Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Mai 2013 - 2 K 936/13 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird unter entsprechender Änderung des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses für beide Rechtszüge auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt.
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| Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. |
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| Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die Verfügung vom 11.02.2013, mit der der Antragsgegner die gewerbliche Altkleidersammlung im Sammelgebiet (Gebiet des Beigeladenen) untersagt hat, nach summarischer Prüfung wahrscheinlich Erfolg haben wird und deshalb dem Suspensivinteresse des Antragstellers der Vorrang vor dem entsprechend geringer zu gewichtenden öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der Verfügung gebührt. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die der Senat seine Entscheidung zu stützen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. |
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| Das Verwaltungsgericht hat erkannt, dass die Untersagung der vom Antragsteller im Gebiet des Beigeladenen betriebenen gewerblichen Sammlung von Altkleidern, Textilien und Schuhen (nachfolgend: Alttextilien) nicht mit einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG) begründet werden kann: Selbst wenn durch die Sammeltätigkeit des Antragstellers (im Verbund mit anderen gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen) dem Beigeladenen jährlich Verwertungserlöse zwischen 200.000 Euro und 600.000 Euro an erzielbaren Verwertungserlösen entzogen würden, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladene im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG an der Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen gehindert wäre. Zu der vom Antragsgegner behaupteten wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG) auf Grund der gewerblichen Sammlung fehlten verifizierbare Angaben zur Relation zwischen dem Ausmaß des entzogenen Abfalls und dem insgesamt gesammelten Abfall. Infolgedessen sei in Bezug auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG nicht erkennbar, inwieweit der Beigeladene als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wesentliche Änderungen und Anpassungen seiner Entsorgungsstruktur vorgenommen habe. Zu einer eventuellen Erschwerung bzw. zu einem Unterlaufen des durch § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG geschützten Vergabeverfahrens fehlten valide Erkenntnisse, zumal eine genaue Vorhersage der zu erwartenden Sammelmengen ohnehin nicht möglich sei. |
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| Die Beschwerdebegründung macht in erster Linie geltend, dass das Verwaltungsgericht durchgehend unzutreffende Prüfungsmaßstäbe angelegt habe: Zu „wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen“ (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG) könne der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Pflichten nach § 20 KrWG schon dann nicht erfüllen, wenn möglichst niedrige, sozialverträgliche Gebühren infolge der gewerblichen Sammlung nicht eingeführt werden könnten; denn durch den dadurch bewirkten Entzug von Verwertungserlösen sei die - nach Europarecht zulässige - Quersubventionierung zwischen rentablen und unrentablen Bereichen der Abfallentsorgung nicht möglich. Beim Untersagungsgrund gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG (wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung) sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Einzelfallprüfung unzulässig; in Bezug auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG sei die gesetzlich geforderte „wesentliche Beeinträchtigung“ schon immer dann anzunehmen, wenn eine gewerbliche Sammlung und eine kommunale Sammlung um die gleichen Abfälle konkurrierten; ein Fall des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG liege bereits vor, wenn - wie hier - der im Vergabeverfahren unterlegene Bieter eine eigene gewerbliche Sammlung einrichte oder wenn auf Grund gewerblicher Sammlungen die Menge der zu verwertenden Abfälle bei künftigen Ausschreibungen nicht belastbar kalkuliert werden könne. |
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| Dieser Vortrag des Beschwerdeführers begründet keine durchgreifenden Bedenken an der Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Die Untersagungsverfügung vom 11.02.2013 ist auch nach Auffassung des Senats bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Infolgedessen muss die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO getroffene Aussetzungsentscheidung des Verwaltungsgerichts Bestand haben. |
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| Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG (vgl. in diesem Sinne ferner NdsOVG, Urt. v. 21.3.2013 - 7 LB 56/11 - NdsVBl 2013, 218, 219; VG Würzburg, Beschl. v. 28.1.2013 - W 4 S 12.1130 - juris RdNr. 28). |
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| 1. Der Rückgriff auf § 62 KrWG (so VG Hamburg, Urt. v. 9.8.2012 - 4 K 1905/10 - ZUR 2013, 43, 44) ist ausgeschlossen, da es sich bei § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG um eine eigenständige Befugnisnorm handelt, die bei einer angezeigten gewerblichen Sammlung als spezielle Ermächtigungsgrundlage gegenüber der abfallrechtlichen Generalklausel des § 62 KrWG Vorrang genießt (OVG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2013 - 5 Bs. 208/12 - juris RdNr. 12; NdsOVG, Beschl. v. 15.8.2013 - 7 ME 62/13 - BA S. 2; Schwind, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, Recht der Abfallbeseitigung, Stand: EL 3/13 Mai 2013, § 18 KrWG RdNr. 60). Der Rückgriff auf § 62 KrWG kommt in Betracht, wenn eine Sammlung nicht angezeigt worden ist (VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2013 - 17 L 260/13 - juris RdNr. 9). Hier hat der Antragsteller die Sammlung formularmäßig am 24.12.2012 angezeigt; die Anzeige ist am 28.12.2012 beim Antragsgegner eingegangen. |
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| § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG normiert, anders als § 62 KrWG, eine gebundene Verwaltungsentscheidung. Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, muss die zuständige Behörde eine Untersagung der gewerblichen Sammlung vornehmen; Ermessen räumt das Gesetz der Behörde nicht ein. Im Regelungsgefüge des § 18 Abs. 5 KrWG fungiert Satz 2 allerdings als ultima ratio; das Verbot einer angezeigten Sammlung kommt nur in Betracht, wenn die Einhaltung bestimmter gesetzlicher Vorgaben „anders nicht zu gewährleisten ist“, d. h. Maßnahmen nach Satz 1 des § 18 Abs. 5 KrWG insbesondere die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht sicherzustellen vermögen. Dass dies der Fall ist, hat der Antragsgegner nicht dargetan (dazu unten III. 2. a aa). |
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| 2. In der Sache ist die Untersagungsverfügung auf § 18 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG gestützt. Letztgenannte Bestimmung ist lediglich als Ausnahmeregelung zu den grundsätzlich bestehenden Überlassungspflichten (§ 17 Abs. 1 KrWG) konzipiert und setzt für die Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung von Abfällen zudem voraus, dass einer derartigen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. An der Rechtmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelungen hat der Senat entgegen den verfassungs- bzw. europarechtlichen Zweifeln des Antragstellers nach summarischer Prüfung keine Bedenken. |
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| a) § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG steht in Einklang mit dem Grundgesetz. Zur Vorgängerregelung (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG) wurde höchstrichterlich geklärt, dass der partielle Ausschluss privater Entsorgungsunternehmen aus der Verwertung von Hausmüllbestandteilen eine verfassungsrechtlich zulässige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG darstellt (BVerwG, Urt. v. 18.6.2009 - 7 C 16/08 - E 134, 154, 163 RdNr. 36). Für das geltende Recht trifft diese Rechtsprechung uneingeschränkt zu (VG Hamburg, a. a. O.), zumal sich gewerbliche Entsorgungsunternehmen um Aufträge nach § 22 KrWG bemühen können. Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung (§ 20 KrWG) rechtfertigt die gesetzliche Statuierung von Überlassungspflichten, von denen nur ausnahmsweise und unter Wahrung öffentlicher Interessen zu Gunsten gewerblicher Sammlungen abgesehen wird. |
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| b) Bei europarechtskonformer Auslegung und Anwendung der §§ 18 Abs. 5 Satz 2, 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG hat der Senat auch keine Zweifel an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen mit dem EU-Recht. Zwar stellen gesetzliche Überlassungspflichten im Abfallrecht Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) und der Wettbewerbsfreiheit (Art. 101 ff. AEUV) dar (so ausdrücklich auch die Gesetzesbegründung zu § 17 KrWG, BT-Drucks. 17/6052, S. 85), diese sind jedoch europarechtlich gerechtfertigt. Dabei kann allerdings bei getrennt gesammelten Abfällen zur Verwertung aus privaten Haushaltungen nicht auf das sekundäre EU-Recht (Abfallrahmenrichtlinie, Abfallverbringungsverordnung) zurückgegriffen werden, weil dieses Recht insoweit nicht anwendbar ist (VG Hamburg, a. a. O., S. 44 f.). Die Rechtfertigung ergibt sich jedoch aus Art. 106 Abs. 2 AEUV. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung können unter den dort genannten Voraussetzungen Beschränkungen sowohl der Warenverkehrsfreiheit als auch der Wettbewerbsfreiheit legitimiert werden. |
