I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).
1. Die Staatsanwaltschaft Würzburg teilte dem Landratsamt W. (künftig: Landratsamt) mit Schreiben vom 11. Februar 2019 mit, dass ein Verfahren gegen den Antragsteller wegen unerlaubten Entfernen vom Unfallort gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Dem Antragsteller sei zur Last gelegt worden, am 30. August 2018 um 10:30 Uhr auf der M. Straße in W. einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem der Pkw einer anderen Person beschädigt worden sei (Schaden 1928,45 EUR), und sich anschließend vom Unfallort entfernt zu haben, ohne die notwendigen Feststellungen zu ermöglichen. Der Antragsteller bestreite, den Unfall bemerkt zu haben. Diese Einlassung habe nicht widerlegt werden können. Das technische Sachverständigengutachten komme zu dem Ergebnis, dass weder eine optische, noch eine taktile Wahrnehmbarkeit habe nachgewiesen werden können. Zwar sei eine Wahrnehmbarkeit für normal wahrnehmende Personen gegeben, jedoch habe der Antragsteller durch Vorlage entsprechender ärztlicher Atteste glaubhaft dargelegt, dass seine Hörfähigkeit deutlich eingeschränkt sei, dies insbesondere dann, wenn sich eine Trennscheibe zwischen ihm und der Geräuschquelle befinde.
Unter Bezugnahme auf die Mitteilung der Staatsanwaltschaft bat das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 26. Februar 2019 bis zum 12. März 2019 schriftlich zu seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Hinblick auf seine Schwerhörigkeit Stellung zu nehmen sowie bis zum 19. März 2019 ein ärztliches Attest vorzulegen, aus dem der prozentuale Hörverlust, bestimmt nach der Tabelle nach ROESER (1973), hervorgeht.
Mit Schreiben vom 8. März 2019 forderte das Landratsamt die Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft an. In der Ermittlungsakte sind u.a. zwei ärztliche Atteste enthalten:
Im Attest von Dr. med. Z., Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, vom 11. Dezember 2000 ist ausgeführt, beim Antragsteller bestehe seit der Kindheit eine Innenohrschwerhörigkeit links bis 75 dB ab 2 kHZ. Dies entspreche einem prozentualen Hörverlust von über 60%. Auf Grund der Schwerhörigkeit könnten Verständigungsschwierigkeiten bei Arbeiten in nicht schallgedämmten Räumen auftreten. Dies könne ggf. zu Kommunikationsproblemen im Kundenverkehr führen.
Im Attest von Dr. med. M., Hals-Nasen-Ohrenarzt, vom 12. November 1998 ist ausgeführt, schon seit 1981 sei eine Schallempfindungsschwerhörigkeit auf dem linken Ohr bekannt, die sich nicht verändert habe. Das rechte Ohr sei unverändert normalhörig. Damit sei der Antragsteller im Umgang mit anderen Menschen nicht behindert, solange er nicht durch Glas abgeschirmt sei und solange keine Umweltgeräusche vorhanden seien. Anderenfalls brauche er erhöhte Konzentration um alles hundertprozentig zu hören.
Mit Schreiben vom 13. März 2019 nahm der Antragsteller zu seiner Fahreignung Stellung und führte insbesondere aus, im frühen Kindesalter sei es bei ihm zu einer Verletzung des linken Gehörgangs gekommen. Eine Beeinträchtigung deshalb sei erst durch Falschaussprachen beim Redenlernen bemerkt worden. Seitdem seien über die Jahre Hörtests beim HNO-Arzt vorgenommen worden. Seit 1991 sei er Inhaber einer Fahrerlaubnis. Sein HNO-Arzt habe damals nach einem Hörtest verneint, dass es zu Einschränkungen der Fahreignung wegen der Schwerhörigkeit komme.
Dem Schreiben war ein Attest von Dr. med. Z., Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, vom 8. März 2019 beigefügt. In diesem Attest ist im Wesentlichen ausgeführt, beim Antragsteller bestehe bei Normalhörigkeit rechts eine mittelgradige Schwerhörigkeit links. Aus den Werten der sprachaudiometrischen Untersuchung ergebe sich für die Hörkurve rechts ein prozentualer Hörverlust von 10%. Links bestehe ein prozentualer Hörverlust von 50%. Der Grad der Behinderung aus den Schwerhörigkeitsgraden beider Ohren betrage 10%. Aus HNOärztlicher Sicht ergäben sich keine Einschränkungen der Fahreignung durch Schwerhörigkeit.
