Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 9 S 171/09

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 2008 - 4 K 2498/07 - geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Nummern 2, 3 und 4 des Bescheids des Landratsamts Ludwigsburg vom 1. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 9. Februar 2007 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der in Nr. 1 getroffenen Anordnung rechtswidrig waren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 3/7 und der Beklagte zu 4/7.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Rechtsstreit betrifft insbesondere die Frage, ob die Lebensmittelüberwachungsbehörde den Rückruf von Gewürzprodukten anordnen kann, die aus nikotinbelastetem Volleipulver hergestellt wurden, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von Verbrauchern nicht zu besorgen ist.
Die Klägerin stellt Gewürzprodukte her und verwendet hierfür Volleipulver der Fa. O.... Mit Schreiben vom 05.04.2006 teilte das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium mit, dass Nikotin in den Federn und in der Muskulatur sowie in den Eiern von Legehennen der die Fa. O... beliefernden Hühnerfarmen nachgewiesen worden sei. Es bestehe daher der Verdacht der unsachgemäßen Verwendung von nikotinhaltigen Desinfektionsmitteln, die nur in leeren Ställen zur Bekämpfung der roten Vogelmilbe eingesetzt werden dürften. Von einer Gesundheitsgefährdung müsse - angesichts der geringen Werte - nicht ausgegangen werden, mit Nikotin belastete Produkte seien jedoch nicht zum Verzehr geeignet. Auch die Klägerin hatte am 20.02.2006 eine Lieferung mit 4.800 kg des möglicherweise mit Nikotin belasteten Volleipulvers erhalten. 3.670 kg waren nach Kenntnis von der Nikotinverunreinigung zurückgegeben worden, 1.130 kg des Volleipulvers waren jedoch bereits in Produkten der Klägerin verarbeitet. Mit Gutachten vom 12.05.2006 stellte das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe in den entnommenen Proben der Produkte „L...“ und „S...“ einen Nikotingehalt von 5 µg/kg bzw. 3 µg/kg fest. Mit einem zweiten Gutachten vom 24.05.2006 wurde auch in den Produkten „Pa...“ und „P...-...“ ein Nikotingehalt von 3 µg/kg bzw. 8 µg/kg festgestellt. Den vom Landratsamt daraufhin geforderten freiwilligen Rückruf lehnte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.05.2006 ab, weil er sich angesichts der geringen Erfolgsaussichten einerseits und der hohen Kostenbelastung andererseits als unverhältnismäßig erweise.
Mit Verfügung vom 01.06.2006 ordnete das Landratsamt Ludwigsburg daraufhin den Rückruf der aus dem am 20.02.2006 von der Fa. O... gelieferten Volleipulver hergestellten Produkte „S...“, „L...“, „P...“ und „Pa...“ mit im Einzelnen geregelten Dokumentationspflichten an. Gleichzeitig wurde das Inverkehrbringen der zurückgegebenen Produkte untersagt und der Klägerin eine Untersuchung der noch nicht amtlich begutachteten Produktgruppen aus der am 20.02.2006 eingegangenen Volleipulverlieferung aufgegeben. Im Einzelnen enthält der Bescheid folgende Anordnungen:
1. Bereits ausgelieferte Produkte „S...“, „L...-...“, „P...“ und „Pa...“, die unter Verwendung des von der Fa. O... am 20.02.2006 gelieferten Volleipulvers hergestellt worden sind, von den Kunden unter Angabe des Grundes der Beanstandung zurückzurufen.
2. Name, Adresse, Auslieferungsdatum und Auslieferungsmenge der Empfänger vorzulegen.
3. Kopien der versandten Rückrufschreiben sowie Nachweise über den Zugang des Rückrufs vorzulegen.
4. Zurückgegebene Mengen durch eine schriftliche Dokumentation nachzuweisen.
5. Das Inverkehrbringen sämtlicher zurückgegebener Produkte bis auf weiteres zu unterlassen.
6. Bislang noch nicht untersuchte Produkte, die unter Verwendung des von der Fa. O... am 20.02.2006 gelieferten Volleipulvers hergestellt wurden, bei einem zugelassenen lebensmittelrechtlichen Sachverständigen auf Nikotin und Cotinin untersuchen zu lassen.
7. Die Gutachten zu übersenden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 08.06.2006 Widerspruch, führte den Rückruf aber gleichwohl bei mehr als 1.000 Kunden durch, wobei die Rücklaufquote nach eigenen Angaben bei ca. 6 % lag. Ebenso wurden die nicht bereits begutachteten Produkte zur Untersuchung gegeben, wobei jedoch der Nikotinwert ausweislich des vorgelegten Prüfberichts vom 16.06.2006 unterhalb der Bestimmungsgrenze von 3 µg/kg lag. Eine dritte Begutachtung durch das CVUA vom 07.08.2006 bestätigte indes für alle von der Klägerin hergestellten Produkte Nikotinspuren. Allerdings wurden bei der letzten Beprobung jeweils sechs Proben einer Produktcharge entnommen, in denen die festgestellte Konzentration von Nikotin und Cotinin teilweise erheblichen Schwankungen unterlag. Hinsichtlich des Produktes „L...“ etwa lagen die Ergebnisse zwischen 1,8 und 4,7 µg/kg.
Mit Bescheid vom 09.02.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch als unbegründet zurück. Wegen der vom CVUA Karlsruhe festgestellten Nikotinbelastungen sei ein Inverkehrbringen der beanstandeten Produkte gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.04.2006 (BGBl. I S. 945 - LFGB -) verboten und der Straftatbestand des § 58 Abs. 1 Nr. 4 LFGB erfüllt. Angesichts dieser Entscheidung des Gesetzgebers, der auf zulässige Höchstwerte gerade nicht abgestellt habe, komme es auf das Vorliegen einer Gesundheitsgefahr nicht an. Besondere Umstände, die ein Eingreifen zulasten der Klägerin ausnahmsweise als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, seien nicht ersichtlich.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Urteil vom 24.04.2008 - 4 K 2498/07 - statt, weil der Beklagte das ihm in § 39 Abs. 2 LFGB eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt habe, und hob die Bescheide in Nr. 2, 3, 4 (Dokumentationspflichten) und 5 (Inverkehrbringens-Verbot der zurückgegebenen Produkte) auf. Hinsichtlich der von der Klägerin erfüllten Verpflichtungen in Nr. 1 (Rückruf), 6 und 7 (Untersuchungsanordnung) stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die angefochtenen Bescheide rechtswidrig waren.
Der Beklagte hat hiergegen die vom Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 20.01.2009 - 9 S 1533/08 - zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde sei gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bei Vorliegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des Lebensmittelrechts zum Eingreifen verpflichtet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehe ein Entschließungsermessen deshalb nicht. Angesichts der Tatsache, dass ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 Nr. 4 LFGB zugleich die Voraussetzungen des Straftatbestandes aus § 58 Abs. 1 Nr. 4 LFGB erfülle, sei ein etwaiges Ermessen im Übrigen auch auf Null reduziert. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung komme es bei Stoffen mit pharmakologischer Wirkung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 LFGB auch nicht auf eine Gesundheitsgefährdung an. Der Gesetzgeber habe sich insoweit, anders als etwa in § 10 Abs. 1 Nr. 2 LFGB, für eine lebensmittelrechtliche „Null-Toleranz“ entschieden. Um zu verhindern, dass bereits ausgelieferte Produkte durch den Endverbraucher verzehrt würden, sei der verfügte stille Rückruf auch das mildeste Mittel. Er erweise sich angesichts der gesetzgeberischen Zielvorstellung in § 10 Abs. 1 Nr. 4 LFGB auch nicht als unzumutbar und entspreche gängiger Praxis. Im Übrigen sei die Problematik nikotinbelasteter Eier und daraus hergestellten Eipulvers bereits seit Mitte der 90er Jahre bekannt. Die begleitenden Dokumentationspflichten seien erforderlich, um eine Mitteilung nach dem lebensmittelrechtlichen Schnellwarnsystem durchführen zu können.