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| aa) Art. 106 Abs. 2 AEUV ist auf die Entsorgung von Alttextilien anwendbar (ebenso VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 38). Dass die Abfallverwertung Gegenstand einer Dienstleistung von „allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ sein kann, ist geklärt (EuGH, Urt. v. 23.5.2000 - Rs. C-209/98 - Slg. 2000, I-3743 RdNr. 75). Speziell zum Abholen und zur Behandlung von Haushaltsabfällen hat der Gerichtshof entschieden, diese Tätigkeiten seien „unbestreitbar eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe“, die von privaten Unternehmen möglicherweise nicht in dem notwendigen Maß erfüllt werden könnten, so dass der Staat die Aufgabe „von Behörden wahrnehmen lassen kann“ (EuGH, Urt. v. 12.11.1998 - Rs. C-360/96 - Slg. 1998, I-6846 RdNr. 52). Danach kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen als eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV zu qualifizieren ist (VG Ansbach, Urt. v. 23.1.2013 - AN 11 K 12.01588 - juris RdNr. 71). Die mitgliedstaatliche gesetzliche Zuweisung von zur Verwertung bestimmten Abfallfraktionen aus privaten Haushaltungen an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG) ist dem Grunde nach durch Art. 106 Abs. 2 AEUV gedeckt (Dolde/Vetter, VBlBW 2010, 22 f.; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 526; Schink, in: ders./Versteyl, KrWG, 2012, § 20 RdNr. 21). |
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| Bestätigt wird dieses Verständnis des Art. 106 Abs. 2 AEUV durch das Protokoll Nr. 26 „über Dienste von allgemeinem Interesse“ (ABlEU 2010 C 83/308). Dieses Protokoll ist gemäß Art. 51 EUV Bestandteil des primären Unionsrechts. In dem Protokoll werden „die wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden“ zu der Frage hervorgehoben, „wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf eine den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind“. Dieses Protokoll Nr. 26 ist bei der Auslegung des Art. 106 Abs. 2 AEUV zu beachten; inhaltlich weist es den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum zu (Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Mai 2013, Art. 51 EUV RdNr. 13). Davon ist mit § 17 KrWG dem Grunde nach europarechtskonform Gebrauch gemacht worden (Dolde/Vetter, AbfallR 2011, 22, 23; Karpenstein/Schink, AbfallR 2011, 222, 230; Franßen, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, Kap. 14 RdNr. 6). |
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| bb) In der Sache ist die Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit nach Art. 106 Abs. 2 AEUV nur gerechtfertigt, soweit die Abfallentsorgung ohne monopolartige öffentlich-rechtliche Entsorgungsstrukturen rechtlich oder tatsächlich „verhindert“ würde. Dafür ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Existenzgefährdung des mit der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Aufgabenträgers nicht notwendig, es genügt vielmehr, dass ohne die Exklusivrechte die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen Aufgaben gefährdet wäre oder dass jene Rechte erforderlich sind, um ihrem Inhaber die Erfüllung seiner Aufgaben zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen; bloße Zweckmäßigkeitserwägungen können dagegen die Schaffung von Monopolstrukturen nicht rechtfertigen (EuGH, Urt. v. 17.5.2001 - Rs. C-340/99 - Slg. 2001, I-4109 RdNr. 54; Urt. v. 15.11.2007 - Rs. C-162/06 - Slg. 2007, I-9911 RdNr. 35 und RdNr. 41). |
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| Diesen europarechtlichen Anforderungen wird § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG dadurch gerecht, dass „überwiegende öffentliche Interessen“ nach § 17 Abs. 3 KrWG in Anlehnung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 106 Abs. 2 AEUV konkretisiert werden. Darauf weist die Gesetzesbegründung ausdrücklich hin und betont, nach der Kollisionsklausel des § 17 Abs. 3 KrWG, für deren Auslegung „primär die Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 106 Absatz 2 AEUV heranzuziehen“ sei, hätten öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, Drittbeauftragte und Rücknahmesysteme „zwar Beeinträchtigungen hinzunehmen, ihre Funktionsfähigkeit muss jedoch gewahrt bleiben“ (BT-Drucks. 17/6052, S. 87). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass dieses Verständnis des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG den Vorgaben des Art. 106 Abs. 2 AEUV in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs gerecht wird (ebenso VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 73). Folglich steht die Normgeltung auch insoweit außer Frage. |
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| cc) Der „soweit“-Satz in Art. 106 Abs. 2 AEUV ist rechtsnormativer Ausdruck des Gebots der „Erforderlichkeit“ (Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, a. a. O., Art. 106 AEUV RdNr. 63 und RdNr. 72). Seine Anwendung gerade auf dem Gebiet der Abfallentsorgung ist geklärt (EuGH, Urt. v. 25.6.1998 - Rs. C-203/96 - Slg. 1998, I-4075 RdNr. 67; Rs. C-209/98, a. a. O., RdNr. 79 ff.). Eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit ist rechtlich nur zulässig, soweit es dem Inhaber eines ausschließlichen Rechts ermöglicht werden muss, seine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen zu erfüllen; eingeschlossen ist darin die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen Tätigkeitsbereichen (EuGH, Urt. v. 19.5.1993 - Rs. C-320/91 - Slg. 1993, 2533 RdNr. 16, 17; Urt. v. 25.10.2001 - Rs. C-475/99 - Slg. 2001, I-8089 RdNr. 57; Rs. C-162/06, a. a. O., RdNr. 36). Von Bedeutung ist das Gebot der “Erforderlichkeit” bei trennbaren Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Steht ein milderes Mittel zur Gewährleistung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsstrukturen zur Verfügung, sind Monopolstrukturen im Entsorgungsbereich insoweit nicht erforderlich (Petersen, NVwZ 2009, 1063, 1070; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 526), etwa wenn und soweit das mit der Aufgabenerfüllung betraute Unternehmen die Abfallentsorgung auch ohne die Privilegierung ordnungsgemäß erfüllen kann (EuGH, Rs. C-203/96, a. a. O., RdNr. 67). Verwiesen ist damit auf die Beurteilung im Einzelfall. |
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| Auch vor diesem europarechtlichen Hintergrund hat der Senat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG. Die gesetzliche Regelung nimmt keine europarechtswidrige (vgl. dazu Petersen, NVwZ 2009, 1063, 1070; Suhl, AbfallR 2012, 201, 212 f.) pauschale Zuordnung der getrennt erfassten Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor. Ausdrücklich betont die Gesetzesbegründung, die Einräumung exklusiver Rechte für jene Aufgabenträger stehe unter dem Vorbehalt der „Erforderlichkeit“; daher komme den Ausnahmetatbeständen, insbesondere der gewerblichen Sammlung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG), eine wichtige Funktion zu, weil der vom Gesetz eingeräumten Möglichkeit gewerblicher Sammlungen im Bereich der Hausmüllentsorgung der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit der notwendige Raum gegeben und dadurch die Verhältnismäßigkeit der Überlassungspflichten sichergestellt werde (BT-Drucks. 17/6052, S. 85 f.). Daraus wird deutlich, dass die grundsätzliche Zuständigkeit öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für getrennt gesammelte Abfallfraktionen deshalb europarechtskonform ist, weil auch gewerbliche Sammlungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG zugelassen werden können (Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 526; Kropp, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., Art. 16 AbfRRL RdNr. 37). Stehen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 1 des § 17 Abs. 3 KrWG gleichsam im Dienst des Art. 106 Abs. 2 AEUV, bedürfen Satz 2 und Satz 3 des § 17 Abs. 3 KrWG einer restriktiven, d. h. europarechtskonformen Auslegung (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 39), damit die praktische Wirksamkeit der Vorgaben des EU-Rechts nicht etwa im Gesetzesvollzug unterlaufen wird. |