Unter Bezugnahme auf das vorgelegte Attest führte das Landratsamt im Schreiben vom 28. März 2019 aus, die Werte der Sprachaudiometrie seien für sich nicht ausreichend zur Beurteilung der Kraftfahreignung. Der Antragsteller wurde deshalb gebeten bis zum 11. April 2019 ein fachärztliches Gutachten vorzulegen, welches den Anforderungen entspricht, die sich aus den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ergeben.
Am 16. April 2019 legte der Antragsteller dem Landratsamt ein weiteres Attest von Dr. med. Z. (vom 13.4.2019) vor, aus dem sich ergibt, dass die Berechnung der Schwerhörigkeit des Antragstellers nach der Vierfrequenztabelle (Röser 1973) rechts ein Hörverlust von 2% ergebe. Links ergebe sich ein prozentualer Hörverlust von 85%. Der Grad der Behinderung aus den Schwerhörigkeitsgraden betrage derzeit 15%. Es ergebe sich weiterhin keine Einschränkung der Fahreignung des Antragstellers aus HNO-ärztlicher Sicht.
Unter Bezugnahme auf den Vorfall vom 30. August 2018 und die anschließende Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft sowie unter Hinweis auf die dem Landratsamt vorliegenden Atteste wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 25. April 2019 auf Grundlage von § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, 2 und 3 Nr. 5 i.V.m. Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV aufgefordert bis zum 25. Juni 2019 ein ärztliches Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen, das zu folgenden Fragestellungen Stellung nimmt: „Ist Herr S. trotz des Vorliegens einer Erkrankung, die nach Nr. 2 der Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellt, in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E, CE, L und T vollständig gerecht zu werden? Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance, regelmäßig/überwachte Medikamenteneinnahme, etc.) vor? Sind darüber hinaus Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges der o.g. Klassen weiterhin gerecht zu werden? Sind insbesondere fachlich einzelfallbegründete Auflagen nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen, Nachuntersuchungen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ereignisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen und wenn ja, warum? Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisgruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten Nachuntersuchung erforderlich? Wenn ja, in welchem zeitlichen Abstand?“. Die Anordnung wurde dem Antragsteller am 27. April 2019 zugestellt.
Aufgrund der nicht termingerechten Vorlage des angeforderten Gutachtens hörte das Landratsamt den Antragsteller zur beabsichtigen Entziehung der Fahrerlaubnis an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. Juni 2019.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 zeigte sich ein Bevollmächtigter des Antragstellers und an beantragte die Frist zur Stellungnahme um zwei Wochen zu verlängern. Daraufhin gewährte das Landratsamt eine Fristverlängerung bis zum 18. Juli 2019 und bat erneut um die Vorlage des angeforderten Gutachtens.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2019 ließ der Antragsteller das Ärztliche Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH, W., vom 24. Juni 2019 vorlegen.
Das Gutachten gelangt dabei zu folgender Bewertung der Befunde: Beim Antragsteller liege seit früher Kindheit eine Innenohrschwerhörigkeit links vor, welche nach der Vierfrequenztabelle (Röser 1973) einen prozentualen Hörverlust von 85 betrage. Der Antragsteller gebe an, dass er eine Kollision im Sommer 2018 weder optisch noch akustisch bemerkt habe. Der Antragsteller habe außerdem berichtet, dass bei ihm Herz- und Nierenerkrankungen als Folge eines arteriellen Bluthochdrucks diagnostiziert seien. In den vorgelegten ärztlichen Befundberichten werde von einer „akuten Dekompensation 2015“ berichtet. Kardiologische Intervalluntersuchungen seien angeregt worden. In der ärztlichen Begutachtungsuntersuchung sei zudem aufgefallen, dass der Seiltänzergang gestört gewesen sei. Die Begutachtungsleitlinien forderten, dass keine weiteren körperlichen oder psychischen Defizite vorliegen, die eine fachärztliche Untersuchung erforderlich machten, damit sich hinsichtlich der Fahreignung bei hochgradiger Schwerhörigkeit keine Bedenken ergäben. Diese Voraussetzung sei jedoch bei Vorliegen einer hochgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60% und mehr, ein- oder beidseitig) in Verbindung mit Herz- und Nierenerkrankungen (art. Hypertonie, Kardiomyopathie und chronische Niereninsuffizienz) nicht gegeben. Bei zusammenfassender Wertung der Untersuchungsergebnisse kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, der Antragsteller sei aufgrund des Vorliegens einer Erkrankung, die nach Nr. 2 der Anlage 4 FeV die Fahreignung infrage gestellt, nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A, A1, AM, B, BE, C1 C1E, CE, L und T vollständig gerecht zu werden.