Der Beklagte hat innerhalb der in § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO genannten Frist einen ausdrücklichen Antrag nicht gestellt. In der mündlichen Verhandlung beantragt er,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 2008 - 4 K 2498/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufung sei bereits unzulässig, weil weder die Berufungsbegründung noch der Zulassungsantrag den von § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO geforderten Antrag enthalte. Die Berufung sei auch unbegründet, weil das verwaltungsgerichtliche Urteil jedenfalls im Ergebnis richtig sei. Entgegen der vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung könne § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LFGB nicht zur Anwendung kommen, weil Nikotin kein Stoff mit pharmakologischer Wirkung im Sinne der Vorschrift sei. Ausweislich der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 07.04.2006 werde Nikotin auch in der Tierhaltung als Desinfektionsmittel zur Bekämpfung von Parasiten wie der Rotmilbe eingesetzt. Rechtsgrundlage für die Bewertung etwaiger Nikotinrückstände sei deshalb nicht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LFGB, sondern § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LFGB. Insoweit sei aber gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1a) LFGB i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 2a) und b) der Rückstands-Höchstmengenverordnung (Verordnung über Höchstmengen an Rückständen von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, Düngemitteln und sonstigen Mitteln in oder auf Lebensmitteln i.d.F. vom 21.10.1999, BGBl. I S. 2082 - RHmV -) ein Grenzwert von 0,01 mg/kg Lebensmittel festgesetzt, der im Falle der Produkte der Klägerin nicht überschritten sei. Zum gleichen Ergebnis führe Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der EG-Verordnung 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.02.2005 über Höchstgehalte an Pestizid-Rückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. EG L 70 vom 16.03.2005, S. 1). Dies sei hinsichtlich der Nikotin-Belastung in getrockneten Steinpilzen im Übrigen sowohl vom Bundesinstitut für Risikobewertung in seiner Stellungnahme vom 28.02.2009 als auch vom CVUA Sigmaringen im Gutachten vom 13.11.2008 klargestellt worden. Angesichts der Tatsache, dass der damit heranzuziehende Rückstandshöchstgehalt von 0,01 mg/kg in den Produkten der Klägerin nicht überschritten sei, fehle es an einer Rechtsgrundlage für die angeordneten Verfügungen. Im Übrigen sei mit dem Gutachten des CVUA Karlsruhe ein verfahrensfehlerfreier Nachweis von Nikotin auch nicht geführt worden. Schließlich erweise sich die Regelung als unverhältnismäßig. Angesichts der Tatsache, dass ein Gesundheitsrisiko für Verbraucher nicht festgestellt werden könne, seien die Kosten für die Durchführung der Rückrufaktion sowie der gewaltige Imageschaden bei den Kunden außer Verhältnis stehende Nachteile der vom Landratsamt angeordneten Maßnahmen.
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Dem Senat liegen die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten des Beklagten vor, auf die hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung ist zulässig (I.), aber nur zum Teil begründet (II.). Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Rückrufanordnung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids und die hierauf bezogenen Maßnahmen in Nr. 2, 3 und 4 rechtswidrig waren bzw. sind. Erfolg hat die Berufung des Beklagten dagegen hinsichtlich des Inverkehrbringensverbots in Nr. 5 und der Untersuchungsanordnung in Nr. 6 sowie der hierauf bezogenen Verfahrensmaßnahme in Nr. 7 des Bescheids.
I.
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Die vom Beklagten erhobene Berufung ist zulässig.
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Allerdings enthält weder die Berufungsbegründung noch der Zulassungsantrag den von § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO geforderten „bestimmten Antrag“. Den Zulassungsanforderungen ist indes auch Genüge getan, wenn ein solcher Antrag zwar nicht ausdrücklich formuliert worden ist, sich das Ziel der Berufung aber dem Vortrag des Berufungsklägers eindeutig und ohne Zweifel entnehmen lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.05.2006 - 1 B 13/06 -, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 32; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.07.2001 - 8 S 268/01 -, VBlBW 2002, 126). Das ist hier der Fall, weil der Beklagte im Berufungsschriftsatz vom 27.02.2009 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, unzutreffend sei. Zweifel am Rechtsschutzbegehren des Beklagten sind damit nicht möglich. Er verfolgt mit der Berufung das Ziel, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu ändern und die Abweisung der von der Klägerin erhobenen Klage zu erreichen.
II.
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Die Berufung ist zum Teil begründet.
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Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine auf § 39 Abs. 2 LFGB gestützte Anordnung vor (1.). Die Rückrufanordnung und die hierauf bezogenen Verfahrensmaßnahmen erweisen sich indes als unverhältnismäßig (2.). Das Verbot, zurückgegebene Waren in den Verkehr zu bringen (3.), sowie die Verpflichtung, bislang nicht begutachtete Produkte untersuchen zu lassen (4.), dagegen sind nicht zu beanstanden.
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1. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Die festgestellten Nikotinverunreinigungen begründen einen entsprechenden Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften. Die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der EG-Verordnung 396/2005 (a) und § 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) LFGB und § 1 Abs. 4 Nr. 2b) RHmV (b) festgelegten Grenzwerte stehen dem nicht entgegen. Denn unabhängig von diesen Höchstmengen verbietet § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFGB das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die mit nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind (c).
21 
a) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ergibt sich die Unzulässigkeit des angeordneten Rückrufs nicht bereits aus Art. 18 Abs. 2 der EG-Verordnung 396/2005. Nach dieser unmittelbar anwendbaren Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von unter Anhang I der Verordnung fallenden Erzeugnissen nicht mit der Begründung verbieten oder verhindern, dass die Erzeugnisse Pestizid-Rückstände enthalten, sofern die Erzeugnisse den Vorgaben aus Art. 18 Abs. 1 und Art. 20 der Verordnung entsprechen.
22 
aa) Zwar sind getrocknete Hühnereier in Code-Nr. 1030010 des Anhang I der Verordnung aufgeführt und damit Erzeugnisse tierischen Ursprungs im Geltungsbereich der Verordnung (vgl. Art. 2 Abs. 1).
23 
bb) Fraglich ist aber bereits, ob es sich bei dem aufgefundenen Nikotin um „Pestizidrückstände“ im Sinne der Verordnung handelt.
24 
Zwar scheint es nach dem Wortlaut der Legaldefinition in Art. 3 Abs. 2 Buchst. c) der EG-Verordnung 396/2005 auf die Herkunft des aufgefundenen Rückstands nicht anzukommen. Denn ausschlaggebend ist danach allein, dass der Wirkstoff auch in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt wurde, wird oder werden kann. Diese Voraussetzung wäre vorliegend erfüllt, da es sich bei Nikotin nach den Ausführungen des Bundesinstituts für Risikobewertung um einen Pflanzenschutzmittelwirkstoff handelt, der die EU-Wirkstoffprüfung gemäß der Richtlinie 91/414/EWG durchlaufen hat (vgl. Stellungnahme 09/2009 des BfR vom 28.02.2009 zu Nikotin in getrockneten Steinpilzen).
25 
Das Regelungssystem der EG-Verordnung 396/2005 ist aber grundsätzlich auf „die Verwendung gezielt wirkender Stoffe in Pflanzenschutzmitteln“ ausgerichtet (vgl. Erwägungsgrund Nr. 5). Dementsprechend steht die Festsetzung der zulässigen Höchstgehalte auch im Zusammenhang zum Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln (vgl. Art. 6 Abs. 1). Auch die erforderlichen Rückstandsuntersuchungen sind primär auf die Frage bezogen, ob und wie ein Wirkstoff nach der Ausbringung abgebaut wird. Für einen auf den bewussten Stoffeinsatz begrenzten Anwendungsbereich spricht auch, dass die Vorgängerregelung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 86/363/EWG des Rates vom 24.07.1986 über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Lebensmitteln tierischen Ursprungs (ABl. EG L 221 vom 07.08.1986, S. 43) ursachenbezogen auf „Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln“ abgestellt hatte. Entstehungsgeschichte, Systematik und Regelungsziel der EG-Verordnung 396/2005 sprechen daher dafür, als „Pestizidrückstand“ nur die Reste von Stoffen zu betrachten, die absichtlich und gezielt während der Produktion oder Lagerung von Lebensmitteln eingesetzt werden (vgl. auch Eggers, ZLR 2009, 549).