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| Der Senat teilt die im Schrifttum (Suhl, AbfallR 2012, 201, 205 f.; Bickenbach, LKRZ 2012, 222, 227) geäußerten Bedenken an der Möglichkeit einer europarechtskonformen Handhabung jener gesetzlichen Bestimmungen nicht. Das Gesetz trifft keine starren Festlegungen, sondern verwendet auslegungsfähige unbestimmte Rechtsbegriffe (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG: „überwiegende öffentliche Interessen“; § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG: „Funktionsfähigkeit“ des Aufgabenträgers etc.) und normiert in Satz 2 und Satz 3 des § 17 Abs. 3 KrWG, wie noch darzulegen sein wird, widerlegbare Vermutungen. Auslegung und Anwendung der Öffnungsklausel des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG können demnach im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV gehandhabt werden. Die praktische Wirksamkeit des EU-Rechts ist folglich zu bewerkstelligen. Dazu trägt auch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei; im Rahmen des Art. 106 Abs. 2 AEUV obliegt dem Mitgliedstaat bzw. dem Aufgabenträger, der sich zu seinen Gunsten auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis für das Vorliegen der Privilegierungsvoraussetzungen (EuGH, Rs. C-340/99, a. a. O., RdNr. 59; Rs. C-162/06, a. a. O., RdNr. 49). Diese verfahrensrechtliche Vorkehrung trägt zur europarechtskonformen Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG bei, so dass auch von daher an der Normgeltung ernsthafte Zweifel nicht bestehen. |
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| Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Untersagungsverfügung nicht schon deshalb rechtswidrig, weil nicht die „zuständige Behörde“ im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG gehandelt hat. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass das tätig gewordene Landratsamt des Antragsgegners nach § 23 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 LAbfG i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG als untere Verwaltungsbehörde für den Erlass der Untersagungsverfügung zuständig gewesen ist. |
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| 1. Ein Zuständigkeitsmangel liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht etwa deshalb vor, weil eine „Interessenkollision“ gegeben wäre. Die Untersagungsverfügung ist vom Landratsamt als staatliche Behörde des Landes (Antragsgegner) erlassen worden; öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger ist der beigeladene Landkreis. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/6052, S. 17) zur Vermeidung von Interessenkonflikten vorgesehene „neutrale Behörde“ (§ 18 Abs. 1 Satz 2 des KrWG-E: Die zuständige Behörde oder ihr Träger „darf nicht mit Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach § 20 Absatz 1 betraut sein“.) ist auf Grund des Widerstands des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drucks. 17/6052, S. 116) nicht geltendes Recht geworden (vgl. die Beschlussempfehlung des BT-Umweltausschusses, BT-Drucks. 17/7505, S. 4). Die Bestimmung der „zuständigen Behörde“ obliegt demnach dem Landesrecht (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG). Dem Bundesrecht lässt sich keine verwaltungsorganisationsrechtliche Neutralitätspflicht in der Form entnehmen, dass die „zuständige Behörde“ und der „öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger“ zwingend unterschiedlichen Rechtsträgern angehören müssen. Es kann daher kein Verstoß gegen Bundesrecht darin gesehen werden, dass das als untere Verwaltungsbehörde agierende Landratsamt Behörde des Landkreises und zugleich untere staatliche Verwaltungsbehörde ist (§ 1 Abs. 3 LKrO). |
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| Die landesrechtliche Interessenkollisionsnorm des § 23 Abs. 3 Satz 2 LAbfG ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Danach geht die sachliche Zuständigkeit von der – an sich zuständigen – unteren Abfallrechtsbehörde auf die höhere Abfallrechtsbehörde über, wenn die Gebietskörperschaft (vgl. § 6 LAbfG), für deren Bezirk die untere Abfallrechtsbehörde zuständig ist, Antragsteller oder Adressat einer Anordnung oder sonstigen Maßnahme ist. Im vorliegenden Fall decken sich zwar gemäß § 1 Abs. 4 LKrO der Bezirk des nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG handelnden Landratsamts und des beigeladenen Landkreises als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (§§ 20, 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG i. V. m. § 6 Abs. 1 LAbfG), jedoch ist die Gebietskörperschaft, d. h. der Beigeladene, nicht Antragsteller oder Adressat einer Anordnung oder sonstigen Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 LAbfG. Der Beigeladene hat am Verwaltungsverfahren lediglich in Gestalt der Stellungnahme vom 10. Januar 2013 gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG teilgenommen; dadurch ist er aber weder „Antragsteller“ noch „Adressat“ einer behördlichen Anordnung oder sonstigen abfallrechtlichen Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 LAbFG geworden. |
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| 2. Gegen die gesetzliche Zuständigkeitsregelung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, § 23 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 LAbfG bestehen nach summarischer Prüfung entgegen der Auffassung des Antragstellers keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit eine kompetentielle „Neutralitätspflicht“ als Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird (VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2013 - 17 L 260/13 - juris RdNr. 15; Beschl. v. 26.4.2013 - 17 L 580/13 - BA RdNr. 15; Beschl. v. 8.5.2013 - 17 L 585/13 - BA RdNr. 15), folgt daraus nicht zwingend die Trennung der Zuständigkeiten dergestalt, dass die Aufgabenbereiche (behördlicher Vollzug des KrWG, öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger) unterschiedlichen Rechtsträgern zugeordnet werden müssen. Das mag zweckmäßig und rechtspolitisch wünschenswert sein; rechtsstaatlich geboten ist eine solche organisatorische Aufgabentrennung nicht. Zu fordern ist die neutrale Aufgabenwahrnehmung der zuständigen Behörde. Diese kann sogar bei einer Behörde mit Doppelzuständigkeiten in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise dadurch gesichert werden, dass behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung der Aufgabenbereiche gesorgt ist (BVerwG, Urt. v. 18.3.2009 - 9 A 39/07 - E 133, 239, 245 RdNr. 24). |
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| Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren überzeugend dargelegt, dass die neutrale Aufgabenwahrnehmung in rechtlicher Hinsicht im vorliegenden Fall schon dadurch gesichert wird, dass das Landratsamt (intern: Amt für Wasserwirtschaft) als untere Abfallrechtsbehörde „zuständige Behörde“ im Sinne des § 18 KrWG ist, während die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers vom Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises in Gestalt eines Eigenbetriebs wahrgenommen werden. Dies stellt - zumal nicht einmal eine Doppelzuständigkeit des Landratsamts besteht - eine hinreichende Trennung der Aufgabenbereiche dar. Die personelle Trennung setzt voraus, dass unterschiedliche natürliche Personen als Amtswalter in den beiden Aufgabenbereichen entscheidungsbefugt sind (OVG NRW, Beschl. v. 19.7.2013 - 20 B 530/13 - juris RdNr. 25). Auch diese Anforderung ist nach gegenwärtigem Erkenntnisstand hier gewahrt. Für die Aufgaben der Abfallwirtschaft im Eigenbetrieb einerseits und der Vollzugsbehörde nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG andererseits sind unterschiedliche Amtswalter verantwortlich, eine „Personalunion“ der verantwortlichen Personen ist nicht ersichtlich. Die rechtsstaatlich gebotene Distanz und Unabhängigkeit sind demnach beachtet. |
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| 3. Auf Grund summarischer Prüfung hat der Senat keine ernsthaften Zweifel daran, dass die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen auch mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar sind. Das EU-Abfallrecht (insbesondere die Abfallrahmenrichtlinie) verlangt nicht die Schaffung einer „neutralen Behörde“ als zuständige Behörde im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG. Das positivierte Unionsrecht steht § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, § 23 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 LAbfG folglich nicht entgegen. |
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| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 102, 106 AEUV im Sinne des EuGH-Urteils „MOTOE“ (EuGH, Urt. v. 1.7.2008 - Rs. C-49/07 - Slg. 2008, I-4863 = EuZW 2008, 605 m. Anm. Fuders), wonach es europarechtlich problematisch sein soll, wenn der Rechtsträger des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers über Sammlungen von dessen Wettbewerbern entscheide (Dippel, in: Schink/Versteyl, a. a. O., § 18 RdNr. 8; ähnliche Kritik bei Weidemann, AbfallR 2012, 96, 100; Diekmann/Ingerowski, AbfallR 2013, 12, 16). Die Entscheidung „MOTOE“ ist mit der vorliegenden Fallkonstellation kaum vergleichbar. Dort war einer juristischen Person, die selbst Motorradrennen veranstalten und kommerziell nutzen konnte, durch staatlichen Akt die Befugnis verliehen worden, ihr Einverständnis zu Anträgen auf Genehmigung der Durchführung solcher Rennen zu erklären, ohne dass diese Befugnis Beschränkungen oder Bindungen oder einer Kontrolle unterlag (EuGH, Rs. C-49/07, a. a. O., RdNr. 51); hier geht es um den rechtlich geprägten Gesetzesvollzug durch die Abfallrechtsbehörde, die als solche in keinem Wettbewerb zu privaten Abfallentsorgungsunternehmen steht (vgl. auch VG Hamburg, a. a. O., S. 47; Buch/Strecker, AbfallR 2013, 121, 124). Sodann entscheidet die Abfallrechtsbehörde auch nicht „in eigener Sache“; diese Behörde fungiert im vorliegenden Zusammenhang als staatliche Behörde des Antragsgegners (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG, § 1 Abs. 3 Satz 2 LKrO) und unterliegt der Fachaufsicht des Landes (§ 20 Abs. 2 LVG, vgl. auch § 53 Abs. 1 LKrO), während die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 17 Abs. 1, § 20 KrWG) vom Beigeladenen wahrgenommen (§ 6 Abs. 1 LAbfG) und als weisungsfreie Pflichtaufgabe (§ 2 Abs. 3 Satz 1 LKrO) erfüllt wird. Europarechtlich ist zu differenzieren: Die Verbote nach 106 Abs. 1 AEUV sind an die Mitgliedstaaten gerichtet, während Art. 102 AEUV an die Unternehmen adressiert ist; daher gilt Art. 102 AEUV unmittelbar nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen der Unternehmen selbst und nicht für staatliche Maßnahmen (EuG, Urt. v. 20.9.2012 - T-169/08 - RdNr. 86, 107). Der Beigeladene, nicht der Antragsgegner, betreibt mit seinem Abfallwirtschaftsbetrieb ein „Unternehmen“ im Sinne des Art. 102 AEUV; in der Sache kann angesichts der dezentralen Betrauung der Landkreise und Stadtkreise mit den Aufgaben der Abfallentsorgung (§ 6 LAbfG) kaum von einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben gesprochen werden (BVerwG, Urt. v. 18.6.2009 - 7 C 16/08 - E 134, 154, 164 RdNr. 39; VG Düsseldorf, a. a. O., jeweils RdNr. 25). Folglich kann die gesetzliche Zuständigkeitsregelung nicht über Art. 106 Abs. 1 i. V. m. Art. 102 AEUV europarechtswidrig sein. |
