Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (3. Kammer) - 3 K 66/15.TR
Tenor
Die Disziplinarverfügung vom 26. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Vollstreckungsgläubigerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung, mit der gegen sie die Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung um ein Zehntel für die Dauer von 36 Monaten verhängt wird.
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Die am 27. Juni 1980 in ... geborene Klägerin steht als Polizeikommissarin im Dienst des beklagten Landes. Nach dem Besuch von Grund- und Realschule, die sie im Jahr 1996 mit der mittleren Reife erfolgreich verließ, absolvierte sie ein soziales Jahr in den ... in .... Von 1997 bis 1999 absolvierte sie eine Doppelt–Qualifizierende–Ausbildung (DoQA) zur Polizeimeisterin in ... und erwarb das Fachabitur. Danach war sie bis 2008 zunächst als Einsatzsachbearbeiterin bei der Bereitschaftspolizei ... tätig. Während dieser Zeit absolvierte sie die Aufstiegsausbildung zur Polizeikommissarin in ... . Ab 2008 war sie als Einsatzsachbearbeiterin bei der Polizeiinspektion ... in der Pfalz in der Dienstgruppe C beschäftigt.
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Ausweislich einer Leistungseinschätzung anlässlich des vorliegenden Disziplinarverfahrens wurde die Klägerin durch den Dienststellenleiter der Polizeiinspektion ... am 26. Mai 2012 dahingehend bewertet, dass sie bis zum Zeitpunkt der "ungerechtfertigten" Datenabfrage im Quervergleich mit anderen Kolleginnen und Kollegen desselben Statusamtes in einem Beförderungsverfahren eine bereits leicht überdurchschnittliche Leistungs– und Befähigungsbeurteilung erhalten hätte.
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Die Klägerin ist seit dem 29. November 2011 verheiratet und hat ein Kind.
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Mit Schreiben vom 30. November 2009 wurde gegen die Klägerin wegen des Verdachts der Verletzung ihrer Dienstpflichten in Gestalt eines strafrechtlich relevanten Zugriffs auf Daten in POLIS und der Offenbarung der so erlangten Daten ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Gleichzeitig wurde das Disziplinarverfahren für die Dauer des bei der Staatsanwaltschaft ... (Az.: 7100 Js 16132/09) anhängigen sachgleichen Strafverfahrens ausgesetzt. Der Klägerin wurde die Führung ihrer Dienstgeschäfte aus zwingenden Gründen verboten.
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Nach Anhörung wurde die Klägerin mit Bescheid vom 4. Mai 2010 vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung ihrer monatlichen Dienstbezüge um zehn v.H. wurde verfügt. Mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 20. Juli 2013 (3 L 329/10.TR) wurde die vorgenannte Verfügung ausgesetzt, soweit die Einbehaltung von Dienstbezügen angeordnet worden war. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf der Grundlage des maßgeblichen aktuellen Erkenntnisstandes offen sei, ob im Disziplinarverfahren die Entfernung aus dem Dienst als höchste disziplinarrechtliche Sanktion verhängt werde. Es bestehe eine hälftige Eintrittswahrscheinlichkeit dafür, dass sich die dahingehende Prognose des Beklagten als unzutreffend erweisen werde. Eine vorläufige Dienstenthebung sei jedoch im Einzelfall zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Ordnung des Dienstbetriebes gerechtfertigt. Die vorläufige Dienstenthebung wurde zum 12. November 2012 aufgehoben.
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Mit Urteil des Landgerichts ... vom 22. September 2011 (Az. 7100 Js 16132/09.1 KLs) wurde gegen die Klägerin wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen eine Verwarnung ausgesprochen. Die Verhängung einer Geldstrafe, die der Höhe nach auf 30 Tagessätzen zu je 50 € bestimmt worden war, blieb vorbehalten. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft ... mit Schreiben vom 10. Januar 2012 Revision ein. Mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 2012 (Az.: 4 ST 133/12) wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht ... zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts ... vom 18. Dezember 2013 (5063 Js 4095/13. 2 KLs) wurde die Klägerin wegen Verletzung von Privatgeheimnissen in Tateinheit mit der Verletzung von Dienstgeheimnissen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt.
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Zwischenzeitlich wurde mit Schreiben vom 10. Januar 2012 die Fortsetzung des ausgesetzten Disziplinarverfahrens angeordnet, da keine begründeten Zweifel mehr am ausermittelten Sachverhalt bestünden und die eingelegte Revision keine Auswirkungen auf den Sachverhalt haben könne.
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Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen wurde mit Schreiben vom 14. Juni 2012 erstellt und mit Schreiben vom 31. Juli 2012 korrigiert.
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Mit Verfügung vom 26. Oktober 2012 wurde gegen die Klägerin die Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung dergestalt verhängt, dass ihre monatlichen Dienstbezüge um 1/10 für die Dauer von 36 Monaten gekürzt wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe am 16. November 2009 ohne dienstlichen Anlass, sondern aus rein privaten Gründen und um ihren Vater bei seiner politischen Tätigkeit zu unterstützen, zunächst den Kollegen Herrn PK A und später auch die Polizeibeamten PK B und POK C veranlasst, die Personen D, E und F in POLIS abzufragen. Die Klägerin selbst habe gegen 19.58 Uhr ebenfalls eine POLIS–Abfrage zur Person F getätigt. Die anlässlich der Datenabfrage zu den Personen D und E erstellten Computerausdrucke habe die Klägerin mit nach Hause genommen, wo sie drei dieser Ausdrucke am 20. November 2009 ihrem Vater, dem Landtagsabgeordneten und Mitglied des Untersuchungsausschusses des Rheinland- Pfälzischen Landtages "Nürburgring GmbH", G überlassen habe.