Im Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 18. Juli 2019, mit welchem das Gutachten vorgelegt wurde, ist u.a. ausgeführt, im Hinblick auf die im Gutachten erfolgte Beantwortung der Fragestellung hätten sich Nachfragen gegenüber der Begutachtungsstelle ergeben. Diese resultierten bereits daraus, dass die vorliegenden ärztlichen Befunde nicht ausreichend gewürdigt worden seien. So werde im Gutachten ein ärztlicher Befundbericht aus dem Jahr 2015 zitiert und auf die Notwendigkeit kardiologischer Intervalluntersuchungen hingewiesen. Unberücksichtigt bleibe, dass diese stattfänden und nachgewiesen würden. Letztlich werde die Beantwortung der Fragestellung nur auf die unsichere Ausführung des Seiltänzertests gestützt. Es werde davon ausgegangen, dass die insoweit bestehenden Bedenken durch kurzfristige fachärztliche Nachuntersuchungen ausgeräumt werden könnten. Es wurde beantragt, dem Antragsteller die Möglichkeit zur ergänzenden Befragung und Untersuchung einzuräumen. Dem Schreiben war ein Arztbrief von Dr. med. K., Internist, vom 2. Januar 2019 beigefügt.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2019 nahm das Landratsamt zu den Ausführungen im 18. Juli 2019 Stellung und lehnte den Antrag auf ergänzende Befragung und Untersuchung ab. Der Antragsteller wurde gleichzeitig zur beabsichtigen Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 19. Juli 2019 eingeräumt.
Mit Schreiben vom 1. August 2019 ließ der Antragsteller zur beabsichtigen Entziehung der Fahrerlaubnis Stellung beziehen und im Wesentlichen ausführen, Gleichgewichtsstörungen lägen nicht vor. Dies werde durch ein Attest von Dr. med. P., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 22. Juli 2019, bestätigt. Der Seiltänzertest sei unzureichend ausgeführt worden, dies lasse medizinisch keine Rückschlüsse zu. Fragen der bedingten Fahreignung und der diese kompensierenden Maßnahmen seien nicht angesprochen. Das bezeichnete Attest war dem Schreiben beigefügt.
Mit Bescheid vom 2. August 2019 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, den vom Landratsamt W. am 30. September 1991 unter Listen-Nr. 455/91 ausgestellten Führerschein, unverzüglich, spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der Nichtbefolgung der Verpflichtung unter Nr. 2 wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 300,00 EUR angedroht (Nr. 4). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Nr. 5). Zur Begründung wurde auf den bisherigen Verfahrensgang verwiesen und ausgeführt, erweise sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, habe ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, § 46 Abs. 1 FeV (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG). Die Ungeeignetheit des Betroffenen stehe fest, so dass die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Auch eine nur bedingte Fahreignung liege nicht vor. Beschränkungen und/oder Auflagen könnten ein sicheres Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr nicht ermöglichen. Die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr werde auf der Basis des Gutachtens der Begutachtungsstelle für Fahreignung der TÜV S. L. Service GmbH Würzburg vom 24. Juni 2019 festgestellt. Das Gutachten sei nachvollziehbar. Insbesondere bestehe nach der Regelvermutung der Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV bei hochgradiger Schwerhörigkeit nur dann eine Eignung für beide Fahrerlaubnisgruppen, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel (z.B. Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen) vorlägen. Die Voraussetzung sei bereits bei Vorliegen einer hochgradigen Schwerhörigkeit (hier 85% links) und gleichzeitig festgestellten Gleichgewichtsstörungen (hier: Seiltänzergang kaum möglich) beim Antragsteller nicht gegeben. Darüber hinaus leide der Antragsteller an Herz- und Nierenerkrankungen, die in Verbindung mit der hochgradigen Schwerhörigkeit nach gutachterlicher Einschätzung zur fehlenden Kraftfahreignung führten. Nachdem durch das ärztliche Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 24. Juni 2019 die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers nicht ausgeräumt worden seien, sei der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr geeignet. Daran vermögen auch die Einwendungen des Antragstellers nichts zu ändern. Der vorgelegte Arztbrief von Dr. med. K. vom 2. Januar 2019 sei schon deshalb nicht geeignet, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen, da diese Unterlagen keine verwertbaren Aussagen zur Fahreignung des Betroffenen enthielten. Im Übrigen sei der Bericht bereits bei der Begutachtung berücksichtigt worden. Das vorgelegte ärztliche Attest von Dr. med. P. vom 22. Juli 2019 sei ebenfalls nicht geeignet, das Ergebnis des ärztlichen Gutachtens infrage zu stellen. Es komme hierbei nicht darauf an, dass beim Antragsteller unter Umständen bei zurückliegenden Besuchen in der Arztpraxis keine Gleichgewichtsstörungen aufgefallen seien und hierüber nicht geklagt worden sei. Fakt sei, dass in der maßgeblichen verkehrsmedizinischen Untersuchung im Rahmen der Erstellung des Gutachtens Gleichgewichtsstörungen beim Antragsteller festgestellt worden seien. Die Durchführung entsprechender Untersuchungen, wie hier beispielsweise der Seiltänzergang, dienten gerade dem Zweck, entsprechende Defizite oder Mängel sichtbar zu machen. Die Feststellungen im Gutachten seien eindeutig formuliert und böten keinen Anlass für die Fahrerlaubnisbehörde, diese in Zweifel zu ziehen. Das Zitat „akute Dekompensation 2018“ sei ausweislich des Gutachtens einem aktuellen nephrologischen Befundbericht vom 19. Dezember 2018 entnommen. Es handle sich somit nicht um einen Befundbericht aus dem Jahr 2015. Das Gutachten entspreche den Anforderungen der Anlage 4a zur § 11 Abs. 5 FeV. Es sei in der Begründung schlüssig und nachvollziehbar. Der Führerschein sei beim Landratsamt abzuliefern. Nach der Entziehung seien von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern, § 47 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 FeV, § 3 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 StVG. Die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 des Bescheides werde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet, weil ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Umsetzung bestehe. Die feststehende Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen eines Fahrerlaubnisinhabers stelle eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer und somit für die Allgemeinheit dar. Es liege im besonderen öffentlichen Interesse, diese Gefahr möglichst umgehend zu beseitigen. Im Sinne der Verkehrssicherheit sei es nicht zu verantworten, den Betroffenen bis zur eventuellen Bestandskraft dieses Bescheides als Führer eines Kraftfahrzeugs am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es liege auch im öffentlichen Interesse, dass die Polizei bei Verkehrskontrollen nicht durch ein missbräuchliches Vorzeigen eines Führerscheins hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis getäuscht werden könne. Hinsichtlich der Verpflichtung, den Führerschein abzugeben, sei die Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit konsequent und geboten. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 10. August 2019 zugestellt.
Der Antragsteller gab den Führerschein am 16. August 2019 beim Landratsamt ab.
Am 16. August 2019 ließ der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. August 2019 einlegen. Über den Widerspruch ist nach Aktenlage noch nicht entschieden.
2. Am 19. August 2019 ließ der Antragsteller im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 12. August 2019 gegen den Bescheid des Landratsamts Würzburg vom 2. August 2019, zugestellt am 12. August 2019, wiederherzustellen.
Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen ausführen, der Antragsteller sei aufgrund leichter Fahrlässigkeit mit einem ausparkenden Fahrzeug in der M. Straße in W. kollidiert. Da der Antragsteller den Unfall nicht bemerkt habe, sei das gegen ihn gerichtete Strafverfahren eingestellt worden. Hintergrund des Verfahrens sei eine mittelgradige Schwerhörigkeit links beim Antragsteller. Aus HNOärztlicher Sicht bestehe keine Einschränkung der Fahreignung durch die Schwerhörigkeit. Das Unfallereignis vom 30. August 2018 stehe in keinem Zusammenhang mit der Erkrankung des Antragstellers; dieser sei vielmehr auf einen krankheitsunabhängigen leicht fahrlässigen Fahrfehler zurückzuführen. Bei der vom Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege hier das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse daran, ihn mit sofortiger Wirkung von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Die angefochtene Verfügung sei nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig. Bereits die Anordnung auf Vorlage des Gutachtens sei rechtswidrig gewesen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV könne die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung der Eignung eines Betroffenen zum Führen eines Kraftfahrzeugs ein Gutachten anordnen, wenn Tatsachen bekannt würden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründeten. Andererseits reiche ein bloß entfernter Verdacht eines körperlichen oder geistigen Mangels für die Tatbestandsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 FeV nicht aus. Hiervon ausgehend erweise sich die Gutachtensanforderung vom 25. April 2019 gegenüber dem Antragsteller als materiell rechtswidrig. Es hätten zum damaligen Zeitpunkt keine tatsächlichen hinreichenden Anhaltspunkte bestanden, die bei vernünftiger Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass beim Antragsteller ein körperlicher Mangel im Sinne der Nummer 2 der Anlage 4 zu FeV vorliege, der Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründe. Aufgrund der vom Antragsgegner erfolgten Attestanforderung stehe fest, dass nach der Vierfrequenztabelle beim Antragsteller rechts ein prozentualer Hörverlust von 2% und links von 85% vorliege. Der Grad der Schwerhörigkeit beider Ohren betrage demnach 15%. Auch hier sei attestiert, dass keine Bedenken bezüglich der Fahreignung bestünden. Das Gutachten treffe zu diesem Themenkreis überhaupt keine Feststellungen. Des Weiteren beziehe sich das Gutachten auf Erkenntnisse aus dem Jahr 2015, unterschlage dabei aber, dass diese Erkenntnisse längst aufgearbeitet seien und ihnen keine aktuelle Relevanz zukomme. Es werde insofern auf einen Bluthochdruck hingewiesen sowie auf einen Vorfall aus 2015. Der Bericht vom 2. Januar 2019 führe dazu aus, auch unter Berücksichtigung der Vordiagnostik mit Stressechokardiographie im Jahr 2015 werde eine weitere Abklärung nicht für notwendig erachtet. Auch der nephrologische Bericht vom 19. Dezember 2018 verdeutliche, dass die kardiologische Diagnostik längst eingeleitet worden sei. Gleichgewichtsstörungen lägen beim Antragsteller nicht vor. Soweit dies die Begutachtungsstelle sowie im Folgenden der Antragsgegner annehme, werde dies allein auf einen angeblich kaum möglichen Seiltänzertest gestützt. Bei dem Seiltänzergang handle es sich um ein Gehen auf einer Linie als neurologische Untersuchung des Gehens unter erschwerten Bedingungen zur Aufdeckung von leichten Paresen und Gleichgewichtsstörungen. Die Begutachtungsstelle nehme dies zum Anlass, Gleichgewichtsstörungen herbeizureden. Die Fahrtauglichkeit sei bei ständigen oder anfallsweise auftretenden Störungen des Gleichgewichts anzunehmen. Gleichgewichtsstörungen entstünden spontan oder unter besondere Belastung und bewirkten eine Beeinträchtigung der Orientierung über die Körperstellung oder Körperlage im Raum (Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, 3.2.2). Derartiges liege beim Antragsteller nicht vor. Es seien weder anfallsweise geschweige denn ständige Gleichgewichtsstörungen dokumentiert. Anträge, diese Erkenntnisse, die allein aus einer nur temporär vorhandenen Indisposition entstanden sei, zu überprüfen, seien ohne weiteres abgelehnt worden. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug der Fahrerlaubnis kämen dann in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprächen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege. Vorliegend bestehe hinsichtlich des Antragstellers überhaupt kein Gefahrpotential. Wie oben dargestellt, bestehe kein Zusammenhang mit dem Unfallereignis und der Erkrankung des Antragstellers. Überdies seien die dem Antragsteller durch den Sofortvollzug entstehenden beruflichen Nachteile derart gravierend und stünden in keinem Verhältnis zu dem nicht vorhandenen Gefahrpotenzial, das angeblich von dem Antragsteller ausgehe. Der Antragsteller sei geprüfter Sachverständiger für Immobilienbewertung von wohnwirtschaftlichen und gewerblichen Immobilen. Ein wesentlicher Teil seiner beruflichen Tätigkeit sei die persönliche Besichtigung der entsprechenden Objekte. Durch den Führerscheinentzug sei es dem Antragsteller nicht möglich, die zu bewertenden Immobilien innerhalb des Geschäftsgebiets (Landkreis Kitzingen, Main Spessart und Würzburg sowie die Stadt Würzburg) als auch für besondere Objekte- und Kreditengagements deutschlandweit vorzunehmen. Dem Antrag waren mehrere Dokumente, u.a. ein ärztliches Dokument der Gemeinschaftspraxis Dres. B. und S., Innere Medizin, Nephrologie - Hypertensiologie, vom 19. Dezember 2018 beigefügt.