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| Dass die behördliche „Neutralitätspflicht“ auch unter europarechtlichen Vorzeichen auf unterschiedliche Art und Weise erfüllt werden kann, steht außer Frage. Die Bundesregierung weist auf „geeignete organisatorische Maßnahmen“ hin, wie etwa „Aufgabendelegation an andere Landesbehörden, interne Trennung von Zuständigkeiten, Transparenz der Entscheidungsabläufe oder spezifische Kontrollvorbehalte“ (BT-Drucks. 17/6052, S. 88). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die vorstehend dargelegte Trennung der Aufgabenbereiche von unterer Abfallrechtsbehörde (als staatliche Behörde) einerseits und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger (als Selbstverwaltungskörperschaft) andererseits der geforderten Trennung der Zuständigkeiten im Abfallrecht genügt; hinzu tritt die erwähnte personelle Trennung der entscheidungsbefugten Amtswalter (s. o. B. II. 2.). Da die Verwaltung verfassungsrechtlich an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 25 Abs. 2 LV), gibt es ohne konkreten gegenläufigen Anhaltspunkt keinen Anlass für die Annahme, die im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG zuständige Behörde werde mangels Wahrung der gebotenen Distanz und Unabhängigkeit das Neutralitätsgebot im Verwaltungsverfahren nicht beachten. |
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| An dieser Einschätzung ändern die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 22. August 2013 - erneut und bekräftigend - vorgetragenen Zweifel (noch) nichts. Der Antragsteller weist darauf hin, dass im Land Thüringen das dort landesweit zuständige Landesverwaltungsamt auf 221 angezeigte gewerbliche Sammlungen in weniger als 5 % der Fälle mit Untersagungen und Befristungen reagiert habe, während der Antragsgegner eine Quote von 100 % erreiche. In seiner Antwort auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage betont das für die Abfallwirtschaft zuständige Thüringer Ministerium (unter Auswertung divergierender Quoten auch aus Bayern und Nordrhein-Westfalen), seit dem Inkrafttreten des neuen Abfallrechts habe sich insbesondere zu § 17 Abs. 3 KrWG noch keine einheitliche und gefestigte Rechtsprechung herausgebildet; es sei daher „leicht nachvollziehbar, weshalb bei der Anwendung der einzelnen Kriterien unterschiedlich vorgegangen wird“ (Thüringer Landtag, Drucks. 5/6410, S. 2). Vor dem Hintergrund dieser zutreffenden Beurteilung der Rechtslage hat der Senat keinen Grund zu der Annahme, dass der Antragsgegner den gesetzeskonformen Vollzug des neuen Rechts auch dann noch verweigern wird, wenn sich zur Auslegung des § 17 Abs. 3 KrWG eine einheitliche und gefestigte Rechtsprechung herausgebildet haben wird. |
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| Ob in Fallgestaltungen der vorliegenden Art abweichend von § 23 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 LAbfG die Aufgabendelegation an eine andere Landesbehörde die zweckmäßigere Lösung zur Vermeidung denkbarer Interessenkonflikte wäre, um bereits jeden Anschein einer Entscheidung „in eigener Sache“ zu vermeiden (vgl. insoweit zum niedersächsischen Landesrecht NdsOVG, Urt. v. 21.3.2013 - 7 LB 56/11 - NdsVBl 2013, 218, 220 m. krit. Anm. Schwind und zust. Bespr. Dippel, AbfallR 2013, 186 ff.; seine Rspr. bestätigend NdsOVG, Beschl. v. 15.8.2013 - 7 ME 62/13 - BA S. 6 f.), ist eine hier nicht zu beurteilende rechtspolitische Frage. |
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| Die Untersagungsverfügung ist rechtswidrig, weil sie nicht im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG der – hier allein in Betracht kommenden – Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen dient. Danach ist eine gewerbliche Sammlung von Abfällen aus privaten Haushaltungen (bei ordnungsgemäßer und schadloser Verwertung) nur unzulässig, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung entgegenstehen. Der Senat zweifelt nicht daran, dass es sich bei den fraglichen Alttextilien um „Abfall“ im Rechtssinne (§ 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG) handelt; die vom Antragsteller hiergegen vorgebrachten Einwände (Wunsch der ehemaligen Besitzer nach Wiederverwendung der Alttextilien, hohe tatsächliche Wiederverwendungsquoten etc.) mögen bei einer Weitergabe der Alttextilien beispielsweise an „Second Hand Shops“ zum Tragen kommen; werden derartige Gegenstände jedoch in Sammelcontainer gegeben, liegt eine „Entledigung“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Alt. 3 KrWG vor, weil nach der Aufgabe der Sachherrschaft über die Alttextilien lediglich eine bloße Hoffnung auf Wiederverwendung der Gegenstände nach einem Sortierungsprozess besteht (VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2013, a. a. O., RdNr. 35 ff.; ebenso zum KrW-/AbfG - unter Einbeziehung europäischen Rechts - BVerwG, Urt. v. 19.11.1998 - 7 C 31/97 - NVwZ 1999, 1111). Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht daran, dass der Antragsteller eine „gewerbliche Sammlung von Abfällen“ (§ 3 Abs. 18 KrWG) im Entsorgungsgebiet des Beigeladenen betreibt (vgl. zu der insoweit seit dem 1. Juni 2012 geltenden neuen Rechtslage NdsOVG, Urt. v. 21.3.2013, a. a. O., S. 219). |
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| 1. Der gewerblichen Sammlung des Antragstellers stehen indessen nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine „überwiegenden öffentlichen Interessen“ im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegen. Das wäre nur dann der Fall, wenn die betreffende gewerbliche Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten oder des nach Maßgabe von § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems gefährdete (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG). Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine abschließende Regelung der nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG maßgeblichen öffentlichen Interessen. Rechtsdogmatisch ist § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG, wie schon der Wortlaut deutlich macht, als zwingende Vorschrift ausgestaltet (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 38; Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 2012, § 17 RdNr. 41: „Abwägungsvorgang durch das Gesetz antizipiert“). In der Sache muss jedoch ausweislich des insoweit unmissverständlichen Wortlauts von Satz 1 und Satz 2 des § 17 Abs. 3 KrWG eine „Gefährdung“ des Schutzguts (Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers etc.) vorliegen. Das ist hier nicht der Fall; vom Antragsgegner ist dies jedenfalls nicht dargelegt und nachgewiesen worden. |
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| a) Für eine „Funktionsgefährdung“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG fehlen konkrete Anhaltspunkte. Der Antragsgegner hat keine Fakten dafür vorgetragen, dass die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten gefährdet oder zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert wird, falls der Antragsteller die gewerbliche Sammlung von Alttextilien - auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen - durchführt. Die Darlegungslast insoweit obliegt der Verwaltung (OVG NRW, Beschl. v. 19.7.2013 - 20 B 122/13 - juris RdNr. 15). Dies fordert gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV auch das EU-Recht (s. o. B. I. 3 b cc). Den sich daraus ergebenden Anforderungen genügt der Vortrag des Antragsgegners nicht. |
