GeB vom Verwaltungsgericht Würzburg - W 1 K 17.1465

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger Beihilfe unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Jahresfrist oder nach einem Wiederaufgreifen des Verfahrens zu bewilligen ist.

Der am … geborene Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Beamter im Dienste der Beklagten (zuletzt als Ministerialrat im Bundesfinanzministerium) und ist daher beihilfeberechtigt. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales setzte mit Bescheid vom 6. März 2007 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 fest. Mit Schreiben vom 3. Mai 2007 bevollmächtigte der Kläger seine Lebensgefährtin M.-S. in seinem Namen Beihilfen zu beantragen, alle erforderlichen Erklärungen abzugeben und die in Beihilfeangelegenheiten anfallenden Schreiben und Unterlagen entgegenzunehmen.

Mit zwei Anträgen vom 1. Dezember 2015, eingegangen bei der Beihilfestelle jeweils am 7. Dezember 2015, machte der Kläger Aufwendungen aus dem Zeitraum von November 2012 bis Januar 2015 geltend. Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2015 lehnte die Bundesfinanzdirektion Mitte Service-Center Süd-Ost die Gewährung der Beihilfe ab (mit Ausnahme der Rechnungen ab 19. Dezember 2014), da diese nicht innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt worden sei (§ 54 Abs. 1 BBhV).

Mit Schreiben vom 17. Juni 2017 bevollmächtigte der Kläger Herrn H., ihn in allen Beihilfeangelegenheiten zu vertreten, da seine frühere Bevollmächtigte am 5. Juni 2017 verstorben sei. Mit Schreiben vom 19. Juni 2017 beantragte der Bevollmächtigte H. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich des Widerspruchs gegen die Beihilfebescheide vom 18. Dezember 2015. Zur Begründung führte er aus, es lägen Gründe sowohl für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vor. Frau M.-S. habe die Beihilfeangelegenheiten des Klägers seit seinem Schlaganfall jahrelang zuverlässig erledigt. Er selbst sei dazu körperlich und auch geistig nicht mehr in der Lage gewesen. Daher habe er auch nicht erkennen können, dass Frau M.-S. der Sache spätestens ab 2013 nicht mehr gewachsen gewesen sei aufgrund des Altersabbaus. Der Kläger sei nicht mehr geschäftsfähig und müsste unter Betreuung stehen.

Mit Schreiben vom 27. Juli 2017 wurde der Widerspruch als unzulässig verworfen, da der Widerspruch nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist erhoben worden sei. Es seien keinerlei Gründe vorgebracht worden, warum weder der Beihilfeberechtigte noch die Bevollmächtigte bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist Widerspruch erhoben haben.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 beantragte der Bevollmächtigte unter anderem erneut Beihilfe für die bereits mit Beihilfebescheiden vom 18. Dezember 2015 abgelehnten Aufwendungen und beantragte das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens für die Belege Nr. 1 - 49 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beihilfebescheide vom 18. Dezember 2015 seien bestandskräftig und somit unanfechtbar. Es sei nicht ersichtlich, dass weder der Kläger noch seine Bevollmächtigte bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 25. Januar 2016 nicht in der Lage gewesen seien einen Rechtsbehelf einzulegen. Auch inhaltlich könne der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens keinen Erfolg haben. Die Sach- und Rechtslage habe sich nicht nachträglich geändert. Es seien keine Beweise vorgelegt worden, die nicht schon zum Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung hätten vorgetragen werden können.

Mit Schreiben vom 28. August 2017 erhob der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2017 sowie den Bescheid vom 27. Juli 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Zur Begründung trug er vor, seine Lebensgefährtin habe sich seit seinem Schlaganfall im Jahr 2006 um seine Beihilfeangelegenheiten gekümmert, da er selbst dazu gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei. Er habe ihr vertraut und habe keinerlei Kenntnisse über die Versäumnisse gehabt. Vor Erlass der ablehnenden Bescheide mit derartig hohen Summen hätte rechtliches Gehör gewährt werden müssen. Das Prinzip der Rechtssicherheit könne hier nicht höher zu bewerten sein als das Alimentationsprinzip (hier: Fürsorgepflicht). Da der Kläger bei einem bekannten schweren Krankheitsbild über zweieinhalb Jahre keinen Beihilfeantrag eingereicht und danach nur Rezepte und keinen einzigen ärztlichen Beleg eingereicht habe, wäre die Beklagte aufgrund der Fürsorgepflicht zu weiterer Sachaufklärung verpflichtet gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß:

1. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung der Bescheide der Bundesfinanzdirektion Mitte vom 18. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Generalzolldirektion vom 27. Juli 2017 verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfe entsprechend seiner Beihilfeanträge vom 1. Dezember 2015 zu gewähren.