Das Landratsamt beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem vorgelegten Gutachten ergebe sich, dass neben der hochgradigen Schwerhörigkeit auch Herz- und Nierenerkrankungen beim Antragsteller vorlägen, so dass sich ein die Fahreignung ausschließender Mangel i.S.d. Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV ergebe. Diese weiteren Erkrankungen gingen aus den Diagnosen der Arztbriefe von Dr. med. K. vom 2. Januar 2019 und Dr. med. B. vom 19. Dezember 2018 hervor und seien bei der Erstellung des Gutachtens entsprechend berücksichtigt worden. Nach Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV könne bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60% und mehr) auch einseitig im Regelfall von einer Eignung ausgegangen werden, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel wie z. B. Sehstörungen oder Gleichgewichtsstörungen vorlägen. Diese anderen schwerwiegenden Mängel müssten nicht derart ausgeprägt sein, dass sie per se schon einen Mangel i.S.d. Anlage 4 zur FeV darstellten. Der Maßstab sei in diesem Zusammenhang die gutachterlich festgestellte „kumulative“ Auswirkung auf die Fahreignung innerhalb des Tatbestands der Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV. Es handle sich beim Antragsteller um eine hochgradige Schwerhörigkeit links mit einem prozentualen Hörverlust von 85%. Nicht die Schwerhörigkeit beider Ohren betrage laut HNOärztlichem Attest 15% sondern der Grad der Behinderung aus den Schwerhörigkeitsgraden beider Ohren. Dieses Attest stelle die Feststellung des Gutachtens nicht in Frage. Im Gutachten würde nicht nur aufgrund des Seiltänzertests auf die Ungeeignetheit geschlossen. Die in eigenen Untersuchungen festgestellte Gleichgewichtsstörung komme nicht maßgeblich, aber dennoch erschwerend zu den oben genannten Herz- und Nierenerkrankungen hinzu. Dass laut ärztlichem Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. med P. vom 22. Juli 2019 bei den Besuchen in der Praxis nie Gleichgewichtsstörungen aufgefallen seien, stehe nicht in Widerspruch zu den Feststellungen aufgrund der zur Erstellung des Gutachtens durchgeführten Untersuchungen, insbesondere wenn gleichartige Untersuchungen in der Praxis nicht durchgeführt worden seien. Das ärztliche Gutachten stelle eine neue Tatsache dar, weshalb es auf die Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung nicht ankomme. Entgegen der Auffassung des Antragstellers genüge die Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit den an sie zu stellenden Anforderungen. Insbesondere müsse in diesem Zusammenhang dem Antragsteller nicht kleinschrittig dargelegt werden, wie die Teilnahme am Straßenverkehr ungeeigneter Fahrerlaubnisinhaber letztlich Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer gefährde und deshalb im Vergleich zu anderen Straßenverkehrsteilnehmern mit einem deutlich gesteigerten Gefahrpotential verbunden sei.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2. August 2019 ist hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 zulässig und begründet.
1. Aufgrund der Formulierung des Antrags („aufschiebende Wirkung wird wiederhergestellt“), sowie der Tatsache, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung, den Führerschein beim Landratsamt abzuliefern, bereits am 16. August 2019 und damit vor Einleitung des vorliegenden Eilverfahrens nachgekommen ist, ist gemäß § 88, § 122 Abs. 1 VwGO davon auszugehen, dass der Antrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Bescheids umfasst.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Ziff. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung (Ziff. 2) entfällt vorliegend, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.
