 536 ff.). |
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| Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass Art. 104 a Abs. 1 GG der gemeinsamen Finanzierung einer Maßnahme durch mehrere Aufgabenträger nicht entgegensteht. Dies gilt gerade im Bereich der Schienenwege des Bundes (vgl. §§ 8, 9 BSWAG). Wichtige Anwendungsfälle sind auch die gesetzlichen Bestimmungen über die Beteiligung verschiedener Baulastträger an den Ausgaben für den Bau von Verkehrswegekreuzungen (§§ 11 Abs. 2 EKrG, 12 Nr. 2 EKrG, § 13 Abs. 1 EKrG) sowie die Regelung in § 12 Abs. 3 WaStrG (vgl. dazu auch Hellermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 a, Rn. 54). |
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| Maßgeblich für die Zulässigkeit solcher „Mit-Finanzierungen“ ist, dass sich bei der Verwirklichung eines Projekts die gesetzlichen Zuständigkeiten verschiedener Hoheitsträger überschneiden, mithin jeder Hoheitsträger eigene, definierbare Aufgaben erfüllt, und nicht ein Hoheitsträger außerhalb seiner Zuständigkeiten alleinige Aufgaben eines anderen Hoheitsträgers (mit-)finanziert, weil deren Erfüllung - aus welchen Gründen auch immer - auch in seinem Interesse liegt. Solche finanziellen Zuwendungen würden der in Art. 104 a vorgesehenen Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenkompetenz widersprechen und das Gefüge der verfassungsmäßigen Finanzausstattung tangieren. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters ergibt sich daher eine Finanzierungskompetenz von Kommunen nicht alleine daraus, dass Großprojekte des Bundes wie Ministeriums- oder Kasernenneubauten vielfältige tatsächliche Auswirkungen auf die Kommune und ihre Bürger im Sinne eines „Kollateralnutzens“ haben. Vielmehr muss es sich um - gerade bei komplexen Infrastrukturprojekten anzutreffende - Fallkonstellationen handeln, bei denen die Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche verschiedener staatlicher Ebenen aufeinandertreffen. Ein solches Verständnis stärkt im Ergebnis auch die in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistete kommunale Selbstverwaltung und gibt den Kommunen die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bei Großprojekten eigene Zielvorstellungen zu verwirklichen, die die Aufgabenerfüllung des anderen Hoheitsträgers nicht zwingend erfordern würden. |
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| ee) Bei der finanziellen Beteiligung der Beklagten an dem Projekt Stuttgart 21 handelt es sich um einen solchen Fall zulässiger Mit-Finanzierung eines Infrastrukturprojekts durch verschiedene Hoheitsträger. |
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| Dem Projekt Stuttgart 21 ging bei Baubeginn im Jahr 2010 eine über 15-jährige Planungsphase voraus. Stuttgart 21 geht auf Diskussionen um die Schaffung einer schnellen Verbindung zwischen Stuttgart und Ulm, als Fortsetzung der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart, in den 1980er Jahren zurück. Aufbauend auf einem Vorschlag von Gerhard Heimerl von 1988 und verschiedenen Forderungen der Beteiligten wurde in einem mehrjährigen Diskussionsprozess das Konzept Stuttgart 21 entwickelt und 1994 der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach weiteren Studien wurden 1997 das Raumordnungsverfahren abgeschlossen und ab 2001 die Planfeststellungsverfahren für die einzelnen Planfeststellungsabschnitte durchgeführt. Der Kernbereich - Umbau des Hauptbahnhofs mit Talquerung sowie Innenring samt Zuführungen, Planfeststellungsabschnitt 1.1 - wurde mit Beschluss des Eisenbahnbundesamtes vom 28.01.2005 planfestgestellt. |
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| Für die aus eisenbahnverkehrlicher Sicht notwendige Ertüchtigung des Hauptbahnhofs und die Anbindung der Landeshauptstadt an die Schnellbahnstrecke Stuttgart - Ulm - Augsburg standen im Vorfeld diverse Varianten zur Diskussion, so z.B. die Beibehaltung des Kopfbahnhofs, die Führung von Fernzügen über Stuttgart-Untertürkheim oder Stuttgart-Bad-Cannstatt anstatt über den bisherigen Hauptbahnhof etc. (vgl. im einzelnen Wikipedia, Geschichte von Stuttgart 21). Am 07.11.1995 schlossen die Deutsche Bahn AG, die Bundesrepublik Deutschland, das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart sowie die Beklagte eine Rahmenvereinbarung zum Projekt Stuttgart 21, in dem sich die Beteiligten auf ein gemeinsames Konzept für die Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart einigten. Dieses Konzept legt als wesentliches Element die Ersetzung des Kopfbahnhofs durch einen tiefliegenden Durchgangsbahnhof und die Verlagerung des Abstellbahnhofs fest mit der Folge, dass Grundstücksflächen von ca. 100 ha für eine städtebauliche Entwicklung der Beklagten nutzbar werden. Es sieht weiter den Erhalt und den weiteren Ausbau einer systematischen Vernetzung aller Verkehrsträger, insbesondere des öffentlichen Verkehrs, in der Region