Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - DL 23 K 1960/22

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der Antragsteller begehrt im Wege eines „Antrag[s] auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO“, die auf Grundlage des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.05.2021 – DL 23 K 2685/21 – durchgeführte Durchsuchung seiner Wohnung am 20.05.2021 in der A-Straße xx in B für rechtswidrig zu erklären sowie die Herausgabe der dabei beschlagnahmten Gegenstände anzuordnen. Mit dem genannten Beschluss vom 20.05.2021 hatte das Verwaltungsgericht – soweit hier relevant – die Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers im C-Weg xx in D, einschließlich zugehöriger Neben- und Kellerräume sowie der von ihm genutzten Fahrzeuge und der Person des Antragstellers sowie der ihm gehörenden Sachen angeordnet (Ziffer 1), die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel dienen können und vom Gewahrsamsinhaber nicht freiwillig herausgegeben werden, angeordnet (Ziffer 2) und die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung bis zum 20.08.2021 befristet (Ziffer 3).
Die Anträge, über die nach § 7 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 AGVwGO der Berichterstatter zu entscheiden hat, bleiben ohne Erfolg. Sie sind bereits unzulässig.
I. Der Antrag des Antragstellers, die Durchsuchung in seiner Wohnung in der A-Straße … in B für rechtswidrig zu erklären, ist unstatthaft.
1. Soweit sich der Antragsteller mit diesem Antrag (auch) unmittelbar gegen den Durchsuchungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.05.2021 wenden sollte – was er nicht ausdrücklich erklärt, was aber angesichts seines Vorbringens zu seiner im Durchsuchungsbeschluss falsch bezeichneten Wohnanschrift zumindest denkbar erscheint – wäre hierfür auch nach dem Vollzug der Durchsuchung allein das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 2 LDG i.V.m. § 146 Abs. 1 VwGO statthaft (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.05.2022 – DL 16 S 510/22 –, n.v. und Beschluss vom 16.03.2009 – DB 16 S 57/09 –, juris Rn. 2; Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.04.2014 – 16b DC 12.2380 –, juris Rn. 2 zu § 27 BDG; Düsselberg, in: von Alberti u.a., Disziplinarrecht Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2021, § 17 LDG Rn. 12; s. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2020 – 1 S 2679/19 –, juris Rn. 64 zur Überprüfung einer in einem vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren ergangenen richterlichen Durchsuchungsanordnung).
2. Soweit es dem Antragsteller dagegen mit seinem Antrag um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung am 20.05.2021 geht, hätte er eine Feststellungsklage nach § 2 LDG i.V.m. § 43 Abs. 1 VwGO erheben müssen. Der gestellte Antrag nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO ist unstatthaft.
a) Nach § 2 LDG finden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, das Landesverwaltungsverfahrensgesetz und, sofern das Verwaltungsgericht in dem Verfahren mitwirkt, die Verwaltungsgerichtsordnung und die zu ihrer Ausführung ergangenen Rechtsvorschriften Anwendung. Gemäß § 17 Abs. 1 LDG gelten für die Sicherstellung und Herausgabe von Gegenständen, die als Beweismittel für die Ermittlungen von Bedeutung sein können, sowie für Beschlagnahmen und Durchsuchungen § 33 Abs. 2 bis 4, § 36 Abs. 2 Satz 1, § 94 Abs. 1 und 2, §§ 95 bis 97, § 98 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 4, § 102, § 103 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 104, § 105 Abs. 2 und 3 sowie §§ 106 bis 110 der Strafprozessordnung entsprechend. § 98 StPO regelt das Verfahren bei der Beschlagnahme. Nach § 98 Abs. 2 Satz 1 StPO soll der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO kann der Betroffene jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Über seinen Wortlaut hinaus wird der Rechtsbehelf des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO in der strafgerichtlichen Rechtsprechung auch auf die nachträgliche gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit bereits durch Vollzug erledigter Eingriffsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen und die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Durchführung einer erledigten richterlichen oder nichtrichterlichen Maßnahme entsprechend angewandt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, juris Rn. 16). Zudem unterliegt die Rechtmäßigkeit der Art und Weise des Vollzuges einer richterlich angeordneten Durchsuchungsmaßnahme nach ständiger strafgerichtlicher Rechtsprechung der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog (BGH, Beschluss vom 18.05.2022 – StB 17/22 –, juris Rn.19 m.w.N.; siehe dazu auch BVerfG, Beschluss vom 13.03.2018 – 2 BvR 2990/14 –, juris Rn. 20). Hintergrund dieser Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO durch den Bundesgerichtshof (vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 07.12.1998 – 5 AR (VS) 2/98 –, BGHSt 44, 265-275 und Beschluss vom 25.08.1999 – 5 AR (VS) 1/99 –, BGHSt 45, 183-187) war, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 30.04.1997 – 2 BvR 817/90 – die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG durch die Strafgerichte auch in Fällen tiefgreifender, jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe im Zusammenhang mit vollzogenen richterlichen Durchsuchungsanordnungen eingefordert hatte.
b) Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 17 Abs. 1 LDG i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO in direkter Anwendung ist vorliegend schon deshalb unstatthaft, weil der Antragsteller mit seinem ersten Antrag nicht – wie in § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgesehen – die Überprüfung einer Beschlagnahmemaßnahme begehrt, sondern die Überprüfung einer Durchsuchungsmaßnahme.
c) Eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 VwGO kommt im Rahmen des § 17 Abs. 1 LDG ebenfalls nicht in Betracht (ebenso zur analogen Anwendbarkeit des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO im Vereinsrecht VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.04.2019 – 1 S 982/18 –, juris Rn. 16 f.; a.A. offenbar zu § 29 HmbDG Hamburgisches OVG, Beschluss vom 03.07.2012 – 12 Bf 58/12.F –, juris Rn. 22 und zu § 27 Abs. 1 BDG VG Ansbach, Beschluss vom 28.03.2011 – AN 6a DA 10.02112 –, juris Rn. 17 f. – jew. ohne weitere Begründung).
aa) Ihr steht bereits entgegen, dass § 17 Abs. 1 LDG zwar eine entsprechende Anwendbarkeit des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO in direkter Anwendung vorsieht, sich jedoch nicht auf eine analoge Anwendung des Rechtsbehelfs nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO erstreckt. Die Auslegung des § 17 Abs. 1 LDG ergibt, dass die Verweisung auf § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht über dessen Wortlaut hinaus auch die Überprüfung von Durchsuchungsmaßnahmen im Sinne der §§ 102, 103 StPO ermöglichen soll.
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Bereits anhand des Wortlauts des § 17 Abs. 1 LDG, der nur ganz bestimmte Vorschriften der Strafprozessordnung für entsprechend anwendbar erklärt, ist davon auszugehen, dass sich die Verweisung nur auf die strafprozessualen Maßnahmen bzw. Eingriffsgrundlagen und – mit Ausnahme des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO in direkter Anwendung – nicht auch auf strafprozessuale Rechtsbehelfe bezieht.
11 
Diese Einschätzung wird durch die historische Auslegung bestätigt. Aus der Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 1 LDG geht hervor, dass auf die Sicherstellung und die Pflicht zur Herausgabe von Beweisgegenständen sowie für Beschlagnahmen und Durchsuchungen die besonderen Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechend Anwendung finden sollen, weil Beweismittel dem unmittelbaren Zugriff des Dienstherrn entzogen sein könnten. Für den Fall, dass ein Beweisgegenstand nicht freiwillig herausgegeben werde, sollten wie bisher (§ 54 Satz 2 LDO) Beschlagnahmen und Durchsuchungen möglich sein (LT-Drs. 14/2996, S. 76). Diese Ausführungen deuten bereits klar darauf hin, dass es dem Gesetzgeber mit dem Verweis in § 17 Abs. 1 LDG ganz maßgeblich um die Nutzung der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse im Disziplinarverfahren ging und nicht um die Inbezugnahme der strafprozessualen Rechtsbehelfe und Rechtsmittel. Dass der Gesetzgeber stattdessen grundsätzlich die Rechtsbehelfe der Verwaltungsgerichtsordnung zur Überprüfung von strafprozessual begründeten Eingriffsmaßnahmen der Disziplinarbehörde vorsehen wollte, zeigt seine Begründung zu § 17 Abs. 2 Satz 2 LDG, wonach der Betroffene die Möglichkeit habe, die Rechtmäßigkeit der durch die Disziplinarbehörde durchgeführten Eilmaßnahme (Beschlagnahme oder Durchsuchung) nach allgemeinen Regeln, ggf. im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) vom Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen (LT-Drs. 14/2996, S. 76). Es ist allein schon deshalb nicht ersichtlich, warum für die Überprüfung einer richterlich angeordneten Durchsuchungsmaßnahme demgegenüber der strafprozessuale Rechtsbehelf des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog zur Anwendung kommen sollte. Hiergegen spricht im Übrigen auch, dass der Gesetzgeber das Disziplinarrecht ausweislich der Gesetzesbegründung von der bisherigen Bindung an das Strafprozessrecht so weit wie möglich lösen und in ein Verwaltungsverfahren mit sich gegebenenfalls anschließendem, gebührenpflichtigem Streitverfahren vor dem Verwaltungsgericht überführen wollte (LT-Drs. 14/2996, S. 1). Die weiteren Implikationen dieser Absicht lässt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 2 LDG erkennen. Dort heißt es, dass durch die Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts das Disziplinarverfahren weitgehend vom Strafverfahrensrecht gelöst werden solle. Auf die Bestimmungen der Strafprozessordnung solle nur noch insoweit verwiesen werden, als auf sie nicht verzichtet werden könne. Für den Fall der Mitwirkung des Verwaltungsgerichts