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Durch dieses Verhalten habe die Klägerin schuldhaft die ihr obliegenden Pflichten zu vollem persönlichen Einsatz, zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und die besonderen Dienstpflichten eines Polizeibeamten verletzt. Darüber hinaus habe sie gegen die Pflicht, ihr Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen wahrzunehmen sowie gegen die für sie maßgebliche Rahmendienstanweisung für den Datenschutz und die Datensicherheit bei der Polizei und damit gegen ihre Gehorsamspflicht verstoßen. Auch liege ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Landesdatenschutzgesetz vor. Durch den Datenabruf und das unbefugte Offenbaren an einen Dritten seien das Vertrauen und die Achtung gegenüber dem Amt eines Polizeibeamten sowie das Ansehen der Beamtenschaft in besonderer Weise beeinträchtigt worden. Das Fehlverhalten habe zu einem Strafverfahren geführt, in welchem die Klägerin verurteilt worden sei. Die Begehung von Straftaten gehöre zu denjenigen Verhaltensweisen eines Beamten, die dem Ansehen und dem des Staates regelmäßig abträglich seien.
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Die Klägerin habe die Abfragen durch einen nicht dienstlich veranlassten Auftrag an die Kollegen getätigt und diese dabei ganz bewusst als gutgläubige Werkzeuge für ihre Zwecke eingesetzt und sie damit der straf– und disziplinarrechtlichen Verfolgung ausgesetzt. Dies sei nicht lediglich aus Neugier geschehen, sondern in der Absicht, dem Vater diese Informationen als Unterstützung in dessen politischer Arbeit zur Verfügung zu stellen. Ein derartiges Verhalten sei im höchsten Maß unkollegial und gegen die Interessen des Dienstherrn gerichtet.
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Die Klägerin könne sich zu Ihren Gunsten nicht auf die Anwendung des relativen Maßnahmeverbots nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG berufen, da im Disziplinarverfahren einerseits und im Strafverfahren andererseits nicht derselbe Sachverhalt vorliege. Im Disziplinarverfahren würden der Klägerin neben dem Verrat von Privatgeheimnissen auch die unbefugte Abfrage von Daten sowie die Anstiftung von Kollegen zu solchen Datenabfragen vorgehalten.
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Aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen sei eigentlich die Entfernung aus dem Dienst geboten. Mit den vorgehaltenen Handlungsweisen habe die Klägerin einen Charaktermangel offenbart, der dem gewährten Vertrauensvorschuss eklatant entgegenstehe. Die der Pflichtverletzung nachfolgende negative Presseberichterstattung müsse der Klägerin angelastet werden, da sie vorhersehbar gewesen sei. Der Klägerin habe auch klar sein müssen, dass die Daten von ihrem Vater politisch verwendet würden.
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Den Milderungsgründen der ordnungsgemäßen Dienstleistung, der disziplinarrechtlichen sowie strafrechtlichen Unbescholtenheit und auch der langen Verfahrensdauer sei kein derartiges Gewicht beizumessen, dass sie die Schwere der Verfehlung aufwiegen könnten. Zu ihren Gunsten sei berücksichtigt worden, dass sie nach Kenntnis der Anhörung der drei von ihr angestifteten Beamten eine freiwillige Aussage getätigt und ihren Fehler eingestanden und sich ausdrücklich entschuldigt habe. In Anbetracht dieser Umstände werde von der Erhebung einer Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst abgesehen. Da eine Zurückstufung aufgrund der Tatsache, dass die Beamtin sich im Eingangsamt befinde, nicht möglich sei, stelle die Kürzung der Dienstbezüge die erforderliche, angemessene und auch verhältnismäßige Maßnahme dar, um der Klägerin das disziplinare Unrecht ihres Verhaltens nachhaltig vor Augen zu führen.
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Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde, nachdem das Widerspruchsverfahren zunächst ausgesetzt war und nach Ergehen des Urteils des Landgerichts ... am 18. Dezember 2013 mit Bescheid vom 28. November 2014 fortgesetzt wurde, mit Bescheid gleichen Datums zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nunmehr nach der Entscheidung des Landgerichts ... zugrunde zu legen sei, dass die Klägerin auch eine Verletzung von Dienstgeheimnissen nach § 353 Buchst. b Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen habe. Die Klägerin habe ihre Kollegen als Werkzeuge benutzt, um Erkenntnisse aus dem Informationssystem zu erlangen. Insbesondere habe sie den damaligen Polizeikommissar-Anwärter A, der durch seinen Ausbildungsstatus einen untergeordneten Rang zur Klägerin innegehabt habe, unter Ausnutzung seiner Arglosigkeit und seiner Hilfsbereitschaft in ihr Vorgehen involviert. Nach den Feststellungen des Landgerichts sei auch davon auszugehen, dass die Klägerin die Ausdrucke mit nach Hause genommen habe, um diese bei der nächsten Gelegenheit ihrem Vater zu zeigen und auch zu übergeben. Hierdurch habe sie billigend in Kauf genommen, dass der Vater diese Informationen nicht nur als Hintergrundinformation für seine politische Arbeit nutzen werde, sondern diese auch an die Presse weiterleiten würde. Der im Disziplinarverfahren zugrunde gelegte Sachverhalt sei ein weitergehender als der im Strafverfahren geahndete. Ein Disziplinarmaßnahmeverbot liege von daher nicht vor.