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| aa) Der Antragsgegner macht geltend, die gewerbliche Sammlung stehe einer möglichst niedrigen, sozialverträglichen Gebührengestaltung entgegen; in Bezug auf „unrentable“ Bereiche sei dem Beigeladenen die - europarechtlich nach Art. 106 Abs. 2 AEUV zulässige - Quersubventionierung im Abfallwirtschaftsbetrieb nicht möglich. Konkrete Zahlen nennt der Antragsgegner nicht; was unter „wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen“ (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG) verstanden wird, ist im Beschwerdeverfahren nicht spezifiziert worden. Sodann spricht der Antragsgegner von einer „fühlbaren Behinderung“ bei der vom Beigeladenen angestrebten sozialverträglichen Gebührengestaltung und verweist darauf, dass durch die Konkurrenz der gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen im Entsorgungsgebiet des Beigeladenen dem Gebührenhaushalt Verwertungserlöse von rund 850.000,- Euro jährlich entzogen würden; dieser Betrag fehle, um den unrentablen Bereich der Hausmüllentsorgung ausgleichen zu können. Konkrete Zahlen dazu, welche Gebührenreduzierung der Einsatz von 850.000,- Euro für eine Quersubventionierung im Abfallwirtschaftsbetrieb des Beigeladenen dem einzelnen Gebührenzahler brächte, nennt der Antragsgegner ebenfalls nicht. Die allzu vagen und pauschalen Annahmen und Thesen des Antragsgegners genügen der Darlegungslast nicht (OVG NRW nennt in seinem Verfahren 20 B 122/13, a. a. O., RdNr. 16, einen derartigen Vortrag „dürftig“). Um eine tragfähige Beurteilung der „wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG vornehmen zu können, ist eine Analyse und Bewertung der tatsächlichen, konkreten Auswirkungen der gewerblichen (und ggf. gemeinnützigen) Sammlung(en) auf den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unerlässlich (VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 83). Das verlangt nicht zuletzt das Unionsrecht. Die dafür vom Antragsgegner zu schaffenden tatsächlichen Grundlagen fehlen. |
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| bb) Der Argumentation des Antragsgegners liegt ein Modell der Abfallentsorgung zu Grunde, in dem jede gewerbliche Sammlung, die den Abfällen aus privaten Haushaltungen veräußerbare (Wert-)Stoffe und Gegenstände entzieht, unzulässig ist, weil sie per se niedrigere Abfallgebühren verhindert, so dass gewerbliche Sammlungen mit der öffentlich-rechtlich organisierten Entsorgungswirtschaft systematisch unvereinbar sind (in diesem Sinne VG Hamburg, a. a. O., S. 49; Queitsch, AbfallR 2012, 290 ff.). Eine derartige Deutung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG ist indes mit Art. 106 Abs. 2 AEUV nicht vereinbar; danach muss die Möglichkeit zum Wettbewerb auf dem Abfallentsorgungsmarkt durch private Konkurrenz erhalten bleiben und die Prüfung im Einzelfall erfolgen (Schomerus, a. a. O., § 17 RdNr. 48, 49; Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 49, 57). § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG lässt die gebotene europarechtskonforme Handhabung zu; die Bestimmung wird verschiedentlich als widerlegbare Vermutungsregel qualifiziert (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 38; Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 57). Richtig dürfte zur Sicherung der Europarechtskonformität des deutschen Rechts jedenfalls der Zugriff auf den normativen Gehalt der maßgeblichen Bestimmungen sein: Wenn der öffentlich-rechtlich organisierten Abfallentsorgung, um private Wettbewerber ausschließen zu können, eine „Gefährdung“ drohen muss (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG) bzw. die Aufgabenerfüllung bei Zulassung der privaten Konkurrenz „verhindert“ werden würde (Art. 106 Abs. 2 AEUV), ist das vom Antragsgegner postulierte Modell der systematischen Unvereinbarkeit zwischen öffentlich-rechtlicher und privater Abfallentsorgung im Hausmüllbereich de lege lata nicht vertretbar, sondern es muss im konkreten Fall zumindest eine Art Geringfügigkeitsschwelle beachtet werden, um „wirtschaftlich ausgewogene Bedingungen“ der öffentlich-rechtlich organisierten Abfallentsorgung gefährdet zu sehen (VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 82, spricht mit Blick auf die Müllgebühren von einer Erheblichkeitsgrenze bzw. Toleranzschwelle von 10% bis 12%; ähnlich OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 15 f.). Dazu hat der Antragsgegner nichts von Substanz vorgetragen. Auch sonst ist eine wirkliche „Gefährdung“ der Abfallentsorgung im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG nicht erkennbar. |
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| Die vagen, pauschalen und unspezifischen Annahmen des Antragsgegners erlauben allenfalls die rechtliche Schlussfolgerung, dass die gewerbliche Sammlung des Antragstellers - sowie andere gewerbliche Sammlungen im Landkreisgebiet - den Abfallwirtschaftsbetrieb des Beigeladenen bzw. einen von diesem beauftragten Dritten beeinträchtigen könnte. Dies genügt jedoch für die Bejahung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG nicht. Nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers sind „Beeinträchtigungen“, also unterhalb der Schwelle einer „Gefährdung“ der Funktionsfähigkeit bleibende Nachteile, hinzunehmen (BT-Drucks. 17/6052, S. 87). Jede andere Deutung des Gesetzes wäre mit Art. 106 Abs. 2 AEUV unvereinbar; die europarechtskonforme Handhabung des nationalen Rechts ist indessen nicht disponibel. |
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| b) Der Antragsgegner hat auch nicht dargetan, dass „überwiegende öffentliche Interessen“ im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 KrWG deshalb zu bejahen sind, weil die „Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird“ (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG). Nach summarischer Prüfung ist weder ein Fall nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG gegeben, noch ist das Regelbeispiel gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG vorliegend erfüllt; den Tatbestand des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG macht der Antragsgegner nicht geltend. |
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| aa) Der Antragsgegner beruft sich darauf, dass der Beigeladene in dem betroffenen Entsorgungsgebiet bereits in öffentlich-rechtlicher Verantwortung Alttextilien über Sammelcontainer haushaltsnah erfasst und einer hochwertigen Verwertung zuführt; daher sei nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG eine konkurrierende gewerbliche Sammlung unzulässig, eine Einzelfallprüfung dürfe nicht (mehr) durchgeführt werden. Folglich komme es auf den Umfang der gewerblichen Sammlung nicht an, und auch die Relation des gewerblich gesammelten Abfalls zur Abfallmenge insgesamt sei unbeachtlich. Konkurrierten eine gewerbliche Sammlung und eine kommunale Sammlung um die gleichen Abfälle, nehme das Gesetz eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung an, so dass die gewerbliche Sammlung unzulässig sei. |
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| (1) Diese Maßstabsbildung verfehlt das geltende Recht. Die Argumentation des Antragsgegners stützt sich auf ein enges Verständnis des Gesetzeswortlauts. Danach soll ein bestehendes Entsorgungssystem (falls „haushaltsnah“, „hochwertig“) gegen jedwede private Konkurrenz geschützt werden, sofern nicht ausnahmsweise § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG eingreift; ob tatsächlich eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung vorliegt, soll - auch im Falle der Drittbeauftragung - unbeachtlich sein, weil ein Nebeneinander von Sammlungen gleicher Abfallarten gesetzlich ausgeschlossen sei (VG Köln, Beschl. v. 25.1.2013 - 13 L 1796/12 - BA RdNr. 10 und 11; Queitsch, UPR 2012, 221, 226; ders., AbfallR 2012, 290, 292). Diese Rechtsauffassung führt im Ergebnis zu einem absoluten Konkurrentenschutz, falls ein öffentlich-rechtlich organisiertes Entsorgungssystem besteht; danach soll jedweder Wettbewerb im Bereich der hier fraglichen Abfallentsorgung per se unzulässig sein. |
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| Ein solches Verständnis des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG, das die bloße Existenz eines Systems der haushaltsnahen oder sonstigen hochwertigen getrennten Erfassung und Verwertung der Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bzw. einen von diesem beauftragten Dritten für den Ausschluss einer gewerblichen Sammlung genügen lässt, ist nicht europarechtskonform (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 41 f.); sie verfehlt die Anforderungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV, verstößt insbesondere gegen das Gebot der „Erforderlichkeit“. Eine derartige Deutung des Gesetzeswortlauts ist allerdings keineswegs zwingend und wird durch die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte widerlegt, so dass Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG eine europarechtskonforme Auslegung und Anwendung der Bestimmung gebieten. |
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| (2) Ob § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine - ggf. widerlegbare (so VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 85; VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 38; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 527; Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 65) oder unwiderlegbare (so Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 136; Queitsch, AbfallR 2013, 169, 173) - Vermutungsregelung trifft , bedarf jedenfalls in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner Klärung, weil die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Mit der Formulierung „insbesondere“ stellt der Gesetzgeber klar, dass auf der Tatbestandsseite Regelbeispiele normiert werden; dies schließt nicht aus, dass die in dem Regelbeispiel zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Vorstellung im Einzelfall möglicherweise nicht zutrifft. Nach dem Gesetzeswortlaut liegt im konkreten Fall mithin nicht zwingend eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung vor, falls das Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG bejaht wird; vielmehr kann im Einzelfall eine gewerbliche Sammlung bei fehlender wesentlicher Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durchaus zulässig sein (Beckmann/Wübbenhorst, DVBl 2012, 1403, 1408). |