2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.1 Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat.
2.2 Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf (Widerspruch und eventuell nachfolgende Klage) gegen den Bescheid des Landratsamts Würzburg vom 2. August 2019 voraussichtlich Erfolg haben wird.
2.2.1 Die Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen in Ziffer 1 des Bescheides ist nach summarischer Prüfung rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Erweist sich danach der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV ist bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60% und mehr), ein- oder beidseitig sowie bei Gehörlosigkeit ein- oder beidseitig eine Fahreignung für Fahrerlaubnisinhaber sowohl der Gruppe 1 als auch der Gruppe 2 gegeben, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel (z. B. Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen) vorliegen. Damit gelten selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit nicht als Mangel, der den Betroffenen generell für sich allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet macht.
Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, gültig ab 1.5.2014) führen unter Ziffer 3.2 hierzu aus, hochgradige Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit ist definiert als „besseres Ohr: Hörverlust > 60%“. Das Ton- und das Sprachaudiogramm stellen die Grundlage der Begutachtung dar. Die Bestimmung des prozentualen Hörverlustes erfolgt anhand der Vierfrequenztabelle nach ROESER (1973) aus der Luftleitungskurve des Tonaudiogramms, ausgehend von den Hörverlusten in dB bei 500, 1000, 2000 und 4000 Hz im schallisolierten Raum. Dementsprechend ist auch in der Kommentierung der Begutachtungsleitlinien als Leitsatz formuliert, dass für die Fahreignung erst ein Hörverlust von 60% oder mehr auf dem besseren Ohr von Relevanz ist (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 3. Auflage, S. 113).
2.2.1.1 Hiervon ausgehend besteht beim Antragsteller bereits keine hochgradige Schwerhörigkeit i.S.d. Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV, weshalb die Hörminderdung des Antragstellers nicht zur Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen führen kann.
Keinem der vorliegend ärztlichen Atteste kann entnommen werden, dass beim Antragsteller ein Hörverlust 60% oder mehr auf dem besseren Ohr gegeben ist. Aus dem aktuellsten fachärztlichen Attest von Dr. med. Z., Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, vom 13. April 2019 ergibt sich zwar, dass beim Antragsteller nach der Vierfrequenztabelle (Röser 1973) ein prozentualer Hörverlust auf dem linken Ohr von 85% vorhanden ist. Allerdings besteht auf dem rechten Ohr ausweislich der ärztlichen Stellungnahme nur ein prozentualer Hörverlust von 2%. Damit besteht auf dem besseren Ohr kein Hörverlust von 60% oder mehr, weshalb beim Antragsteller schon keine für die Fahreignung relevante hochgradige Schwerhörigkeit gegeben ist.
Die hier vertretene Ansicht, dass für die Fahreignung erst ein Hörverlust von 60% oder mehr auf dem besseren Ohr für die Fahreignung von Relevanz ist, steht auch nicht zum Wortlaut der Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV in Widerspruch. Dort ist ausgeführt, dass eine „hochgradige Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60% und mehr) ein- oder beidseitig“ für die Fahreignung von Relevanz sein kann. Dieser Formulierung lässt sich nicht (eindeutig) entnehmen, dass ein für die Fahreignung relevanter Hörverlust schon dann gegeben ist, wenn nur auf einem Ohr ein Hörverlust von 60% und mehr vorliegt. Zwar mag der Hinweis auf die Relevanz von „ein- oder beidseitiger Schwerhörigkeit“ dafür sprechen, dass auch schon ein Hörverlust von 60% auf nur einem Ohr für die Fahreignung von Bedeutung sein kann. Allerdings ist zu beachten, dass der Klammerzusatz, der einen Hörverlust von 60% oder mehr fordert, auf den Terminus „hochgradige Schwerhörigkeit“ bezogen ist. Dies lässt die hier vertretene Interpretation zu, dass eine hochgradige Schwerhörigkeit nur vorhanden ist, wenn insgesamt und damit bezogen auf beide Ohren ein Hörverlust 60% oder mehr bei einer Person festgestellt werden kann. Außerdem ist festzuhalten, dass eine einseitige hochgradige Schwerhörigkeit bei der hier vertretenen Lesart möglich ist. So kann auch in dem Fall, dass auf beiden Ohren ein Hörverlust von 60% und mehr gegeben ist, der Hörverlust auf dem einen Ohr größer sein als auf dem anderen. Jedenfalls wurde in der Neufassung der Begutachtungsleitlinien in Ziffer 3.2 am 1. Mai 2014 klargestellt, dass ein hochgradiger Hörverlust i.S.d. Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV, der die Anwendbarkeit der dort aufgestellten Anforderungen eröffnet, nur dann gegeben ist, wenn auf beiden Ohren ein Hörverlust von 60% oder mehr gegeben ist, was der hier vertretenen Auslegung der Nr. 2 zur Anlage 4 der FeV entspricht.
