Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 9 S 480/15

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. Februar 2015 - 4 K 4516/14 - geändert.

Die ... ... .... ... ..., vertreten durch die ... ... ..., diese vertreten durch den Geschäftsführer, ... ... ..., ... ...-..., wird zum Rechtsstreit beigeladen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die fristgemäß eingelegte Beschwerde (§ 147 Abs. 1 VwGO) ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist nur für den Fall der (erfolgten) Beiladung in § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich ausgeschlossen und steht auch dem Dritten zu, der seine Beiladung beantragt hatte bzw. für den ein Beteiligter dies getan hat (Czybulka, in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 65 Rn. 181; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 65 Rn. 38). Die Beschwerde ist auch begründet.
Ein Fall notwendiger Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. Indes sind die Voraussetzungen einer einfachen Beiladung auf der Grundlage des § 65 Abs. 1 VwGO erfüllt. Danach kann das Gericht, soweit das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Dabei ist das Beschwerdegericht als zweite Tatsacheninstanz infolge des Devolutiveffekts der Beschwerde zur vollen Überprüfung des angegriffenen Beschlusses befugt, in dem das Verwaltungsgericht das ihm nach § 65 Abs. 1 VwGO zustehende Ermessen zu Ungunsten der Beschwerdeführerin ausgeübt hat. Der Senat hat somit über den Antrag der Beschwerdeführerin nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ohne auf die Nachprüfung der Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichts beschränkt zu sein (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 22.03.2004 - 9 TJ 262/04 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.10.1980 - 7 B 1366/80 -, NJW 1981, 1469; Czybulka, in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 65 Rn. 169).
Der Zweck dieser Beiladung ist es, Dritte, die nicht zum Kreis der Hauptbeteiligten gehören, deren rechtliche Interessen aber durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar berührt werden können, am Verfahren zu beteiligen, damit sie die Möglichkeit erhalten, sich mit ihrem Rechtsstandpunkt Gehör zu verschaffen. Ferner soll dadurch, dass die Rechtskraftwirkungen der Entscheidung auch ihnen gegenüber eintreten, aus Gründen der Prozessökonomie etwaigen weiteren Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden. Schließlich soll der Streitstoff umfassend geklärt werden. Ein rechtliches Interesse, das eine Beiladung zu rechtfertigen geeignet sein kann, ist gegeben, wenn der Beizuladende zu einer der Parteien oder zu beiden oder zum Streitgegenstand so in Beziehung steht, dass sich je nach dem Ausgang des Rechtsstreits seine Rechtsposition verbessern oder verschlechtern kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.03.2005 - 4 VR 1001.04 u.a. -, juris, m.w.N.; Czybulka, in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 65 Rn. 21).
Danach übt der Senat sein Ermessen in dem aus dem Tenor des Beschlusses ersichtlichen Sinn aus, weil er die Beiladung der Beschwerdeführerin zum Rechtsstreit für sachgerecht erachtet.
Die Beschwerdeführerin hat einen Schriftsatz der Klägerin in einem zwischen ihnen vor dem Landgericht München geführten Hauptsacheverfahren (- 1 HK O 17935/14 -) vorgelegt, in dem diese anregt, das Verfahren auszusetzen, bis über die vorliegende Klage 4 K 4516/14 gegen das Land Baden-Württemberg rechtskräftig entschieden sei. Die Klägerin hat dort u.a. vorgetragen, dass ein Unterlassungsanspruch gegen sie nicht bestehe, weil die streitgegenständliche Werbung eine zutreffende Tatsachenbehauptung und eine zulässige reine Meinungsäußerung enthalte, für deren Richtigkeit sie überzeugende Argumente habe. Unstreitig sei zunächst, dass es sich bei den unverbindlichen Stellungnahmen der Regierung von Oberbayern und des Landesprüfungsamtes Baden-Württemberg nicht um (negative) „Anerkennungsbescheide“ handele, sondern um bloße Stellungnahmen, die nach ihrer Auffassung evident unzutreffend seien. Konsequenterweise habe sie daher Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart gegen das Land Baden-Württemberg erhoben und mit ihrem Hauptantrag beantragt festzustellen, dass das Land Baden-Württemberg verpflichtet sei, den an der freien/privaten Universität Varna angebotenen Leistungsnachweis „Medizinische Psychologie und Soziologie“ auf das Studium der Humanmedizin in Deutschland anzuerkennen bzw. hilfsweise festzustellen, dass von den entsprechenden „Vorab-Stellungnahmen“ des Landesprüfungsamts für Medizin und Pharmazie keinerlei vorgreifende Rechtswirkungen im Hinblick auf die Anerkennung des an der freien Universität Varna erworbenen Leistungsnachweises „Medizinische Psychologie und Soziologie“ auf das Studium der Humanmedizin in Baden-Württemberg ausgingen. Es werde angeregt, das Verfahren auszusetzen, bis über diese Klage rechtskräftig entschieden worden sei, da die Entscheidung über die Frage der Anerkennung des Leistungsnachweises „Medizinische Psychologie und Soziologie“ auf das Studium der Humanmedizin in Deutschland bzw. über die Frage der Rechtswirkungen entsprechender „Vorab-Stellungnahmen“ auch für das vorliegende Verfahren von entscheidender Bedeutung und somit vorgreiflich sei.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat eine Beiladung der Beschwerdeführerin für angezeigt. Die Zulässigkeit einer einfachen Beiladung setzt nämlich nicht voraus, dass der Dritte durch die Entscheidung tatsächlich in seinen Rechten berührt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn im Zeitpunkt der Beiladung die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung auf rechtliche Interessen des Beigeladenen einwirken kann. Es genügt mithin, dass sich eine Rechtsposition des Beizuladenden durch das Unterliegen einer der Parteien verbessern oder verschlechtern könnte, und dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Rechtsposition durch öffentliches oder bürgerliches Recht begründet wird (BVerwG, Urteil vom 16.09.1981 - 8 C 1.81 u.a. -, BVerwGE 64, 67). Dass diese Möglichkeit hier besteht, liegt mit Blick auf das Verfahren vor dem Landgericht München auf der Hand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Unterliegender Teil ist die Klägerin, die der Beschwerde entgegengetreten ist.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht. Gerichtskosten werden bei einer erfolgreichen Beschwerde der hier vorliegenden Art nicht erhoben, weil in Verfahren über sonstige Beschwerden nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nur bei Erfolglosigkeit der Beschwerde eine Gebühr und zum anderen (ohnehin) nur eine Festgebühr von 60,-- EUR anfällt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.