Stuttgart vor (zur Beschreibung des Projekts im einzelnen s. § 2, zu Investitionen und Finanzierungsfragen s. § 3 der Rahmenvereinbarung). Bereits aus der Rahmenvereinbarung wird deutlich, dass die Beteiligten das Projekt Stuttgart 21 als gemeinsames Verkehrs- und Städtebauprojekt verstanden haben. Die Entscheidung des Vorhabenträgers für einen Durchgangsbahnhof am bisherigen Standort ist nicht nur der ohnehin erforderlichen Anbindung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm an den Knoten Stuttgart geschuldet und begründet für die Beklagte damit auch nicht nur einen mit nahezu jeder Eisenbahnplanung verbundenen unspezifischen „Kollateralnutzen“. Das Projekt Stuttgart 21 ist vielmehr auch ein städtebauliches und (nah-)verkehrliches Projekt, so dass es gerechtfertigt ist, dass sich die Beklagte zur Erfüllung genuin kommunaler Aufgaben an den Projektkosten beteiligt. Diese Sichtweise lag im Übrigen auch der finanziellen Beteiligung des Bundes an den Projektkosten zu Grunde. Der Baukostenzuschuss des Bundes, ein Festbetrag aus Mitteln nach § 8 Abs. 1 BSWAG i.H.v. 500 Mio. EUR (Preis- und Planungsstand 2004) ergibt sich aus den „Sowieso-Kosten“ der ursprünglich geplanten Anbindung der NBS Wendlingen-Ulm in den Knoten Stuttgart (vgl. § 5 Abs. 2 der Gemeinsamen Erklärung zur Realisierung der Projekte „Stuttgart 21“ und „NBS Wendlingen - Ulm“ vom 02.04.2009). Entsprechend dem Grundgedanken, dass es sich der Sache nach bei Stuttgart 21 um ein gemeinsames Projekt verschiedener Hoheitsträger handelt, wurde auch zeitgleich mit dem Abschluss des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009 ein sog. Lenkungskreis eingerichtet. In diesem sollen Vertreter des Landes, des Verbandes Region Stuttgart, der Eisenbahninfrastrukturunternehmen und auch der Beklagten zusammenarbeiten, um die zeit-, kosten- und qualitätsgerechte Realisierung des Projekts sicherzustellen (vgl. Geschäftsordnung Lenkungskreis, Anlage 13.5 des Finanzierungsvertrages vom 02.04.2009). Zu Unrecht geht daher Prof. Meyer in seinem Gutachten vom 03.11.2010 (S. 43 f; Fn. 59) davon aus, das Projekt Stuttgart 21 sei „vom Ursprung, der Zielsetzung und der Durchführung her“ ein reines Bahnprojekt, die Wirkungen des „Stadtumbaus“ ergäben sich als bloße Konsequenz der Planungen der Bahn und die konkrete Ausgestaltung des Projekts sei für die zu untersuchende Rechtsfrage nicht relevant. |
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| Im Ergebnis handelt es sich bei dem Projekt Stuttgart 21 um ein Verkehrs- und Städtebauprojekt, bei dem sich die Aufgaben verschiedener Hoheitsträger mit entsprechenden Finanzierungskompetenzen überschneiden. Die Aufgaben des Bundes im Bereich der Eisenbahnen ergeben sich im einzelnen aus Art. 87 e GG, wobei die Kammer wie dargelegt offen lässt, welche Folgen die Aufgabenprivatisierung durch Art. 87 e Abs. 3 GG im Bereich der Eisenbahnverkehrsdienstleistung und des Netzbetriebs hat. Das Land ist nach dem Vorbehalt in Art. 87 e Abs. 4 GG für das Verkehrsangebot im Schienenpersonennahverkehr zuständig. Die Beklagte kann sich für ihre Aufgaben- und Ausgabenkompetenz auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 71 Abs. 1 LV BW berufen, wonach die Gemeinden im Rahmen der Gesetze für alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuständig sind. Die Garantie umfasst die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen (sog. „Allzuständigkeit“ der Gemeinden; vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.11.1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 -, BVerfGE 79, 127 ff.). Die Beklagte kann sich wegen ihrer Finanzierungsbeiträge zum Projekt Stuttgart 21 auf ihre Zuständigkeit für die städtebauliche Entwicklung, die gemeindliche Verkehrspolitik und die örtliche Wirtschaftsförderung berufen: |
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| Zum anerkannten Aufgabenbereich der Gemeinden zählt die Planungshoheit, d.h. die Befugnis, gestalterische Konzepte zu entwickeln und die städtebauliche Entwicklung durch Bauleitpläne einschließlich der damit verbundenen finanziellen Entscheidungen zu ordnen (vgl. § 2 Abs. 1 BauGB; Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 8. Aufl., Rn. 89). Die Entwicklung und Umsetzung von Konzepten für den „Stadtumbau“ gehört damit zum Aufgabenbereich einer Gemeinde. Nach der Verwirklichung des Projekts S 21 sollen Gleisflächen in einer Größenordnung von ca. 100 ha frei werden, die künftig für die städtebauliche Entwicklung im Zentrum der Landeshauptstadt zur Verfügung stehen. Daneben sollen der Schlossgarten und der Rosensteinpark erweitert und von allen Seiten zugänglich gemacht werden. Die Gemeinden sind auch befugt, im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie eine gemeindliche Verkehrspolitik zu betreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.06.2001 - 4 CN 1/01 -, BWGZ 2002, 84 f.). Durch den Umbau