2. Hilfsweise wird die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Generalzolldirektion vom 27. Juli 2017 verpflichtet, das Verfahren wiederaufzugreifen und über den Beihilfeanspruch des Klägers erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Widerspruchsfrist sei bei Eingang des Widerspruchs bereits abgelaufen gewesen. Auch könne ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen sei. Die vorgebrachten gesundheitlichen Gründe des Klägers und seiner damaligen Bevollmächtigten würden keine völlig unerwarteten Ereignisse und damit keine höhere Gewalt darstellen. Es hätten vielmehr Vorkehrungen getroffen und ein anderer Bevollmächtigter bestellt werden können. Da bereits das erforderliche Vorverfahren somit nicht durchgeführt worden sei, sei auch die Klage hinsichtlich des Klagebegehrens zu 1.) unzulässig. Auch würden die gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen keine Gründe darstellen, warum nicht bereits innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Widerspruch habe erhoben werden können. Es hätte zumindest eine andere Person mit der Wahrnehmung der Interessen betraut werden können. Die gesundheitlichen und altersbedingten Beschwerden stellten keine nachträglich geänderte Sach- und Rechtslage dar. Die Gewährung rechtlichen Gehörs sei nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nicht erforderlich, da die Beklagte täglich eine Vielzahl von gleichartigen Bescheiden mithilfe elektronischer Datenverarbeitung erlasse. Somit sei die Klage hinsichtlich des Klagebegehrens in 2.) unbegründet.

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 wurde das Verfahren an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie der Gerichtsakte und der Gerichtsakte im Verfahren W 1 K 18.16 sowie der vorgelegten Gerichtsakte des AG Kitzingen Az. 03 XVII 151/18 Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist.

Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1.) bereits unzulässig, hinsichtlich des Klageantrags zu 2.) ist sie unbegründet. Der Kläger hat vor Erhebung der Klage kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt (§ 68 VwGO), da er erst verspätet (§ 70 VwGO) Widerspruch erhoben hat und die Zurückweisung des Widerspruchs im Widerspruchsbescheid als unzulässig zu Recht erfolgt ist. Dies führt auch zur Unzulässigkeit der später erhobenen Klage gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids (dazu 1.). Zudem steht dem Kläger weder ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO (dazu 2.) bzw. § 32 VwVfG (dazu 3.) noch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 VwVfG zu (dazu 4.).

1.

Der form- und fristgerecht eingelegte Widerspruch ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens und damit zugleich Sachurteilsvoraussetzung für die gerichtliche Entscheidung über eine anschließende Klage. Dabei genügt es für die Zulässigkeit einer Klage nicht, dass überhaupt ein Vorverfahren stattgefunden hat. Erforderlich ist auch, dass das Vorverfahren ordnungsgemäß, d. h. unter Einhaltung der in §§ 68 ff. VwGO für die Einlegung des Widerspruchs vorgeschriebenen Erfordernisse, durchgeführt wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Vorb. § 68, Rn. 7).

Der Kläger hat vorliegend die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO versäumt, wonach der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben ist. Grundsätzlich erfolgt die Bekanntgabe im Zeitpunkt des Zugangs (§ 130 BGB analog). Zwar gibt es vorliegend keine Zustellungsnachweise für die Bescheide vom 18. Dezember 2015. Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt jedoch prinzipiell die Dreitagesfiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, wonach jeder Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post unabhängig vom tatsächlichen Zugangszeitpunkt als bekannt gegeben gilt. Die Stempel mit den Daten „21. Dez. 2015“ und „22. Dez. 2015“ auf den sich in den Akten befindlichen Entwürfen der Bescheide stellen solche Postausgangsvermerke dar. Zudem hat der Kläger weder den Zugang an sich noch den Zeitpunkt des Zugangs bestritten, so dass davon auszugehen ist, dass er den Bescheid nach der üblichen Postlaufzeit, somit spätestens im Januar 2016, erhalten hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG; 19. Aufl. 2018, § 41 Rn. 40a ff.).

Die Adressierung und Versendung der Bescheide an die damalige Bevollmächtigte des Klägers erfolgte gem. § 14 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ordnungsgemäß, da bereits unter dem 3. Mai 2007 eine Vollmacht für die damalige Bevollmächtigte vorgelegt worden ist.