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Hiergegen hat die Klägerin am 9. Januar 2015 fristgemäß die vorliegende Klage erhoben. Sie beruft sich weiterhin auf das Maßnahmeverbot nach § 13 Abs. 1 LDG. Die hier relevanten Daten habe sie am gleichen Tag unbefugt abgefragt und mit nach Hause genommen, wo ihr Vater, der wenige Tage später zu Besuch in Ihrem Haus gewesen sei, drei der sechs Kopien nach einem gemeinsamen Gespräch an sich genommen habe. Damit handle es sich um einen zeitlich und räumlich eng zusammenhängenden Geschehensablauf ohne wesentliche Zwischenschritte. Die Vorgänge seien sämtlich Gegenstand der strafgerichtlichen Überprüfung gewesen. Unerheblich sei es, dass sie im Strafverfahren nur wegen Verletzung von Privat- und Dienstgeheimnissen verurteilt worden sei. Ohne die vorherige Abfrage der Daten sei es ihr nicht möglich gewesen, die Ausdrucke mit nach Hause zu nehmen, wo sie von ihrem Vater abgegriffen worden seien.
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Greife zu Ihren Gunsten sowohl das absolute als auch das relative Maßnahmeverbot, sei eine zusätzliche Disziplinierung nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG nicht erforderlich, da nicht ersichtlich sei, weshalb sie trotz der bereits verhängten strafrechtlichen Sanktion auch in Zukunft gegen ihre Beamtenpflichten verstoßen werde. Zu Ihren Gunsten seien im Übrigen ihre strafrechtliche und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, die untadelige Amtsführung, die guten bzw. überdurchschnittlichen Leistungen, die charakterliche Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, die unverzügliche Offenbarung und die gezeigte Reue zu berücksichtigen. Wesentlich sei auch in die Ermessensentscheidung einzustellen, dass die Sensibilität der Daten im polizeilichen Informationssystem und der Umgang hiermit bis zum Zeitpunkt des Dienstvergehens nicht nachdrücklich im Bewusstsein der Polizeibeamten verankert gewesen seien. Schließlich seien die lange Verfahrensdauer und die strafrechtliche Verurteilung zu sehen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 28. November 2014 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, § 13 LDG finde keine Anwendung, da Gegenstand des Disziplinarverfahrens zwei disziplinarrechtlich relevante Lebenssachverhalte seien. Eindeutig bestehe zwischen diesen Sachverhalten nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Zäsur. Von einem einheitlichen Lebensvorgang könne nicht die Rede sein. Bereits die Tatsache, dass die Klägerin das Vertrauen der Kollegen, insbesondere das Vertrauen eines Polizeikommissar–Anwärters, ausgenutzt habe, müsse für sich betrachtet als ein schweres Dienstvergehen gesehen werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Personal- und Verwaltungsakten verwiesen. Diese lagen dem Gericht ebenso wie die Strafakte der Staatsanwaltschaft ... (5036J 11.4.2009 5/13 2 KLs) vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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Die nach §§ 42, 72 Landesdisziplinargesetz vom 2. März 1998 (GVBl S. 29), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juni 2013 (GVBl S. 157), zulässige Klage führt in der Sache zum Erfolg. Die Disziplinarverfügung vom 26. Oktober 2012 in Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 21 LDG i.V.m. § 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Disziplinierung des von der Klägerin begangenen Dienstvergehens mittels der streitgegenständlichen Kürzung der Dienstbezüge steht das relative Maßnahmeverbot des § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG entgegen.
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Die Klägerin hat durch die ohne dienstlichen Anlass u.a. über Kollegen durchgeführte Abfrage personenbezogener Daten und deren Weitergabe an ihren Vater schuldhaft elementare Kernpflichten verletzt und sich hierdurch eines Dienstvergehens schuldig gemacht (§ 47 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) – BeamtStG -).
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Dabei legt das Gericht seiner Würdigung den im Strafverfahren durch das Landgericht ... in seinem Urteil vom 18. Dezember 2013 (Az. 5036 Js 4095/13 2 KLs) festgestellten Sachverhalt zugrunde. Hier heißt es im Einzelnen zum Tatgeschehen:
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"…….Am 16. November 2009 versah die Angeklagte J gemeinsam mit weiteren Beamten der Dienstgruppe C den Spätdienst in der Polizeiinspektion .... Sie hatte die vorangegangene Berichterstattung über die Nürburgring Affäre und insbesondere die Berichterstattung über die vorausgegangene aktuelle Stunde im Landtag verfolgt und entschloss sich nicht widerlegbar aus eigenem Antrieb, die beteiligten Personen aus Neugier und ohne dienstlichen Anlass selbst in POLIS zu überprüfen. Da sie zu diesem Zeitpunkt über keinen eigenen Computerarbeitsplatz verfügte, bat sie zunächst den damaligen Polizeikommissaranwärter A, der an einem Computer in der Wache der PI ... saß, eine Abfrage hinsichtlich der Personen D und E durchzuführen. Dieser startete in der Annahme, es handele sich um dienstlich veranlasste Abfragen, daraufhin um 12:39 Uhr eine Abfrage bezüglich D und um 12:43 Uhr eine Abfrage zu E, die jedoch mangels Eingabe eines eingegrenzten Zusatzkriteriums zu keinem Ergebnis führte, weil beide Personen bei einer lediglich landesweiten Recherche nicht zu finden waren und eine bundesweite Abfrage ohne Zusatzkriterium zu einer Trefferanzahl von über 200 führte, bei der eine Trefferliste nicht mehr angezeigt und vielmehr die Eingabe eines Zusatzkriterium erforderlich wird. Die Angeklagte J ließ die Sache danach zunächst auf sich beruhen.