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| Gesetzessystematisch fungiert § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG als Konkretisierung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG. Danach wird in einem materiellen Sinne vorausgesetzt, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung „wesentlich beeinträchtigt wird“. Dieses schon europarechtlich gebotene materielle Verständnis ist gleichsam nicht hintergehbar, weil jene Bestimmung in dem Kaskadenmodell des § 17 Abs. 3 KrWG ihrerseits eine Konkretisierung des § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG darstellt; die dort geschützte Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von diesem beauftragten Dritten kann sinnvollerweise nicht bereits auf Grund des bloßen Nebeneinanders von gewerblicher und kommunaler Sammlung gleicher Abfallarten ohne inhaltliche Würdigung der konkurrierenden Entsorgungssysteme als „gefährdet“ angesehen werden. Schließlich darf nicht verkannt werden, dass die in § 17 Abs. 3 KrWG angelegten Konkretisierungsstufen der Konturierung „überwiegender öffentlicher Interessen“ im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG dienen; dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff nicht allein mit einem formalistischen Verständnis des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG zureichend ausgefüllt werden kann, liegt auf der Hand. |
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| Entstehungsgeschichtlich hat das Merkmal „wesentliche Beeinträchtigung“ europarechtliche Ursprünge. Vor dem Hintergrund des Art. 106 AEUV hatte die EU-Kommission im Notifizierungsverfahren zum Gesetzentwurf zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 28. Mai 2011 darauf hingewiesen, dass nur „wesentliche“ Auswirkungen gewerblicher Sammlungen auf die Kommunen im Rahmen der Einzelfallabwägung des § 17 Abs. 3 KrWG berücksichtigt werden dürften; andernfalls könne der Zugang eines neuen Wettbewerbers EU-rechtswidrig behindert werden (Mitteilung SG[2011] D/51545 im Notifizierungsverfahren 2011/0148/D). Unter ausdrücklicher Erinnerung an diesen Vorgang hat die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates die EU-rechtskonforme Fassung des § 17 Abs. 3 KrWG angemahnt (BT-Drucks. 17/6645, S. 5). Der zuständige BT-Ausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung darauf reagiert (BT-Drucks. 17/7505, S. 3). Die europarechtskonforme Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts drängt sich geradezu auf. |
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| Nach Sinn und Zweck des Kaskadenmodells gemäß § 17 Abs. 3 KrWG steht Satz 3 Nr. 1 im Dienste der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlich organisierten Entsorgungssystems (Satz 1). Eine „Gefährdung“ dieser Funktionsfähigkeit (Satz 2) durch eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers kann allenfalls angenommen werden, wenn die gewerbliche Sammlung – „in ihrer konkreten Ausgestaltung“ und ggf. „im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen“ (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG) – mehr als nur einen geringen Anteil des gesamten Aufkommens einer bestimmten Abfallart (hier: Alttextilien) im Entsorgungsgebiet erfasst (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 42: keine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit bei lediglich 10% bis 15% einer getrennt erfassten Abfallfraktion; ebenso Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 66 m. Nachw. zur entsprechenden Rechtsprechung nach dem KrW-/AbfG). Ein anderes Gesetzesverständnis wäre europarechtlich kaum haltbar (VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 85). Und selbst bei rein innerstaatlich angelegter Gesetzesdeutung kann ernsthaft nicht davon gesprochen werden, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung „wesentlich“ beeinträchtigt wird, wenn nur eine eher geringfügige gewerbliche Sammlung bestimmter Abfälle stattfindet (OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 19). Andernfalls bewirkte die Gesetzesanwendung einen rechtlich unzulässigen absoluten Konkurrentenschutz. |
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| Der Antragsgegner hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - kaum substantielle Ausführungen zur Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des Beigeladenen gemacht. Es werden lediglich Prognosen darüber angestellt, welche Mengen von Alttextilien aus privaten Haushaltungen jährlich eingesammelt werden könnten (ca. 1.600 t). Was dies für die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des Beigeladenen bedeutet, wird nicht dargelegt; insbesondere bleibt offen, ob darin eine „wesentliche Beeinträchtigung“ gesehen werden kann. Keine Angaben finden sich ferner dazu, ob eine eventuelle „wesentliche Beeinträchtigung“ als „Gefährdung“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG gedeutet werden könnte. Auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG (im Sinne der europarechtskonformen Deutung) kann sich der Antragsgegner demzufolge nicht berufen. |
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| bb) Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht etwa deshalb anzunehmen, weil die Zulassung der gewerblichen Sammlung des Antragstellers gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschweren oder unterlaufen würde. Diese Bestimmung schützt das – bereits durchgeführte oder bevorstehende – Vergabeverfahren; Prämisse der Regelung ist die Gewährleistung von Wettbewerb um den Abfallentsorgungsmarkt, nicht in diesem Markt. Nach dem gesetzgeberischen Willen zielt § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG auf „die wettbewerbskonforme Einbindung der privaten Entsorgungswirtschaft in die kommunale Aufgabenwahrnehmung und sichert so die 'duale' Entsorgungsverantwortung im Bereich der Entsorgung von Haushaltsabfällen ab“ (BT-Drucks. 17/7505, S. 44). |
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| Die Vergabe von Entsorgungsleistungen schützt demnach den erfolgreichen Bieter gegenüber konkurrierenden gewerblichen Sammlungen. Der mit dem öffentlichen Auftrag betraute bzw. zu betrauende Dritte wird sogar monopolartig geschützt; ausweislich der in § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG getroffenen Regelung, die Nr. 3 des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG gerade nicht in Bezug nimmt, wird der erfolgreiche Bieter dergestalt privilegiert, dass er vor jedweder Konkurrenz durch gewerbliche Sammler geschützt ist (Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 136). Der Senat lässt offen, ob eine so weit gehende (temporäre) Monopolisierung der Entsorgungsleistungen mit dem EU-Recht vereinbar ist; jedenfalls liegen die Voraussetzungen beider Alternativen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG nicht vor. |
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| (1) Zu Unrecht beruft sich der Antragsgegner zunächst darauf, dass durch die Zulassung der gewerblichen Sammlung des Antragstellers die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb unterlaufen werde (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG). Diese Regelung erfasst Fallgestaltungen, in denen ein gewerblicher Sammler als Bieter im Vergabeverfahren den Zuschlag nicht erhalten hat (VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 90) oder am Ausschreibungswettbewerb des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gar nicht teilgenommen hat und nun eine gewerbliche Sammlung vornimmt. Der erfolgreiche Bieter, der als Auftragnehmer gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vertragliche Bindungen eingeht, wird durch § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG vor einer derartigen „illegitimen“ Konkurrenz während der Vertragslaufzeit geschützt. |