Das früheste als Widerspruch zu wertende Schreiben vom 19. Juni 2017 ging nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Bescheide ein und ist daher verfristet.

Die Widerspruchsbehörde hat auch nicht durch Sachentscheidung den Rechtsweg neu eröffnet. Nach h.M. steht es bei einseitig belastenden Verwaltungsakten im Ermessen der Behörde, durch Sachentscheidung den Rechtsweg neu zu eröffnen, da ihr als Herrin des Vorverfahrens eine entsprechende Kompetenz zukommt (vgl. BVerwGE 15, 306; Kopp/Schenke, a.a.O., § 70 Rn. 9). Infolge dieser Auffassung hat die Widerspruchsbehörde nach Ermessen zu entscheiden, ob sie den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig verwirft oder sachlich bescheidet (vgl. Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 70 VwGO Rn. 14). Vorliegend hat die Behörde im Widerspruchsbescheid keinerlei Ausführungen zur Sache gemacht, so dass keine neue Rechtswegeröffnung vorliegt.

2.

Dem Kläger kann auch nicht hinsichtlich der von ihm versäumten Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da er nicht im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden gehindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten.

Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Beteiligten im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rn. 9). Die Fristversäumung fällt in den Verantwortungsbereich des Klägers. Grundsätzlich schließt bereits Fahrlässigkeit die Wiedereinsetzung aus, wobei an die Sorgfaltspflicht höhere Anforderungen gestellt werden, sofern es sich bei dem Antragsteller um keinen juristischen Laien, sondern um eine im Umgang mit Behörden und Gerichten erfahrene Person handelt (Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rn. 9). Es ist somit auf die Lebensverhältnisse des Klägers abzustellen. Der Kläger ist Jurist und war zuletzt als Ministerialrat im Bundesfinanzministerium beschäftigt. Er ist daher keine im Umgang mit Behörden und Gerichten unerfahrene Person. Seine Vorbildung und seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit lassen den Schluss zu, dass er den Gehalt einer Rechtsbehelfsbelehrung:und die Wichtigkeit der Einhaltung von laufenden Fristen erfassen konnte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der körperlichen und geistigen Verfassung des Klägers. Eine Erkrankung kann eine Fristversäumung hierbei nur dann entschuldigen, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene weder selbst handeln konnte noch imstande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren (BVerwG v. 27.9.1993 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 185; Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 60 Rn. 12). Ausweislich des im Betreuungsverfahren durch das AG Kitzungen eingeholten Gutachtens des Dr. S. vom 18. Juni 2018 hat der Kläger eine alltagsrelevante körperliche Behinderung in der Folge eines Schlaganfalls in Form einer spastischen Halbseitenlähmung rechts, einer sensorischen (anomischen, lexikalischen) Aphasie sowie einer zusätzlichen feinmotorischen Störung der rechten Hand durch eine Dupuytren-Kontraktur. Von einer dem klinischen Eindruck nach leichtgradigen, am ehesten hirnorganisch begründbaren Merkfähigkeitsstörung abgesehen, lassen sich keine floride psychische Verhaltensstörung und namentlich keine Demenz erkennen. Es besteht keine primäre geistige Behinderung. Der Kläger kann seine persönlichen Angelegenheiten nicht mehr eigenständig, eigenverantwortlich und zeitgerecht besorgen. Es ist jedoch keine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung durch eine psychische Störung auffällig geworden. Der Gutachter zieht daraus den nachvollziehbaren Schluss, dass der Kläger derzeit in der Lage ist seine behinderungsbedingte Überforderung mit dem Überblicken komplexer Sachverhalte und seine in Verlust geratene Fähigkeit, seine persönlichen Angelegenheiten zu besorgen, zu erkennen. Er vermag sich noch einen hinreichend realitätsnahen Überblick über seine gegenwärtige Lebenssituation zu verschaffen und nach zutreffend gewonnenen Einsichten planvoll zu seinem Wohl zu entscheiden. Dementsprechend hat das AG Kitzingen die Einrichtung einer Betreuung nicht vorgenommen.

Zwar beziehen sich die Feststellungen im Gutachten nur auf den Begutachtungszeitpunkt am 18. Juni 2018. Es ist jedoch weder dargetan noch aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass zu den streitgegenständlichen Zeiträumen ein verschlechterter Gesundheitszustand des Klägers insbesondere psychischer und geistiger Art vorlag. Insbesondere ist nicht substantiiert dargelegt, warum der Kläger damals - anders als heute - nicht geschäftsfähig gewesen sein soll.