im behördlichen Disziplinarverfahren (§ 16 Abs. 3 LDG: richterliche Vernehmungen; § 17 Abs. 2 LDG: Anordnung von Beschlagnahmen oder Durchsuchungen, § 37 Abs. 3 LDG: gerichtliche Fristsetzung zum Abschluss des Verfahrens) seien die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung und des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung ergänzend anzuwenden. Das Gericht solle auch in diesen Fällen grundsätzlich nach den im gerichtlichen Verfahren geltenden Bestimmungen vorgehen können. Die Anwendung von Vorschriften der Strafprozessordnung sei nur noch an wenigen Stellen des Gesetzentwurfs vorgesehen. Insoweit fehle es im Verwaltungsverfahrens- und -prozessrecht entweder an entsprechenden Vorschriften (so u.a. bei § 17 Abs. 1 über Beschlagnahmen und Durchsuchungen), oder die Vorschriften der Strafprozessordnung seien feiner ausdifferenziert. An der Verweisung auf die Vorschriften der Strafprozessordnung solle daher festgehalten werden. Aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Erleichterung der Handhabung in der Praxis solle jedoch auf noch im Anhörungsentwurf vorgesehene allgemeine Verweisungen in die Strafprozessordnung verzichtet und stattdessen stets auf bestimmte Vorschriften der Strafprozessordnung verwiesen werden (LT-Drs. 14/2996, S. 57 f.). Diese Ausführungen in der Gesetzesbegründung lassen keine Zweifel daran, dass der Gesetzgeber mit den einzelnen und sehr beschränkten Verweisungen auf die Strafprozessordnung gerade in § 17 Abs. 1 LDG die Nutzung der strafprozessualen Eingriffsmaßnahmen für das Disziplinarverfahren vor Augen hatte und er den Rechtsschutz gegen diese Maßnahmen – soweit nicht ausdrücklich anders geregelt – mit den Rechtsbehelfen der Verwaltungsgerichtsordnung gewährleisten wollte.
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Mit dieser Feststellung steht auch die systematische Auslegung des § 17 Abs. 1 LDG in Einklang. In Teil 1 des Landesdisziplinargesetzes unter Allgemeine Bestimmungen ist in § 2 LDG als allgemeiner Grundsatz die Anwendung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes und, sofern das Verwaltungsgericht – wie in den Fällen des § 17 Abs. 2 Satz 1 LDG – in dem Verfahren mitwirkt, die Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung sowie die zur ihrer Ausführung ergangenen Rechtsvorschriften festgeschrieben, soweit das Landesdisziplinargesetz nicht ausdrücklich etwas anderes regelt. Eine ausdrückliche Regelung zu Rechtsbehelfen gegen die Art und Weise der Durchführung einer richterlich angeordneten Durchsuchung findet sich im Landesdisziplinargesetz gerade nicht, weshalb der allgemeine Grundsatz zur Anwendung zu bringen ist.
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Schließlich führt auch die Betrachtung des Sinn und Zwecks des § 17 Abs. 1 LDG, der nach dem Vorstehenden in der Nutzbarmachung der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse im Disziplinarverfahren besteht, zu keinem anderen Ergebnis. Denn dieser erfordert gerade nicht notwendigerweise auch eine Überprüfung der Eingriffsmaßnahme mit einem strafprozessualen Rechtsbehelf.
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bb) Ungeachtet der fehlenden Inbezugnahme des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO durch § 17 Abs. 1 LDG für den Fall der Überprüfung von Durchsuchungsmaßnahmen fehlt es auch an den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO im Disziplinarverfahren. So ist schon keine planwidrige Regelungslücke im Landesdisziplinargesetz bzw. in der Verwaltungsgerichtsordnung, auf die das Landesdisziplinargesetz in § 2 LDG bei gerichtlicher Mitwirkung im Disziplinarverfahren grundsätzlich verweist, erkennbar, die durch eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO geschlossen werden müsste.
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Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Vollziehung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung kann zwar nicht im Wege der Beschwerde nach § 2 LDG i.V.m. § 146 Abs. 1 VwGO erfolgen, weil sich die Beschwerde per se nur gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung richten kann, nicht aber gegen Art und Weise des Vollzugs derselben. Denn Beschwerdegegenstand ist nach § 146 VwGO allein die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. zu § 27 BDG Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.04.2014 – 16b DC 12.2380 –, juris Rn. 3 m.w.N. und zu § 4 VereinsG VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2020 – 1 S 2679/19 –, juris Rn. 64; a.A. Weiß, in: ders., Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Bd. II, Lfg. 3/22, § 27 BDG Rn. 59m).