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Im weiteren Verlauf ihres Dienstes gelang es der Angeklagten J schließlich, die Geburtsdaten der sie interessierenden Personen herauszufinden, nicht widerlegbar mittels einer Google Internetrecherche. Mit den nunmehr zur Verfügung stehenden Geburtsdaten wandte sie sich wiederum an Kollegen der Spätschicht, die Sie um POLIS–Abfragen bat. Diese Kollegen gingen davon aus, dass es einen dienstlichen Anlass zu diesen Abfragen gab. Den Bitten der Angeklagten J nachkommend fragte zunächst der Zeuge A, dieses Mal unter Eingabe der jeweiligen Geburtsdaten um 19:45 Uhr die Personen D, um 19:46 Uhr E und um 19:47 Uhr F ab. Um 19:46 Uhr überprüfte J selbst nochmals die Person F, zu der sich kein Eintrag fand. Anschließend wandte sie sich an den Zeugen B, der um 20:05 Uhr und 20:06 Uhr die Person E und um 20:07 Uhr D jeweils unter Eingabe der Geburtsdaten abfragte. Schließlich veranlasste sie den Zeugen C um 20:23 Uhr zu einer nochmaligen Abfrage hinsichtlich D unter Eingabe des Geburtsdatums. Von denen zu den Personen D und E in POLIS vorhandenen Eintragungen (D: ID P ..., E: Eintrag des Landes Nordrhein-Westphalen unter der POLIS-Satz-ID P ... einstellende Polizeidienststelle: ..., kein Tatvorwurf eingetragen) ließ sie von ihren Kollegen Ausdrucke fertigen. Diese Ausdrucke nahm sie im Anschluss an Ihre Spätschicht, die um 21.00 Uhr endete, mit nach Hause, um diese bei nächster Gelegenheit ihrem Vater zu zeigen und auch zu übergeben. Der Ausgang der Verfahren ließ sich den Datensätzen nicht entnehmen. Insbesondere ergab sich daraus nicht, ob es zu Verurteilungen kam.
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Am Freitag den 20. November 2009 besuchte der Angeklagte G seine Tochter J in deren Haus in ..., wo er anlässlich einer Staatsjagd in der Pfalz übernachtete. Während dieses Besuchs sprachen beide über die polizeilichen Erkenntnisse und J übergab ihrem Vater drei der von ihr gefertigten POLIS-Ausdrucke betreffend die Personen D und E, auf denen jeweils auch die POLIS-Satz-IDs betreffend diese Personen abgedruckt waren. Dabei machte die Angeklagte J sich keine näheren Gedanken über die weitere Verwendung der Daten durch ihren Vater, sie nahm aber zumindest billigend in Kauf, dass ihr Vater diese Informationen nicht nur als Hintergrundinformation für seine politische Arbeit nutzen wird, sondern er diese auch an die Presse weiterleiten wird. Die mit einer solchen Veröffentlichung einhergehende Gefahr der Beeinträchtigung des Vertrauens der Bevölkerung in die vertrauliche Behandlung polizeilicher Erkenntnisse war ihr bewusst und sie nahm dies zumindest ebenfalls in Kauf.
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Der Angeklagte G nahm die von seiner Tochter übergebenen Ausdrucke an sich und gab diese in der Folge vor dem 23. November 2009 unmittelbarer oder durch Zwischenschaltung einer dritten Person an den Journalisten K zum Zweck der Veröffentlichung weiter, um damit der Landesregierung und dem Ansehen der Personen D und E zu schaden. Dabei nahm auch er zumindest in Kauf, dass durch diese Veröffentlichung das Vertrauen der Bevölkerung in die vertrauliche Behandlung von polizeilichen Informationen beeinträchtigt wird.
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Am Montag den 23. November 2009 erschienen in den Tageszeitungen Rheinzeitung und Trierischer Volksfreund jeweils Artikel für die K verantwortlich zeichnete, in denen die von der Angeklagten J abgefragten und von G an die Presse weitergegebenen Daten veröffentlicht wurden……"
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Diese Feststellungen des Strafgerichts sind nach § 16 Abs. 1 LDG im Disziplinarverfahren für die Disziplinarkammer bindend. Eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils kommt nach § 16 Abs. 1 S. 2 LDG nicht in Betracht. Diese wäre nur dann zulässig, wenn die Kammer infolge der Bindung an das Strafurteil gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden, wenn etwa die Feststellungen im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder jeder Lebenserfahrung stehen würden oder aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig wären. Die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen auch anders gewesen sein könnte, reicht zu einem Lösungsbeschluss nicht aus (vgl. ständige Rspr. des BVerwG, Urteil vom 26. November 1991, 1 D 19.91 – juris –).
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Anhaltspunkte, die nach diesen Überlegungen geeignet wären, eine Lösung von den Feststellungen des Strafgerichts zu rechtfertigen, sind vorliegend – sowohl was den inneren als auch den äußeren Tatbestand der Straftat betrifft – nicht ersichtlich. Die Klägerin hat im Termin zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht ... eingeräumt, die POLIS-Abfragen durchgeführt und die hiervon gefertigten Ausdrucke an ihren Vater weitergegeben zu haben. Auch im Disziplinarverfahren hat sie keine Gründe vorgetragen, die die Richtigkeit der Feststellungen infrage stellen.