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Selbst bei Zugrundelegung dieses engeren Begriffsbildes - zu dem der Senat neigt - dürfte vorliegend indes von einem „Pestizidrückstand“ auszugehen sein. Denn nach den Einlassungen der Fa. O... (vgl. Schriftsatz vom 25.04.2006, Bl. 29 der Behördenakten) sind die Rückstände auf die Verwendung von Nikotin als Bestandteil von Schädlingsbekämpfungsmitteln zurückzuführen. Damit liegt ein gezielter Einsatz des Stoffes im Produktionsverfahren vor, der gegen die Einstufung als unbeabsichtigte Verunreinigung im Sinne einer „Kontaminante“ spricht (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2009, C 102 § 9 Rn. 8).
27 
Mangels spezifischen Rückstandshöchstgehalts wäre daher von dem in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung geregelten Standardwert von 0,01 mg/kg auszugehen.
28 
cc) Die EG-Verordnung 396/2005 war indes im maßgeblichen Zeitpunkt des Erledigungseintritts noch nicht in Kraft. Gemäß Art. 50 der Verordnung tritt Kapitel 3 - und damit auch die hier maßgebliche Vorschrift des Art. 18 - vielmehr erst nach Ablauf von sechs Monaten nach der Veröffentlichung der letzten der Verordnungen zur Festlegung der Anhänge I, II, III und IV in Kraft. Diese Voraussetzungen sind aber erst mit der EG-Verordnung 149/2008 der Kommission vom 29.01.2008 zur Änderung der Verordnung 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Anhänge II, III und IV mit Rückstandshöchstgehalten für die unter Anhang I der genannten Verordnung fallenden Erzeugnisse (ABl. EG L 58 vom 01.03.2008, S. 1) eingetreten. Die benannten Vorschriften gelten daher erst ab dem 01.09.2008.
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dd) Ob die durch die Herstellung von Volleipulver und die Verarbeitung im Herstellungsprozess der Klägerin bewirkte Veränderung des Pestizid-Rückstandsgehalts - insbesondere der Entzug des nicht unerheblichen Wassergehalts - gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung berücksichtigt werden müsste (vgl. hierzu die von der Klägerin vorgelegte Bewertung des CVUA Sigmaringen vom 13.11.2008 zu Nikotin in getrockneten Steinpilzen), oder ob angesichts der Tatsache, dass in Anhang I der Verordnung ausdrücklich auch „getrocknete“ Vogeleier aufgeführt sind, auf eine Berücksichtigung der mit der Verarbeitung bewirkten Rückstandsveränderungen verzichtet werden könnte, bedarf deshalb keiner Erörterung.
30 
b) Zu Recht hat die Klägerin indes darauf verwiesen, dass die vorliegende Nikotinbelastung am Maßstab des § 9 LFGB zu messen ist und die danach maßgebenden Höchstmengen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LFGB nicht überschritten werden.
31 
aa) Der Beklagte hat der Anwendbarkeit des § 9 LFGB - einer Stellungnahme des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums vom 29.06.2006 (Bl. 100 der Behördenakten) folgend - mit der Begründung widersprochen, die Vorschrift regele den Einsatz von Pflanzenschutz- und anderen Mitteln (u.a. zur Schädlingsbekämpfung) nur bei der Produktion von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen. Für Nikotinrückstände in Tierprodukten könne sie daher von vornherein nicht gelten.
32 
Diese Einschätzung findet im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Vielmehr spricht § 9 Abs. 1 Satz 1 LFGB nur von Lebensmitteln, ohne eine Einschränkung auf deren pflanzliche Herkunft vorzunehmen. Dementsprechend sind von § 1 Abs. 1 Nr. 1 der auf Grundlage des § 9 LFGB erlassenen Rückstands-Höchstmengenverordnung ausdrücklich auch „Lebensmittel tierischer Herkunft“ erfasst und geregelt. Schließlich hat der Gesetzgeber mit der Novellierung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 LFGB auch Lebensmittel tierischen Ursprungs in § 9 LFGB geregelt. Denn die in Bezug genommene EG-Verordnung 396/2005 umfasst ausdrücklich auch Lebensmittel tierischen Ursprungs. Die Auffassung, § 9 LFGB könne von vornherein nur für Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse zur Anwendung gebracht werden, trifft daher nicht zu.
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Auch soweit der Beklagte darauf verwiesen hat, dass Nikotin nicht als Biozid zugelassen sei, dürfte dies der Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 LFGB nicht entgegenstehen. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 LFGB auch für Biozid-Produkte nicht auf deren Zulassung abstellt. Vielmehr erfüllt bereits ein Wirkstoff, der dazu bestimmt ist, Schadorganismen zu zerstören, die maßgeblichen Anforderungen der Legaldefinition in § 3b Abs. 1 Nr. 1 des Chemikaliengesetzes. Im Übrigen ist ausweislich der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 09/2009 vom 28.02.2009 zu Nikotin in getrockneten Steinpilzen Nikotin als Pflanzenschutzmittelwirkstoff zu betrachten, der auch die EU-Wirkstoffprüfung gemäß Richtlinie 91/414/EWG durchlaufen hat. Nikotin ist damit jedenfalls ein Stoff, der für die Verwendung als Pflanzenschutzmittel bestimmt war (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.1987 - 3 C 2/86 -, BVerwGE 77, 102 [120] für die Vorgängervorschrift des § 14 LMBG).
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bb) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) LFGB sind daher die in der Rückstands-Höchstmengenverordnung festgelegten Grenzwerte maßgeblich.
35 
Eine spezifisch festgesetzte Höchstmenge für Nikotin in Volleipulver nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 RHmV ist nicht vorhanden, weil Nikotin in Anlage 1 für Lebensmittel tierischer Herkunft nicht aufgeführt ist. Deshalb ist die „allgemeine Höchstmenge“ von 0,01 mg/kg Lebensmittel aus § 1 Abs. 4 Nr. 2b) RHmV heranzuziehen. Denn Nikotin ist vorliegend als Wirkstoff in einem Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt worden. Eine Höchstmengenkorrektur für die durch den Trockenvorgang bewirkte Veränderung der zulässigen Höchstmenge ist gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 3 RHmV nicht vorzunehmen, weil die „analytische Nullgrenze“ von 0,01 mg/kg nicht weiter herabgesetzt wird. Im Übrigen ist nach Anlage 4 Liste A Nr. 3 für getrocknete Eier ohnehin das Gewicht der zur Herstellung verwendeten Eier ohne Schale maßgeblich.
36 
Diese Höchstmengen werden von den beanstandeten Produkten der Klägerin nach gegenwärtigem Stand nicht überschritten.
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c) Die beanstandeten Produkte unterfallen aber dem Verbot aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFG. Danach ist es verboten, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen Pflanzenschutzmittel im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes vorhanden sind, die nicht zugelassen sind oder die bei den Lebensmitteln oder deren Ausgangsstoffen nicht angewendet werden dürfen.
38 
Nach den vorhandenen Erkenntnissen ist vorliegend davon auszugehen, dass die im von der Klägerin verarbeiteten Volleipulver festgestellten Nikotin-Rückstände auf die Verwendung von Nikotin als Bestandteil von Schädlingsbekämpfungsmitteln zurückzuführen sind. Zwar ist die Kausalität entsprechender Verunreinigungen schwer zu belegen, angesichts der Einlassungen der Fa. O... (vgl. Schriftsatz vom 25.04.2006, Bl. 29 der Behördenakten) zum Einsatz entsprechender Desinfektionsmittel bestehen aber keine ernstlichen Zweifel an der Ursächlichkeit der angewandten Schädlingsbekämpfung für die aufgefundenen Nikotinspuren der Eier. Auch die Klägerin selbst hat diesen Geschehensablauf als „durchaus denkbar“ bezeichnet und in ihrer Bewertung darauf abgestellt, dass das Nikotin zum Einsatz kam, um die Hühner, die von Milben befallen waren, zu behandeln (Schriftsatz vom 01.03.2010, S. 2). Schließlich können nach den nachvollziehbaren Einlassungen des Pharmakologen Dr. Z... in der mündlichen Verhandlung die Cotinin-Funde in den Eiern anders auch kaum begründet werden. Plausible Möglichkeiten eines abweichenden Geschehensablaufs sind schließlich weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Auch das Vorliegen einer Nikotinbelastung der von der Klägerin hergestellten Produkte steht angesichts der dreimaligen Begutachtung des CVUA und der unstreitigen Verunreinigung des zur Herstellung verwendeten Volleipulvers zur Überzeugung des erkennenden Senats fest. Dabei kann der nicht abschließend geklärte Mengenanteil offen bleiben, denn § 9 Abs. 1 Satz Nr. 2 LFGB stellt auf einen Schwellenwert nicht ab. Die Tatsache, dass in dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten keine Nikotinverunreinigung festgestellt werden konnte, steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil hier von einer Bestimmungsgrenze von 3 µg/kg ausgegangen worden war. Unterhalb hiervon liegende Nikotingehalte sind damit nicht ausgeschlossen. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung scheidet jedoch aus, weil die zurückgegebenen Waren durch die Klägerin zwischenzeitlich vernichtet worden sind.