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| Dieser gesetzliche Schutz greift jedoch nur bei einer rechtmäßigen Auftragsvergabe, also einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren, ein. Denn ausweislich der erwähnten gesetzgeberischen Zielsetzung geht es um die „wettbewerbskonforme“ Einbindung Privater. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG schützt das berechtigte Vertrauen des erfolgreichen Bieters in die Angebotskalkulation des Auftraggebers; vertraut werden darf auf die Exklusivität der Entsorgungsleistung während der Vertragslaufzeit und auf die Vertragstreue des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 132 f.). Ein „berechtigtes“ und damit schützenswertes Vertrauen des Auftragsnehmers kann jedoch nur bei einem rechtmäßigen Vergabeverfahren anerkannt werden; andernfalls würde - wettbewerbswidrig - illegales Verhalten prämiert. Bei der Vergabe von Entsorgungsleistungen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG muss gemäß § 100 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 2 VgV ab einem Schwellenwert von 200.000,- Euro eine europaweite Ausschreibung der Auftragsvergabe erfolgen (§ 4 Abs. 1 VgV, § 15 VOL/A-EG). Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, dass im vorliegenden Fall eine europaweite Ausschreibung unterblieben ist. Bereits im Verwaltungsverfahren und im Eilverfahren beim Verwaltungsgericht hat der Antragsteller Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auftragsvergabe geäußert. Im Beschwerdeverfahren hat er vorgetragen, trotz eines Auftragsvolumens von 275.000,- Euro sei die gebotene europaweite Ausschreibung der Vergabe von Entsorgungsleistungen nicht vorgenommen worden (Bl. 181 d. A.). Dem hat der Antragsgegner nicht widersprochen, er hat auf diese Einlassung in seiner Erwiderung überhaupt nicht reagiert (vgl. Bl. 277 f. d. A.). Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand muss der Senat folglich davon ausgehen, dass der Beigeladene die Vergabe der hier relevanten Entsorgungsleistungen nicht in einem rechtmäßigen Verfahren vorgenommen hat. Dann aber kann der erfolgreiche Bieter keinen Vertrauensschutz mit der Konsequenz reklamieren, dass eine jedwede gewerbliche Sammlung unzulässig ist, so dass dem Antragsgegner der Rückgriff auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KrWG abgeschnitten ist. |
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| Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die unzulässige sog. de facto-Vergabe gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB ein Grund für die Unwirksamkeit des Vertrags im Vergaberecht ist. Von der Bestimmung sind auch Fallgestaltungen erfasst, in denen die gebotene europaweite Ausschreibung unterblieben ist (Braun, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2011, § 101b GWB RdNr. 46; Weyand, Vergaberecht, 2013, § 101b GWB RdNr. 26). Die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gilt im Falle des § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GWB). Dass die Anerkennung der Unwirksamkeit vergaberechtlich die Feststellung in einem Nachprüfungsverfahren voraussetzt (§ 101b Abs. 2 GWB), ist der Rechtssicherheit der Auftragsvergabe geschuldet. Darum geht es hier nicht. Abfallrechtlich bleibt es dabei, dass ein rechtswidriges Vergabeverfahren nicht privilegiert wird und daher nicht zur Unzulässigkeit einer gewerblichen Sammlung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG führt. |
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| (2) Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, dass durch die gewerbliche Sammlung des Antragstellers die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert wird (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 KrWG). Dabei kann der Senat die kontrovers erörterte Frage offen lassen, ob ohne den Erlass einer Untersagungsverfügung die parallel durchgeführte gewerbliche Sammlung von Abfällen zu einer unkalkulierbaren Schwankungsbreite der Mengenparameter mit der Folge führt, dass eine unklare Leistungsbeschreibung und daher ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 VOL/A-EG zu erwarten ist (vgl. VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 91 ff.; Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 133 f.), oder ob - da die Abgabe von Alttextilien ohnehin Unwägbarkeiten ausgesetzt ist - den möglichen Mengenschwankungen vergaberechtlich durch eine entsprechende Formulierung der Ausschreibungsbedingungen Rechnung getragen werden kann, da die Größenordnung der Schwankungsbreite abschätzbar ist (vgl. OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 23; Beckmann/Wübbenhorst, DVBl 2012, 1403, 1409). |
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| Soll durch § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 1 KrWG ein Vergabeverfahren geschützt werden, muss ein solches konkret in Aussicht stehen. Das ist hier nicht der Fall; der Beigeladene hat gerade erst in Bezug auf Alttextilien ein solches Verfahren durchgeführt. Die abstrakt gehaltene Argumentation des Antragsgegners (Bl. 77 d. A.) läuft darauf hinaus, dass eine gewerbliche Sammlung per se ausgeschlossen wäre, wenn sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger an Stelle der Eigenwahrnehmung der Abfallentsorgungsaufgabe für eine Drittbeauftragung (§ 22 KrWG) entschieden hat; reklamiert wird damit, europarechts- und gesetzeswidrig, ein absoluter Konkurrentenschutz. Ein erneutes (diskriminierungsfreies und transparentes) Vergabeverfahren ist jedoch erst in Bezug auf den Zeitraum nach Ablauf der jetzigen, mit dem Dritten vereinbarten Vertragslaufzeit durchzuführen (vgl. Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 133). Dazu hat der Antragsgegner keine Angaben gemacht. Die Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 KrWG verfolgt demzufolge den Zweck, rein prophylaktisch gewerbliche Sammler vom Markt zu verdrängen. Dieses Vorgehen ist von der Bestimmung nicht gedeckt. Ohne Ansehung eines bestimmten Vergabeverfahrens kann nicht beurteilt werden, was „erheblich erschwert“ werden soll; eine solche – hier nicht mögliche – Prüfung schreibt das Gesetz indessen zwingend vor. |
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| Folgte man nicht dieser „Tatbestandslösung“, müsste dasselbe Ergebnis als „Rechtsfolgelösung“ nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG erzielt werden. Danach wäre die Untersagungsverfügung nur rechtmäßig, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 (i. V. m. Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 1) KrWG normierten Voraussetzungen „anders nicht zu gewährleisten ist“. Nach diesem bindend vorgeschriebenen Maßstab des Übermaßverbots („Erforderlichkeit“ einer behördlichen Maßnahme) kann eine künftige Auftragsvergabe gegenüber „wesentlichen Erschwerungen“ in Bezug auf Diskriminierungsfreiheit und Transparenz jedoch „anders“ dadurch geschützt werden, dass zu dem gegebenen späteren Zeitpunkt vor Einleitung des dann anstehenden Vergabeverfahrens die tatsächliche Lage („Schwankungsbreite“ von Mengenparametern) konkret geprüft und gegebenenfalls mit einer Untersagungsverfügung reagiert wird. Im Sinne des Übermaßverbots ist es in keiner Weise erforderlich, nach einer erst jüngst erfolgten Auftragsvergabe rein vorsorglich mit Blick auf künftige Vergabeverfahren, zu denen der Antragsgegner nichts Konkretes vorgetragen hat, gewerbliche Sammlungen pauschal zu verbieten. |
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| Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Antragsgegner zitierten Urteil des VG Ansbach. Dort ging es um den Schutz einer noch laufenden Ausschreibung des Beigeladenen (VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 91); es konnte in jenem Fall konkret ermittelt werden, ob diese Ausschreibung durch eine gewerbliche Sammlung „wesentlich erschwert“ wird. Hier ist eine Ausschreibung in nächster Zeit nicht in Sicht, jedenfalls hat der Antragsgegner dazu nichts vorgetragen, so dass es an dem gesetzlich vorausgesetzten Schutzgut fehlt. |
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| 2. Unabhängig davon, dass die Untersagungsverfügung schon deshalb rechtswidrig ist, weil die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht erfüllt sind, liegt auch ein Verstoß gegen die in § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG normierte Rechtmäßigkeitsanforderung der „Erforderlichkeit“ der Untersagungsverfügung vor. |
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| a) Der Antragsgegner hat, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, die gesetzlich vorgeschriebene zweistufige Prüfung im Rahmen des § 18 Abs. 5 KrWG nicht durchgeführt. Darin liegt zugleich ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, weil dem Gebot der „Erforderlichkeit“ einer behördlichen Maßnahme beim Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht Rechnung getragen worden ist. |
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| aa) Eine Untersagungsverfügung darf nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nur erlassen werden, wenn die Einhaltung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG „anders nicht zu gewährleisten ist“. Diese gesetzliche Vorgabe stellt eine Konkretisierung des Übermaßverbots (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. w. S.) dar (NdsOVG, a. a. O., S. 221). Die Untersagung, d.h. ein vollständiges Verbot einer gewerblichen Sammlung stellt im Vergleich mit anderen Reglementierungen (dazu unten B. III. 2. b) den intensivsten Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eines gewerblichen Sammlers dar und kommt daher bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen nur als ultima ratio in Betracht (NdsOVG, a.a.O., S. 221; OVG NRW, Beschl. v. 19.07.2013 - 20 B 122/13 - juris RdNr. 18; VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 47; Dippel, in: Schink/Versteyl, a. a. O., § 18 RdNr. 24). Dies setzt voraus, dass die Untersagungsverfügung im konkreten Fall die einzige geeignete Maßnahme zur Einhaltung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG ist (OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 12). Die Beachtung dieser Anforderungen stellt § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG dadurch sicher, dass die zuständige Behörde zu einer entsprechenden Prüfung verpflichtet ist (Schomerus, in: Ver-steyl/Mann/Schomerus, a. a. O., § 18 RdNr. 16). |