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Unter Zugrundelegung dieses feststehenden Sachverhalts hat die Klägerin ihre Dienstpflichten wie folgt verletzt:
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Durch das Abfragen personenbezogener Daten Dritter im Polizeidatensystem POLIS ohne dienstlichen Anlass hat die Klägerin gegen § 8 des Landesdatenschutzgesetzes vom 5. Juli 1994 (GVBl S. 293), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (GVBl S. 427) – LDSG - verstoßen. Danach ist es den bei der verantwortlichen Stelle oder in deren Auftrag beschäftigten Personen, die dienstlichen Zugang zu personenbezogenen Daten haben, untersagt, diese Daten zu einem anderen als dem zur jeweiligen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten oder unbefugt zu offenbaren (Datengeheimnis). Bei den von der Klägerin abgefragten POLIS–Daten handelt es sich um persönliche Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 LDSG. Durch die Abfrage hat die Klägerin diese Daten auch gemäß §§ 3 Abs. 2, 13 LDSG verarbeitet. Dabei ist es unerheblich, dass die Klägerin die Daten nur in einem Fall selbst und in den weiteren Fällen durch Kollegen abgefragt hat. In allen Fällen war sie verantwortliche Verursacherin der Abfragen, so dass diese ihr zuzurechnen sind. Zugleich hat die Klägerin - ebenso verantwortlich – gegen die Rahmendienstanweisung für den Datenschutz und die Datensicherheit bei der Polizei vom 15. September 2000 verstoßen, wonach Abfragen in POLIS nur aus dienstlichem Anlass erfolgen dürfen. Hieraus folgt, dass die Klägerin in disziplinarrechtlich relevanter Weise zunächst nicht nur ihre Gehorsamspflicht nach § 35 BeamtStG, sondern auch die Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz nach § 34 BeamtStG verletzt hat, da ihr Verhalten nicht den allgemeinen Anforderungen an eine pflichtgemäße Erledigung ihrer Dienstgeschäfte entsprach.
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Die unbefugt erhobenen Daten hat die Klägerin sodann unter Verstoß gegen ihre sich aus § 37 BeamtStG ergebende Verschwiegenheitspflicht an eine dritte Person weitergegeben. Nach Maßgabe dieser Vorschrift haben Beamtinnen und Beamte über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren, wenn – wie hier – kein rechtfertigender Ausnahmetatbestand vorliegt.
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Insgesamt hat die Klägerin durch das feststehende Fehlverhalten des Abrufens personenbezogener Daten und auch der Weitergabe an Dritte zudem gegen ihre sich aus § 34 S. 3 BeamtStG ergebende Pflicht verstoßen, wonach ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so auszurichten ist, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die ihr Beruf erfordern. Hierzu gehört zunächst die Pflicht, ein Leben im Einklang mit den Gesetzen zu führen und insbesondere die Strafgesetze zu beachten. Die Klägerin hat mit dem Abrufen und der Weitergabe nicht nur gegen die für sie geltenden o.g. dienstlichen Obliegenheiten verstoßen, sondern zugleich die Straftatbestände der Verletzung von Privatgeheimnissen und des Dienstgeheimnisses verwirkt und sich damit achtungs- und vertrauensunwürdig verhalten. Gleichzeitig hat sie auch gegen § 115 Landesbeamtengesetz vom 20. Oktober 2010 (GVBl S. 319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Oktober 2013 (GVBl. S. 359) – LBG - verstoßen, wonach sie das Ansehen der Polizei zu wahren und sich rückhaltlos für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzusetzen hat. Die Öffentlichkeit kann kein Verständnis dafür aufbringen, dass Polizeibeamte nachlässig mit gespeicherten personenbezogenen Daten umgehen. Wesentlich werden das Ansehen der Polizei und das Vertrauen in die Integrität der Beamten und der Beamtenschaft beeinträchtigt, wenn ein Polizeibeamter strafrechtlich in Erscheinung tritt, da der Staat den Anspruch an die Bürger auf Beachtung der Gesetze, insbesondere der Strafgesetze, umso weniger glaubhaft erheben kann, je weniger seine eigenen Bediensteten sich gesetzestreu verhalten. Dies gilt in ganz besonderem Maße in Bezug auf das Verhalten von Polizeibeamten, deren vordringliche Aufgabe gerade die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten ist und denen der Gesetzgeber nicht zuletzt deshalb gemäß § 115 LDG besondere Dienstpflichten auferlegt hat.
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Die Dienstpflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten hat die Klägerin des Weiteren auch deswegen verletzt, da sie das Abrufen personenbezogener Daten nicht nur selbst, sondern auch durch Kollegen ausgeführt hat. Der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten wohnt die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens inne, die dann verletzt ist, wenn ein Beamter sich in einer für die Dienstordnung bedeutsamen Weise unkameradschaftlich verhält. Vorliegend hat die Klägerin ihre Kollegen gleichsam als Werkzeug zur Durchführung der unbefugten Datenabfragen benutzt. Sie hat sich deren Gutgläubigkeit bedient und diese dadurch dem Risiko einer disziplinar- und strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt und gleichzeitig versucht, ihre eigene Täterschaft zu verbergen.
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Diese Dienstpflichtverletzungen hat die Klägerin schuldhaft, nämlich vorsätzlich begangen, so dass sie sich eines einheitlich zu würdigenden Dienstvergehens schuldig gemacht hat.
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Unter Zugrundelegung der Bemessungskriterien des § 11 LDG, wonach im Einzelfall die Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung des Umfangs, in dem der Beamte seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat und unter Einbeziehung des Persönlichkeitsbildes des Beamten, zu bestimmen ist, wäre an sich eine empfindliche Disziplinarmaßnahme angezeigt.
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Ob das Dienstvergehen der Klägerin mit der durch die streitgegenständliche Disziplinarverfügung ausgesprochenen Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge angemessen geahndet ist, kann vorliegend dahin stehen, denn der Disziplinarmaßnahme steht jedenfalls das Disziplinarmaßnahmeverbot des § 13 LDG entgegen.
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Nach dieser Vorschrift darf wegen desselben Sachverhalts, der Grundlage der Verhängung einer gerichtlichen Strafe war, ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr verhängt werden und eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Zurückstufung nur für den Fall, dass dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Da das Gericht nach dem Grundsatz des Verbots der reformatio in peius (§ 76 Abs. 2 LDG) am Ausspruch der Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst, für die allein der Geltungsbereich des § 13 LDG nicht greift, gehindert ist, eine solche zudem vorliegend nach den Maßnahmebemessungskriterien des § 11 LDG ohnehin nicht in Betracht käme, bleibt das Dienstvergehen der Klägerin letztlich ohne disziplinarrechtliche Konsequenz.