2.2.1.2 Auch das Ärztliche Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH, W., vom 24. Juni 2019 kann die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht tragen.
Das Gutachten ist nicht nachvollziehbar, da es entgegen der Begutachtungsleitlinien und der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass beim Antragsteller eine relevante Schwerhörigkeit nach Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, welche die Fahreignung in Frage stellen kann (vgl. dazu Ausführungen unter 2.2.1.1), obwohl bei diesem nur ein Hörverlust von 2% auf dem besseren (rechten) Ohr vorhanden ist. Der Gutachter hat vorliegend zwar die Begutachtungsleitlinien zitiert. Offensichtlich wurde dabei allerdings die alte Version der Ziffer 3.2 der Begutachtungsleitlinien vor der Neufassung im Mai 2014 verwendet, weshalb die Klarstellung, dass eine hochgradige Schwerhörigkeit nur bei einem Hörverlust von 60% oder mehr auf dem besseren Ohr vorhanden ist, keinen Niederschlag im Gutachten fand. Der Gutachter ging von falschen Bewertungsgrundlagen aus, dementsprechend wurden vom Gutachter die falschen Schlüsse im Hinblick auf die Fahreignung des Antragstellers gezogen. Dieser ging davon aus, dass beim Antragsteller neben der (aus seiner Sicht) relevanten Schwerhörigkeit noch andere schwerwiegende Mängel vorhanden sind, welche die Fahreignung des Antragstellers in Zusammenschau mit der hochgradigen Schwerhörigkeit ausschlössen. Die Ausführungen des Gutachters zu anderen schwerwiegenden Mängeln (Gleichgewichtsstörungen, Herz- und Nierenerkrankung) gehen allerdings ins Leere, da die Anwendbarkeit der Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV mangels einer hochgradigen Schwerhörigkeit schon nicht eröffnet ist. Diesen Schlüssen des Gutachters fehlt somit der Anknüpfungspunkt, was sie unverwertbar macht.
2.2.1.3 Auch sonst liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, die die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage stellen. Im Rahmen der Begutachtungen wurden zwar ärztliche Unterlagen vorgelegt (Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. B. und S., Innere Medizin, Nephrologie - Hypertensiologie, vom 19. Dezember 2018; Arztbrief von Dr. med. K., Internist, vom 2. Januar 2019) aus denen sich Herzerkrankungen bzw. ein Nierenleiden des Antragstellers ergeben. Die konkreten Feststellungen in den ärztlichen Unterlagen führen aber zu keinen konkreten Zweifeln an der Fahreignung des Antragstellers, die eine Entziehung nach § 11 Abs. 7 FeV rechtfertigen könnten.
2.2.2 Die Rechtswidrigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis schlägt auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins durch (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV), weshalb auch die Ziffer 2 des Bescheides des Landratsamts vom 2. August 2019 bei summarischer Prüfung rechtswidrig ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Abschnitt A I Nr. 19 der zum 19. Januar 2013 neu gefassten Anlage 3 zur Fahrerlaubnis-Verordnung umfasst eine 1991 erworbene Fahrerlaubnis der früheren Klasse 3 im Vergleich zur Fahrerlaubnisklasse B eine erheblich umfangreichere Berechtigung, Kraftfahrzeuge zu führen (§ 6 Abs. 6 FeV i.V.m. Anlage 3 Abschnitt A I Nr. 19, vgl. hierzu BayVGH, B.v. 31.3.2016 - 11 ZB 16.61 - juris). Der sich so ergebende Streitwert von 10.000,00 EUR war ihm Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.