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Wie die Klägerin selbst unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 021/2006 vom 07.04.2006 ausgeführt hat, ist die Verwendung von Nikotin als Desinfektionsmittel in der Tierhaltung jedoch nur in Ausnahmefällen und mit Sondergenehmigung zulässig. Auch in Pflanzenschutzmitteln - zu den nach § 2 Nr. 9a) PflanzenschutzG Schädlingsbekämpfungsmittel gehören - darf Nikotin nicht mehr verwendet werden, nachdem der Wirkstoff nicht in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15.07.1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. EG L 230 vom 19.08.1991, S. 1) aufgenommen wurde. Ausweislich der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 09/2009 vom 28.02.2009 ist hierüber ausdrücklich beraten worden und die Nichtaufnahme damit als bewusste Entscheidung zu bewerten. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 PflanzenschutzG dürfen Pflanzenschutzmittel jedoch nur angewandt werden, wenn sie zugelassen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.01.2007 - 4 S 1379/04 -). Entsprechendes ist von der Klägerin nicht einmal vorgetragen worden; in der mündlichen Verhandlung hat die Bevollmächtigte der Klägerin vielmehr eingeräumt, dass eine Zulassung für die Tierbehandlung nicht vorhanden ist.
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Das Inverkehrbringen der aus einem mit nikotinbelastetem Desinfektionsmittel kontaminierten Volleipulver hergestellten Waren der Klägerin verstieß daher gegen § 9 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Denn die Produkte wiesen Rückstände aus der Behandlung mit nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln auf.
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Aus der Tatsache, dass die festgesetzten Höchstmengen dabei nicht überschritten sind, folgt nichts anderes. Denn die in § 9 Abs. 1 Satz 2 LFGB getroffene Ausnahmeregelung gilt nur für importierte Waren. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Lebensmittel auch aus Drittländern eingeführt werden, wo entsprechende Pflanzenschutzmittel zugelassen sind oder rechtmäßig eingesetzt werden. Insoweit kann mit dem Rückgriff auf festgesetzte Höchstmengen der erforderliche Gesundheitsschutz gewährleistet werden. Für die in Deutschland und unter Verstoß gegen die Zulassungsvorschriften hergestellten Produkte findet die Ausnahmevorschrift dagegen keine Anwendung (vgl. Zipfel/Rathke, C 102 § 9 Rn. 40 f.; Wehlau, LFGB-Kommentar, 2010, § 9 Rn. 15). Denn aus der Anwendung von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, die nicht entsprechend begutachtet und auf etwaige Wirkungen untersucht worden sind, entstehen Unsicherheiten und Risiken, die eine Einstufung des Lebensmittels als „unsicher“ rechtfertigen (vgl. dazu auch Art. 14 Abs. 1 EG-Verordnung 178/2002). Die bloße Einhaltung von Grenzwerten für einzelne Wirkstoffe genügt insofern für einen ausreichenden Gesundheitsschutz nicht.
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Die aus dem von der Fa. O... am 20.02.2006 gelieferten Volleipulver hergestellten Lebensmittel durften daher gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 LFGB nicht in den Verkehr gebracht werden.
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2. Der vom Beklagten mit Verfügung vom 01.06.2006 angeordnete Rückruf erweist sich gleichwohl als rechtswidrig.
45 
a) Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung kam der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde zwar kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr ist sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. Wehlau, LFGB-Kommentar, 2010, § 39 Rn. 40; Meyer/Streinz, LFGB-Kommentar, 2007, § 39 Rn. 7; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2009, C 102 § 39 Rn. 17). Ein Absehen von hoheitlichen Aufklärungs- oder Verhütungsmaßnahmen nach § 39 Abs. 2 LFGB kann deshalb nur ausnahmsweise, bei Vorliegen besonderer Einzelfallumstände in Betracht kommen (Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186).
46 
b) Der in Nr. 1 der Verfügung angeordnete Rückruf kann jedoch nicht als „notwendig“ im Sinne des § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bewertet werden, sodass die Ausübung des Auswahlermessens nicht dem Zweck der Ermächtigungsnorm entsprach (vgl. § 40 LVwVfG).
47 
Nach den vorhandenen Erkenntnissen begründeten die Nikotinspuren in dem von der Fa. O... am 20.02.2006 ausgelieferten Volleipulver keine Gesundheitsgefährdung (vgl. hierzu insbesondere die aktualisierte Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 006/2008 vom 08.02.2008). Hiervon ging auch der Beklagte aus. In der Verfügung des Landratsamts Ludwigsburg vom 01.06.2006 wird ausschließlich auf den vorbeugenden Verbraucherschutz abgestellt. Auch im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 09.02.2007 wird lediglich das Ziel benannt, ein Inverkehrbringen der mit unzulässigen Rückständen belasteten Lebensmittel zu verhindern. Aspekte des Gesundheitsschutzes und des Vorsorgeprinzips (vgl. dazu Art. 7 Abs. 1 der EG-Verordnung 178/2002) scheiden damit aus.
48 
Ob die besonders belastende Maßnahme des Rückrufs nach § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LFGB bei Rechtsverstößen ohne Gesundheitsrisiko bereits grundsätzlich ausgeschlossen werden muss, ist nicht abschließend geklärt. Die europarechtlichen Vorgaben sprechen dabei für eine eher restriktive Sichtweise. Denn Art. 19 Abs. 1 Satz 2 der EG-Verordnung 178/2002 setzt für die Verpflichtung des Lebensmittelunternehmens zu Rücknahme und Rückruf bereits gelieferter Produkte voraus, dass „andere Maßnahmen zur Erzielung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nicht ausreichen“ (vgl. dazu auch Meyer/Streinz, LFGB-Kommentar, 2007, § 39 Rn. 19). In der Literatur werden Rücknahme und Rückruf bei Fehlen einer Gesundheitsgefährdung daher teils bereits als generell unverhältnismäßige Maßnahmen erachtet (vgl. etwa Weh-lau, LFGB-Kommentar, 2010, § 39 Rn. 67 m.w.N.), während in der Rechtsprechung entsprechende Maßnahmen auch im Interesse des Verbraucherschutzes für zulässig gehalten worden sind (vgl. etwa Bay. VGH, Beschluss vom 25.05.2009 - 9 CS 08.3300 -; OVG NRW, Beschluss vom 08.08.2008 - 13 B 1022/08 -, ZLR 2008, 738).
