Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - NC 9 S 9/06

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Dezember 2005 - NC 6 K 2015/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird für den zweiten Rechtszug auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17.02.2005 und des Senats vom 24.08.2005 abzuändern, im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die vom Antragsteller mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die Prüfung beschränkt, führen nicht zu einer Abänderung der angegriffenen Beschlüsse und zu der vom Antragsteller begehrten vorläufigen Zulassung zum „1. Fachsemester, gemäß der Sach- und Rechtslage des WS 2004/2005“.
Der Antragsteller greift die Berechnung des Dienstleistungsexportes für die Lehreinheit Klinisch-Praktische Medizin an und meint, die im Abänderungsverfahren erstmals von der Antragsgegnerin vorgelegte Neuberechnung der Dienstleistungsexporte auf Grundlage der tatsächlich im Wintersemester 2004/2005 und im Sommersemester 2005 erbrachten und nach der Studienordnung vorgeschriebenen Veranstaltungen sei im Hinblick auf die insoweit abweichenden Berechnungen der Antragsgegnerin in den Studienjahren 2003/2004 und 2005/2006 nicht plausibel, unbrauchbar und offenkundig widersprüchlich. Zudem stelle sich „die Frage, welche Konsequenzen aus dem Urteil des VGH Mannheim vom 23.11.2005 - NC 9 S 140/05 - zu ziehen“ seien. Damit wird weder ein Anordnungsgrund für die im Abänderungsverfahren ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft zu treffende einstweilige Anordnung behauptet (vgl. nachfolgend 1.) noch legt der Antragsteller dar, weshalb ein Anspruch auf Änderung der angegriffenen Beschlüsse wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gegeben sein soll (vgl. nachfolgend 2.).
1. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass der von ihm begehrten einstweiligen Anordnung unter Abänderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17.02.2005 und des Senats vom 24.08.2005 hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil dieser Antrag nach dem Ende der Vorlesungszeit des Bewerbungssemesters gestellt worden ist und es daher an einem Anordnungsgrund für eine solche Anordnung fehlt.
Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob § 80 Abs. 7 VwGO vorliegend überhaupt entsprechend anwendbar ist, nachdem eine unmittelbare Anwendung außerhalb des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO ausscheidet. Zwar geht auch der Senat in Übereinstimmung mit der inzwischen überwiegenden Ansicht davon aus, dass eine analoge Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO im Verfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich statthaft ist (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Randnr. 174 ff. zu § 123; Happ in Eyermann, 11. Aufl., Randnr. 77 ff. zu § 123; Kopp, VwGO, 14. Aufl., Randnr. 35 zu § 123; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 06.12.2001 - 13 S 1824/01 -, ESVGH 52, 181, VBlBW 2002, 480 ff. und vom 06.05.2002 - 11 S 616/02 -, ESVGH 52, 216 ff., NVwZ-RR 2002, 911 ff. sowie BVerfG, Beschluss vom 23.03.1995 - 2 BvR 492/95 - und - 2 BvR 493/95 -, BVerfGE 92, 245ff, InfAuslR 1995, 246, 251). Ob für eine solche Analogie auch dann Raum ist, wenn - wie hier - der Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist (ablehnend: Funke-Kaiser in Bader, VwGO, Randnr. 67 zu § 123 und Happ in Eyermann, a.a.O., Randnr. 81 zu § 123), kann vorliegend offen bleiben. Denn sowohl einem - sachdienlich auszulegenden - neuen Antrag nach § 123 VwGO als auch einem im Abänderungsverfahren geltend gemachten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stünde entgegen, dass der jeweilige Antrag verspätet gestellt worden ist. Damit fehlt es - unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO - im maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung des (Abänderungs-)Antrags an einem Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.
