Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - DL 13 S 2492/10

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15. September 2010 - DL 11 K 1440/09 - wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf einen Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) und auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind begründet, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt werden, dass ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens möglich erscheint (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.12.2003 - 7 AV 2.03 -, NVwZ 2004, 744). Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Antragsvorbringen nicht hervorgerufen.
Die Disziplinarkammer hat in dem angegriffenen Urteil die mit Verfügung des Rektors der ... vom 11.05.2009 gegenüber dem Kläger verhängte Geldbuße in Höhe von 2.000,-- EUR bereits deshalb aufgehoben, weil der Kläger nicht rechtzeitig vor Erlass der Disziplinarverfügung von der beabsichtigten Maßnahme in Kenntnis gesetzt und sei auf sein Recht, die Beteiligung des Personalrats zu beantragen (§ 80 Abs. 2 Satz 3 LPVG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG), nicht hingewiesen worden. Diesem Zweck werde die Unterrichtung nur gerecht, wenn die Maßnahme nach Inhalt und Grund so konkret bezeichnet sei, dass dem Beamten für seine Entscheidung eine klare Grundlage gegeben werde. Hierfür sei bei Erlass einer Disziplinarverfügung erforderlich, den Beamten über die Art der Disziplinarmaßnahme, im Falle einer Geldbuße auch über deren Höhe, zu unterrichten. Die Hinweispflicht habe seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Neuordnung des Landesdisziplinarrechts an Bedeutung gewonnen, wie sich aus der amtlichen Begründung zum Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts ergebe. Da dem Kläger nicht rechtzeitig vor Erlass der angefochtenen Disziplinarverfügung die „beabsichtigte Maßnahme“ bekannt gegeben worden sei, fehle es zugleich an einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht, die Beteiligung des Personalrats zu beantragen. Der Verfahrensfehler sei wesentlich und führe zur Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung.
Gegen diese Feststellungen der Disziplinarkammer wendet sich der Zulassungsantrag. Der Kläger sei bereits mit Schreiben vom 02.01.2008 und 12.01.2009 darauf hingewiesen worden, dass er die Beteiligung des Personalrats beantragen könne. Von dieser Möglichkeit habe er aber keinen Gebrauch gemacht. Der Hinweis, dass eine Geldbuße in Betracht komme, sei im konkreten Fall entbehrlich gewesen. Denn der Kläger habe bereits früher ein Disziplinarverfahren durchlaufen, welches mit einem Verweis geendet habe. Vor allen Dingen sei er aber anwaltlich vertreten gewesen. Die Entscheidung, ob er den Personalrat einbeziehen wolle oder nicht, habe in seinem Fall offensichtlich nicht davon abhängen können, ob als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße beabsichtigt sei.
Dieses Zulassungsvorbringen bleibt ohne Erfolg. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 5 LPVG wirkt der Personalrat bei Erlass von Disziplinarverfügungen oder schriftlichen Missbilligungen gegen Beamte mit, wenn der Beamte dies beantragt (§ 80 Abs. 2 Satz 2 LPVG). Der Beamte ist von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen; gleichzeitig ist er auf sein Antragsrecht hinzuweisen (§ 80 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG). Nach der Rechtsprechung des Disziplinarsenats gehört zu der gebotenen Unterrichtung über die „beabsichtigte Maßnahme“ bei einer Disziplinarverfügung insbesondere auch die Mitteilung, welche Disziplinarmaßnahme vorgesehen ist, damit dem Beamten für seine Entschließung eine klare Grundlage geboten wird (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.12.1992 - D 17 S 20/92 -; Beschluss vom 18.09.1990 - DH 16/90 -; Beschluss vom 12.12.1990 - 4 S 3389/88 -). Kommt wie im vorliegenden Fall eine Geldbuße in Betracht, so ist der Beamte hierüber und auch über die zu erwartende Höhe der Geldbuße zu informieren und gleichzeitig auf sein Antragsrecht hinzuweisen. An beiden Voraussetzungen fehlt es: Der Beklagte hat den Kläger lediglich bei Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 02.01.2008 darauf hingewiesen, dass das Schreiben nachrichtlich dem Personalrat „zwecks Wahrung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 80 Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) zugeleitet“ werde. Nochmals wurde er am 12.01.2009 im Rahmen seiner abschließenden Anhörung zu den disziplinarischen Vorwürfen, die keinerlei Rückschlüsse auf die zu erwartende Disziplinarmaßnahme enthielten, über sein Antragsrecht informiert. Weiteres ist in der Folgezeit nicht geschehen. Insbesondere ist der Kläger unmittelbar vor Erlass der Disziplinarverfügung nicht mehr über die beabsichtigte Maßnahme informiert und auf sein Antragsrecht hingewiesen worden, obwohl in einer Hausmitteilung des Beklagten vom 19.05.2008 dies für erforderlich gehalten wurde.