Daher ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger unmöglich war, das Unvermögen seiner damaligen Bevollmächtigten zur ordnungsgemäßen und insbesondere fristgerechten Erledigung seiner Beihilfeangelegenheiten zu erkennen. Seine Bevollmächtige befand sich 2013 einmal und 2014 mehrere Male in einer Klinik. Zudem wurde ab Mai 2014 häusliche Pflege für den Kläger verordnet, da seine Bevollmächtigte ihn nicht mehr ausreichend versorgen konnte. Dies hätte den Kläger dazu veranlassen müssen, jedenfalls die Erledigung seiner finanziellen Angelegenheiten durch die damalige Bevollmächtigte zu überwachen oder einen neuen Bevollmächtigten zu beauftragen. Es handelt sich beim Ausfüllen eines Beihilfeantrages samt Zusammenstellung der Belege um eine einfache Tätigkeit, die von jeder erwachsenen Person übernommen werden kann. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass es sich um eine persönliche Angelegenheit handelt, es wäre dem Kläger jedoch möglich gewesen, einen von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten oder aber einen nahen Angehörigen oder Bekannten damit zu beauftragen, wie nunmehr beispielsweise seinen dazu auch bereiten Cousin. Auffällig erscheint auch, dass die streitgegenständlichen Beihilfeanträge vom 1. Dezember 2015 gerade nicht von der damaligen Bevollmächtigten sondern vom Kläger selbst unterzeichnet sind und er daher bei der Unterschriftsleistung die Anträge auch inhaltlich hätte überprüfen und somit die Versäumnisse seiner Bevollmächtigten hätte erkennen können und müssen. Zudem hätte er auch die Bescheide vom 18. Dezember 2015 entsprechend überprüfen und gegen diese fristgerecht Widerspruch einlegen können.

3.

Aus den gleichen Gründen kommt auch hinsichtlich der versäumten Frist des § 54 Abs. 1 Satz 1 BBhV keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 32 VwVfG in Betracht.

4.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 VwVfG zu.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 beantragte der nunmehrige Bevollmächtigte des Klägers die nochmalige nachträgliche Erstattung von Beihilfe zu den in Rede stehenden Beihilfebescheiden.

Gem. § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nach § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen.

Dies zugrunde gelegt liegen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorliegend nicht vor. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage oder Wiederaufnahmegründe entsprechen § 580 ZPO liegen nicht vor. Auch wurden keine neuen Beweismittel vorgelegt, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Die Atteste und Arztbriefe der früheren Bevollmächtigten des Klägers führen, wie oben bereits dargelegt, nicht zu einer günstigeren Entscheidung für den Kläger. Daraus ergibt sich lediglich, dass der Kläger das Unvermögen seiner Bevollmächtigten hätte erkennen und diese daher überwachen bzw. einen neuen Bevollmächtigten bestellen müssen. Aus den vorgelegten Attesten den Kläger betreffend ergeben sich lediglich körperliche, jedoch keine geistigen Einschränkungen. Im Übrigen hätten diese Atteste bereits im früheren Verwaltungsverfahren vorgelegt werden können, so dass auch aus diesem Grund ein Wiederaufgreifen ausscheidet.

Auch ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn gem. § 51 Abs. 5 i.V.m. § 49 VwVfG kommt nicht in Betracht.

Ausnahmen im Sinne einer Ermessensreduktion auf null sind nur in solchen Fällen denkbar, in denen Umstände vorliegen, die in ihrer Bedeutung mit den in § 51 Abs. 1 Nr. 1-3 VwVfG geregelten vergleichbar sind und darüber hinaus ein Festhalten an der Entscheidung wegen deren offenkundiger Rechtswidrigkeit oder aus sonstigen Gründen „schlechthin unerträglich“ wäre (st. Rspr, BVerwG, U.v. 9.5.2012 - 6 C 3/11; U.v. 24.2.2011 - 2 C 50/09; U.v. 27.1.1994 - 2 C 12/92 - jeweils juris). Eine offenkundige Rechtswidrigkeit liegt gerade nicht vor. Auch sonstige Gründe, die das Festhalten an der Entscheidung schlechthin unerträglich erscheinen lassen, liegen nicht vor. Weder ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz erkennbar, da der Kläger nicht vorgetragen hat, dass die Beihilfestelle in vergleichbaren Fällen anders entschieden hat, noch liegt ein Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben vor. Auch droht dem Kläger kein unwiderruflicher Schaden an Rechtsgütern von grundlegender Bedeutung (vgl. BeckOK VwVfG, Stand: 1.4.2018, § 51 Rn. 5e).

5.

Nach alledem war daher die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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