49 
Jedenfalls im vorliegenden Fall muss der angeordnete Rückruf nach Überzeugung des Senats als unverhältnismäßig eingestuft werden. Dies folgt bereits daraus, dass der Verstoß gegen die lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht aus der unmittelbaren Produktionssphäre der Klägerin stammt, sondern auf ein Fehlverhalten ihrer Lieferantin zurückgeht. Anders als etwa bei Verstößen wegen irreführender Werbung oder Täuschung steht damit auch nicht ein strafbares Verhalten in Rede. In den von der Klägerin hergestellten Gewürzprodukten ist das beanstandete Volleipulver auch nicht mehr als eigenständiges Produkt erkennbar, sondern nur noch als mengenmäßig geringfügiger Bestandteil einer weiteren Zubereitung enthalten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin nach Kenntnis der Nikotinverunreinigungen die Weiterverarbeitung aus der beanstandeten Lieferung freiwillig eingestellt und noch nicht ausgelieferte Produkte umgehend gesperrt hat. Schließlich hat die Klägerin frühzeitig - und wie sich nachträglich angesichts der Rücklaufquote von 6 % herausgestellt hat, auch zu Recht - darauf hingewiesen, dass angesichts des regelmäßigen Kaufrhythmus von vier Wochen der größte Teil der ausgelieferten Produkte bereits abverkauft sein dürfte. Angesichts dieser Einzelfallumstände erscheint der Rückruf zur Gewährleistung des intendierten Verbraucherschutzes angesichts der von der Klägerin auf 300.000,-- EUR geschätzten Kosten und des mit einer derartigen Maßnahme verbundenen Imageverlustes bei ihren Kunden nicht als angemessen.
50 
Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht daher entschieden, dass die in Nr. 1 der angefochtenen Verfügung des Landratsamts enthaltene Rückrufanordnung rechtswidrig war.
51 
c) Damit erweisen sich auch die in Nr. 2, 3 und 4 der Verfügung angeordneten Informations- und Dokumentationspflichten als rechtswidrig. Insoweit handelt es sich um unselbständige Nachfolgeanordnungen, die ohne rechtmäßigen Rückruf keinen Bestand haben können. Da diese Maßnahmen jedenfalls nicht vollständig von der Klägerin erfüllt worden sind, liegt eine Erledigung nicht vor. Die angefochtenen Bescheide sind daher in Bezug auf Nr. 2, 3 und 4 aufzuheben.
52 
3. Eine andere Bewertung ergibt sich jedoch hinsichtlich des in Nr. 5 der Verfügung angeordneten Verbots, die zurückgegebenen Produkte in den Verkehr zu bringen. Dieses teilt nicht das rechtliche Schicksal der Rückrufanordnung und findet in § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 LFGB eine eigene Rechtsgrundlage.
53 
Der durch § 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFGB bezweckte Schutz des Verbrauchers vor Lebensmitteln, die unter unzulässiger Anwendung von Pflanzenschutzmitteln hergestellt worden sind, rechtfertigt grundsätzlich ein Einschreiten, um den Verzehr von mit Rückständen belasteten und damit „inakzeptabel“ gewordenen Lebensmitteln zu verhüten (vgl. Art. 14 Abs. 5 EG-Verordnung 178/2002). Um ein derartiges Produkt „vom Markt zu nehmen“, sind Gesundheitsgefahren nicht erforderlich (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EG-Verordnung 178/2002). Dies gilt um so mehr, als der Beklagte die Verfügung nur „bis auf weiteres“ angeordnet und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass die Maßnahme primär der Absicherung der noch nicht abgeschlossenen Begutachtung und Bewertung dient (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LFGB).
54 
Insbesondere aber belastet das ausgesprochene Verbot die Klägerin nicht in vergleichbarer Weise wie ein Rückruf. Denn es verursacht über den fehlenden Veräußerungserlös hinaus - der ggf. vom Lieferanten im Wege des Regresses ersetzt werden muss - keine zusätzlichen Kosten. Angesichts der fehlenden Außenwirkung sind auch die von der Klägerin befürchteten Imageeinbußen nicht zu besorgen, sodass eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung nicht angenommen werden kann. Dementsprechend hat die Klägerin auch freiwillig die nicht bereits ausgelieferten Produkte gesperrt und nachfolgend vernichtet. Hinsichtlich des in Nr. 5 angeordneten Inverkehrbringens-Verbots sind die angefochtenen Bescheide daher frei von Rechtsfehlern.
55 
4. Nicht zu beanstanden sind schließlich auch die in Nr. 6 der Verfügung angeordnete Verpflichtung, die bislang noch nicht amtlich begutachteten Produkte auf Nikotin und Cotinin untersuchen zu lassen, sowie die in Nr. 7 enthaltene, hierauf bezogene Vorlageverpflichtung.
56 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LFGB lagen angesichts der vom CVUA festgestellten Nikotinspuren offenkundig vor. Denn damit bestand hinreichender Grund zu der Annahme, dass die Erzeugnisse den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprachen. Da nur ein Teil der von der Klägerin hergestellten Gewürzprodukte amtlich beprobt und untersucht wurden, war nach Art. 14 Abs. 6 der EG-Verordnung 178/2002 davon auszugehen, dass auch die anderen Produkte der Klägerin, die unter Verwendung des am 20.02.2006 von der Fa. O... gelieferten Volleipulvers hergestellt worden sind, nicht sicher sind. Anhaltspunkte dafür, warum die Untersuchungsanordnung unverhältnismäßig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Auch die Klägerin hat hierzu Substantiiertes nicht vorgetragen.
57 
Auch hinsichtlich der in Nr. 6 und 7 der angefochtenen Verfügung angeordneten Untersuchung ist das Urteil des Verwaltungsgerichts daher zu ändern und die Klage abzuweisen.
III.
58 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
59 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür vorausgesetzter Zulassungsgrund nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu, weil sich die Rechtslage mit dem Inkrafttreten von Kapitel III der EG-Verordnung 396/2005 zwischenzeitlich geändert hat.
60 
Beschluss vom 2. März 2010
61 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird - nachdem hinsichtlich dieses Betrages zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Einigkeit bestand - wie in der 1. Instanz auf 100.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
15 
Die Berufung ist zulässig (I.), aber nur zum Teil begründet (II.). Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Rückrufanordnung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids und die hierauf bezogenen Maßnahmen in Nr. 2, 3 und 4 rechtswidrig waren bzw. sind. Erfolg hat die Berufung des Beklagten dagegen hinsichtlich des Inverkehrbringensverbots in Nr. 5 und der Untersuchungsanordnung in Nr. 6 sowie der hierauf bezogenen Verfahrensmaßnahme in Nr. 7 des Bescheids.
I.
16 
Die vom Beklagten erhobene Berufung ist zulässig.
17 
Allerdings enthält weder die Berufungsbegründung noch der Zulassungsantrag den von § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO geforderten „bestimmten Antrag“. Den Zulassungsanforderungen ist indes auch Genüge getan, wenn ein solcher Antrag zwar nicht ausdrücklich formuliert worden ist, sich das Ziel der Berufung aber dem Vortrag des Berufungsklägers eindeutig und ohne Zweifel entnehmen lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.05.2006 - 1 B 13/06 -, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 32; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.07.2001 - 8 S 268/01 -, VBlBW 2002, 126). Das ist hier der Fall, weil der Beklagte im Berufungsschriftsatz vom 27.02.2009 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, unzutreffend sei. Zweifel am Rechtsschutzbegehren des Beklagten sind damit nicht möglich. Er verfolgt mit der Berufung das Ziel, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu ändern und die Abweisung der von der Klägerin erhobenen Klage zu erreichen.
II.
18 
Die Berufung ist zum Teil begründet.
19 
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine auf § 39 Abs. 2 LFGB gestützte Anordnung vor (1.). Die Rückrufanordnung und die hierauf bezogenen Verfahrensmaßnahmen erweisen sich indes als unverhältnismäßig (2.). Das Verbot, zurückgegebene Waren in den Verkehr zu bringen (3.), sowie die Verpflichtung, bislang nicht begutachtete Produkte untersuchen zu lassen (4.), dagegen sind nicht zu beanstanden.
20 
1. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Die festgestellten Nikotinverunreinigungen begründen einen entsprechenden Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften. Die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der EG-Verordnung 396/2005 (a) und § 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) LFGB und § 1 Abs. 4 Nr. 2b) RHmV (b) festgelegten Grenzwerte stehen dem nicht entgegen. Denn unabhängig von diesen Höchstmengen verbietet § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFGB das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die mit nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind (c).
21 
a) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ergibt sich die Unzulässigkeit des angeordneten Rückrufs nicht bereits aus Art. 18 Abs. 2 der EG-Verordnung 396/2005. Nach dieser unmittelbar anwendbaren Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von unter Anhang I der Verordnung fallenden Erzeugnissen nicht mit der Begründung verbieten oder verhindern, dass die Erzeugnisse Pestizid-Rückstände enthalten, sofern die Erzeugnisse den Vorgaben aus Art. 18 Abs. 1 und Art. 20 der Verordnung entsprechen.