des Verkehrsknotens Stuttgart sollen Fern-, Regional- und Nahverkehr besser miteinander vernetzt werden. Es soll eine zusätzliche S-Bahn-Haltestelle zur Anbindung der neu entstehenden Stadtteile eingerichtet werden. Im Hinblick auf die Feinstaubproblematik will die Beklagte mehr Verkehr auf die Schiene verlagern. Die Förderung der örtlichen Wirtschaft gehört schließlich ebenfalls zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinde (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 7 C 6/88 -, BVerwGE 84, 236 ff.). Die Beklagte sieht in der Qualität der Verkehrsinfrastruktur nachvollziehbar einen Schlüsselfaktor im internationalen Standortwettbewerb. Das Projekt soll die Erreichbarkeit der Landesmesse und des Flughafens verbessern und die Fahrzeit zwischen Stuttgart und anderen Großstädten verkürzen. Die Investitionen sollen sich - mittelbar - durch höhere Einnahmen aus Gewerbesteuer, Einkommenssteuer, Grundsteuer und Grunderwerbssteuer auszahlen. |
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| ff) Eine andere rechtliche Beurteilung der Mischfinanzierung ergibt sich für die Kammer auch nicht als Auswirkung von Grundgesetzänderungen im Zusammenhang mit der Föderalismusreform I von 2006. |
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| Der Klägervertreter hat unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. Huber (http://epub.ub.uni-muenchen.de/13870/1/foederalismus.pdf.) von der Universität München vorgetragen, die am 01.09.2006 im Zuge der Föderalismusreform I in Kraft getretenen Grundgesetzänderungen hätten Mischfinanzierungen endgültig beenden sollen. Er beruft sich für diese Auffassung insbesondere auf das in Art. 84 Abs. 1 S. 7 und Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG n.F. geregelte Verbot eines „Durchgriffs“ des Bundes auf die Kommunen. |
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| Nach diesen mit der Föderalismusreform I in das Grundgesetz eingefügten Bestimmungen dürfen durch Bundesgesetz Gemeinden und Gemeindeverbänden keine Aufgaben übertragen werden. Die Vorschriften dienen zwar einer Entflechtung in der Finanzverfassung, betreffen aber den Schutz der Organisationshoheit der Länder und den Schutz der verfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten kommunalen Selbstverwaltung insbesondere vor den finanziellen Folgen von Aufgabenübertragungen durch den Bund (vgl. etwa Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, GG, 11. Aufl., Art. 84 Rn. 29, Art. 85 Rn. 5). Das „Durchgriffsverbot“ hat die Gemeinden aus der Zwangslage befreit, vom Bund ohne Kostenausgleich mit finanzwirksamen Aufgaben betraut zu werden, und es allein den Ländern vorbehalten, den Kommunen (materiell) staatliche Aufgaben zu übertragen. Dann aber greifen die landesverfassungsrechtlichen Garantien, namentlich das Konnexitätsgebot (ebenso Huber, a.a.O., S. 13 f.). |
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| gg) Der Einwand der Kläger, der Finanzierungsanteil der Beklagten sei entgegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.1989 (a.a.O.) nicht entsprechend ihrem Anteil an der Aufgabenerfüllung, sondern willkürlich gewählt, führt ebenfalls nicht zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. |
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| Die mit dem Bürgerbegehren verfolgte Kündigung ist nach der Begründung maßgeblich darauf gestützt, dass eine Mitfinanzierung des „Baus von Eisenbahnen des Bundes“ durch die Beklagte grundsätzlich verfassungswidrig sei und daher die Beklagte aus dem Projekt „aussteigen“ solle. An keiner Stelle ist davon die Rede, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden soll, weil der Finanzierungsbeitrag der Beklagten falsch - etwa zu hoch - berechnet worden sei. Im Übrigen würde dies nach Auffassung der Kammer allenfalls eine Vertragsanpassung entsprechend § 60 LVwVfG zur Herstellung „aufgabenadäquater Finanzierungsbeiträge“, nicht jedoch eine Kündigung der Verträge rechtfertigen. Ob der Beklagten in diesem Rahmen ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zusteht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht geklärt zu werden. |
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| hh) Nachdem das Bürgerbegehren bereits aus anderen Gründen unzulässig ist, kann die Kammer auch offen lassen, ob die Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 Satz 4 GemO BW erfüllt sind, d.h. die Begründung ausreichend ist (zu den Anforderungen vgl. Kammerurteil vom 17.07.2009 - 7 K 3229/08 -, a.a.O.) und der Kostendeckungsvorschlag einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der mit einer Kündigung der Beklagten verbundenen Kosten enthält. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO. |
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| Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. |
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