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| In der Sache nimmt die Formulierung „anders nicht zu gewährleisten“ – wie schon die Gesetzessystematik nahelegt – die in § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG genannten behördlichen Befugnisse in Bezug, weil deren Ausübung die Berufsfreiheit des gewerblichen Sammlers weniger belasten würde als ein vollständiges Verbot (OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 12; Dippel, in: Schink/Versteyl, a. a. O., § 18 RdNr. 24). Trifft das im konkreten Fall zu, steht ein milderes Mittel zur Sicherung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG zur Verfügung, so dass durch ein behördliches Vorgehen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG dem durch § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG angeordneten „Interventionsminimum“ (Gebot des schonendsten Eingriffs) Rechnung zu tragen ist (NdsOVG, a. a. O., S. 221; VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 48). Dabei sind „Bedingung“, „Befristung“ und „Auflage“ nicht im Sinne des § 36 VwVfG als Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts zu verstehen, sondern es handelt sich um behördliche Eingriffsmaßnahmen durch eigenständigen Verwaltungsakt (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/6052, S. 89; ferner z. B. Schwind, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., § 18 KrWG RdNr. 52). Die Qualifizierung als „Nebenbestimmung“ scheidet schon deshalb aus, weil es an einem die gewerbliche Sammlung zulassenden Verwaltungsakt (Genehmigung, Erlaubnis etc.) fehlt; denn eine gewerbliche Sammlung muss nicht behördlich zugelassen werden, sie ist lediglich anzuzeigen (§ 18 Abs. 1 KrWG). Insoweit verhält es sich hier rechtsdogmatisch nicht anders als im Versammlungsrecht; da eine Versammlung nicht genehmigungsbedürftig ist, sondern nur anmeldepflichtig (§ 14 VersG), meint „Auflage“ im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG nicht eine Nebenbestimmung zu einem begünstigenden Verwaltungsakt, sondern bezeichnet eine eigenständige Verfügung, also einen Verwaltungsakt (BVerfG, Beschl. v. 21.3.2007 - 1 BvR 232/04 - NVwZ 2007, 1183, 1184). |
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| bb) Nach diesem System abgestufter Eingriffsbefugnisse muss die zuständige Behörde im konkreten Fall darlegen, warum an Stelle des Verbots nicht eine mildere Maßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (bzw. des von diesem beauftragten Dritten) in Betracht kommt (NdsOVG, a. a. O., S. 221; VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 49). Durchzuführen ist stets eine zweistufige Prüfung: Zunächst ist der Erlass von Maßnahmen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG zwecks Sicherstellung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG zu prüfen; kommt ein milderes Mittel im konkreten Fall nicht in Betracht, ist eine Untersagung der gewerblichen Sammlung zu prüfen (Schwind, in: v. Lersner/Wenden-burg/Versteyl, a. a. O., § 18 KrWG RdNr. 64; Schomerus, in: Ver-steyl/Mann/Schomerus, a. a. O., § 18 RdNr. 16; eingeräumt auch von Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 136, mit der – hier nicht gegebenen – Einschränkung des absoluten Schutzes des Ausschreibungswettbewerbs nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG). Der zuständigen Behörde ist es folglich versagt, sogleich zur Untersagungsverfügung zu greifen, ohne zuvor den Erlass milderer Maßnahmen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG ausgelotet zu haben. |
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| b) Im vorliegenden Fall ist der Antragsgegner seiner gesetzlichen Prüfungspflicht nicht nachgekommen; mehr noch, er hat sich - trotz Anerkennung der gesetzlich vorgeschriebenen zweistufigen Prüfung - ausdrücklich geweigert, in eine Prüfung nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG überhaupt einzutreten, weil eine Überwachung entsprechender Maßnahmen „von vornherein ausgeschlossen“ sei (Bl. 81 d. A.). Mit diesem Hinweis auf - tatsächliche oder vermeintliche - Vollzugsprobleme verweigert der Antragsgegner dem Gesetz den Gehorsam; eine solche Haltung ist mit der verfassungsrechtlich angeordneten Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 25 Abs. 2 LV) nicht vereinbar. Die Geltendmachung von - ohne konkrete Anhaltspunkte - erwarteten Schwierigkeiten beim Gesetzesvollzug rechtfertigt in keiner Weise, § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG insoweit zu ignorieren und dadurch ohne Rücksicht auf Art. 12 Abs. 1 GG eine Verletzung des Übermaßverbots in Kauf zu nehmen. |
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| § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG sieht unter anderem das Instrument der Befristung vor. Im Schrifttum wird unter anderem vorgeschlagen, eine angemessene Befristung der (gewerblichen) Sammlung in Betracht zu ziehen, um erneut die Voraussetzungen der Sammlung prüfen zu können (Schwind, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., § 18 KrWG RdNr. 57). Die Prüfung einer solchen Möglichkeit liegt hier schon deshalb nahe, weil eine Auftragsvergabe seitens des Beigeladenen erst unlängst erfolgt ist und es deshalb angezeigt sein könnte, zunächst einmal Erfahrungswissen zu dem im vorliegenden Fall umstrittenen Teil der Abfallentsorgung zu sammeln. Mit dem Instrument der Auflage nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG können dem gewerblichen Sammler selbstständige Handlungsgebote und Handlungsverbote aufgegeben werden (Schwind, a. a. O., § 18 KrWG RdNr. 59), wie etwa die zahlenmäßige Begrenzung der Container für Alttextilien oder die mengenmäßige Begrenzung der gewerblichen Sammlung; insbesondere letztgenannte Maßnahme kann ein taugliches Mittel zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG sein (Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 136). Auch eine derartige Maßnahme hat der Antragsgegner auf Grund seiner gesetzeswidrigen Haltung von vornherein nicht in Betracht gezogen und insoweit ebenfalls den Prüfungsauftrag des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG verfehlt. |
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| Die - angeblichen - Überwachungsprobleme bei Maßnahmen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG, die der Antragsgegner nur pauschal andeutet und nicht mit konkreten Fakten stützt, sollen offenbar vor allem darin ihren Grund finden, dass die personelle Ausstattung der unteren Abfallrechtsbehörde angesichts der Vielzahl der im Entsorgungsgebiet des Beigeladenen aufgestellten Sammelcontainer für Alttextilien eine wirksame Kontrolle nicht erlaubt. Ob dies zutrifft, mag dahinstehen. Der Antragsgegner hat nicht in Betracht gezogen, dass die behördliche Informationsgewinnung auch mit dem Instrument der Auskunft nach § 47 Abs. 3 Satz 1 KrWG erfolgen kann. Dazu gilt es zu beachten, dass die Missachtung einer Auskunftspflicht bußgeldbewehrt ist (§ 69 Abs. 2 Nr. 4 KrWG) und mit einer Geldbuße bis zu 10.000,-- Euro geahndet werden kann (§ 69 Abs. 3 KrWG). § 47 Abs. 3 KrWG entspricht weitgehend § 40 Abs. 2 KrW-/AbfG, so dass die dazu von der Rechtsprechung festgestellten behördlichen Befugnisse (vgl. Senat, Beschl. v. 30.3.2001 - 10 S 1184/00 - VBlBW 2002, 26) auch nach geltendem Recht beachtenswert sind. Die Auskunftspflicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 KrWG erstreckt sich auf alle Phasen des Umgangs mit Abfall, insbesondere auch auf Fragen zu § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG (Rüdiger, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., § 47 KrWG RdNr. 83). Bevor die danach bestehenden behördlichen Möglichkeiten nicht geprüft und ggf. ausgeschöpft sind, ist die These, eine behördliche Überwachung sei beim Erlass von Maßnahmen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG „von vornherein ausgeschlossen“, als nicht belegte bloße Behauptung unbehelflich. |
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| 3. Angesichts der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung aus Gründen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG und des § 18 Abs. 5 KrWG kann der Senat in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unentschieden lassen, ob der Antragsteller nach § 18 Abs. 7 KrWG Vertrauensschutz genießt. |
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| 4. Die Rechtswidrigkeit der Verfügung indiziert das Fehlen eines öffentlichen Interesses an ihrer sofortigen Vollziehung, und es sind auch mit Blick auf eine Folgenabwägung vom Antragsgegner keine Gesichtspunkte substantiiert worden oder sonst erkennbar, die gleichwohl für ein anzuerkennendes überwiegendes Interesse am Sofortvollzug und gegen das nach allem berechtigte Suspensivinteresse des Antragstellers streiten würden. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. |
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| Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nrn. 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467). |
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| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). |
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