22 
aa) Zwar sind getrocknete Hühnereier in Code-Nr. 1030010 des Anhang I der Verordnung aufgeführt und damit Erzeugnisse tierischen Ursprungs im Geltungsbereich der Verordnung (vgl. Art. 2 Abs. 1).
23 
bb) Fraglich ist aber bereits, ob es sich bei dem aufgefundenen Nikotin um „Pestizidrückstände“ im Sinne der Verordnung handelt.
24 
Zwar scheint es nach dem Wortlaut der Legaldefinition in Art. 3 Abs. 2 Buchst. c) der EG-Verordnung 396/2005 auf die Herkunft des aufgefundenen Rückstands nicht anzukommen. Denn ausschlaggebend ist danach allein, dass der Wirkstoff auch in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt wurde, wird oder werden kann. Diese Voraussetzung wäre vorliegend erfüllt, da es sich bei Nikotin nach den Ausführungen des Bundesinstituts für Risikobewertung um einen Pflanzenschutzmittelwirkstoff handelt, der die EU-Wirkstoffprüfung gemäß der Richtlinie 91/414/EWG durchlaufen hat (vgl. Stellungnahme 09/2009 des BfR vom 28.02.2009 zu Nikotin in getrockneten Steinpilzen).
25 
Das Regelungssystem der EG-Verordnung 396/2005 ist aber grundsätzlich auf „die Verwendung gezielt wirkender Stoffe in Pflanzenschutzmitteln“ ausgerichtet (vgl. Erwägungsgrund Nr. 5). Dementsprechend steht die Festsetzung der zulässigen Höchstgehalte auch im Zusammenhang zum Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln (vgl. Art. 6 Abs. 1). Auch die erforderlichen Rückstandsuntersuchungen sind primär auf die Frage bezogen, ob und wie ein Wirkstoff nach der Ausbringung abgebaut wird. Für einen auf den bewussten Stoffeinsatz begrenzten Anwendungsbereich spricht auch, dass die Vorgängerregelung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 86/363/EWG des Rates vom 24.07.1986 über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Lebensmitteln tierischen Ursprungs (ABl. EG L 221 vom 07.08.1986, S. 43) ursachenbezogen auf „Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln“ abgestellt hatte. Entstehungsgeschichte, Systematik und Regelungsziel der EG-Verordnung 396/2005 sprechen daher dafür, als „Pestizidrückstand“ nur die Reste von Stoffen zu betrachten, die absichtlich und gezielt während der Produktion oder Lagerung von Lebensmitteln eingesetzt werden (vgl. auch Eggers, ZLR 2009, 549).
26 
Selbst bei Zugrundelegung dieses engeren Begriffsbildes - zu dem der Senat neigt - dürfte vorliegend indes von einem „Pestizidrückstand“ auszugehen sein. Denn nach den Einlassungen der Fa. O... (vgl. Schriftsatz vom 25.04.2006, Bl. 29 der Behördenakten) sind die Rückstände auf die Verwendung von Nikotin als Bestandteil von Schädlingsbekämpfungsmitteln zurückzuführen. Damit liegt ein gezielter Einsatz des Stoffes im Produktionsverfahren vor, der gegen die Einstufung als unbeabsichtigte Verunreinigung im Sinne einer „Kontaminante“ spricht (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2009, C 102 § 9 Rn. 8).
27 
Mangels spezifischen Rückstandshöchstgehalts wäre daher von dem in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung geregelten Standardwert von 0,01 mg/kg auszugehen.
28 
cc) Die EG-Verordnung 396/2005 war indes im maßgeblichen Zeitpunkt des Erledigungseintritts noch nicht in Kraft. Gemäß Art. 50 der Verordnung tritt Kapitel 3 - und damit auch die hier maßgebliche Vorschrift des Art. 18 - vielmehr erst nach Ablauf von sechs Monaten nach der Veröffentlichung der letzten der Verordnungen zur Festlegung der Anhänge I, II, III und IV in Kraft. Diese Voraussetzungen sind aber erst mit der EG-Verordnung 149/2008 der Kommission vom 29.01.2008 zur Änderung der Verordnung 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Anhänge II, III und IV mit Rückstandshöchstgehalten für die unter Anhang I der genannten Verordnung fallenden Erzeugnisse (ABl. EG L 58 vom 01.03.2008, S. 1) eingetreten. Die benannten Vorschriften gelten daher erst ab dem 01.09.2008.
29 
dd) Ob die durch die Herstellung von Volleipulver und die Verarbeitung im Herstellungsprozess der Klägerin bewirkte Veränderung des Pestizid-Rückstandsgehalts - insbesondere der Entzug des nicht unerheblichen Wassergehalts - gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung berücksichtigt werden müsste (vgl. hierzu die von der Klägerin vorgelegte Bewertung des CVUA Sigmaringen vom 13.11.2008 zu Nikotin in getrockneten Steinpilzen), oder ob angesichts der Tatsache, dass in Anhang I der Verordnung ausdrücklich auch „getrocknete“ Vogeleier aufgeführt sind, auf eine Berücksichtigung der mit der Verarbeitung bewirkten Rückstandsveränderungen verzichtet werden könnte, bedarf deshalb keiner Erörterung.
30 
b) Zu Recht hat die Klägerin indes darauf verwiesen, dass die vorliegende Nikotinbelastung am Maßstab des § 9 LFGB zu messen ist und die danach maßgebenden Höchstmengen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LFGB nicht überschritten werden.
31 
aa) Der Beklagte hat der Anwendbarkeit des § 9 LFGB - einer Stellungnahme des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums vom 29.06.2006 (Bl. 100 der Behördenakten) folgend - mit der Begründung widersprochen, die Vorschrift regele den Einsatz von Pflanzenschutz- und anderen Mitteln (u.a. zur Schädlingsbekämpfung) nur bei der Produktion von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen. Für Nikotinrückstände in Tierprodukten könne sie daher von vornherein nicht gelten.
32 
Diese Einschätzung findet im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Vielmehr spricht § 9 Abs. 1 Satz 1 LFGB nur von Lebensmitteln, ohne eine Einschränkung auf deren pflanzliche Herkunft vorzunehmen. Dementsprechend sind von § 1 Abs. 1 Nr. 1 der auf Grundlage des § 9 LFGB erlassenen Rückstands-Höchstmengenverordnung ausdrücklich auch „Lebensmittel tierischer Herkunft“ erfasst und geregelt. Schließlich hat der Gesetzgeber mit der Novellierung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 LFGB auch Lebensmittel tierischen Ursprungs in § 9 LFGB geregelt. Denn die in Bezug genommene EG-Verordnung 396/2005 umfasst ausdrücklich auch Lebensmittel tierischen Ursprungs. Die Auffassung, § 9 LFGB könne von vornherein nur für Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse zur Anwendung gebracht werden, trifft daher nicht zu.
33 
Auch soweit der Beklagte darauf verwiesen hat, dass Nikotin nicht als Biozid zugelassen sei, dürfte dies der Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 LFGB nicht entgegenstehen. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 LFGB auch für Biozid-Produkte nicht auf deren Zulassung abstellt. Vielmehr erfüllt bereits ein Wirkstoff, der dazu bestimmt ist, Schadorganismen zu zerstören, die maßgeblichen Anforderungen der Legaldefinition in § 3b Abs. 1 Nr. 1 des Chemikaliengesetzes. Im Übrigen ist ausweislich der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 09/2009 vom 28.02.2009 zu Nikotin in getrockneten Steinpilzen Nikotin als Pflanzenschutzmittelwirkstoff zu betrachten, der auch die EU-Wirkstoffprüfung gemäß Richtlinie 91/414/EWG durchlaufen hat. Nikotin ist damit jedenfalls ein Stoff, der für die Verwendung als Pflanzenschutzmittel bestimmt war (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.1987 - 3 C 2/86 -, BVerwGE 77, 102 [120] für die Vorgängervorschrift des § 14 LMBG).