Ein neuer Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum 1. Fachsemester des Wintersemesters 2004/2005 wäre verspätet gestellt worden. Der Antrag wurde vom Antragsteller erst am 27.09.2005 und damit ca. sechs Monate nach dem Ende der Vorlesungszeit des Wintersemesters 2004/2005 gestellt, das nach ständiger Rechtsprechung des Senats die äußerste Grenze für einen solchen Antrag bildet (vgl. Senat, Beschluss vom 11.08.2003 - NC 9 S 28/03 -, Wissenschaftsrecht 2003, 344 ff., NVwZ-RR 2004, 37). Da das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (auch bei entsprechender Anwendung) nach allgemeiner Meinung kein Rechtsmittelverfahren, sondern ein gegenüber dem Ausgangsverfahren selbstständiges und neues Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist, in dem eine abweichende Entscheidung (nur) mit Wirkung für die Zukunft getroffen werden kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.12.2001, a.a.O., m.w.N.), hätte auch ein nach dem Ende der Vorlesungszeit des Bewerbungssemesters gestellter Abänderungsantrag mangels eines Anordnungsgrundes für die begehrte einstweilige Anordnung keinen Erfolg. Denn in diesem neuen Verfahren käme dem Antragsteller ein prozessualer Bestandsschutz des Ausgangsverfahrens nicht mehr zugute, vielmehr müsste er sein Begehren ausschließlich im - noch anhängigen - Hauptsacheverfahren weiterverfolgen.
2. Ein Anspruch des Antragstellers auf Abänderung der angegriffenen Beschlüsse in analoger Anwendung des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil er die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt hat. Diese sind auch sonst nicht ersichtlich. Ein Anspruch eines Beteiligten auf erneute gerichtliche Sachentscheidung besteht nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nur dann, wenn veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgetragen werden, die geeignet sind, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen. Der Antragsteller hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter Verweis auf den Beschluss des Senats vom 24.08.2005 zwar zutreffend behauptet, der Senat habe seinen verspäteten Vortrag zum Dienstleistungsexport deshalb nicht im Beschwerdeverfahren berücksichtigt, weil es sich hierbei um keine Konkretisierung des bisherigen Vortrags gehandelt habe. Denn der Antragsteller hatte innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist ausdrücklich „keine grundsätzlichen Einwendungen gegen den betreffenden Dienstleistungsexport der medizinischen Soziologie erhoben“. Veränderte (neue) Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ergeben sich hieraus jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich insoweit um Umstände, die der Antragsteller aufgrund eines ihm zurechenbaren Verschuldens seines Prozessbevollmächtigten nicht rechtzeitig geltend gemacht hat. Weshalb sich aus der im Beschwerdeverfahren aufgestellten Behauptung, die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin sei in Bezug auf den Dienstleistungsexport für das Wintersemester 2004/2005 deshalb „unbrauchbar“ und offenkundig widersprüchlich, weil die Antragsgegnerin (auch) im Studienjahr 2005/2006 einen wesentlich geringeren Dienstleistungsexport zugrunde gelegt habe, neue Umstände für die Berechnung der Lehrnachfrage für das Studienjahr 2004/2005 ergeben sollen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren aufgeworfene Frage, welche Konsequenzen aus dem Urteil des Senats vom 23.11.2005 - NC 9 S 140/05 - zu ziehen seien, lassen die Annahme veränderter Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht zu. In diesem Verfahren auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Universität Ulm im Wintersemester 2004/2005 hatte der Senat entschieden, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Universität zur Berechnung der Lehrnachfrage eine Gruppengröße von g=180 bei Vorlesungen zugrunde legt. Zwar mag eine Änderung der obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich die Annahme veränderter Umstände im Sinne dieser Vorschrift begründen. Nachdem der Senat in dieser Entscheidung jedoch die Annahme einer Gruppengröße von 180 bei Vorlesungen grundsätzlich bestätigt hat und das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zugunsten des Antragstellers diese von der Antragsgegnerin bei der Berechnung der Lehrnachfrage zugrunde gelegte Gruppengröße auf den Wert 310 bzw. 400 korrigiert hat, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, weshalb sich dieser Umstand kapazitätsgünstig für den Antragsteller auswirken soll.
Da der Antragsteller auch nicht vorträgt, weshalb er ohne Verschulden gehindert war, seine im ursprünglichen Beschwerdeverfahren geltend gemachten Einwände gegen den Dienstleistungsexport rechtzeitig innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist geltend zu machen, liegen die Voraussetzungen für einen Änderungsantrag in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht vor.
Die vom Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO getroffene Sachentscheidung kann vom Antragsteller hingegen nicht mit der Beschwerde angegriffen werden. Insoweit steht dem Antragsteller weder ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Abänderung von Amts wegen zu, noch erwächst dem Senat im Beschwerdeverfahren eine eigene „originäre“ Kompetenz nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO (vgl. hierzu ausführlich: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.12.2001, a.a.O., m.w.N. und Beschluss vom 06.05.2002, a.a.O.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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