Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 2207/04

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2004 - 11 K 3719/03 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der am 8.9.2004 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe rechtzeitig gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen, weil der Kläger den Antrag nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet hat (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts, in dessen zutreffender Rechtsmittelbelehrung der Hinweis auf die Begründungsfrist enthalten ist, wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit am 8.8.2004 gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO (vgl. § 56 Abs. 2 VwGO) zugestellt. Die Antragsbegründungsfrist endete daher mit Ablauf des 8.10.2004. Die schriftliche Begründung des Zulassungsantrags ging jedoch erst am 20.10.2004 und damit verspätet beim Verwaltungsgerichtshof (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO in der seit 1.9.2004 geltenden Fassung vom 24.8.2004, BGBl. I S. 2198) ein. Die vom Kläger beantragte Verlängerung der Zulassungsbegründungsfrist sieht das Gesetz nicht vor (anders bei der Berufungsbegründungsfrist, vgl. § 124a Abs.3 Satz 3, Abs. 6 Satz 3 VwGO). Gründe, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumnis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.
Zwar hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers als Zustellungsdatum im Empfangsbekenntnis „08.09.04“ eingetragen; da es sich beim Empfangsbekenntnis eines Rechtsanwalts um eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO handelt, ist damit grundsätzlich auch der volle Beweis dafür erbracht, dass der darin angegebene Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht (stRspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.2.2001 - 6 BN 1/01 -, Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 19). Dies gilt freilich dann nicht, wenn die Urkunde Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel aufweist, die nach der freien Beweiswürdigung des Gerichts die Beweiskraft der Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern (vgl. § 419 ZPO; BGH, Urteil vom 15.11.1979 - III ZR 93/78 -, NJW 1980, 893; Münchner Kommentar, ZPO, § 419 Rn 1 und 4). Ein derartiger sonstiger äußerer Mangel des Empfangsbekenntnisses, der die Beweiskraft zumindest teilweise aufhebt, ist vorliegend gegeben: Die zwei Eingangsstempel des Landgerichts Mannheim (23.8.2004) bzw. des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (26.8.2004), die ebenfalls öffentliche Urkunden mit der Wirkung des § 418 Abs. 1 ZPO sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.3.1988 - 7 B 144/87 -, NVwZ 1989, 1058), deren Unrichtigkeit zu beweisen der Kläger nicht einmal ansatzweise versucht hat (vgl. § 418 Abs. 2 ZPO), belegen, dass der 8.9.2004 nicht dem wahren Empfangsdatum entsprechen kann. Die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses ist damit insoweit aufgehoben.
Nach der damit möglichen freien Würdigung des Sachverhalts geht der Senat davon aus, dass sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Monatsangabe geirrt hat und das Urteil tatsächlich am 8.8.2004 zugestellt worden ist. Dafür spricht, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.7.2004 von der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts am 20.7.2004 abgesendet wurde und beim Beklagten bereits am 21.7.2004 einging. Für einen demgegenüber um sieben Wochen später liegenden Eingang bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist kein plausibler Grund ersichtlich und von ihr auch nicht geltend gemacht worden. Dagegen besteht ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen dem 8.8.2004 und den für das vorliegende Verfahren bedeutsamen Prozesshandlungen der Prozessbevollmächtigten des Klägers: Der Zulassungsantrag datiert vom 8.9.2004 und die - gesetzlich nicht vorgesehene - Verlängerung der Berufungszulassungsbegründungsfrist hat sie am 8.10.2004 beantragt. Sie hat sich damit offensichtlich an den gesetzlich vorgesehenen Fristen orientiert: Die Berufungszulassung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Die genannten Tatsachen und die Folgerungen, die der Senat daraus für das vorliegende Verfahren zu ziehen beabsichtigte, wurden der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bekannt gegeben. Sie ist dem nicht substantiiert entgegengetreten, insbesondere hat sie sich - wie auch schon zu der entsprechenden Anfrage des Verwaltungsgerichts - zu dem im Empfangsbekenntnis angegebenen und beanstandeten Zustellungsdatum nicht geäußert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 3 iVm. Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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