34 
bb) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) LFGB sind daher die in der Rückstands-Höchstmengenverordnung festgelegten Grenzwerte maßgeblich.
35 
Eine spezifisch festgesetzte Höchstmenge für Nikotin in Volleipulver nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 RHmV ist nicht vorhanden, weil Nikotin in Anlage 1 für Lebensmittel tierischer Herkunft nicht aufgeführt ist. Deshalb ist die „allgemeine Höchstmenge“ von 0,01 mg/kg Lebensmittel aus § 1 Abs. 4 Nr. 2b) RHmV heranzuziehen. Denn Nikotin ist vorliegend als Wirkstoff in einem Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt worden. Eine Höchstmengenkorrektur für die durch den Trockenvorgang bewirkte Veränderung der zulässigen Höchstmenge ist gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 3 RHmV nicht vorzunehmen, weil die „analytische Nullgrenze“ von 0,01 mg/kg nicht weiter herabgesetzt wird. Im Übrigen ist nach Anlage 4 Liste A Nr. 3 für getrocknete Eier ohnehin das Gewicht der zur Herstellung verwendeten Eier ohne Schale maßgeblich.
36 
Diese Höchstmengen werden von den beanstandeten Produkten der Klägerin nach gegenwärtigem Stand nicht überschritten.
37 
c) Die beanstandeten Produkte unterfallen aber dem Verbot aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFG. Danach ist es verboten, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen Pflanzenschutzmittel im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes vorhanden sind, die nicht zugelassen sind oder die bei den Lebensmitteln oder deren Ausgangsstoffen nicht angewendet werden dürfen.
38 
Nach den vorhandenen Erkenntnissen ist vorliegend davon auszugehen, dass die im von der Klägerin verarbeiteten Volleipulver festgestellten Nikotin-Rückstände auf die Verwendung von Nikotin als Bestandteil von Schädlingsbekämpfungsmitteln zurückzuführen sind. Zwar ist die Kausalität entsprechender Verunreinigungen schwer zu belegen, angesichts der Einlassungen der Fa. O... (vgl. Schriftsatz vom 25.04.2006, Bl. 29 der Behördenakten) zum Einsatz entsprechender Desinfektionsmittel bestehen aber keine ernstlichen Zweifel an der Ursächlichkeit der angewandten Schädlingsbekämpfung für die aufgefundenen Nikotinspuren der Eier. Auch die Klägerin selbst hat diesen Geschehensablauf als „durchaus denkbar“ bezeichnet und in ihrer Bewertung darauf abgestellt, dass das Nikotin zum Einsatz kam, um die Hühner, die von Milben befallen waren, zu behandeln (Schriftsatz vom 01.03.2010, S. 2). Schließlich können nach den nachvollziehbaren Einlassungen des Pharmakologen Dr. Z... in der mündlichen Verhandlung die Cotinin-Funde in den Eiern anders auch kaum begründet werden. Plausible Möglichkeiten eines abweichenden Geschehensablaufs sind schließlich weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
39 
Auch das Vorliegen einer Nikotinbelastung der von der Klägerin hergestellten Produkte steht angesichts der dreimaligen Begutachtung des CVUA und der unstreitigen Verunreinigung des zur Herstellung verwendeten Volleipulvers zur Überzeugung des erkennenden Senats fest. Dabei kann der nicht abschließend geklärte Mengenanteil offen bleiben, denn § 9 Abs. 1 Satz Nr. 2 LFGB stellt auf einen Schwellenwert nicht ab. Die Tatsache, dass in dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten keine Nikotinverunreinigung festgestellt werden konnte, steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil hier von einer Bestimmungsgrenze von 3 µg/kg ausgegangen worden war. Unterhalb hiervon liegende Nikotingehalte sind damit nicht ausgeschlossen. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung scheidet jedoch aus, weil die zurückgegebenen Waren durch die Klägerin zwischenzeitlich vernichtet worden sind.
40 
Wie die Klägerin selbst unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 021/2006 vom 07.04.2006 ausgeführt hat, ist die Verwendung von Nikotin als Desinfektionsmittel in der Tierhaltung jedoch nur in Ausnahmefällen und mit Sondergenehmigung zulässig. Auch in Pflanzenschutzmitteln - zu den nach § 2 Nr. 9a) PflanzenschutzG Schädlingsbekämpfungsmittel gehören - darf Nikotin nicht mehr verwendet werden, nachdem der Wirkstoff nicht in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15.07.1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. EG L 230 vom 19.08.1991, S. 1) aufgenommen wurde. Ausweislich der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 09/2009 vom 28.02.2009 ist hierüber ausdrücklich beraten worden und die Nichtaufnahme damit als bewusste Entscheidung zu bewerten. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 PflanzenschutzG dürfen Pflanzenschutzmittel jedoch nur angewandt werden, wenn sie zugelassen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.01.2007 - 4 S 1379/04 -). Entsprechendes ist von der Klägerin nicht einmal vorgetragen worden; in der mündlichen Verhandlung hat die Bevollmächtigte der Klägerin vielmehr eingeräumt, dass eine Zulassung für die Tierbehandlung nicht vorhanden ist.
41 
Das Inverkehrbringen der aus einem mit nikotinbelastetem Desinfektionsmittel kontaminierten Volleipulver hergestellten Waren der Klägerin verstieß daher gegen § 9 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Denn die Produkte wiesen Rückstände aus der Behandlung mit nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln auf.
42 
Aus der Tatsache, dass die festgesetzten Höchstmengen dabei nicht überschritten sind, folgt nichts anderes. Denn die in § 9 Abs. 1 Satz 2 LFGB getroffene Ausnahmeregelung gilt nur für importierte Waren. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Lebensmittel auch aus Drittländern eingeführt werden, wo entsprechende Pflanzenschutzmittel zugelassen sind oder rechtmäßig eingesetzt werden. Insoweit kann mit dem Rückgriff auf festgesetzte Höchstmengen der erforderliche Gesundheitsschutz gewährleistet werden. Für die in Deutschland und unter Verstoß gegen die Zulassungsvorschriften hergestellten Produkte findet die Ausnahmevorschrift dagegen keine Anwendung (vgl. Zipfel/Rathke, C 102 § 9 Rn. 40 f.; Wehlau, LFGB-Kommentar, 2010, § 9 Rn. 15). Denn aus der Anwendung von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, die nicht entsprechend begutachtet und auf etwaige Wirkungen untersucht worden sind, entstehen Unsicherheiten und Risiken, die eine Einstufung des Lebensmittels als „unsicher“ rechtfertigen (vgl. dazu auch Art. 14 Abs. 1 EG-Verordnung 178/2002). Die bloße Einhaltung von Grenzwerten für einzelne Wirkstoffe genügt insofern für einen ausreichenden Gesundheitsschutz nicht.
43 
Die aus dem von der Fa. O... am 20.02.2006 gelieferten Volleipulver hergestellten Lebensmittel durften daher gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 LFGB nicht in den Verkehr gebracht werden.
44 
2. Der vom Beklagten mit Verfügung vom 01.06.2006 angeordnete Rückruf erweist sich gleichwohl als rechtswidrig.
45 
a) Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung kam der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde zwar kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr ist sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. Wehlau, LFGB-Kommentar, 2010, § 39 Rn. 40; Meyer/Streinz, LFGB-Kommentar, 2007, § 39 Rn. 7; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2009, C 102 § 39 Rn. 17). Ein Absehen von hoheitlichen Aufklärungs- oder Verhütungsmaßnahmen nach § 39 Abs. 2 LFGB kann deshalb nur ausnahmsweise, bei Vorliegen besonderer Einzelfallumstände in Betracht kommen (Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186).
46 
b) Der in Nr. 1 der Verfügung angeordnete Rückruf kann jedoch nicht als „notwendig“ im Sinne des § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bewertet werden, sodass die Ausübung des Auswahlermessens nicht dem Zweck der Ermächtigungsnorm entsprach (vgl. § 40 LVwVfG).