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Der Ausspruch einer Gehaltskürzung würde vorliegend wegen "desselben Sachverhalts" erfolgen, der bereits Gegenstand des Strafverfahrens war und er ist hier nicht zulässig, da bei der Beamtin kein Bedürfnis für eine zusätzliche Pflichtenmahnung besteht (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG).
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Maßstab für die Frage, ob Tatidentität im Sinne des § 13 LDG vorliegt, ist der Sachverhalt, der die Grundlage für die disziplinarrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Beamten bildet und zwar so, wie er sich tatsächlich zugetragen hat (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1985, 1 D 59.84; Urteil vom 20. Februar 2001, 1 D 7/00). Ein identischer Sachverhalt im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn der gesamte historische Geschehensablauf, der Gegenstand des Disziplinarverfahrens ist und sich als einheitliches Dienstvergehen darstellt, bereits in vollem Umfang durch die strafgerichtliche Entscheidung erfasst wurde. Der Begriff "Sachverhalt" ist insoweit weder auf den Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung noch auf einen strafrechtlichen Tatbestand beschränkt. Nicht die straf– oder disziplinarrechtliche Würdigung des Tatverhaltens ist maßgebend, sondern allein der historische Geschehensablauf (Tathergang). Dadurch, dass der historische Vorgang besondere disziplinare Aspekte hat, die vom strafrechtlichen Tatbestand nicht erfasst werden, wird die Identität des Sachverhalts in beiden Verfahren nicht beseitigt. Der strafprozessuale Tatbegriff des § 264 Strafprozessordnung – StPO -, der mit dem disziplinarrechtlichen übereinstimmt, ist dahin zu verstehen, dass er als einheitlicher geschichtlicher Vorgang gilt, bei dem die einzelnen Lebensverhältnisse so miteinander verknüpft sind, dass sie nach der Lebensauffassung eine Einheit bilden und ihre Behandlung in getrennten Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens erscheinen würde. So können auch mehrere Handlungen Bestandteile ein und derselben Tat im prozessualen Sinne darstellen. Ob das der Fall ist, ist stets unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei die für die Bejahung von Tatidentität notwendige innere Verknüpfung mehrerer Beschuldigungen sich unmittelbar aus den zu Grunde liegenden Handlungen und Ereignissen ergeben muss (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1985 a.a.O. – juris- ; Urteil vom 23. Februar 1968, BVerwGE 33, 69ff). Es ist nicht Sinn des § 13 LDG, bei der im Disziplinarrecht notwendigen einheitlichen Persönlichkeitsbeurteilung (§ 11 LDG) aus einem in sich geschlossenen Lebensvorgang, selbst wenn dieser einen längeren Zeitabschnitt umfasst, einen Teilsachverhalt auszusondern und diesen einer disziplinaren Maßnahme zu unterwerfen, nur weil dieser von der strafrechtlichen Bewertung der Sanktionierung nicht erfasst worden ist. Gerade dies will die Regelung des § 13 LDG mit ihrer Tatbestandsvoraussetzung "wegen desselben Sachverhalts" verhindern. Mit der Verwendung des vorgenannten Begriffs soll ausgeschlossen werden, dass aus einer natürlichen Handlungseinheit, die sich als einheitlicher historischer Geschehensablauf darstellt, Sachverhaltsteile herausgefiltert werden, um diese dann gesondert disziplinar zu verfolgen. Dies würde dem Charakter des § 13 LDG als Schutzvorschrift zu Gunsten des Beamten widersprechen. Die Bestimmung will sicherstellen, dass bei Dienstvergehen von geringem bis mittlerem Gewicht neben einer Kriminalstrafe oder Ordnungsmaßnahme nur ausnahmsweise noch eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann (BVerwG, Urteil vom 24. April 1991, 1 D 48.90 – juris- ; Urteil vom 20. Februar 2001 a.a.O. – juris -).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe wurde in der Rechtsprechung Tatidentität bejaht im Fall eines Eisenbahnbetriebsunfalls und vorangegangenem Dienstantritt unter Alkoholeinfluss (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001, a.a.O. – juris -), einer Urkundenfälschung und gleichzeitiger Verletzung von Zustellungsvorschriften durch einen Postzusteller (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1985, 1 D 49/84 – juris -); einer Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit – wie hier - nach vorangegangener Abfrage im polizeilichen Informationssystem (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998, 1 D 37/97 und Sächs. OVG, Urteil vom 15. September 2010, D 6 A 467/09 – beides juris -), einer Betrugshandlung und eines vorangegangenen unbefugten Verlassens des Dienstgebäudes (VG Münster, Urteil vom 13. Januar 2012, 20 K 1168/11.O – juris -). Verneint wurde die Tatidentität demgegenüber für den Fall einer Trunkenheitsfahrt und des vorangegangenen Alkoholgenusses im Dienst (BVerwG, 1 D 29.68, 1 D 96.76, 1 D 11.78); einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt und nachfolgend verspäteten Dienstantritts (BVerwG 1 D 3.80); und einer Unfallflucht und vorangegangenem Unterlassen der innerdienstlichen Meldepflicht gegenüber dem Dienstherrn, mit dem Argument der unterschiedlichen Schutzzwecke der verletzten Normen, wobei im letztgenannten Fall das Unterlassen der innerdienstlichen Meldepflicht als bedeutungsloser, nachgeordneter Annex behandelt wurde mit der Folge, dass der Beamte dennoch in den Genuss des Anwendungsbereichs des § 14 BDO kam (BVerwG, Urteil vom 18. April 1985, 1 D 156/84 – juris -).