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Die Verwaltungsgerichtsordnung hält jedoch insbesondere mit der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO bzw. mit der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (ggf. in analoger Anwendung) Rechtsbehelfe bereit, die effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG auch in Fällen tiefgreifender, ggf. nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe im Zusammenhang mit vollzogenen richterlichen oder nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnungen gewährleisten (vgl. zum Ganzen – jeweils im vereinsrechtlichen Kontext – auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2020 – 1 S 2679/19 –, juris Rn. 65; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 11 OB 417/08 –, juris Rn. 3, VG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2021 – 18 K 6241/18 –, juris Rn. 38 ff.).
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II. Der Antrag des Antragstellers, die Herausgabe der am 20.05.2021 beschlagnahmten Gegenstände anzuordnen, ist ebenfalls unzulässig. Es fehlt dem Antragsteller insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antrag seine Rechtsstellung auch im Erfolgsfall nicht verbessern könnte. Der Anordnung der Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände – des insoweit allein in Betracht kommenden Mobiltelefons xx – stehen im Entscheidungszeitpunkt die Wirkungen des Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Stuttgart – Ermittlungsrichter – vom 10.12.2021 entgegen, mit dem das Amtsgericht nach §§ 94, 98 Abs. 1, 111b, 111c, 111j, 162 Abs. 1 StPO gemäß § 33 Abs. 4 StPO die Beschlagnahme des genannten Mobiltelefons des Antragstellers angeordnet hat, weil es für das Strafverfahren als Beweismittel von Bedeutung sein könne. Damit wurde hinsichtlich des Mobiltelefons ein amtliches Herrschaftsverhältnis des Antragsgegners begründet, das ihn zur amtlichen Inobhutnahme berechtigt. Die Beschlagnahmewirkung endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens oder mit der Aufhebung der Beschlagnahme (vgl. nur Hartmann, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl. 2022, § 98 StPO Rn. 11). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Strafverfahren gegen den Antragsteller zwischenzeitlich abgeschlossen ist oder dass die Beschlagnahme aufgehoben worden wäre.
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Solange die Wirkungen einer im Strafverfahren angeordneten Beschlagnahme eines Gegenstands andauern, ist es dem Verwaltungsgericht verwehrt, auf Grundlage des Landesdisziplinargesetzes die Freigabe dieses Gegenstands anzuordnen oder die Beschlagnahme aufzuheben. Unter anderem die §§ 13 und 14 LDG bringen eindeutig zum Ausdruck, dass der Landesdisziplinargesetzgeber den strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Beamten Vorrang gegenüber den disziplinarrechtlichen Ermittlungen einräumen wollte. So kann das Disziplinarverfahren nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LDG sogar ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geregelten Verfahren eine Frage zu entscheiden ist, die für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Auch sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 LDG im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend. Insoweit sind disziplinarrechtliche Ermittlungen im Sinne des § 12 LDG nicht erforderlich und dürfen nicht durchgeführt werden (LT-Drs. 14/2996, S. 70; Stehle, in: von Alberti u.a., Disziplinarrecht Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2021, § 12 LDG Rn. 3). Nach Auffassung des Gesetzgebers regeln neben § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG auch § 34 LDG und § 40 Abs. 2 Nr. 1 LDG den Vorrang des Straf- oder Bußgeldverfahrens gegenüber dem Disziplinarverfahren (LT-Drs. 14/2996, S. 70). Dieser Vorrang dient nach dem Willen des Gesetzgebers dem Zweck, widersprüchliche Entscheidungen im Disziplinarverfahren einerseits und in anderen gesetzlich geregelten Verfahren andererseits zu vermeiden und dadurch zugleich die disziplinarrechtlichen Ermittlungen zu entlasten und zu beschleunigen (vgl. LT-Drs. 14/2996, S. 70, 72). Diesem Zweck und dem Vorrang des Strafverfahrens widerspräche es grundlegend, wenn das Verwaltungsgericht auf Grundlage des Landesdisziplinargesetzes eine im Strafverfahren angeordnete Ermittlungsmaßnahme, gegen die ihrerseits Rechtsschutzmöglichkeiten nach der Strafprozessordnung bestehen, aufheben oder auch nur abändern könnte. Vor diesem Hintergrund bliebe der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis auch dann ohne Erfolg, wenn man ihn entsprechend § 88 VwGO als Antrag auf gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme nach § 17 Abs. 1 LDG i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO auslegen würde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Mangels einer entsprechenden Gebührenziffer im Gebührenverzeichnis nach dem Landesdisziplinargesetz (Anlage zu § 22 AGVwGO) sind Gerichtsgebühren für das Verfahren nicht zu erheben.

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