Diese Vorgehensweise wird den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG nicht gerecht. Denn mit dem Entschluss des Beklagten, die Disziplinarverfügung zu erlassen, entsteht der Mitwirkungstatbestand, der sich - nach Erfüllung der personalvertretungsrechtlichen Hinweispflicht - erst auf Antrag des Beamten aktualisiert (vgl. zum Bundesrecht auch BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -). Zu Recht hebt die Disziplinarkammer darauf ab, dass die mit der Ausweitung der behördlichen Disziplinarbefugnisse verbundene Stärkung der personalvertretungsrechtlichen Mitwirkung ausweislich der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts dem erklärten Willen des Gesetzgebers entspricht (LT-Drs. 14/2996, S. 129). Der Senat ist deshalb mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Kläger vor Erlass der Disziplinarverfügung hätte darüber in Kenntnis gesetzt werden müssen, dass der Beklagte beabsichtigt, gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 2.000,-- EUR zu verhängen (§ 28 LDG) und gleichzeitig über sein Antragsrecht hätte informiert werden müssen. Das Versäumnis ist nicht damit zu rechtfertigen, dass der Kläger bereits in einem früheren Disziplinarverfahren mit einem Verweis belegt wurde, anwaltlich vertreten ist und schon verschiedentlich Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat. Gleichfalls unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, dass der Kläger nach Ansicht des Beklagten eine Beteiligung des Personalrats gar nicht beantragt hätte und dass eine solche Beteiligung zu einem anderen Ergebnis, d.h. einer anderen Entscheidung des Beklagten geführt hätte. Entscheidend ist allein das formale Erfordernis, vor Erlass der Disziplinarverfügung den Kläger rechtzeitig über die geplante Disziplinarmaßnahme (hier: Verhängung einer Geldbuße) und deren Höhe in Kenntnis zu setzen und gleichzeitig auf das Antragsrecht hinzuweisen.
2. Soweit der Beklagte pauschal einen Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend macht, fehlt es bereits an der Darlegung dessen, worin der Verfahrensfehler liegen soll. Dessen ungeachtet wurden die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkammer am 15.09.2010 darauf hingewiesen, dass die Berufsrichter nach der Vorberatung zu der vorläufigen Rechtsauffassung gelangt seien, dass die angegriffene Disziplinarverfügung an dem hier streitigen Verfahrensfehler leide. Die Vernehmung der Zeugin ... im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.07.2010 lässt sich rechtlich nicht beanstanden; insbesondere ist nichts dafür dargetan, inwieweit das Urteil des Verwaltungsgerichts auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen soll.
3. Die vom Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Die Frage, „ob es bei einer anwaltlichen Vertretung des Beamten im Disziplinarverfahren, in welchem ihm in aller Ausführlichkeit die Vorwürfe erläutert werden und immer wieder Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, tatsächlich eines Hinweises auf das Recht zur Beantragung der Beteiligung des Personalrats und der Nennung der konkreten beabsichtigten Disziplinarmaßnahme bedarf“, betrifft den Einzelfall des Klägers und ist keiner grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren zugänglich. Der Beklagte erstrebt vielmehr mit seinem Vorbringen eine Überprüfung der Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, die sich im Übrigen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.