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Dies vorausgeschickt, geht das erkennende Gericht für den vorliegenden Fall – entsprechend der zitierten Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 19. Mai 1998, a.a.O. und Sächs. OVG, Urteil vom 15. September 2010, a.a.O.) von einem einheitlichen historischen Geschehensablauf im Strafverfahren und im Disziplinarverfahren aus. Der disziplinar zu bewertende Lebenssachverhalt, der aufgrund der Darstellung in den streitgegenständlichen Bescheiden auf der unbefugten Datenabfrage und der nachfolgenden Weitergabe der so erlangten Informationen an den Vater der Klägerin beruht, ergibt sich vollumfänglich aus den bindenden Feststellungen des Urteils des Landgerichts ... vom 18. Dezember 2013, wonach sich das Tatgeschehen vom 16. November 2009, dem Tag, an dem die Klägerin zum Teil über Kollegen unbefugte Datenabfragen durchgeführt hat bis hin zum 20. November 2009, dem Tag, an dem die Klägerin die erlangten Informationen an ihren Vater weitergegeben hat und darüber hinaus bis zum 23. November 2009, dem Tag, an dem die weitergegebenen Informationen in der Presse veröffentlicht wurden, erstreckt. Mithin umfasst der vom Strafgericht beurteilte Geschehensablauf von Anfang an denselben Tatzeitraum wie das Disziplinarverfahren. Die Tatsache, dass die Klägerin innerhalb dieses historischen und in sich geschlossenen Tatkomplexes gegen innerdienstliche Vorschriften und damit gegen ihre Dienstpflichten verstoßen hat, was außerhalb der strafrichterlichen Würdigung liegt, führt nach Maßgabe der oben genannten Rechtsgrundsätze nicht dazu, die Tatidentität zu verneinen. Zwar schützen die Vorschriften über die Abfrage personenbezogener Daten einerseits und die Offenbarung von Privat- und Dienstgeheimnissen zum Teil unterschiedliche Interessenlagen (vergl. insofern BVerwG, Urteil vom 18. April 1985, a.a.O.), jedoch tritt dieser Umstand vorliegend hinter dem Umstand des zeitlich deckungsgleichen Lebenssachverhalts, des (Gesamt- ) Vorsatzes der Klägerin, die von ihr unbefugtermaßen erlangten Informationen mit ihrem Vater zu besprechen und auch an diesen weiterzugeben, und auch hinter dem Aspekt zurück, dass nach dem konkreten historischen Geschehensablauf, d.h. nach dem Hergang der Tat, wie sie sich wirklich abgespielt hat, die unbefugte Datenabfrage nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der Geheimnisverrat entfallen würde. Es ist unbestritten, dass die Klägerin die von ihr weitergegebenen Informationen ausschließlich aus der unbefugten Datenabfrage erlangt hat.
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Bildet damit die unbefugte Datenabfrage und die nachfolgende Weitergabe an Dritte einen einheitlichen Lebenssachverhalt, lässt sich dieser – entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht dadurch aufspalten, dass die Klägerin die unbefugte Datenabfrage teilweise durch Kollegen und damit mittels des Einsatzes von gutgläubigen Werkzeugen durchgeführt hat. Unstreitig sind die Kollegen vom Vorliegen eines dienstlichen Anlasses ausgegangen, so dass die Klägerin nicht als unmittelbare, sondern lediglich als mittelbare "Täterin" gehandelt hat. Dieser Umstand ändert nichts an dem Vorwurf der "unbefugten Datenabfrage", sondern betrifft lediglich eine Modalität der Tatausführung. Wollte man in dem Einsatz der Kollegen als gutgläubige Werkzeuge einen getrennten Lebenssachverhalt sehen, würde dies zu einer mehr als unnatürlichen Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens führen. Dass dieser Aspekt disziplinarrechtlich im Rahmen der Würdigung der Verletzung der Dienstpflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Betriebsfriedens Beachtung finden muss und er der Verfehlung insgesamt zweifellos ein erschwerendes Gewicht zukommen lässt, bewirkt jedoch nicht, dass es sich hierbei um einen weiteren zeitlich und kausal getrennten disziplinarrechtlich erheblichen Sachverhalt handelt.
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Gegen eine Aufspaltung des Lebenssachverhalts in die unbefugte Abfrage einerseits und die unbefugte Weitergabe an Dritte andererseits spricht schließlich auch die Tatsache, dass das Strafgericht ausweislich des Urteils vom 18. Dezember 2013 im Rahmen der Strafzumessung dem Umstand, dass die Klägerin "erhebliche Energie an den Tag gelegt hat, um die Daten zu erhalten, indem sie mehrfach Abfragen über ihre Kollegen veranlasste", Rechnung getragen hat.
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Liegt damit der Anwendungsbereich des § 13 LDG vor, kann gegen die Klägerin eine Gehaltskürzung deshalb nicht verhängt werden, weil eine solche nicht zusätzlich erforderlich ist, um die Beamtin zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten anzuhalten.