47 
Nach den vorhandenen Erkenntnissen begründeten die Nikotinspuren in dem von der Fa. O... am 20.02.2006 ausgelieferten Volleipulver keine Gesundheitsgefährdung (vgl. hierzu insbesondere die aktualisierte Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 006/2008 vom 08.02.2008). Hiervon ging auch der Beklagte aus. In der Verfügung des Landratsamts Ludwigsburg vom 01.06.2006 wird ausschließlich auf den vorbeugenden Verbraucherschutz abgestellt. Auch im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 09.02.2007 wird lediglich das Ziel benannt, ein Inverkehrbringen der mit unzulässigen Rückständen belasteten Lebensmittel zu verhindern. Aspekte des Gesundheitsschutzes und des Vorsorgeprinzips (vgl. dazu Art. 7 Abs. 1 der EG-Verordnung 178/2002) scheiden damit aus.
48 
Ob die besonders belastende Maßnahme des Rückrufs nach § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LFGB bei Rechtsverstößen ohne Gesundheitsrisiko bereits grundsätzlich ausgeschlossen werden muss, ist nicht abschließend geklärt. Die europarechtlichen Vorgaben sprechen dabei für eine eher restriktive Sichtweise. Denn Art. 19 Abs. 1 Satz 2 der EG-Verordnung 178/2002 setzt für die Verpflichtung des Lebensmittelunternehmens zu Rücknahme und Rückruf bereits gelieferter Produkte voraus, dass „andere Maßnahmen zur Erzielung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nicht ausreichen“ (vgl. dazu auch Meyer/Streinz, LFGB-Kommentar, 2007, § 39 Rn. 19). In der Literatur werden Rücknahme und Rückruf bei Fehlen einer Gesundheitsgefährdung daher teils bereits als generell unverhältnismäßige Maßnahmen erachtet (vgl. etwa Weh-lau, LFGB-Kommentar, 2010, § 39 Rn. 67 m.w.N.), während in der Rechtsprechung entsprechende Maßnahmen auch im Interesse des Verbraucherschutzes für zulässig gehalten worden sind (vgl. etwa Bay. VGH, Beschluss vom 25.05.2009 - 9 CS 08.3300 -; OVG NRW, Beschluss vom 08.08.2008 - 13 B 1022/08 -, ZLR 2008, 738).
49 
Jedenfalls im vorliegenden Fall muss der angeordnete Rückruf nach Überzeugung des Senats als unverhältnismäßig eingestuft werden. Dies folgt bereits daraus, dass der Verstoß gegen die lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht aus der unmittelbaren Produktionssphäre der Klägerin stammt, sondern auf ein Fehlverhalten ihrer Lieferantin zurückgeht. Anders als etwa bei Verstößen wegen irreführender Werbung oder Täuschung steht damit auch nicht ein strafbares Verhalten in Rede. In den von der Klägerin hergestellten Gewürzprodukten ist das beanstandete Volleipulver auch nicht mehr als eigenständiges Produkt erkennbar, sondern nur noch als mengenmäßig geringfügiger Bestandteil einer weiteren Zubereitung enthalten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin nach Kenntnis der Nikotinverunreinigungen die Weiterverarbeitung aus der beanstandeten Lieferung freiwillig eingestellt und noch nicht ausgelieferte Produkte umgehend gesperrt hat. Schließlich hat die Klägerin frühzeitig - und wie sich nachträglich angesichts der Rücklaufquote von 6 % herausgestellt hat, auch zu Recht - darauf hingewiesen, dass angesichts des regelmäßigen Kaufrhythmus von vier Wochen der größte Teil der ausgelieferten Produkte bereits abverkauft sein dürfte. Angesichts dieser Einzelfallumstände erscheint der Rückruf zur Gewährleistung des intendierten Verbraucherschutzes angesichts der von der Klägerin auf 300.000,-- EUR geschätzten Kosten und des mit einer derartigen Maßnahme verbundenen Imageverlustes bei ihren Kunden nicht als angemessen.
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Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht daher entschieden, dass die in Nr. 1 der angefochtenen Verfügung des Landratsamts enthaltene Rückrufanordnung rechtswidrig war.
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c) Damit erweisen sich auch die in Nr. 2, 3 und 4 der Verfügung angeordneten Informations- und Dokumentationspflichten als rechtswidrig. Insoweit handelt es sich um unselbständige Nachfolgeanordnungen, die ohne rechtmäßigen Rückruf keinen Bestand haben können. Da diese Maßnahmen jedenfalls nicht vollständig von der Klägerin erfüllt worden sind, liegt eine Erledigung nicht vor. Die angefochtenen Bescheide sind daher in Bezug auf Nr. 2, 3 und 4 aufzuheben.
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3. Eine andere Bewertung ergibt sich jedoch hinsichtlich des in Nr. 5 der Verfügung angeordneten Verbots, die zurückgegebenen Produkte in den Verkehr zu bringen. Dieses teilt nicht das rechtliche Schicksal der Rückrufanordnung und findet in § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 LFGB eine eigene Rechtsgrundlage.
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Der durch § 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFGB bezweckte Schutz des Verbrauchers vor Lebensmitteln, die unter unzulässiger Anwendung von Pflanzenschutzmitteln hergestellt worden sind, rechtfertigt grundsätzlich ein Einschreiten, um den Verzehr von mit Rückständen belasteten und damit „inakzeptabel“ gewordenen Lebensmitteln zu verhüten (vgl. Art. 14 Abs. 5 EG-Verordnung 178/2002). Um ein derartiges Produkt „vom Markt zu nehmen“, sind Gesundheitsgefahren nicht erforderlich (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EG-Verordnung 178/2002). Dies gilt um so mehr, als der Beklagte die Verfügung nur „bis auf weiteres“ angeordnet und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass die Maßnahme primär der Absicherung der noch nicht abgeschlossenen Begutachtung und Bewertung dient (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LFGB).
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Insbesondere aber belastet das ausgesprochene Verbot die Klägerin nicht in vergleichbarer Weise wie ein Rückruf. Denn es verursacht über den fehlenden Veräußerungserlös hinaus - der ggf. vom Lieferanten im Wege des Regresses ersetzt werden muss - keine zusätzlichen Kosten. Angesichts der fehlenden Außenwirkung sind auch die von der Klägerin befürchteten Imageeinbußen nicht zu besorgen, sodass eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung nicht angenommen werden kann. Dementsprechend hat die Klägerin auch freiwillig die nicht bereits ausgelieferten Produkte gesperrt und nachfolgend vernichtet. Hinsichtlich des in Nr. 5 angeordneten Inverkehrbringens-Verbots sind die angefochtenen Bescheide daher frei von Rechtsfehlern.
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4. Nicht zu beanstanden sind schließlich auch die in Nr. 6 der Verfügung angeordnete Verpflichtung, die bislang noch nicht amtlich begutachteten Produkte auf Nikotin und Cotinin untersuchen zu lassen, sowie die in Nr. 7 enthaltene, hierauf bezogene Vorlageverpflichtung.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LFGB lagen angesichts der vom CVUA festgestellten Nikotinspuren offenkundig vor. Denn damit bestand hinreichender Grund zu der Annahme, dass die Erzeugnisse den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprachen. Da nur ein Teil der von der Klägerin hergestellten Gewürzprodukte amtlich beprobt und untersucht wurden, war nach Art. 14 Abs. 6 der EG-Verordnung 178/2002 davon auszugehen, dass auch die anderen Produkte der Klägerin, die unter Verwendung des am 20.02.2006 von der Fa. O... gelieferten Volleipulvers hergestellt worden sind, nicht sicher sind. Anhaltspunkte dafür, warum die Untersuchungsanordnung unverhältnismäßig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Auch die Klägerin hat hierzu Substantiiertes nicht vorgetragen.
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Auch hinsichtlich der in Nr. 6 und 7 der angefochtenen Verfügung angeordneten Untersuchung ist das Urteil des Verwaltungsgerichts daher zu ändern und die Klage abzuweisen.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür vorausgesetzter Zulassungsgrund nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu, weil sich die Rechtslage mit dem Inkrafttreten von Kapitel III der EG-Verordnung 396/2005 zwischenzeitlich geändert hat.
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Beschluss vom 2. März 2010
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Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird - nachdem hinsichtlich dieses Betrages zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Einigkeit bestand - wie in der 1. Instanz auf 100.000,-- EUR festgesetzt.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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