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Zur Pflichtenmahnung ist eine weitere Disziplinarmaßnahme nur dann erforderlich, wenn die Verfehlung zu der konkreten Befürchtung Anlass gibt, der Beamte werde trotz der bereits gegen ihn verhängten straf– oder ordnungsrechtlichen Sanktion auch in Zukunft gegen seine Beamtenpflichten verstoßen. Bei der hierfür anzustellenden Prognose sind sein bisheriger Werdegang, die in seiner Person, seiner dienstlichen Tätigkeit und der ihm zur Last gelegten Tat liegenden Umstände maßgeblich zu berücksichtigen. Denn nur aufgrund einer derartigen umfassenden Beurteilung sind hinreichend verlässliche Schlüsse auf sein zukünftiges Verhalten möglich. Ferner ist von Bedeutung, ob der Beamte bereits in einschlägiger Weise in Erscheinung getreten ist und sich z.B. schon früher gegenüber Strafen, Ordnungs– oder Disziplinarmaßnahmen als uneinsichtig erwiesen hat. Die Prüfung der Notwendigkeit einer zusätzlichen Pflichtenmahnung muss darüber hinaus das bisherige Verhalten des Beamten in seiner Gesamtheit erfassen, weil Aufgabe und Ziel von Disziplinarmaßnahmen es nicht nur ist, künftig einschlägige Handlungen, insbesondere Straftaten zu verhindern, sondern ganz allgemein den Beamten zu pflichtgemäßem Verhalten zu veranlassen. Nur wenn auch insoweit die Gewähr durch die strafrechtliche Sanktion gegeben erscheint, ist eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr "erforderlich" im Sinne des § 13 LDG. Auf die Schwere der Verfehlung kommt es im Rahmen der Würdigung des zusätzlichen Erziehungsbedürfnisses nicht an (vergl. BVerwG, Urteil vom 22. April 1997, 1 D 24.96; Urteil vom 20. Februar 2001, a.a.O.).
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Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die die konkrete Befürchtung begründen, dass die Beamtin trotz der gegen sie verhängten strafrechtlichen Sanktion für die begangene Tat auch in Zukunft ihre Dienstpflichten nicht erfüllen wird. Allein im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte das erkennende Gericht sich die Gewissheit verschaffen, dass die Klägerin das lange Strafverfahren über mehrere Instanzen, die gegen sie verhängte Strafe, den Lauf des überlangen Disziplinarverfahrens, die ausgesprochene lange Suspendierung und nicht zuletzt die Außenwirkung ihres Fehlverhaltens derart erzieherisch auf sich hat einwirken lassen, dass mit weiteren Verfehlungen in Zukunft nicht mehr zu rechnen ist. Dementsprechend ließ sich die Klägerin glaubhaft vor dem erkennenden Gericht dahingehend ein, dass sie mit Leidenschaft Polizistin sei, sie die Tat aufrichtig bereue und sich nie wieder zu einer derartigen Verfehlung hinreißen lassen werde. Die hierauf basierende positive Zukunftsprognose findet ihre Bestätigung im Übrigen aktenkundig auch darin, dass die Klägerin sich unmittelbar nach Anhörung ihrer Kollegen zum Vorwurf der unbefugten Datenabfrage und des Geheimnisverrats – wenn auch nicht vor Tatentdeckung – freiwillig gemeldet hat, um die Verantwortung für das im Raum stehende Fehlverhalten zu übernehmen. Hieraus folgt nicht nur ein aufrichtiger Charakterzug, sondern auch ein verantwortungsvolles und einsichtiges bzw. reuiges Verhalten bereits vor Einleitung des Disziplinarverfahrens.
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Wesentlich gegen ein weiterhin bestehendes Erziehungsbedürfnis spricht darüber hinaus der Umstand, dass die Klägerin seit dem 12. November 2012 wieder im Dienst ist, vor und nach dem Dienstvergehen gute Leistungen erbracht hat und es zu keinen weiteren Beanstandungen gekommen ist. Hierdurch hat sie dem Dienstherrn Verlässlichkeit, Integrität und Einsicht bekundet und sich des Vertrauensvorschusses – wieder - für würdig erwiesen. Dementsprechend hat der Dienstherr auch im Laufe des Klageverfahrens keine Gründe vorgetragen, die eine zusätzliche erforderliche Pflichtenmahnung nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG begründen könnten. Die Klägerin musste über Jahre mit einschneidenden persönlichen und dienstlichen Belastungen und aufgrund der politischen Stellung ihres Vaters mit einem erheblichen Medieninteresse leben, so dass dem erkennenden Gericht insbesondere vor dem Hintergrund des zwischenzeitlich wiedergewonnenen Vertrauens eine Pflichtenmahnung zum derzeitigen Zeitpunkt, d.h. fast sechs Jahre nach der Pflichtverletzung, in jeder Hinsicht eher als kontraproduktiv erscheint.
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Ist eine Pflichtenmahnung der Klägerin demzufolge nicht mehr erforderlich, um den Zwecken des Disziplinarrechts Genüge zu tun, ist die Disziplinarverfügung und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid aufzuheben. Der Klage ist daher mit der sich aus § 100 Abs. 1 LDG ergebenden Kostenfolge stattzugeben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 21 LDG i.V.m. §§ 167 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.
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Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 71, 81, 86 LDG i.V.m. §§ 124, 124a VwGO), sind vorliegend nicht ersichtlich.
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Referenzen
- § 13 Abs. 1 LDG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 A 467/09 1x (nicht zugeordnet)
- 1 D 156/84 1x (nicht zugeordnet)
- § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG 5x (nicht zugeordnet)
- § 16 Abs. 1 S. 2 LDG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- 5063 Js 4095/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 100 Abs. 1 LDG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 LDSG 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 LDG 3x (nicht zugeordnet)
- 4 ST 133/12 1x (nicht zugeordnet)
- 1 D 37/97 1x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten 2x
- 5036 Js 4095/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 1x
- 7100 Js 16132/09 2x (nicht zugeordnet)
- 1 D 7/00 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 71, 81, 86 LDG 3x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 35 Weisungsgebundenheit 1x
- § 115 LDG 1x (nicht zugeordnet)
- 20 K 1168/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 13 LDG 9x (nicht zugeordnet)
- § 16 Abs. 1 LDG 1x (nicht zugeordnet)
- § 21 LDG 2x (nicht zugeordnet)
- 1 D 49/84 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 BDO 1x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 37 Verschwiegenheitspflicht 1x
- §§ 3 Abs. 2, 13 LDSG 2x (nicht zugeordnet)
- 3 L 329/10 1x (nicht zugeordnet)